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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 138/06
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

FGG § 20
FGG § 69g Abs. 1
FGG 69i Abs. 3
FGG 69i Abs. 5
FGG 69i Abs. 8
ZPO § 607 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1897 Abs. 5
Gegen die Erteilung einer Genehmigung zum Scheidungsantrag des Betreuers für einen geschäftsfähigen Ehegatten nach § 607 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BGB hat der andere Ehegatte keine Beschwerdebefugnis (Anschluss an KG Beschluss vom 4. Oktober 2005, FamRZ 2006, 433 = BtPrax 2006, 38).
Gründe:

I.

Der Betroffene reichte im Jahre 2003 einen Scheidungsantrag gegen die Beteiligte ein. Im Laufe des Verfahrens stellte sich die Geschäftunfähigkeit des Betroffenen wegen einer Demenzerkrankung heraus. Sie wurde durch ein psychiatrisches Fachgutachten vom 1.8.2005 festgestellt. Es ist auch erheblich zweifelhaft, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Erteilung einer Vorsorgevollmacht an seinen Sohn am 9.10.2003 geschäftsfähig war. Deshalb beantragte die Verfahrensbevollmächtigte namens des Betroffenen und dessen Sohnes am 31.8.2005 vorsorglich die Bestellung eines Betreuers und die Genehmigung des Scheidungsantrages. In der Anhörung vor dem Vormundschaftsgericht erklärte der Betroffene persönlich, dass er diesem Antrag zustimme und sein Sohn die Betreuung übernehmen solle.

Mit Beschluss vom 15.9.2005 bestellte das Amtsgericht den Sohn des Betroffenen zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen: Vertretung im Scheidungsverfahren (AG München 545 F 8841/03) einschließlich der Folgeverfahren sowie im Unterhaltsverfahren (AG M. 545 F 3410/04); Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post in diesem Aufgabenkreis. Gleichzeitig genehmigte es den Scheidungsantrag.

Die dagegen erhobene Beschwerde der Beteiligten verwarf das Landgericht am 11.4.2006, soweit sie sich auf die Genehmigung des Scheidungsantrags bezog. Im Übrigen wies es die Beschwerde zurück. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der weiteren Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Im Falle der erfolglosen Erstbeschwerde ist der Erstbeschwerdeführer unabhängig von der Zulässigkeit seiner Erstbeschwerde beschwerdeberechtigt (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 10. Aufl. § 27 FGG Rn. 2). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die deutschen Gerichte für die Bestellung des Betreuers international zuständig sind. Ausweislich der Feststellungen im Protokoll des Familiengerichts vom 19.2.2004 ist der Betroffene deutscher Staatsanghöriger (§ 35b Abs. 1 Nr. 1 FGG). Da in M. auch das Scheidungsverfahren nach § 606 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu führen ist und demzufolge dort ein Bedürfnis der Fürsorge hervortritt, hat das Landgericht auch die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts M. zu Recht angenommen (§ 65 Abs. 2 FGG).

2. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

a) Die Beschwerde sei unzulässig, soweit sie sich gegen die Genehmigung des Scheidungsantrags richte, da die Beteiligte nicht beschwerdebefugt sei. Es werde in keine Rechte der Beteiligten eingegriffen. Die Entscheidung stelle nur das Recht des Betroffenen wieder her, eine Eheauflösung bei gescheiterter Ehe zu erlangen.

b) Soweit die Beteiligte sich gegen die Betreuerbestellung wende, sei sie nach § 69g Abs. 1 FGG beschwerdebefugt. Mit der Beschwerdebegründung würden keine Einwände gegen die Bestellung eines Betreuers an sich, sondern nur gegen die Auswahl des Betreuers erhoben. Die Beweisaufnahme habe keine Hinweise ergeben, dass der Betreuer ohne oder gegen den Willen oder das Interesse des Betroffenen handeln würde. Da der Betroffene in der Vorsorgevollmacht klar zum Ausdruck gebracht habe, dass er seinen Sohn zum Betreuer wünsche, sei die Auswahlentscheidung richtig.

3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zu Recht hat das Landgericht die gegen die Erteilung der Genehmigung des Scheidungsantrags gerichtete Beschwerde wegen fehlender Beschwerdeberechtigung verworfen.

aa) Die Beteiligte ist nicht nach § 20 Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigt, da deren Rechte nicht beeinträchtigt sind (vgl. KG FamRZ 2006, 433 ff).

