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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 08.04.2009
Aktenzeichen: 33 Wx 71/09
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1908b
FGG § 19 Abs. 1
Bekundet ein Dritter schriftlich gegenüber dem Vormundschaftsgericht ohne Darlegung seiner Beziehung zu der Betroffenen und ohne Anhaltspunkte für deren entsprechendes Einvernehmen seine Bereitschaft, die bisher berufsmäßige Betreuung ehrenamtlich zu führen und teilt ihm das Gericht daraufhin in einem kurzen Schreiben mit, es sehe keinen Anlass für einen Betreuerwechsel, liegt hierin keine für die Betroffene mit der Beschwerde anfechtbare gerichtliche Verfügung.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 33 Wx 71/09

Der 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Knittel, der Richterin Budesheim und des Richters Dimbeck

am 8. April 2009

in der Betreuungssache

auf die weitere Beschwerde der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Amberg vom 16. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Für die Betroffene wurde zunächst durch einstweilige Anordnung vom 10.12.2007 ein vorläufiger Betreuer bestellt. Auf Beschwerde des Ehemannes der Betroffenen hat das Landgericht am 18.3.2008 diesen Beschluss dahingehend abgeändert, dass als vorläufige Betreuerin die auch jetzt noch tätige berufsmäßige Betreuerin bestellt werde.

Mit Beschluss vom 9.6.2008 ordnete das Vormundschaftsgericht endgültige Betreuung an mit den Aufgabenkreisen: Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung; Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen (§ 1906 Abs. 4 BGB); Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post. Die bisher vorläufige berufsmäßige Betreuerin wurde beibehalten. Als spätester Überprüfungstermin wurde der 8.6.2015 festgelegt.

Die familiären Verhältnisse der Betroffenen sind durch tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen ihrem Ehemann und ihrem Sohn einerseits sowie ihren drei Töchtern andererseits geprägt. Die Töchter sprechen sich für eine häusliche Pflege aus, welche die Betreuerin aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit für nicht möglich hält. Ein Aufenthaltswechsel der Betroffenen aus ihrer derzeitigen Heimpflege liege nicht in ihrem Wohl.

Offensichtlich auf Initiative von Seiten der Töchter war die Angelegenheit schon wiederholt Gegenstand von Medienberichten.

Am 1.7.2008 zeigte der im kirchlichen Dienst stehende Herr P. dem Amtsgericht schriftlich seine Bereitschaft an, die ehrenamtliche Betreuung für die Betroffene zu übernehmen. Bereits am 15.7.2008 erklärte er gegenüber der Betreuungsstelle, im Hinblick auf den Widerstand des Ehemannes der Betroffenen hierfür nicht zur Verfügung zu stehen.

Mit Schreiben vom 28.11.2008 an das Amtsgericht bekundete der nach eigenen Angaben u.a. als Kunstpädagoge tätig gewesene Herr S. seine Bereitschaft, die ehrenamtliche Betreuung für die Betroffene zu übernehmen.

Am 9.12.2008 teilte ihm der zuständige Vormundschaftsrichter schriftlich mit, dass das Gericht aufgrund interner Streitereien unter den nächsten Angehörigen der Betroffenen die Betreuungsführung durch eine Berufsbetreuerin für unerlässlich und notwendig halte. Eine solche Berufsbetreuerin sei bestellt. Für die Notwendigkeit eines Betreuerwechsels ergebe sich derzeit kein Bedürfnis.

Mit Schreiben vom 23.12.2008 bestellte sich der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen gegenüber dem Vormundschaftsgericht und legte "gegen den Beschluss vom 9.12.2008" Beschwerde ein. Dem half das Vormundschaftsgericht nicht ab und legte die Sache dem Landgericht vor.

