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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.06.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 124/06
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 68b Abs. 3
FGG § 69i Abs. 3
FGG § 69i Abs. 6
Die Androhung der Vorführung eines Betroffenen zur psychiatrischen Begutachtung ist bei einer im Raum stehenden Verlängerung der Betreuung unanfechtbar (Abgrenzung zu BayObLG BtPrax 1995, 182 = FamRZ 1996, 499).
Gründe:

I.

Für den Betroffenen ist seit Oktober 2000 ein Betreuer bestellt. Zuletzt wurde die bestehende Betreuung mit Beschluss des Amtsgerichts vom 14.11.2003 verlängert und der Aufgabenkreis verändert. Seither ist als Aufgabenkreis festgelegt: Gesundheitsfürsorge; Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung; Vertretung bei Ämtern und Behörden und Vertretung gegenüber Sozialleistungs- und Versicherungsträgern. Gegen einen diese Entscheidung bestätigenden Beschluss des Landgerichts vom 6.2.2004 erhob der Betroffene weitere Beschwerde. Mit Schreiben vom 28.10.2004 beantragten die Verfahrensbevollmächtigten des Betreuers die Aufhebung der Betreuung. Das BayObLG ersuchte mit Verfügung vom 2.2.2005 das Amtsgericht um Prüfung, ob dieses Schreiben Anlass geben könnte, aufgrund neuer Tatsachen die Notwendigkeit der Betreuung zu überprüfen. Das Amtsgericht ordnete daraufhin am 14.2.2005 die Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens an. Einen Antrag des Betroffenen, die Betreuung ohne ein entsprechendes Gutachten aufzuheben, lehnte das Amtsgericht mit Beschluss vom 2.5.2005 ab. Das Landgericht und das Oberlandesgericht bestätigten mit Beschlüssen vom 18.7.2005 und 22.12.2005 diese Entscheidung. Nachdem der Betroffene zu Terminen beim Sachverständigen nicht erschienen war und seinerseits beantragt hatte, die Akten dem BayObLG ohne "Abhilfe" zur Entscheidung vorzulegen, drohte das Amtsgericht dem Betroffenen mit Verfügung vom 6.4.2006 an, ihn zur Untersuchung zwangsweise vorführen zu lassen. Seinem Antrag, die Akten ohne Begutachtung dem Beschwerdegericht vorzulegen, werde unter Hinweis auf den Beschluss des OLG vom 22.12.2005 nicht stattgegeben. Eine Beschwerde des Betroffenen gegen diese Verfügung verwarf das Landgericht am 3.5.2006 als unzulässig. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen.

II.

Die weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit der Erstbeschwerde zulässig, weil die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen wurde (BayObLGZ 1993, 253/255).

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:

Eine Vorführung zur Untersuchung vor erstmaliger Bestellung eines Betreuers gemäß § 68b Abs. 3 FGG sei unanfechtbar. Dies gelte auch bei Verlängerung, nicht aber bei Aufhebung der Betreuung (§ 69i Abs. 6 bzw. Abs. 3 FGG). Ein Fall des § 69i Abs. 3 FGG liege jedoch nicht vor, wenn das Gericht dem Antrag auf Aufhebung der Betreuung nicht entsprechen wolle. So liege der Fall hier. Dem Amtsgericht gehe es ersichtlich vorrangig um die Verlängerung der Betreuung. Die zahlreichen Schreiben des Betroffenen ließen erkennen, dass er wohl noch immer unter paranoiden Vorstellungen leide.

Wenn bereits die Anordnung der Vorführung zu einer Untersuchung nicht anfechtbar sei, dann müsse dies erst recht für den Hinweis gelten, dass eine solche Vorführung angedroht werde. Daran ändere sich auch durch eine Rechtsmittelbelehrung des Gerichts nichts.

Im Übrigen sei die Beschwerde gegen die Verfügung auch unbegründet. Ein Gutachten sei zur Feststellung der Erforderlichkeit der Betreuung unerlässlich. Eine Vorführung sei bei unentschuldigter Weigerung des Betroffenen verhältnismäßig.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zu Recht hält das Landgericht die Androhung der Vorführung im vorliegenden Fall für unanfechtbar. Wenn sogar die Anordnung der Vorführung selbst gemäß § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG ausdrücklich für unanfechtbar erklärt wird, muss dies erst recht für die bloße Androhung gelten.

