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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 04.09.2006
Aktenzeichen: 34 SchH 6/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1029
ZPO § 1032 Abs. 2
ZPO § 1035 Abs. 4
Zu Fortgeltung und Reichweite einer Schiedsklausel bei gekündigtem Hauptvertrag.
Gründe:

I.

Die Parteien erbringen Linienverkehrsleistungen mit Kraftfahrzeugen bzw. Straßenbahnen in einem Verkehrsverbund, dem noch andere Verkehrsleistungsunternehmen angehören. Mit der bei dem Schiedsgericht beabsichtigten Klage will die Antragstellerin einen Anspruch auf Anteile an den Fahrentgelteinnahmen der Parteien und an der Zuscheidung des Verkehrsverbundes für die Zeit ab September 1999 bis Ende 2005 in Höhe von 3.346.744,75 EUR (nebst Zinsen) geltend machen. Ferner erstrebt sie die Zahlung von 1.025.759,71 EUR für Januar bis Mai 2006 und die Feststellung eines eigenen Anteils der Fahrgeldeinnahmen aus der Verkehrsgemeinschaft in Höhe von mindestens 8,25 % ab 1.6.2006.

Mit "Vertrag über die Zusammenarbeit in einer Tarif- und Verkehrsgemeinschaft" vom 20.9.1977 (VGA-Vertrag) schlossen sich die Antragstellerin, damals und heute Eigenbetrieb der Stadt G., und die Antragsgegnerin, damals Eigenbetrieb der Stadt A., zu einer Verkehrsgemeinschaft zusammen. Der Vertrag regelt u.a. die Aufteilung der Fahrleistungen sowie der Einnahmen der Gemeinschaft. Nach § 16 Nr. 1 des Vertrages kann jeder Partner den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr zum Ende der Fahrplanperiode bzw. zum 31. August durch eingeschriebenen Brief kündigen. Nach § 17 entscheidet über Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag ein Schiedsgericht. In dem in § 17 in Bezug genommenen Schiedsvertrag vom 20.9.1977 ist zur Besetzung des Schiedsgerichts u.a. geregelt, dass dieses aus drei Personen besteht. Nach § 2 des Schiedsvertrags ernennt jede Partei einen Schiedsrichter; die beiden ernannten Schiedsrichter bestellen wiederum den Obmann. Nach § 3 des Schiedsvertrags fordert die das Schiedsgericht anrufende Partei unter Bezeichnung ihres Schiedsrichters die Gegenpartei auf, innerhalb einer dreiwöchigen Frist ihrerseits einen Schiedsrichter zu bestellen. Erfolgt die Benennung nicht fristgerecht, wird der zweite Schiedsrichter durch den Präsidenten des Landgerichts A. ernannt.

Aufgrund Rahmenvertrags unter Beteiligung des Freistaats Bayern vom 27.3.1985 gründeten die Stadt A. und die umliegenden Landkreise am 24.4.1985 einen Verkehrsverbund. Unter Beteiligung der Parteien wurde mit Kooperationsvertrag vom gleichen Tag das Verhältnis zwischen Verkehrsverbund und Verkehrsgemeinschaft geregelt, wobei in § 1 dieses Vertrags der VGA-Vertrag vom 20.9.1977 und der Rahmenvertrag zur Grundlage der Kooperation gemacht wurden. Nach Änderungen am 25.4.1991, 3.11.1992 und 28.10.1993 wurde der Kooperationsvertrag am 23.10.1995 neu gefasst. Auch in der Neufassung ist der VGA-Vertrag nebst Rahmenvertrag als Grundlage bestimmt (§ 1 Abs. 1).

Unter dem 5.8.1998 kündigten die Stadtwerke A. den VGA-Vertrag vom 20.9.1977 zum 31.8.1999 durch Einschreibebrief. Am 23.12.1999 ist der Verkehrsbetrieb der Stadtwerke aus dem Vermögen der Stadt A. ausgegliedert worden, wodurch die Antragsgegnerin entstand.

