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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 20.06.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 119/06
Rechtsgebiete: HeimG


Vorschriften:

HeimG § 14 Abs. 1
1. Das Verbot der Zuwendung von Geld oder geldwerten Vorteilen an einen Heimträger über das vertragliche Entgelt hinaus von oder zugunsten von Heimbewohnern schließt auch die Wirksamkeit des Vermächtnisses eines Angehörigen aus, wenn nach dessen Annahme der Heimvertrag fortbesteht.

2. Ob die Zuwendung einen "geldwerten Vorteil" bedeutet, ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen. Dass der Zuwendende oder dessen Erbe eine vermachte Immobilie wegen damit verbundener finanzieller Verpflichtungen oder Vermietungserschwernissen als lästig empfindet, steht für sich genommen der Bewertung als vorteilhaft für den Heimträger nicht entgegen.


Gründe:

I.

Für die Betroffene ist ein Betreuer mit umfangreichem Aufgabenkreis unter Einschluss der Vermögenssorge bestellt. Sie wohnt in einem Altenheim in M.

Die Betroffene ist Erbin nach ihrer am 29.5.2003 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Tochter Gudrun H. Diese war Eigentümerin zweier Wohnungen in einer Ferienanlage in F., die baulich zu einer Wohnung zusammengelegt worden sind. An diesen war für die Betroffene ein lebenslanger Nießbrauch bestellt worden, verbunden mit der Verpflichtung, alle Lasten der Immobilien zu tragen. Die Tochter hatte testamentarisch verfügt, dass das Altenstift, in welchem die Betroffene lebt, die Wohnungen als Vermächtnis zu Eigentum erhalten sollte. Der Heimträger hat dieses Vermächtnis angenommen.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 9.6.2005 ließ die Betroffene, vertreten durch den Betreuer, in Erfüllung des Vermächtnisses den Grundbesitz auf. Die Parteien beantragten die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. Der Notar stellte den Antrag auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Auflassung.

Am 20.7.2005 bestellte das Amtsgericht der Betroffenen eine Rechtsanwältin zur Verfahrenspflegerin. Nachdem diese sich zunächst für die Genehmigung der Auflassung an den Heimträger ausgesprochen hatte, empfahl sie im Anschluss an einen gerichtlichen Hinweis, die Genehmigung im Hinblick auf § 14 Abs. 1 HeimG nicht zu erteilen.

Daraufhin beantragte der Betreuer, eine Ausnahmegenehmigung nach § 14 Abs. 6 HeimG einzuholen. Das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt M. vertrat jedoch die Auffassung, dass § 14 HeimG nicht einschlägig sei.

Die Verfahrenspflegerin stellte nunmehr den ausdrücklichen Antrag, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu versagen, da das Vermächtnis unwirksam sei.

Mit Beschluss vom 29.11.2005 kündigte das Amtsgericht im Wege des Vorbescheids an, - vorbehaltlich eines binnen zwei Wochen nach Zustellung hiergegen einzulegenden Rechtsmittels - die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Erklärungen des Betreuers in der notariellen Urkunde vom 9.6.2005 bezüglich der Auflassung des verfahrensgegenständlichen Grundeigentums abzulehnen.

Gegen diesen Vorbescheid legte der Betreuer im Namen der Betroffenen Beschwerde ein.

Mit Beschluss vom 21.4.2005 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen, die nach wie vor die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Auflassung anstrebt.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt.

Die Erklärung des Betreuers in der Urkunde vom 9.6.2005 sei als Verfügung über ein Grundstück nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1, § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB genehmigungsbedürftig.

Die Auflassung sei aber bereits deshalb nicht genehmigungsfähig, weil sie nach § 134 BGB i. V. m. § 14 Abs. 1 HeimG unwirksam sei.

Nach der letztgenannten Vorschrift sei es dem Träger untersagt, sich von oder zugunsten von Heimbewohnern Geld oder geldwerte Leistungen über das nach § 5 vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Diese Vorschrift stelle ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB dar.