Anders läge es allenfalls, wenn das Verfahren ausschließlich auf die Aufhebung der Betreuung oder einen Betreuerwechsel gerichtet wäre (vgl. BayObLG BtPrax 1995, 182 = FamRZ 1996, 499). Das ist jedoch nach den ausdrücklichen Feststellungen des Landgerichts hier gerade nicht der Fall. Wie bereits im Senatsbeschluss vom 22.12.2005 ausgeführt, lassen die zahlreichen Schreiben des Betroffenen erkennen, dass er möglicherweise noch immer unter paranoiden Vorstellungen leidet. Eine Verlängerung der Betreuung steht damit im Raum, sofern sämtliche Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 BGB erfüllt sein sollten.

Unabhängig von der Prüfbitte des BayObLG vom 2.2.2005, die ja ohnehin auf eine - ergebnisoffene - Prüfung der Notwendigkeit der Betreuung gerichtet war, ist die Überprüfungsfrist nach dem (vor dem BayObLG angefochtenen) Beschluss des Amtsgerichts vom 14.11.2003 bereits am 14.11.2005 abgelaufen, so dass das Amtsgericht auch aus diesem Grund eine Verlängerung der Betreuung zu prüfen hat.

Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass auch die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung nicht zu einer Anfechtbarkeit der Verfügung führen kann. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung eines Gerichts kann nicht durch dessen Ausspruch der Anfechtung unterworfen werden (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1009 m.w.N. zu einer ähnlichen Problematik bei § 574 ZPO), erst recht nicht durch eine bloße Belehrung außerhalb der Entscheidung.

b) Das Landgericht hat sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob die amtsgerichtliche Ablehnung der Vorlage der Akten an das BayObLG ohne Begutachtung eine anfechtbare Verfügung im Sinne des § 19 FGG ist. Diese Frage wird vom Senat verneint, so dass sich die Entscheidung des Landgerichts auch insoweit im Ergebnis als richtig erweist.

Offensichtlich wollte das Amtsgericht insoweit überhaupt keine Entscheidung treffen. Es hielt die Frage bereits durch den Senatsbeschluss vom 22.12.2005 für entschieden und wollte nur auf die letztinstanzliche Klärung hinweisen. Das BayObLG hatte eine Prüfung der Notwendigkeit der Betreuung erbeten und der Senat des im weiteren Verfahrensgang angerufenen Oberlandesgerichts hatte gebilligt, dass diese Prüfung nicht ohne eine Begutachtung abgeschlossen werden könne. Damit fehlt es bereits an einer beschwerdefähigen Verfügung im Sinne des § 19 FGG.

Selbst wenn man von einer Verfügung des Gerichts ausgehen würde, wäre diese nicht anfechtbar. Die Unterlassung der Aktenvorlage ist faktisch nur die Kehrseite der Fortsetzung des Verfahrens zur Klärung der Verlängerung bzw. Aufhebung der Betreuung und insoweit liegt - wie oben gezeigt - keine anfechtbare Verfügung vor. Im übrigen würde es sich nur um eine Zwischen- und keine Endentscheidung handeln. Zwischenentscheidungen sind grundsätzlich unanfechtbar, es sei denn, sie greifen nicht unerheblich in die Rechtssphäre des Betroffenen ein (vgl. Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 19 Rn. 9 m.w.N.), was hier nicht der Fall ist.

c) Eine Vorlage der Akten an das BayObLG käme zum jetzigen Zeitpunkt auch in der Sache nicht in Betracht. Die Verfügung vom 2.2.2005 bezog sich auf die Überprüfung der Erforderlichkeit der Betreuung aufgrund neuer Tatsachen. Diese ist trotz aller Bemühungen des Amtsgerichts noch nicht abgeschlossen. Für das Verfahren vor dem BayObLG können neue Tatsachen nach dem 6.2.2004 nicht berücksichtigt werden (§ 27 FGG). Wichtiger als die Entscheidung des BayObLG, ob nach der Beurteilung zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung vom 6.2.2004 - also vor mehr als 2 Jahren - die Betreuung zu Recht verlängert wurde, ist die Frage, ob der Betroffene derzeit weiter einer Betreuung bedarf. Diese Frage hat das Amtsgericht zu entscheiden, es wird daran durch das Verfahren vor dem BayObLG nicht gehindert.



Ende der Entscheidung

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