Am 1.5.2000 schlossen die Parteien gemeinsam mit einem weiteren Partner erneut einen Kooperationsvertrag. Einleitend heißt es in diesem Vertrag:

Die Neufassung wird durch die Beendigung des VGA-Vertrages zwischen den Stadtwerken G. und A. zum September 1999 notwendig. Sie erfolgt aus formalen Gründen; eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden oder bezweckt.

In § 1 Abs. 1 ist als Grundlage des Vertrags auf den Rahmenvertrag Bezug genommen.

§ 13 lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Dieser Vertrag tritt am 01.09.1995 in Kraft......

(5) Für den Fall der Beendigung des VGA-Vertrages verpflichten sich die Partner dieses Kooperationsvertrages zu seiner entsprechenden Anpassung.

Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Verteilung der Einnahmen ab 1.9.1999. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass der VGA-Vertrag vom 20.9.1977 einschließlich der Schiedsgerichtsvereinbarung fortgilt. Mit der Kündigung des Vertrags sollte die gemeinsame Erbringung von Verkehrsleistungen keinesfalls beendet werden. Vielmehr sei die Kooperation nach dem Vertrag von 1995, wie durch Vertrag vom 1.5.2000 bekräftigt, fortgesetzt worden, weswegen die Kündigung nach den Grundsätzen der "unbeachtlichen Verwahrung" unwirksam sei. Auch eine Teilkündigung liege nicht vor. Selbst wenn man aber von der Wirksamkeit der Vertragskündigung ausginge, führe die faktische Fortsetzung der Zusammenarbeit dazu, dass mangels anderweitiger Regelung auf die früheren Vertragsbedingungen bei der Einnahmenverteilung zurückgegriffen werden könne.

Mit Schreiben vom 10.4.2006 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin unter Benennung "ihres" Schiedsrichters auf, binnen drei Wochen ebenfalls einen Schiedsrichter zu benennen. Nachdem die Antragsgegnerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, begehrte die Antragstellerin gemäß § 3 Satz 2 des Schiedsvertrags beim Präsidenten des Landgerichts A. die Bestellung eines Schiedsrichters. Dieser lehnte den Antrag am 30.5.2006 ab.

Die Antragstellerin hat durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 2.6.2006 beim Oberlandesgericht beantragt, einen weiteren Schiedsrichter zu bestellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Ferner begehrt sie "widerklagend" die Feststellung, dass das schiedsrichterliche Verfahren gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO unzulässig ist.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass der die Schiedsklausel umfassende Vertrag wirksam zum 31.8.1999 gekündigt worden sei. Die gegenständlichen Forderungen seien erst nach diesem Zeitpunkt entstanden, so dass das schiedsrichterliche Verfahren unzulässig sei. Für die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters sei es ebenfalls erforderlich, dass die Schiedsvereinbarung wirksam sei.

Die Antragstellerin ist dem Widerantrag entgegengetreten.

II.

Der zulässige Widerantrag erweist sich als begründet. Das schiedsrichterliche Verfahren ist unzulässig. Demgemäß ist der Antrag auf Bestellung eines weiteren Schiedsrichters abzulehnen.

1. Für die Entscheidung über den Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters nach § 1035 Abs. 4 ZPO sowie für den Feststellungsantrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist gemäß § 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz (GZVJu vom 4.11.2004, GVBl. S. 471) das Oberlandesgericht München zuständig.

Das gerichtliche Verfahren bestimmt sich dabei nach neuem Recht, auch wenn die maßgebliche Schiedsvereinbarung vor dem 1.1.1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22.12.1997 (BGBl. I S. 3224) geschlossen wurde (BayObLGZ 2000, 57/58).

Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens ist als Widerantrag (§ 33 ZPO) zu dem Bestellungsantrag zulässig und vor Konstituierung des Schiedsgerichts gestellt. Zwischen den beiden Anträgen besteht ein prozessualer Zusammenhang (Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 33 Rn. 4).

2. Der Antrag auf Bestellung eines weiteren Schiedsrichters ist abzulehnen, da der Widerantrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens der Sache nach Erfolg hat (s. unter 3.). Damit ist davon auszugehen, dass für die beabsichtigte Klage kein wirksamer Schiedsvertrag vorliegt. Dieser Umstand ist für den zugleich mit dem Widerantrag befassten Senat offensichtlich (vgl. BayObLG BB 1999, 1785; Reichold in Thomas/Putzo § 1035 Rn.9; Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. § 1035 Rn. 17 f.). § 1032 Abs. 3 ZPO rechtfertigt in dieser Verfahrenslage schon zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen keine abweichende Beurteilung.

