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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: 32 Wx 9/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 883
1. Eine Vormerkung ist nur geeignet, einen schuldrechtlichen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung zu sichern, nicht aber, ihn zu begründen. Das Grundbuchamt darf deswegen eine Vormerkung auf Bestellung einer Reallast, die den jeweiligen Eigentümer verpflichtet, nicht eintragen.

2. Eintragungsfähig ist jedoch eine Vormerkung, die lediglich den Anspruch gegen den derzeitigen Eigentümer sichert, auch wenn diese im Ergebnis wegen §§ 888 Abs.1, 883 Abs.2 BGB den jeweiligen Eigentümer bindet.


Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bestellten zur Urkunde ihres verfahrensbevollmächtigten Notars dem Beteiligten zu 2 eine Grunddienstbarkeit an ihrem Grundbesitz. Dieser bestellte im Gegenzug zugunsten der jeweiligen Eigentümer des gegenwärtig im Eigentum der Beteiligten zu 1 stehenden Grundstücks eine Reallast. Hierzu gab er folgende Bewilligung ab:

"Zur dinglichen Sicherung der vorstehend vereinbarten Rechte bestellt hiermit Herr H. zugunsten des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks Fl.St.Nr. 135/2 der Gemarkung S. je eine Reallast bezüglich der beiden alljährlich zu zahlenden Beträge von 100 EUR und 300 EUR an den Grundstücken Fl.St. 136/2 und 136/3 der Gemarkung S..

Die Eintragung dieser Reallasten im Range nach den an diesen Grundstücken eingetragenen Belastungen, notfalls an der nächstoffenen Rangstelle, wird bewilligt und beantragt.

Sollten die Reallasten dadurch erlöschen, dass sie im Falle einer Zwangsversteigerung der belasteten Grundstücke nicht in das geringste Gebot aufgenommen werden, ist der Eigentümer der belasteten Grundstücke verpflichtet, zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Fl.St. 135/2 je eine Reallast gleichen Inhalts an der selben Rangstelle neu zu bestellen. Die Verpflichtung besteht auch bei wiederholtem Erlöschen. Die Beteiligten

bewilligen und beantragen,

für den damit begründeten Anspruch des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Fl.St. 135/2 auf (u. U. mehrmalige) Bestellung je einer Reallast vor den vorstehend bestellten Reallasten Vormerkungen einzutragen."

Das Amtsgericht erließ eine Zwischenverfügung, die es darauf stützte, dass die Vormerkung mit Wirkung "gegen den jeweiligen Eigentümer" nicht eintragbar sei. Weiter führte es aus, dass die auf Grund der Vormerkung neu einzutragende Reallast kraft Gesetzes den Rang der Vormerkung erhalte und demnach nicht im Range hinter einer ggfs. bestehen bleibenden Vormerkung stehen könne. Schließlich sichere eine Vormerkung auch nur eine einmalige Neubestellung der Reallast, nicht eine wiederholte.

Die gegen diese Zwischenverfügung eingelegte Beschwerde des Urkundsnotars namens der Beteiligten wies das Landgericht zurück. Gegen den zurückweisenden Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten, die sich vorwiegend darauf berufen, das von ihnen angestrebte Verfahren entspreche einem Vorschlag des Bundesgerichtshofes (BGHZ 156, 274).

II.

Die gemäß § 78 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde erweist sich als begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Anspruch auf Neueintragung der Reallast könne nicht Inhalt einer Vormerkung sein, weil bei der Neueintragung einer Reallast im Falle der Zwangsversteigerung der herrschenden Grundstücke es sich um einen künftigen Anspruch handelt. Derartige künftige Ansprüche seien nur vormerkbar, wenn für die Entstehung schon eine feste Rechtsgrundlage geschaffen sei und die Entstehungsvoraussetzungen bestimmbar sind. Hieran fehle es im vorliegenden Fall.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand:

a) Die beantragte Eintragung scheitert nicht schon daran, dass für die Entstehung eines künftigen Anspruchs eine feste Rechtsgrundlage nicht geschaffen sei und die Entstehungsvoraussetzungen nicht bestimmbar sind. Maßgeblich dafür ist, dass eine Vormerkung nur dann eingetragen werden kann, wenn bereits der Rechtsboden für die Entstehung des künftigen Anspruchs vorbereitet ist (BGHZ 134, 182/184). Es bestehen zwar unterschiedliche Rechtsauffassungen hinsichtlich der Frage, ob es erforderlich sei, dass die Entstehung des Anspruchs nur noch vom Willen des künftigen Berechtigten abhänge, (BGH a.a.O.). Diese Frage kann jedoch dann offen bleiben, wenn es sich nicht nur um einen künftigen, sondern auch um einen bedingten Anspruch handelt, der hier gesichert werden soll. Ist ein Anspruch bedingt, so kann er im Prinzip von Anfang an eine gesicherte Grundlage für die Eintragung einer Vormerkung bieten (BayObLGZ 1977, 247/249). Lediglich für Bedingungen, deren Eintritt ausschließlich vom Belieben des Verpflichteten abhängt, kann u. U. etwas anderes gelten (BayObLG a.a.O.).

b) Den Ausführungen in der zunächst angefochtenen Zwischenverfügung ist grundsätzlich insofern zuzustimmen, als dort beanstandet wird, mit der vertraglichen Vereinbarung werde ein (unzulässiger) Vertrag zu Lasten Dritter geschaffen. Dies musste das Grundbuchamt schon deswegen beachten, weil es nicht daran mitwirken darf, dass das Grundbuch unrichtig wird (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13.Auflage, Rn. 1514 m. w. N. in Fn. 150). Die Vormerkung sollte wirksam werden, wenn nach Durchführung der Zwangsversteigerung, bei der die Reallast nicht in das geringste Gebot fällt, der Ersteher Eigentum kraft Zuschlags erwirbt. Damit richtet sich die Vormerkung eigentlich gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks. Ein solcher Anspruch ist nicht durch Vormerkung sicherbar (BGH NJW 1993, 324/326; MüKo/Wacke, 4. Aufl. 2004, Rn. 18 zu § 883 BGB m.w.N.; Staudinger, Neubearbeitung 2002, Rn. 60 zu § 883).

