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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 33 AR 3/05
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 46 Abs. 2
FGG § 65a Abs. 1
Schweigt der Betreuer auf eine gerichtliche Anfrage, ob er der Abgabe des Betreuungsverfahrens an ein anderes Vormundschaftsgericht zustimme, ist dies, soweit nicht gegenteilige Anzeichen vorliegen, als Verweigerung der Zustimmung zu werten. Derartige Anzeichen fehlen, wenn das Gericht dem Betreuer zunächst mitteilt, sein Schweigen werde als Zustimmung gewertet, nach einer zweiten Anfrage aber das Schweigen als Verweigerung der Zustimmung gewertet werden soll.
Tatbestand:

Das Amtsgericht Augsburg führt für die Betroffene ein Betreuungsverfahren, in welchem für sie für alle Angelegenheiten ihre Nichte zur Betreuerin bestellt ist. Die Betroffene hält sich nunmehr seit November 2004 in einem Seniorenheim im Bezirk des Amtsgerichts Lichtenfels auf. Deshalb will das Amtsgericht Augsburg das Verfahren an das zur Übernahme bereite Amtsgericht Lichtenfels abgeben. Die Betroffene hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat sich nicht geäußert. Die Betreuerin hat auf zwei Anfragen des Gerichts, ob sie mit der Abgabe des Verfahrens einverstanden sei, nicht reagiert. Der für die Betroffene bestellte Verfahrenspfleger befürwortet eine Abgabe an das Amtsgericht Lichtenfels. Der Senat hält die Abgabe für gerechtfertigt.

Gründe:

1. Das Oberlandesgericht München ist zur Entscheidung berufen (§ 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 2 Satz 1, § 199 Abs. 2 Satz 2 FGG, Art. 11a AGGVG; vgl. Senatsbeschluss vom 25.1.2005 - 33 AR 01/05). Die Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Abgabe nach § 46 Abs. 2 Satz 1, § 65a Abs. 1 Satz 1 FGG liegen vor. Die Betreuerin hat zwar der Abgabe nicht ausdrücklich widersprochen, doch kann ihre fehlende Äußerung nicht als Zustimmung gewertet werden (vgl. Beschluss des BayObLG vom 5.1.2005 - 3Z AR 44/04; vgl. auch Keidel/Engelhardt FGG 15. Auflage § 46 Rn. 19). Auch wenn eine Zustimmung grundsätzlich weder ausdrücklich noch formell zu erfolgen hat (vgl. Keidel/Engelhardt aaO), müssen doch in jedem Fall irgendwelche objektiven Anzeichen vorliegen, welche die Annahme einer konkludenten Zustimmung rechtfertigen können. Das bloße Schweigen auf eine gerichtliche Anfrage stellt kein derartiges Indiz dar (a.A. OLG Zweibrücken FamRZ 1993, 351, welches in solchen Fällen grundsätzlich von einer konkludenten Zustimmung ausgeht, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen; wie hier: BayObLG FamRZ 1995, 753; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 10. Aufl. § 46 FGG Rn. 6; Keidel/Engelhardt aaO); dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn das Gericht bei seiner Anfrage auf diese Rechtsfolge eines Schweigens hingewiesen hätte. Hier hat das Gericht zwar bei seiner ersten Anfrage in der Tat der Betreuerin mitgeteilt, eine fehlende Rückäußerung ihrerseits werde als Zustimmung ausgelegt. In der zweiten Anfrage ist der Betreuerin dann aber mitgeteilt worden, eine fehlende Äußerung werde als Verweigerung der Zustimmung betrachtet. Unter diesen Umständen ist eine klare Wertung des Aussagegehaltes ihres Schweigens nicht möglich. Es bleibt damit bei dem Grundsatz, dass das bloße Schweigen nicht als Zustimmung gewertet werden kann.

2. Gemäß § 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG kann ein Betreuungsverfahren aus wichtigen Gründen an ein anderes Vormundschaftsgericht abgegeben werden. Ob solche Gründe vorliegen, richtet sich nach Zweckmäßigkeitserwägungen. Es kommt auf die gesamten Umstände an. Maßgebend ist, ob das um Übernahme angegangene Gericht das Verfahren voraussichtlich leichter und sachdienlicher führen kann als das abgebende Gericht. Im Vordergrund hat das Wohl des Betreuten zu stehen. Aber auch das Interesse des Betreuers an einer möglichst einfachen Gestaltung seiner Amtsführung ist zu berücksichtigen, soweit dadurch die Belange des Betreuten nicht beeinträchtigt werden (BayObLGZ 1996, 274/276 und 1998, 1/2 m.w.N.). Hat sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betreuten geändert und sind die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen, ist dies in der Regel als wichtiger Grund anzusehen (§ 65a Abs. 1 Satz 2 FGG).

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Abgabe der Betreuungssache an das Amtsgericht Lichtenfels gerechtfertigt.

Die Betroffene lebt nunmehr laut Mitteilung der Stadtverwaltung in einem Seniorenheim im Bezirk dieses Gerichts. Aufgrund des Gesundheitszustandes der Betroffenen ist davon auszugehen, dass dieser Aufenthalt von Dauer sein wird. Damit ist ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne von § 65a Abs. 1 Satz 2 FGG eingetreten. Die Aufgaben des Vormundschaftsgerichts, insbesondere persönliche Anhörungen und die Verschaffung des unmittelbaren Eindrucks von der Betroffenen, sind an diesem Ort zu erfüllen. Für die Betreuerin wird die Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch eine Abgabe wesentlich erleichtert. Ihr Wohnort liegt wesentlich näher beim Amtsgericht Lichtenfels, so dass persönliche Vorsprachen beim Vormundschaftsgericht, soweit diese erforderlich sein sollten und die Angelegenheiten nicht, wie üblich, telefonisch oder schriftlich erledigt werden können, für die Betroffene wesentlich besser zu bewerkstelligen sind.

Insgesamt liegt damit kein Grund vor, eine vom Regelfall des § 65a Abs. 1 Satz 2 FGG abweichende Entscheidung zu treffen.

Ende der Entscheidung

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