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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 100/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 47
1. Zur Verfahrensstandschaft der Wohnungseigentümergemeinschaft für Individualansprüche ihrer Mitglieder (Anschluss an OLG München, Beschluss vom 12.12.2005, 34 Wx 83/05).

2. Sieht das Landgericht in einem Streit um die Beseitigung einer Parabolantenne nach Hauptsacheerledigung davon ab, eine Auslagenerstattung anzuordnen, kann das Rechtsbeschwerdegericht diese Entscheidung nur auf Ermessensfehler überprüfen.

3. Absehen von der Anordnung einer Auslagenerstattung im Streit um die Berechtigung zum Anbringen einer Parabolantenne.


Tatbestand:

Die Antragstellerin ist eine größere Wohnungseigentümergemeinschaft. Dem Antragsgegner gehört in der Wohnanlage der Antragstellerin das Sondereigentum an der im 9. Obergeschoß gelegenen Wohnung Nr. 65, die an ein Ehepaar vermietet ist. Die Ehefrau ist türkischstämmig. Auf dem Balkon der Wohnung hatten die Mieter eine Parabolantenne angebracht. In der Anlage besteht Kabelanschluss. Über eine kostenpflichtige digitale Set-Top-Box können gegen monatliche Anschlussgebühren weitere türkischsprachige Programme empfangen werden.

Nach § 4 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung (GO) dürfen Schilder, Reklameeinrichtungen oder Antennen nur in der vom Verwalter zu bestimmenden Art und Form angebracht werden. Der Verwalter ist gemäß § 14 Nr. 10 GO von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

In der Eigentümerversammlung vom 17.3.2003 beschloss "die Gemeinschaft" bestandskräftig, die Eigentümer, bei deren Wohnungen Parabolantennen so aufgestellt sind, dass sie von außen wahrgenommen werden können, zu verpflichten, diese Antennen abzubauen. Sollte nach gehöriger Fristsetzung die Parabolantenne nicht abgebaut werden, wurde die Verwalterin beauftragt und bevollmächtigt, den Anspruch "der Gemeinschaft" auf Beseitigung gerichtlich geltend zu machen und hierzu Prozessvollmacht zu erteilen.

Gemäß der Hausordnung in der am 25.3.2004 beschlossenen Fassung (Punkt 03: Balkone und Terrassen) dürfen auf Balkonen und Terrassen keine Gegenstände wie Parabolantennen, Schränke, Regale aufgestellt werden, die über die Balkonbrüstung hinausragen.

Die Antragstellerin, vertreten durch die Verwalterin, hat beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die im Bereich seines Sondereigentums angebrachte Parabolantenne zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 2.9.2004 den Beseitigungsantrag abgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt. Am 22.6.2005 wurde die Antenne entfernt, worauf die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt haben. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Antragsgegners die Antragstellerseite bilden. Es hat mit Beschluss vom 19.7.2005 die Gerichtskosten beider Rechtszüge dem Antragsgegner auferlegt, eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten jedoch für keine der beiden Instanzen angeordnet. Gegen die unterlassene Kostenerstattungsanordnung richtete sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin. Die nach § 45 Abs. 1 WEG, § 20a Abs. 2, § 22 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und 4 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde gegen die erstmalige isolierte Kostenentscheidung des Landgerichts hatte in der Sache keinen Erfolg.

Gründe:

Der Beschwerdewert nach § 20a Abs. 2 FGG ist erreicht, weil das für die Verfahrensführung anfallende Honorar der Verwalterin, wie diese durch eine gemäß § 181 BGB mit der Gemeinschaft abgeschlossene Vereinbarung nachvollziehbar dargelegt hat (vgl. Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 20a Rn. 12), jedenfalls mehr als 100 EUR beträgt.

1. Das Landgericht hat, soweit erheblich, ausgeführt:

Die sofortige Beschwerde wäre voraussichtlich erfolgreich gewesen. Der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 17.3.2003 enthalte kein grundsätzliches, in die Zukunft wirkendes Verbot von Parabolantennen, sondern ordne nur die Beseitigung bestimmter bereits angebrachter Antennen an. Er sei nicht nichtig und habe die Grundlage für ein Beseitigungsverlangen bilden können. Die Antenne sei ohne weiteres sichtbar gewesen und habe die Fassadengestaltung wesentlich beeinträchtigt. Auch im Übrigen hätte sich aus § 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG, § 1004 BGB ein Beseitigungsanspruch ergeben. Der ausländische Mieter hätte nämlich auf die vorhandenen anderen Anschlussmöglichkeiten für türkischsprachige Programme verwiesen werden können. Kostengesichtspunkte hätten dabei zurücktreten müssen. Die Mieter hätten durch das eigenmächtige Anbringen der Antenne jedenfalls das aus Art. 14 GG resultierende Mitbestimmungsrecht der übrigen Wohnungseigentümer bei der Auswahl eines geeigneten Standorts verletzt. Daraus folge die Pflicht des Antragsgegners, die Gerichtskosten beider Rechtszüge zu tragen.