Die Übereignung des Grundeigentums in F. sei eine geldwerte Leistung. Die Wohnungen stellten einen Vermögenswert dar, der jedenfalls über den damit verbundenen Kosten liege. Hieran änderten auch nichts das vom Betreuer angeführte hohe Wohngeld von 444 EUR monatlich sowie die etwa zu befürchtenden Renovierungskosten. Der von der Betroffenen zu tragende Anteil für die Sanierung des Hallenbades sei im Übrigen bereits bezahlt; durch die Maßnahme habe sich der Gesamtwert des Objekts erhöht.

Außerdem sei die Betroffene als Nießbrauchsinhaberin zur Tragung der Kosten verpflichtet, unabhängig von der Frage, wer Eigentümer sei.

Die Anwendung von § 14 HeimG auf diesen Fall entspreche auch dem Zweck der Vorschrift: Sie solle einerseits Heimbewohner vor unbedachten Vermögensverfügungen schützen, die ein Träger unter Ausnutzung ihrer Gutmütigkeit oder gar nach Druckausübung erhalte. Zum anderen solle die Bevorzugung oder Benachteiligung von Heimbewohnern als Folge von getätigten oder unterbliebenen Vermögenszuwendungen durch sie oder ihre Angehörigen verhindert werden. Die Vorschrift schützte demnach den Heimfrieden, so dass bereits eine abstrakte Gefahr genüge. Diese liege auch vor, wenn der Heimträger - wie hier - mehrere Altenheime unterhalte.

Ein Gewährenlassen im Sinne von § 14 HeimG liege hier vor, obwohl der Heimträger zu Lebzeiten der Tochter der Betroffenen keine Kenntnis von dem Vermächtnis gehabt habe. Zwar sei nach h.M. bei fehlender Kenntnis des begünstigten Trägers von der Verfügung des Heimbewohners das Testament stets wirksam: Da in einem solchen Fall keine der vom Gesetzeszweck umfassten abstrakten Gefahren bestehe, gehe die grundrechtlich geschützte Testierfreiheit vor.

Das sei aber anders zu beurteilen, wenn nicht der Heimbewohner selbst Erblasser sei, sondern - wie hier - ein Angehöriger. Das Heim erhalte zu Lebzeiten der betreuten Heimbewohnerin von der Zuwendung Kenntnis. Damit sei die abstrakte Gefahr einer Bevorzugung oder Benachteiligung gegeben. Insoweit sei dem Schutzzweck des § 14 HeimG Vorrang vor der Testierfreiheit einzuräumen.

Die Kammer sei auch nicht gebunden an die von der Heimaufsicht geäußerte Rechtsauffassung, dass § 14 HeimG nicht einschlägig sei. Die Äußerung, eine Genehmigung sei nicht erforderlich, könne auch nicht als ausdrückliche Ausnahmegenehmigung nach Abs. 6 der Vorschrift angesehen werden. Die Erteilung oder Versagung der Genehmigung sei ein Verwaltungsakt. Die Heimaufsicht habe vor seinem Erlass zu prüfen, ob die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen. Die Genehmigung sei überdies zeitlich vor dem Versprechen oder Gewähren zu erteilen. Eine nachträgliche Ausnahmegenehmigung sei unwirksam.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Die begehrte Genehmigung der Erklärung des Betreuers über die Auflassung nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1, § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB kann schon deshalb nicht erteilt werden. weil das Vermächtnis, in dessen Erfüllung die Wohnungen übereignet werden sollten, gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB verstößt.

Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG untersagt dem Heimträger u. a., sich von oder zugunsten von Heimbewohnern Geld- oder geldwerte Leistungen über das nach § 5 vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

Die Vorschrift verfolgt im wesentlichen drei Zwecke: Erstens soll verhindert werden, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt wird. Sie sollen vor der nochmaligen oder überhöhten Abgeltung von Pflegeleistungen bewahrt werden (BT-Drucks. 7/1180 S. 12, 15; BVerfG NJW 1998, 2964). Zweitens soll der Heimfriede geschützt werden. Es soll verhindert werden, dass durch die Gewährung von finanziellen Zusatzleistungen oder Zusatzversprechen eine unterschiedliche (privilegierende oder benachteiligende) Behandlung der Bewohner eines Altenheimes eintritt (BT-Drucks. 7/1180 S. 12; 11/5120 S. 17.f.). Drittens dient die Vorschrift auch dazu, die Testierfreiheit der Heimbewohner zu sichern (BT- Drucks. 11/5120 S.17). Die Vorschrift soll alte Menschen davor bewahren, dass ihr Recht auf freie Verfügung von Todes wegen durch offenen oder versteckten Druck faktisch gefährdet wird (BVerfG aaO).

b) Dieses Verbot gilt nicht nur für das Versprechen oder Gewähren von Seiten des Bewohners, sondern auch von dritter Seite, z.B. von den Angehörigen des Bewohners, wie der Wortlaut "zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern" klar zu erkennen gibt (Dahlem/Giese/Igl/Klie Heimgesetz Stand: 32. Lieferung Dezember 2004 § 14 Rn. 6). In diesem Fall ist jedenfalls der zuvor genannte zweite Schutzzweck des Gesetzes berührt; denn es liegt auf der Hand, dass die Gewährung oder Verweigerung von finanziellen Vorteilen durch Dritte, die dem Heimbewohner nahe stehen, die Art seiner Behandlung durch den Heimträger bzw. dessen Personal beeinflussen können, was im Einzelfall den Heimfrieden im vorgenannten Sinne gefährden kann.

Zwar ist die Vorschrift nicht anwendbar, wenn ein Heimträger ohne sein Wissen von einem Heimbewohner zum Erben eingesetzt wird und die ihm zugefallene Erbschaft nicht ausschlägt (BayObLG FamRZ 1991, 1354). In einem solchen Fall ist der Schutzzweck der Vorschrift nicht berührt, da der Träger in seinem Verhalten gegenüber dem Bewohner nicht beeinflusst wird (BayObLG aaO; Dahlem/Giese/Igl/Klie aaO). Anders liegt dies jedoch, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Angehöriger eines Heimbewohners den Träger zum Erben bzw. Vermächtnisnehmer einsetzt und der Heimbewohner weiterhin in der Einrichtung dieses Trägers lebt und deren Dienste in Anspruch nimmt.

c) Eine Geld- oder geldwerte Leistung ist jede Zuwendung an Geld oder sonstigen Sachen, Rechten oder Diensten, deren Wert in Geld ausgedrückt werden kann, also auch die Hingabe von Immobilien (Kunz/Butz/Wiedemann HeimG 9. Aufl. § 14 Rn. 7).

Die Zuwendung der beiden Wohnungen in Form eines Vermächtnisses an den Heimträger durch die verstorbene Tochter der Betroffenen stellt grundsätzlich eine geldwerte Leistung in diesem Sinne dar. Mit dem Eigentum verbundene Kosten stehen dieser Beurteilung schon allgemein nicht entgegen, solange der Wert der Immobilie, wie hier, deutlich die in überschaubarer Zukunft aufzubringenden Aufwendungen an Wohngeld und Instandsetzungsrücklagen übersteigt. Das gilt umso mehr, als nach derzeitigem Stand die Betroffene als Inhaberin des Nießbrauchs auch sämtliche Kosten des Wohneigentums zu tragen hat, wenngleich auch dessen Nutzungs- oder Verwertungsmöglichkeit durch den Heimträger zu Lebzeiten der nießbrauchsberechtigten Betroffenen beschränkt wird.

Zwar macht der Betreuer geltend, dass das Behalten der Wohnung für die Betroffene "ruinös" sei: Die Hausverwaltung habe unverbindlich einen eventuell erzielbaren Kaufpreis von 60.000 EUR genannt, die Wohnung "in einer nicht übermäßig attraktiven Ferienanlage" sei aber aufgrund der hohen Hauskosten (für die Betroffene jährlich circa 5.320 EUR) derzeit schwer bis nicht verkäuflich. Die zuletzt erzielten Mieteinnahmen von ca. 280 EUR monatlich seien nicht kostendeckend gewesen.