Die Kammer teilte dem Verfahrensbevollmächtigten am 22.1.2009 mit, dass sie das ausschließlich an Herrn G. gerichtete Schreiben nicht als beschwerdefähige Entscheidung im Sinne von § 19 Abs. 1 FGG ansehe. In der Bereiterklärung zur Übernahme der Betreuung liege kein Antrag auf einen Betreuerwechsel. Es stehe der Betroffenen und auch Herrn G. frei, insoweit einen Antrag zu stellen und eine beschwerdefähige Entscheidung des Amtsgerichts herbeizuführen.

Am 9.2.2009 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte gegenüber dem Vormundschaftsgericht die Entlassung der berufsmäßigen Betreuerin und die Bestellung des Herrn G. zum Betreuer. Ein Abdruck dieses Schreibens wurde dem Landgericht übermittelt.

Mit Beschluss vom 16.2.2009 verwarf das Landgericht die Beschwerde als unzulässig.

In seiner Begründung wiederholte es im Wesentlichen die Erwägungen aus seiner vorangegangenen Mitteilung an den Verfahrensbevollmächtigten. Ergänzend wies es darauf hin, dass der zwischenzeitlich eingegangene Antrag auf Bestellung des Herrn G. als Betreuer nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerdeentscheidung sei.

Diesbezüglich sei vom Amtsgericht noch eine Entscheidung zu treffen.

Mit der vom Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen eingelegten weiteren Beschwerde wird weiterhin das Ziel eines Betreuerwechsels verfolgt. Aus den gesamten Umständen ergebe sich, dass mit dem Schreiben vom 28.11.2008 der Betreuerwechsel gewünscht worden sei. Ein ausdrücklicher Antrag müsse nicht gestellt werden.

II. Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Beschwerde gegen das amtsgerichtliche Schreiben vom 9.12.2009 als unzulässig verworfen.

1. Gegen Verfügungen des Gerichts erster Instanz findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt (§ 19 Abs. 1 FGG). Verfügungen im Sinne dieser Vorschrift sind Willensentschließungen des Gerichts mit Außenwirkung gegenüber den Beteiligten, die auf eine Feststellung oder Änderung der Sach- oder Rechtslage zielen oder eine solche Feststellung bzw. Änderung ablehnen (Bassenge/Roth FGG/RpflG 11. Aufl. § 19 FGG Rn. 1). Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ist somit eine sachliche Entscheidung des Gerichts mit Außenwirkung (Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 19 Rn. 2; Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 19 Rn. 10).

Nicht jede mündliche oder schriftliche Äußerung des Gerichts erfüllt diese Anforderungen an den Begriff der Verfügung (vgl. hierzu näher Jansen/Briesemeister Rn. 11 ff.). Das gilt auch für die Äußerung von Rechtsauffassungen sowie die Erteilung von Rechtsbelehrungen; jedenfalls trifft das dann zu, wenn damit keine Willensäußerung des Richters dergestalt verbunden ist, dass er die Feststellung oder Änderung der Sach- oder Rechtslage bewirken und in einem anhängigen Verfahren den Beteiligten gegenüber durchsetzen wolle (Jansen/Briesemeister Rn. 15).

2. So liegt es hier. Das Gericht hat in seinem Schreiben vom 9.12.2008 lediglich die Bereiterklärung des Herrn G. zur Übernahme der Betreuung der Betroffenen beantwortet, ohne damit eine verfahrensgestaltende Erklärung abzugeben.

aa) Es kann offen bleiben, ob dies anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn Herr G.

zum Ausdruck gebracht hätte, dass er mit Einverständnis oder gar im Auftrag der Betroffenen handle. Dies war jedenfalls nicht der Fall. Bei objektiver Wertung stellt sich das Schreiben als Erklärung eines Außenstehenden dar, der zwar auf nicht näher dargelegte Weise gewisse Kenntnisse über die anhängige Betreuung erlangt hat. Jedoch hatte er selbst weder einen subjektiven Anspruch darauf, zum Betreuer der Betroffenen bestellt zu werden noch konnte sein Schreiben eine Verpflichtung des Gerichts begründen, allein aus diesem Anlass die Voraussetzungen eines Betreuerwechsels zu prüfen.

bb) Das Gericht hatte im Beschluss vom 9.6.2008 ausführlich dargelegt, weshalb es die bestellte Berufsbetreuerin für geeignet hielt, die aus seiner Sicht schwierige Betreuung zu führen. In dem Beschluss wird ferner angeführt, dass auch die Betroffene selbst im Rahmen der Anhörung ihr Einverständnis mit der ausgewählten Betreuerin zum Ausdruck gebracht habe.