Eine Vormerkung nach § 883 BGB ist geeignet, einen schuldrechtlichen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung zu sichern, nicht aber, ihn zu begründen. Das jedoch wäre notwendig, sollte sich der Anspruch - wie auf den ersten Blick von den Beschwerdeführern gewünscht und vom Bundesgerichtshof (BGHZ 156, 274/278) vorgeschlagen - gegen einen Sonderrechtsnachfolger wie z. B. den Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren richten. Mit ihm steht der Berechtigte der Reallast nämlich in keiner schuldrechtlichen Beziehung. Die Vormerkung ist streng akzessorisch, d. h. abhängig vom Bestand des gesicherten Anspruchs. Besteht er nicht, so ist auch die Vormerkung wirkungslos (BGH NJW 2002, 2313/2314).

Das Recht auf Neubestellung einer Reallast gehört auch nicht zu den im Gesetz zugelassenen anspruchsbegründenden dinglichen Rechten wie z. B. das Vorkaufsrecht des § 1098 Abs.2 BGB; es kann daher nur den Vertragsgegner und dessen Erben binden, niemals aber die Sonderrechtsnachfolger des Eigentümers.

Dies musste das Grundbuchamt auch berücksichtigen, weil es eine ihm bekannte, aus der Eintragungsbewiligung selbst sich ergebende Unwirksamkeit zu beachten hat.

c) Der Eintragungsantrag kann jedoch in der Weise reduzierend ausgelegt werden, dass durch ihn nur der jetzige Eigentümer und seine Gesamtrechtsnachfolger betroffen sein sollten, der Sonderrechtsnachfolger aber wegen §§ 883 Abs.2, 888 BGB verpflichtet werde, einer Reallastbestellung durch den (dann früheren) Eigentümer zuzustimmen (vgl. zur Konstruktion Amann, DNotZ. 1995, 252/257 und Oppermann, RhNotZ 2004, 84/87). Gegen eine solche Auslegung spricht zwar zunächst der gewählte Wortlaut des Antrags "Der Eigentümer ...". Soweit es sich um eine Eintragungsbewilligung handelt, kann der Senat sie selbst auslegen und ist nicht an die Auslegung durch das Landgericht gebunden (vgl. Demharter, GBO, 25.Auflage, Rn. 9 zu § 78 GBO). Aber auch die schuldrechtlichen Bestimmungen des Vertrages kann der Senat deswegen auslegen, weil eine Auslegung durch das Landgericht unterblieben ist (BayObLGZ 1984, 155/158).

Die einzig sachgerechte Auslegung der Eintragungsbewilligung und des ihr zugrunde liegenden Vertrags sieht der Senat darin, dass durch die Auflassungsvormerkung nur der gegenwärtige Eigentümer und seine Gesamtrechtsnachfolger gebunden werden (vgl. MüKo/Wacke, Rn. 18 zu § 883 BGB und Fn. 86 und BGH NJW 1993, 324/326); allerdings sind Sonderrechtsnachfolger wie der Ersteher indirekt gemäß § 883 Abs.2 und 3, 888 BGB hierdurch verpflichtet. Diese Konstruktion ist jedenfalls geeignet, den von den Rechtsbeschwerdeführern gewünschten Erfolg zu zeitigen, wenn auch der damit verbundene Kosten- und Beurkundungsaufwand erheblich größer ist (vgl. Amann, DNotZ 2004, 599/601 ff.).

d) Nach Eintritt des in der Vormerkung vorgesehenen Falles erhält die dann neu einzutragende Reallast grundsätzlich den Rang der jetzt eingetragenen Vormerkung, § 883 BGB. Dies ist jedoch nicht zwingend, wie sich aus §§ 879 Abs.3, 880 BGB ergibt. Den Beteiligten ist es unbenommen, schon jetzt zu vereinbaren, dass das durch die Vormerkung zu sichernde Recht im Range nach der - bestehen bleibenden (vgl. unten e) - Vormerkung einzutragen ist. Es ist ebenso wenig zwingend, dass durch Erfüllung des vormerkungsweise gesicherten Anspruchs die Wirkung der Vormerkung erlischt. Im Grundbuch ist sie ohnehin erst zu löschen, wenn ein entsprechender Antrag und eine Bewilligung vorliegen bzw. die Unrichtigkeit der Vormerkung im Sinne des § 22 GBO nachgewiesen ist. Jedenfalls steht es den Beteiligten frei, zu vereinbaren, dass die Erfüllung die Vormerkungswirkung nicht beseitigen soll (vg. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1539 a. E. m. w. N.).

e) Durch die Vormerkung werden zwar mehrere zeitlich aufeinander folgende Ansprüche gesichert, doch handelt es sich dem Wesen nach nur um einen Anspruch, weil die zeitlich aufeinander folgenden Ansprüche auf demselben Lebensvorgang beruhen (vgl. BayObLG DNotZ 2002, 293). Dafür spricht auch, dass die Ansprüche inhaltlich identisch sind. Unter diesen Umständen genügt die Sicherung durch eine einzige Vormerkung (vgl. BayObLG NJW-RR 2003, 450/451).

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Gesetz. Eine neuerliche Festsetzung des unbeanstandet gebliebenen Geschäftswerts war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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