Nach seiner Auffassung habe deshalb die Tochter der Betroffenen instinktiv richtig gehandelt, indem sie durch das Vermächtnis an den Heimträger ihre Mutter von der Last der Verwaltung und Unterhaltung der Wohnungen befreien und ihr zugleich durch die Chance auf eine Gegenleistung für die Ablösung des Nießbrauchs eine gesicherte Einnahme verschaffen wollte.

Jedoch kann dies allein nicht dazu führen, die Voraussetzungen einer geldwerten Leistung an den Heimträger und damit des zwingenden Zuwendungsverbots des § 14 Abs. 1 HeimG zu verneinen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss nach einem objektiven Maßstab und nicht aus der subjektiven Sicht des Zuwendenden oder des Heimbewohners beurteilt werden. Es ist zwar nachvollziehbar, dass der Betreuer die mit dem Nießbrauch der Betroffenen an den Wohnungen verbundenen finanziellen Verpflichtungen als äußerst lästig empfindet und sogar auf längere Sicht als ruinös, solange die Immobilien im Hinblick auf die bisher nicht abschließend geklärte Frage der Wirksamkeit des Vermächtnisses weder vermietet noch verkauft werden können.

Jedoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Wohnungen objektiv keinen Vermögenswert darstellten. Bei der Behauptung der Unverkäuflichkeit der Objekte kann nicht eine Preisvorstellung der von der Hausverwaltung genannten und nach Marktlage möglicherweise tatsächlich unrealistischen Größenordnung zugrunde gelegt werden. Selbst wenn die Wohnungen nach notwendigen Umbaumaßnahmen - insbesondere zur erneuten räumlichen Trennung beider Objekte - und Renovierungen nur zu einem Bruchteil der genannten Preisvorstellung zu veräußern wären, hätten sie noch immer einen Vermögenswert im Sinne von § 14 Abs. 1 HeimG.

Hierbei ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass der Heimträger bereit war, das Vermächtnis anzunehmen, was er nach der Lebenserfahrung wohl kaum getan hätte, wenn sich aus seiner Sicht die weitere Nutzung oder Verwertung der Wohnungen als ertraglos oder gar verlustbringend erwiesen hätte.

Für die Bejahung des Schutzzweckes des § 14 Abs. 1 HeimG spricht im vorliegenden Fall noch eine weitere Gegebenheit des Sachverhalts: Dem Heimträger wäre ein Verkauf oder eine Vermietung der Eigentumswohnungen nur möglich, wenn eine Einigung mit dem Betreuer der Betroffenen über die Ablösung des Nießbrauchs erzielt wird. Damit kann aber der Grad des Wohlverhaltens ihres gesetzlichen Vertreters in dieser Frage zumindest bei abstrakter Betrachtung die Haltung des Heimträgers und seines Personals gegenüber der Betroffenen beeinflussen.

d) Deshalb kann die Auffassung des Landgerichts, dass die Erklärung des Betreuers über die Auflassung der Wohnungen in Erfüllung des Vermächtnisses wegen dessen rechtlicher Unwirksamkeit nach § 14 Abs. 1 HeimG i. V. m. § 134 BGB nicht genehmigungsfähig sei, nicht beanstandet werden. Das gilt auch für die Ausführungen über die mangelnde Bindungswirkung der rechtlichen Einschätzung von Seiten der Heimaufsicht und die Annahme, dass deren geäußerte Rechtsmeinung nicht einer Ausnahmegenehmigung nach § 14 Abs. 6 HeimG gleichzustellen sei.

3. Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten, insbesondere des bestehenden Nießbrauchs der Betroffenen an den vermachten Wohnungen, einen Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde über die beantragte vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (vgl. hierzu BayObLG FamRZ 2005, 820) von 20.000 EUR für angemessen (§ 30 Abs. 1 und 2, § 131 Abs. 2 KostO).



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