Das Schreiben des Gerichts an Herrn G. vom 9.12.2008 kann daher nur dahingehend verstanden werden, dass es - einem Gebot der Höflichkeit folgend - dessen Anerbieten beantwortete, dabei jedoch ohne inhaltliche Prüfung der aktuellen Sach- und Rechtslage in Kurzform die Begründung des Bestellungsbeschlusses vom 9.6.2008 wiederholte.

cc) Die Ansicht des Landgerichts, hierin liege keine beschwerdefähige Entscheidung, kann somit nicht beanstandet werden. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen meint, "aus den Gesamtumständen" ergebe sich, "dass mit diesem Schreiben der Betreuerwechsel gewünscht war", ein Antrag müsse nicht gestellt werden, kann dem nicht gefolgt werden. Die Ausführungen des Herrn G. im Schreiben vom 28.11.2008 ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, dass seine Bereitschaft zur Übernahme der ehrenamtlichen Betreuung mit der Betroffenen abgesprochen sei oder sonst deren Willen entspreche. Es würde zu weit gehen, jeglicher Bekundung eines Dritten - dessen tatsächlicher und persönlicher Bezug zu dem Betroffenen dem Gericht nicht mitgeteilt wird -, er sei zur Übernahme einer ehrenamtlichen Betreuung bereit, die Rechtspflicht des Gerichts beizumessen, in verfahrensgestaltender Weise die Voraussetzungen eines Betreuerwechsels zu prüfen.

Das gilt umso mehr, wenn das Gericht erst wenige Monate zuvor mit eingehender Begründung die Führung der Betreuung durch eine berufsmäßige Betreuerin für geboten hielt und Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Betroffene selbst, die nach Auffassung des Gerichts seinerzeit mit der Person der berufsmäßigen Betreuerin einverstanden war, zwischenzeitlich ihre Meinung geändert habe.

dd) Der nachträglich am 9.2.2009 durch den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen beim Vormundschaftsgericht gestellte ausdrückliche Antrag, die berufsmäßige Betreuerin zu entlassen und Herrn G. zum Betreuer zu bestellen, musste das Landgericht nicht zu einer anderen Entscheidung veranlassen. Dieser Antrag änderte nichts daran, dass das gerichtliche Schreiben vom 9.12.2008 keine anfechtbare Verfügung war. Die Unzulässigkeit der hiergegen eingelegten Beschwerde blieb hiervon unberührt.

3. Zutreffend hat die Kammer darauf hingewiesen, dass nunmehr das Vormundschaftsgericht zu prüfen haben wird, ob ein neuer Sachstand vorliegt, der abweichend von seiner bisherigen Beurteilung im Beschluss vom 9.6.2008 Anlass für einen Betreuerwechsel geben könnte.

Soweit der Verfahrensbevollmächtigte insoweit die Untätigkeit des Vormundschaftsgerichts rügt, sieht der Senat Anlass zu dem Bemerken, dass ein erheblicher Teil der zeitlichen Verzögerung seit dem Antrag vom 9.2.2009 auf das gegen den landgerichtlichen Beschluss - noch dazu beim unzuständigen Gericht - eingelegte Rechtsmittel zurückzuführen ist. Auch die Ausschöpfung der vom Oberlandesgericht gesetzten Frist zur Begründung der weiteren Beschwerde hat dazu beigetragen, dass die Akten nicht frühzeitiger an das Vormundschaftsgericht zurückgeleitet werden konnten.

4. Die Festsetzung des Geschäftswerts der weiteren Beschwerde beruht auf § 30 Abs. 2 und 3, § 131 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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