3. Der Widerantrag ist begründet.

Im gerichtlichen Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO hat bezüglich der geltend gemachten Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens eine Prüfung nur dahingehend zu erfolgen, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, sie durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens dieser Schiedsvereinbarung unterfällt (BayObLGZ 1999, 255/269).

a) Nach § 17 des VGA-Vertrags vom 20.9.1977 entscheidet über Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag ein Schiedsgericht. Näheres hierzu ist in dem Schiedsvertrag vom selben Tag geregelt. Die Wirksamkeit dieser vor dem 1.1.1998 geschlossenen Schiedsvereinbarung beurteilt sich nach altem Recht (BayObLGZ 2000, 57/59). Gegen die Formwirksamkeit der Schiedsvereinbarung bestehen hier keine Bedenken (§ 1025 Abs. 1, § 1027 Abs. 1 und 2 ZPO a.F.).

b) Der VGA-Vertrag wurde jedoch unstreitig durch Schreiben der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin vom 5.8.1998 fristgemäß zum 31.8.1999 gekündigt, wobei die Kündigung in der in § 16 Abs. 1 des Vertrags vorgesehenen Form erfolgte. Die umfassend ausgesprochene Kündigung erstreckte sich dabei auch auf die Schiedsvereinbarung in § 17 und zugleich auf den hierauf gründenden Schiedsvertrag, so dass die gegenständlichen Ansprüche auf Auskehrung von seit dem 1.9.1999 erzielten Einnahmen von der Schiedsklausel nicht mehr erfasst werden.

(1) Dass die Antragsgegnerin die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin im Verkehrsverbund als solche nicht aufgeben, sondern fortsetzen wollte und fortgesetzt hat, macht die Kündigung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht von vornherein nach den Grundsätzen der "unbeachtlichen Verwahrung" (vgl. BGH NJW 1965, 387/388; BGHZ 95, 383/399) unwirksam. Vielmehr ging es der Antragsgegnerin, wie auch aus dem Kündigungsschreiben selbst deutlich wird, in Anbetracht der zwischen den Parteien bereits zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Einnahmenaufteilung darum, sich tatsächlich von dem Vertrag zu lösen. Dass die Antragsgegnerin andererseits aufgrund des Rahmenvertrags vom 27.3.1985 zu einer Zusammenarbeit innerhalb eines Verkehrsverbunds verpflichtet ist und dass dementsprechend auch am 1.5.2000 ein neuer Kooperationsvertrag geschlossen wurde, führt nicht dazu, die Wirksamkeit der Kündigung als solche von vornherein deswegen in Frage zu stellen, weil sich die Antragsgegnerin hierdurch zu ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch gesetzt hätte (§ 242 BGB). Vielmehr ging es der Antragsgegnerin, wie auch die Antragstellerin einräumt, darum, die den Anlass für die vorhandenen Streitigkeiten bietende, in Anlage 3 zum VGA-Vertrag enthaltene Regelung über die Höhe der Anteile der beiden Stadtwerke an den Einnahmen zu beseitigen. Die Kündigung des gesamten Vertrags mit dem Ziel von Neuverhandlungen, insbesondere über streitige Punkte, führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Kündigung ist ein Gestaltungsrecht, das das Schuldverhältnis für die Zukunft beendet (Palandt/Grüneberg BGB 65. Aufl. Einf. v. § 346 Rn. 12). Daher ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch das Verhalten der Antragsgegnerin nach Wirksamwerden der Kündigung, insbesondere die Fortführung der Einnahmenverteilung nach den bisherigen Grundsätzen, nicht ohne weiteres geeignet, den einmal beendeten Vertrag gleichsam wieder aufleben zu lassen.