Soweit der Gesetzgeber die Wirksamkeit bestimmter Handlungen eines Betreuers von der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig gemacht hat, wird damit regelmäßig das Ziel verfolgt, den Betreuten vor Fehlentscheidungen seines Betreuers zu schützen. In der Rechtsprechung ist seit jeher anerkannt, dass etwa die Frage der Erteilung oder Versagung von Genehmigungen nach § 1828 BGB nur das Verhältnis des Vormundschaftsgerichts zu dem Vormund betrifft und daher in die Rechtssphäre eines Dritten, der auf die Erteilung der Genehmigung kein Recht hat, grundsätzlich nicht eingegriffen wird (BayObLG FamRZ 1988, 1321 [Ls.]; OLG Frankfurt RPfleger 1979, 423; OLG Schleswig BtPrax 1994, 142/143). Infolgedessen steht dem Dritten ein Recht zur Beschwerde gemäß § 20 Abs. 1 FGG gegen die gerichtliche Genehmigung regelmäßig nicht zu (BayObLG FamRZ 1995, 302). Entsprechendes gilt für die Genehmigung nach § 607 Abs. 2 S. 2 ZPO. Der gesetzliche Vertreter eines geschäftsunfähigen Ehegatten soll nicht uneingeschränkt die Scheidung beantragen bzw. die Aufhebungsklage erheben können, weil dies dem höchstpersönlichen Charakter der Ehe widerspräche (Wieczorek/Schütze/Becker-Eberhard ZPO 3. Aufl. § 607 Rn. 1; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 21. Aufl. § 607 Rn. 1). Seine Entscheidung hat das Vormundschaftsgericht allein danach auszurichten, ob die Genehmigung dem wohlverstandenen Interesse des geschäftsunfähigen Ehegatten entspricht (Wieczorek/ Schütze/Becker-Eberhard aaO § 607 Rn. 17; Zöller/Philippi ZPO 25. Aufl. § 607 Rn. 9; vgl. auch BGH FamRZ 2002, 316 ff). Auf die Interessen des anderen Ehegatten kommt es dabei nicht an.

Durch die Genehmigung nach § 607 Abs. 2 S. 2 ZPO wird auch nicht das durch Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB geschützte Recht der Beteiligten zur ehelichen Lebensgemeinschaft unmittelbar beeinträchtigt, was Voraussetzung für eine Beschwerdebefugnis nach § 20 Abs. 1 FGG wäre (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. § 20 Rn. 42). Die Genehmigung gewinnt für den anderen Ehegatten keine unmittelbare Bedeutung. Dabei ist es unerheblich, dass durch die Genehmigung vorliegend der Mangel der Vertretungsbefugnis des Betreuers im bereits anhängigen Scheidungsverfahren geheilt wird (vgl. OLG Hamm FamRZ 1990, 166/167), so dass die Genehmigung unmittelbare Rechtswirkungen entfaltet. Diese betreffen aber noch nicht die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Rechtssphäre der Beteiligten. Durch die Genehmigung wird der Scheidungsantrag des Betroffenen nur zulässig; ob er begründet ist, prüft das Familiengericht selbständig. Das gilt insbesondere für den Trennungswillen des geschäftsunfähigen Ehegatten (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB; vgl. BGH FamRZ 1989, 479 ff; FamRZ 2002, 316/317; OLG Hamm FamRZ 1990, 166/167). An die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ist es nur insoweit gebunden, als die Genehmigung Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ist (vgl. Stein/Jonas/Schlosser aaO Rn. 4). Die Genehmigung stellt nur das - durch die Prozessunfähigkeit beeinträchtigte - Recht des Betroffenen wieder her, seinerseits bei gescheiterter Ehe deren Auflösung herbeizuführen, betrifft also nur seine Rechtssphäre nach Art. 2, Art. 6 Abs. 1 GG. Die Beteiligte wird letztlich nicht anders gestellt, als wenn der Betroffene noch prozessfähig wäre und den Scheidungsantrag selbst gestellt hätte. Auch diesen Scheidungsantrag könnte die Beteiligte nicht verhindern, sondern müsste ihre Einwendungen - die Ehe sei nicht gescheitert, es liege keine Trennung mit Willen des Betroffenen vor - im Scheidungsverfahren geltend machen (vgl. LG Berlin BtPrax 1999, 204/205).