Hingegen sei eine Kostenerstattung nicht anzuordnen. Grundsätzlich müsse jeder Beteiligte seine eigenen Kosten selbst tragen. Davon abzuweichen bedürfe einer besonderen Rechtfertigung durch die Lage des Einzelfalls. Die Verteidigung des Antragsgegners sei weder mutwillig noch erkennbar aussichtslos gewesen. Ein möglicher Verstoß gegen Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis reiche hierfür nicht aus. Offensichtlich unbegründet sei seine Verteidigung nicht gewesen, zumal das Amtsgericht den Beseitigungsantrag abgelehnt habe. In Anbetracht der hypothetisch unterschiedlichen Entscheidungen in erster und zweiter Instanz sei für das Beschwerdeverfahren gleichfalls eine Kostenerstattung nicht anzuordnen. Die Rechtslage sei nicht eindeutig gewesen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält, soweit sie durch die Rechtsbeschwerde angegriffen ist, der auf Rechtsfehler (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 546 ZPO) beschränkten Nachprüfung stand.

a) Die Verwalterin ist tatsächlich als Verfahrensbevollmächtigte auf der Antragstellerseite tätig geworden. Das ergibt sich aus dem Eigentümerbeschluss vom 17.3.2003 in Verbindung mit der Verfahrensführung der Verwalterin vor dem Amts- und dem Landgericht. Ob es zur eigenen wirksamen Bevollmächtigung (vgl. § 167 BGB) noch einer ausdrücklichen Erklärung der Verwalterin bedurfte, sich in Form eines Insichgeschäfts nach § 181 BGB zur Verfahrensführung zu beauftragen, kann offen bleiben.

Ergänzend ergibt sich das Verfahrensführungsrecht der Verwalterin für die Wohnungseigentümergemeinschaft aus deren Organstellung als Verwalterin (vgl. § 20 Abs. 1, § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG; vgl. BGH NJW 2005, 2061). Ob daneben auch eine Berechtigung der Verwalterin besteht, Individualansprüche der Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen, sofern sie, wie hier, durch Eigentümerbeschluss dazu ermächtigt ist (siehe auch BGH NZM 2005, 626; Abramenko ZMR 2005, 585/588; ferner Senat, OLG-Report 2005, 606), kann auf sich beruhen. Denn Antragstellerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft.

b) Allerdings hat das Landgericht als Beteiligte auf der Antragstellerseite die Wohnungseigentümer mit Ausnahme der Antragsgegner angesehen. Dies deckt sich mit der bis vor kurzem herrschenden Meinung (BGHZ 142, 290/292; BayObLG FGPrax 2001, 189). Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähig anerkannt (BGH NJW 2005, 2061). Damit kommt außer den Wohnungseigentümern auch die Eigentümergemeinschaft als beteiligtenfähiger Rechtsträger in Frage. Der Umfang der Rechtsfähigkeit ist nach dieser Rechtsprechung beschränkt auf die Teile des Rechtslebens, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnehmen (BGH NJW 2005, 2061/2068). Das ist insbesondere bei Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen im Außenverhältnis der Fall, kann aber auch, wie z.B. bei der Verfolgung von gemeinschaftlichen Beitrags- oder Schadensersatzansprüchen gegen einzelne Wohnungseigentümer, im Innenverhältnis vorliegen (BGH aaO). Der 32. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat darüber hinausgehend die Ansicht vertreten, die Eigentümergemeinschaft sei für Abwehransprüche, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen, beteiligungsfähig (Beschluss vom 17.11.2005, 32 Wx 077/05), so dass die Eigentümergemeinschaft selbst den Beseitigungsanspruch geltend machen und durch ihr dazu ermächtigtes Organ, den Verwalter, auch gerichtlich durchsetzen kann. Der hiesige 34. Senat hat hingegen daran festgehalten, dass die Abwehr von Störungen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht den Rechtsverkehr des teilrechtsfähigen Verbands betrifft und deshalb Sache der Wohnungseigentümer als Einzelpersonen bleibt, was zur Folge hat, dass Beteiligte eines solchen gerichtlichen Verfahrens die einzelnen Wohnungseigentümer sind (OLG München NJW 2005, 3006).