(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vertragsschluss vom 1.5.2000. Im Gegenteil zeigt der zwischen den Parteien und einem Dritten abgeschlossene Kooperationsvertrag, dass auch die Antragstellerin davon ausging, der VGA-Vertrag sei inzwischen beendet, wie auch aus der Präambel dieses neuen Vertrags eindeutig hervorgeht. Sofern in dieser Präambel gleichzeitig festgehalten ist, eine inhaltliche Änderung sei nicht bezweckt, heißt das nicht, dass entgegen vorstehender Formulierung gerade die in dem VGA-Vertrag enthaltenen Regelungen fortbestehen bzw. wieder Geltung erlangen sollen. Vielmehr bezieht sich diese Klausel zunächst jedenfalls auf den früheren, ohnehin nicht nur zwischen den Parteien geschlossenen Kooperationsvertrag, der infolge des Wegfalls des VGA-Vertrags aus Sicht der am Vertragsschluss Beteiligten neu zu fassen war. Anhaltspunkte dafür, dass diese Formulierung, etwa im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. Palandt/Heinrichs § 157 Rn. 2 ff.) und unter Berücksichtigung von §§ 133, 157 BGB, so verstanden werden kann, dass insbesondere die Schiedsabrede aus dem nur die Parteien betreffenden VGA-Vertrag für Ansprüche aus der neu begründeten Vertragsbeziehung fortgelten soll, bestehen nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kooperationsvertrag vom 1.5.2000 insoweit eine Regelungslücke enthält. Schließlich entspricht es der Regel, dass Ansprüche vor den staatlichen Gerichten geltend gemacht werden können. Eine Lücke weist der neu geschlossene Vertrag daher insofern nicht auf. Er bildet vielmehr eine selbständige Regelungseinheit.

Im Übrigen enthält der Vertrag vom 1.5.2000 bezüglich der beabsichtigten Klage keine Schiedsvereinbarung in der Form des § 1031 Abs. 1 oder Abs. 3 ZPO. Die in § 12 Abs. 7 des Kooperationsvertrags enthaltene Befugnis der Regierung von S., unter anderem über Fragen der Einnahmenzuscheidung als "Schiedsstelle" nach billigem Ermessen zu entscheiden, soll lediglich die Möglichkeit schaffen, mangels Einstimmigkeit nicht zustandegekommene Beschlüsse des "Gemeinsamen Ausschusses" zu ersetzen. Eine die staatliche Gerichtsbarkeit ausschließende (Reichold in Thomas/Putzo § 1029 Rn. 3) Schiedsklausel gemäß § 1029 ZPO ist der Regelung nicht zu entnehmen.

Die Regelung in § 13 Abs. 1 des Vertrags vom 1.5.2000 bestimmt dessen Inkrafttreten allerdings auf den 1.9.1995. § 13 Abs. 5 enthält zudem eine Bestimmung "für den Fall der Beendigung des VGA-Vertrags". Hieraus lassen sich aber schon angesichts der eindeutigen Präambel keine Schlussfolgerungen ableiten. § 13 Abs. 1 und Abs. 5 sind wortgleich mit der Neufassung des Kooperationsvertrags im Jahr 1995. Es liegt nahe, dass eine Anpassung in dem Vertrag vom 1.5.2000 lediglich versehentlich unterblieben ist.

(3) Die Kündigung des VGA-Vertrages zum 31.8.1999 führt dazu, dass die zwischen den Parteien streitigen Ansprüche für die Zeit ab September 1999 nicht Gegenstand eines schiedsgerichtlichen Verfahrens auf der Grundlage der Schiedsklausel des VGA-Vertrags von 1977 sein können. Zwar ist eine Schiedsklausel als eine von den übrigen Vertragsbedingungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln (§ 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. § 1029 Rn. 13). Der Schiedsvertrag gilt aber hier lediglich für Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem VGA-Vertrag (§ 17 VGA-Vertrag). Solche werden mit der beabsichtigten Klage aber nicht verfolgt. Dass die Schiedsvereinbarung unabhängig vom Bestehen der Verkehrsgemeinschaft für alle möglichen Streitigkeiten der Parteien, die ihre Grundlage in späteren Vertragsverhältnissen haben, fortbestehen soll, ist § 17 VGA-Vertrag nicht zu entnehmen. Auch der Kündigungserklärung der Antragsgegnerin als einseitiger Willenserklärung ist, unbeschadet der Frage der Möglichkeit eines solchen Vorbehalts, nicht zu entnehmen, dass die Schiedsvereinbarung auch für die Zukunft und für künftige Rechtsverhältnisse aufrechterhalten bleiben soll.