Aus diesem Grund hat die Beteiligte auch kein Recht auf Anhörung im vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahren. Das gilt auch im Hinblick auf die erbrechtlichen Folgen des Scheidungsantrags nach § 1933 BGB. Auch in ihrem Ehegattenerbrecht nach Art. 14 GG ist die Beteiligte durch die Genehmigung nach § 607 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht betroffen. Denn die Folgen des Antrages treten nur ein, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe materiell gegeben waren. Auch hier stellt die Genehmigung des Scheidungsantrags nur das Recht des Ehegatten her, mit seinem Antrag die erbrechtlichen Folgen nach § 1933 BGB herbeizuführen. Das betrifft ausschließlich seine Rechtssphäre nach Art. 2, 6 Abs. 1, 14 GG.

bb) Auch die Voraussetzungen der speziellen, nach § 69g Abs. 1, § 69i Abs. 1 und 3 FGG geregelten Fälle einer Beschwerdebefugnis gegen den Ehegatten betreffende vormundschaftsgerichtliche Entscheidungen liegen nicht vor. Die Sonderregelungen in § 69g Abs. 1, § 69i FGG betreffen den Fall einer Beschwerde gegen die Erteilung oder Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zu einem Scheidungsantrag ebenso wenig wie zu einem Rechtsgeschäft (KG aaO; vgl. auch BayObLG FamRZ 1995, 302).

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde, wie das Landgericht angenommen hat, auf die Frage der Auswahl des Betreuers beschränkt war. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers vor. Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen gegen seinen Willen, die das Landgericht anders als das Amtsgericht zu Recht wegen des möglicherweise fehlenden natürlichen Willens angenommen hat, setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann, d.h. nicht in der Lage ist, ihn unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnener Einsicht zu handeln (§ 1896 Abs. 1a BGB).

Die Sachverständigen Dr. W. und Dr. N., an deren Fachkunde keine Zweifel bestehen, stellten diese Voraussetzungen in ihrem Gutachten vom 1.8.2005 fest. Sie werden auch von keinem Verfahrensbeteiligten in Frage gestellt.

c) Zu Recht hat das Landgericht die sich gegen die Auswahl des Betreuers richtende Beschwerde zurückgewiesen. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der sich aus der Vorsorgevollmacht vom 9.10.2003 ergebende Wunsch des Betroffenen noch auf seinem natürlichen Willen beruhte, da die Bestellung des Sohnes zum ehrenamtlichen Betreuer in den Aufgabenkreisen Vertretung im Scheidungsverfahren einschließlich der Folgeverfahren sowie im Unterhaltsverfahren, einschließlich der Postkontrolle in diesen Aufgabenkreisen, nicht zu beanstanden ist. Die Auswahl des Sohnes entspricht den Grundsätzen des § 1897 Abs. 5 BGB.

aa) Die Bestellung der Beteiligten zur Betreuerin scheidet aus. Sie gehört als Ehefrau zwar zu dem in § 1897 Abs. 5 BGB genannten Personenkreis. Da sie in dem Scheidungsverfahren jedoch Prozessgegnerin des Betroffenen ist, bestehen erhebliche Interessenkonflikte.

bb) Zwischen dem Betroffenen und seinem Sohn bestehen jedenfalls für das Scheidungs- und die Folgeverfahren keine Interessengegensätze. Hat der Betroffene Trennungswillen, was nach den obigen Ausführungen (s. II 3 a aa 3. Absatz) ohnehin von den Familiengerichten im Scheidungsverfahren zu prüfen ist, so sind die Interessen des Betroffenen, möglichst wenige Leistungen (Unterhalt, Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich) an die Ehefrau erbringen zu müssen, gleichgerichtet mit den Interessen des Sohnes, sein Erbe in möglichst großen Umfang zu erhalten.

cc) Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sohn des Betroffenen deshalb als Betreuer ungeeignet sei, weil er entgegen § 1901 Abs. 3 BGB gegen die Wünsche des Betroffenen verstieße und dies dessen Wohl zuwiderliefe. Das Landgericht hat auf Grund von Zeugenaussagen keine Hinweise dafür festgestellt, dass er gegen den Willen oder das Interesse des Betroffenen handeln würde. Die Würdigung von Zeugenaussagen ist Sache der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung und vom Gericht der weiteren Beschwerde nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) und bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (§ 25 FGG), ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ferner ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (BayObLGZ 1993, 18/19 f. m.w.N.). In diesem Rahmen sind Rechtsfehler nicht zu erkennen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 und 3 KostO.



Ende der Entscheidung

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