Der entscheidende Senat braucht sich an dieser Stelle mit der Auffassung des 32. Senats nicht abschließend auseinander zu setzen. Ausgehend von der Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft ist der maßgebliche Eigentümerbeschluss vom 17.3.2003 nämlich nach seinem objektiven Inhalt sowie nach Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter ergibt (BGHZ 139, 288/292), dahin auszulegen, dass die Gemeinschaft selbst beauftragt und bevollmächtigt werden sollte, die Individualansprüche der Eigentümer aus § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB in Verfahrensstandschaft zu verfolgen (vgl. BGH NJW 2005, 3146; NZM 2005, 626). Wenn die Eigentümergemeinschaft selbständiger Rechtsträger sein kann, spricht nichts dagegen, sie auch mit der Durchsetzung von Ansprüchen einer großen Mehrheit der Wohnungseigentümer in Verfahrensstandschaft zu betrauen. Das kommt etwa bei Abwehransprüchen gegen Störungen in Frage, die eine Wohnanlage in ihrer Gesamtheit und sämtliche Eigentümer objektiv gleichermaßen betreffen.

Für die Auslegung des Beschlusses im Sinne einer Ermächtigung spricht hier die verwendete Wortwahl und das Interesse der Wohnungseigentümer, nicht selbst in Erscheinung treten zu wollen, vielmehr die Durchsetzung ihrer Rechte, soweit dies zulässig ist, dem Verband zu überlassen. Die Möglichkeit, in engen Grenzen - jedenfalls in Übergangsfällen und nach Gewährung rechtlichen Gehörs - noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz die Parteibezeichnung richtig zu stellen, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 13.7.2005 (NJW-RR 2005, 1326) bejaht. Daran wird festgehalten.

Der Sichtweise des Senats steht nicht im Widerspruch zur Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs (V. Zivilsenat; Beschluss vom 2.6.2005 = NJW 2005, 2061). Sie weicht auch nicht entscheidungserheblich vom Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.2.2004 (II. Zivilsenat, II ZR 218/01 = NJW-RR 2004, 874 - Olympiadorf) ab, weil in dieser Entscheidung die Frage der (Teil-)Rechtsfähigkeit weder erörtert noch beantwortet ist (vgl. auch Rapp ZfIR 2004, 596/597). In diesem Fall besteht keine Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 28 Rn. 18).

c) Das Landgericht geht davon aus, dass die Antragstellerin ohne erledigendes Ereignis obsiegt hätte. Der Senat braucht sich mit Einzelheiten der dafür vom Landgericht vorgebrachten Erwägungen angesichts des Beschwerdegegenstands nicht auseinanderzusetzen und kann auf die insgesamt zutreffenden Erwägungen unter Ziff. II 1 der Entscheidungsgründe verweisen. Dies hat aber nicht zwingend die Anordnung der Kostenerstattung zur Folge (vgl. § 47 WEG). Das Landgericht hatte auch insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen (siehe z.B. BayObLG Beschluss vom 3.9.2003, 2Z BR 163/03; Senat, Beschluss vom 12.12.2005, 34 Wx 083/05). Der Senat kann als Rechtsbeschwerdegericht diese Entscheidung nur auf Rechtsfehler, also daraufhin überprüfen, ob das Landgericht sich des ihm zustehenden Ermessens und des eingeräumten Spielraums bewusst war sowie alle wesentlichen Umstände nach verfahrensgemäßer Feststellung berücksichtigt und sein Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt hat (z.B. BGH NJW-RR 1990, 1157).

Ein Ermessensfehlgebrauch bei der Anwendung der gesetzlichen Erstattungsregelung in § 47 Satz 2 WEG ist nicht erkennbar. Erheblich ist, dass das erstinstanzliche Gericht eine vom Beschwerdegericht abweichende Rechtsauffassung vertreten und den Beseitigungsantrag abgelehnt hat, somit die Ansicht des Antragsgegners stützte. Weichen die Instanzen in ihren Entscheidungen untereinander ab, kann von einer offensichtlich unbegründeten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Allgemeinen nicht die Rede sein. Dies gilt auch hier, zumal es beim Streit um die Befugnis zum Aufstellen von Parabolantennen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jeweils auf eine einzelfallbezogene Abwägung der im Raum stehenden Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG, konkretisiert durch die Verhaltenspflichten in § 14 WEG, ankommt (vgl. BGH NZM 2005, 335; BGHZ 157, 322/327; auch OLG Schleswig ZMR 2005, 816; Überblick bei Hogenschurz DWE 2005, 63). Hinzu kommt, dass der Antragsgegner nach der obsiegenden Entscheidung im ersten Rechtszug vertretbar mit Maßnahmen gegen seine Mieter zuwarten konnte, es sich ihm jedenfalls nicht aufdrängen musste, dass er letzten Endes unterlegen sein würde. Die unterbliebene Einhaltung des Verfahrens nach § 4 Nr. 4 GO (vorherige Einholung der Verwalterzustimmung) ändert daran im konkreten Fall nichts. Das Fehlen einer Zustimmungserklärung rechtfertigt nämlich nicht ohne weiteres das Beseitigungsverlangen (BGHZ 157, 322, 332).

Ende der Entscheidung

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