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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: 33 Wx 213/07
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 1837 Abs. 2
BGB § 1908i Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Umfasst der Aufgabenkreis des Betreuers weder allgemein die Personensorge noch im Besonderen die Regelung des Umgangs, ist er nicht zu Kontaktverboten gegenüber Dritten, insbesondere den Eltern des Betroffenen, befugt. Gegen ein pflichtwidrig ausgesprochenes Verbot hat das Vormundschaftsgericht aufsichtlich einzuschreiten, solange der Aufgabenkreis des Betreuers nicht entsprechend erweitert worden ist.
Gründe:

I.

Für die Betroffene wurde erstmals im Jahr 1999 eine Betreuung eingerichtet. Mit Beschluss vom 25.10.2005 hat das Amtsgericht einen Betreuer bestellt mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringungsmaßnahmen; Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim-, Pflegevertrages; Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern; Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, soweit es die Aufgabenkreise betrifft.

Die Beteiligte und Beschwerdeführerin ist die Mutter der Betroffenen. Mit Schreiben vom 20.11.2006 beantragte sie beim Amtsgericht, dem Betreuer die Weisung zu erteilen, eine von ihm angeordnete Kontaktsperre aufzuheben und ihr den Kontakt zu ihrer zur damaligen Zeit in einem Heim lebenden Tochter zu ermöglichen. Derzeit befindet sich die Betroffene freiwillig im Bezirkskrankenhaus. Am 8.2.2007 teilte das Amtsgericht mit, dass es keine Veranlassung zu einem Einschreiten gegen den Betreuer sähe und erteilte eine Rechtsmittelbelehrung. Die Beschwerde der Beteiligten wies das Landgericht am 17.7.2007 zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig, § 27 Abs. 1 FGG. Die Beteiligte ist schon deshalb beschwerdeberechtigt, weil das Landgericht ihre Beschwerde zurückgewiesen hat (BayObLGZ 1993, 73/74; Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 2).

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Das Kontaktverbot entspreche dem Wohl der Betroffenen. Es sei auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der familiären Beziehungen verhältnismäßig und nicht durch andere Maßnahmen ersetzbar. Da eine Pflichtwidrigkeit des Betreuers nicht vorliege, komme auch keine Weisung an den Betreuer in Betracht, das Kontaktverbot aufzuheben.

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

aa) Das Vormundschaftsgericht hat gemäß § 1837 Abs. 2 BGB gegen Pflichtwidrigkeiten des Betreuers durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Pflichtwidrigkeiten sind Verstöße gegen konkrete, sich aus dem Gesetz oder einer Anordnung des Gerichts ergebenden Handlungspflichten, bzw. allgemein gegen die Pflicht zur gewissenhaften Führung der Betreuung (Diederichsen in Palandt Bürgerliches Gesetzbuch 67. Auflage § 1837 Rn. 9). Die Handlungsspielräume des Betreuers sind durch die ihm vom Gericht übertragenen Aufgabenbereiche begrenzt (Diederichsen a.a.O. § 1837 Rn. 10). Ein Handeln des Betreuers außerhalb seines Aufgabenbereichs kann eine Pflichtwidrigkeit begründen.

Für den Umgang des Betreuten mit seinen Eltern ist der verfassungsrechtliche Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG zu beachten, der auch das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern umfasst (BayObLGZ 2003, 33/35). Zum Schutz der Gesundheit des Betreuten kann allerdings der Umgang des Betreuten auch mit seinen Eltern eingeschränkt und einem Betreuer die Aufgabe übertragen werden, den Umgang des Betroffenen zu bestimmen, insbesondere wenn es gilt, den Betreuten vor Besuchen oder Anrufen abzuschirmen, die seiner Gesundheit abträglich sind (BayObLGZ 2003, 33/35, BayObLG FamRZ 2000, 1524). Die Übertragung des Aufgabenkreises der Regelung des Umgangs des Betroffenen gibt dem Betreuer die Befugnis, sowohl gegenüber dem Betroffenen wie auch gegenüber dessen Eltern Umgangsverbote oder Umgangsbeschränkungen auszusprechen, die im Einzelfall gemäß § 1632 Abs. 2 i.V.m. § 1908i BGB vom Vormundschaftsgericht überprüft werden können (BayObLGZ 2003, 33/36).

bb) Da dem Betreuer bislang dieser Aufgabenbereich nicht übertragen wurde, lag angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Umgang mit ihrer Tochter in der Verhängung eines Kontaktverbots ohne rechtliche Grundlage eine Pflichtwidrigkeit des Betreuers, gegen die das Amtsgericht grundsätzlich bis zur Entscheidung über die Erweiterung des Aufgabenkreises für den Betreuer hätte einschreiten müssen.

c) Das Verfahren wird an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dem Amtsgericht hätte die Kenntnis von den Problemen der Betroffenen im Umgang mit ihren Eltern und den Mitteilungen des Betreuers zur Rechtfertigung seines Kontaktverbots Anlass geben müssen, von Amts wegen ein Verfahren zur Entscheidung über die Frage der Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers hinsichtlich der Bestimmung des Umgangs der Betroffenen einzuleiten, § 1908d Abs. 3 Satz 1 BGB. Voraussetzung ist insoweit, dass der Betroffene aufgrund seiner psychischen oder seiner körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung die Angelegenheit, deren Besorgung dem Betreuer zusätzlich übertragen werden soll, nicht selbst besorgen und auch insoweit seinen Willen nicht frei bestimmen kann (§ 1908d Abs. 3 Satz 2, § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB; BayObLG FamRZ 2004, 962; BayObLGZ 2003, 33/35 = FamRZ 2003, 962, BayObLGZ 1994, 209/211). Dies wird nunmehr, besonders vor dem Hintergrund, dass die Betroffene am 3.1.2008 gegenüber Polizeibeamten gedroht hat, sich umzubringen, wenn sie bei ihren Eltern bleiben müsse, zu klären sein.

3. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 KostO.

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