(4) Keiner Entscheidung bedarf an dieser Stelle die Frage, nach welchen Regeln die Verteilung der Einnahmen für die Zeit nach dem 1.9.1999 stattzufinden hat und ob die zuvor geltenden Bestimmungen insoweit herangezogen werden können. Wenn entgegen § 5 des Kooperationsvertrags vom 1.5.2000 ein neuer Einnahmenzuscheidungsvertrag nicht zustande gekommen ist, wird die Frage der Einnahmenverteilung ohne eine derartige Zusatzvereinbarung gegebenenfalls durch das für die Hauptsache zuständige ordentliche Gericht zu klären sein.

c) Aus der Schiedsvereinbarung vom 20.9.1977 ergibt sich nicht, dass die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung insoweit der Prüfung durch die staatliche Gerichtsbarkeit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens entzogen sein soll.

§ 17 des VGA-Vertrags ist zwar weit gefasst und weist Streitigkeiten der Partner "im Zusammenhang mit dem Vertrag" einem Schiedsgericht zu. Die Abrede, ein Schiedsgericht solle über Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus einem Vertrag entscheiden, bedeutet im Zweifel, dass das Gericht auch darüber zu entscheiden hat, ob der Vertrag wirksam ist und welche Folgen gegebenenfalls seine Unwirksamkeit hat (BGHZ 53, 315). Ebenso umfasst die schiedsrichterliche Kompetenz in der Regel auch die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung eines Vertrags einschließlich der damit verbundenen Folgen (Münch in Münchener Kommentar zur ZPO § 1029 Rn. 48; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. § 1029 Rn. 40; Musielak/Voit § 1029 Rn. 13). Denn in der Regel ist es gerade Aufgabe des Schiedsgerichts, über die Frage der Abwicklung eines Rechtsverhältnisses und deren Folgen zu entscheiden.

Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist insoweit aber nicht zwangsläufig eine ausschließliche. Das Außerkrafttreten der Schiedsvereinbarung kann hier vor dem staatlichen Gericht geltend gemacht werden (vgl. Zöller/Geimer § 1029 Rn. 90; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 8 Rn. 15 ff.). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die nach altem Recht zu beurteilende (vgl. oben a) Schiedsabrede eine nach neuem Recht nicht mehr mögliche (BGHZ 162, 2) Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts auch für die Wirksamkeit der Kündigung des Vertrags und für künftige Rechtsverhältnisse enthielte. Maßgebend für die Reichweite der Schiedsvereinbarung ist auch insoweit ihre nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung. Eine Ausschließlichkeitsklausel enthält die Schiedsabrede in § 17 VGA-Vertrag gerade nicht. Für die stillschweigende Vereinbarung einer solchen Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts fehlen jegliche Anhaltspunkte. Zudem stammen die hier gegenständlichen materiellen Ansprüche aus der Zeit nach Beendigung des VGA-Vertrags. Die Antragstellerin hat diese Vertragsbeendigung, wie der Abschluss des Kooperationsvertrags vom 1.5.2000 zeigt, (jedenfalls zunächst) gelten lassen. Ob die jetzige Berufung auf die Schiedsklausel vor diesem Hintergrund als widersprüchliches Verhalten im Sinne von § 242 BGB anzusehen ist, kann auf sich beruhen. Jedenfalls kann der Schiedsabrede die von der Antragstellerin intendierte Reichweite nicht entnommen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 3 ZPO, § 45 Abs. 1 Satz 3, § 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG. Der Senat legt für die Schiedsrichterbestellung in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Beschluss vom 7.8.2006, 34 SchH 9/05) den vollen Streitwert der Hauptsache zugrunde. Dieser Wert wird durch den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO hier wirtschaftlich gesehen nicht erhöht.



Ende der Entscheidung

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