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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 14.11.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 105/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 22 Abs. 1
Die Installation von Leichtmetallgeländern anstelle von massiven Balkonbrüstungen kann eine modernisierende Instandsetzung darstellen, die mehrheitlich beschlossen werden kann.
Tatbestand:

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer aus insgesamt vier Häusern bestehenden Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die beiden in der T.-Straße gelegenen, im Jahr 1962 errichteten Häuser verfügen über 24 vorspringende Balkone. Die Balkonbrüstungen bestehen jeweils aus einer ca. 62 cm hohen Mauer aus gelben Klinkersteinen, auf die eine Metallgeländerkonstruktion gesetzt ist.

In der Eigentümerversammlung vom 16.12.2003 fassten die Wohnungseigentümer mehrheitlich folgenden Beschluss:

Die Eigentümergemeinschaft beschließt, alle Fassadenseiten sowie die vorspringenden Balkone - einschließlich der Erneuerung der Balkongeländer des Hauses T.-Straße 11 und 13 entsprechend dem Gutachten der Firma B. zu sanieren. Mit der Ausarbeitung des Leistungsverzeichnisses, der Ausschreibung, der Bauüberwachung und der Abnahme wird die Firma B. beauftragt. Die Maßnahme soll in zwei Bauabschnitten durchgeführt werden. Die Arbeiten des ersten Bauabschnitts sollen im Jahr 2004 und die Arbeiten des zweiten Bauabschnitts im Jahre 2005 durchgeführt werden. Der Verwalter soll die entsprechenden Verträge abschließen. Die Kosten der Sanierung werden durch zwei Sonderumlagen - entsprechend der Bauabschnitte - finanziert... Die Auftragsvergabe ist mit dem Verwaltungsbeirat abzustimmen.

Diesem Beschluss lag ein Gutachten der Firma B. zugrunde, in dem u.a. Folgendes ausgeführt ist:

Die Balkongeländer sollten durch neue Balkongeländer aus Leichtmetall ersetzt werden, die in der Lage sind, die Mauerbrüstungen zu ersetzen und entweder an den Deckenuntersichten oder den seitlichen Betonbrüstungen zu befestigen sind.

Die Antragsteller, die der Ansicht sind, bei der beschlossenen Umgestaltung der Balkonbrüstungen handele es sich um eine die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erfordernde bauliche Veränderung, haben den Eigentümerbeschluss vom 16.12.2003 fristgerecht im Hinblick auf den Austausch der Mauerwerksbrüstungen angefochten. Das Amtsgericht hat den Antrag durch Entscheidung vom 19.4.2004 abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsteller durch Beschluss vom 15.7.2005 nach Erholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers zu 1. Das zulässige Rechtsmittel erwies sich als unbegründet.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Balkonbrüstungen und -geländer gehörten zum Gemeinschaftseigentum. Die beschlossene Sanierung diene der ordnungsmäßigen Instandsetzung und stelle keine nur einstimmig zu beschließende bauliche Veränderung dar. Der Sachverständige habe Oberflächenschäden an einer Vielzahl von Balkonen festgestellt. Ferner habe er ausgeführt, dass die Geländer erneuert werden müssten, da die Absturzsicherung fehle. Die Mehrkosten bei Anbringung von Leichtmetallbrüstungen gegenüber einer Wiederherstellung unter Beibehaltung der Klinkerbrüstungen betrügen nach Aussage des Sachverständigen ca. 5.000 EUR. Dieser Betrag falle angesichts der Kosten der Gesamtsanierungsmaßnahme von etwa 150.000 EUR nicht ins Gewicht. Hinzu komme, dass sich die Mehrkosten wegen der bei Beibehaltung der derzeitigen Konstruktion notwendigen Wartungskosten in einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren amortisieren würden. Es sei schließlich nicht erkennbar, dass es bei einer einheitlichen Neugestaltung der Balkone zu einer optisch nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung des Gesamteindrucks der Wohnanlage kommen würde.

2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Balkonaußenverkleidungen zum Gemeinschaftseigentum gehören (vgl. Pick in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 5 Rn. 27; Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 5 Rn. 17) und somit gemäß § 21 Abs. 3 WEG grundsätzlich Gegenstand einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung sein können. Die beschlossene Sanierung der Balkonbrüstungen dient der ordnungsmäßigen Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG und stellt keine nur einstimmig zu beschließende bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG dar.

a) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung nicht auf eine bloße Wiederherstellung des früheren Zustands beschränkt ist, sondern eine sinnvolle Modernisierung mit einschließt, die die Vorteile neuer technischer Entwicklungen und verbesserter Standards unter Berücksichtigung einer vernünftigen Kosten-Nutzen-Analyse mit beinhaltet. Auch eine über eine bloße Reproduktion hinausgehende Baumaßnahme, die eine bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung zur Behebung eines Mangels darstellt, ist eine ordnungsmäßige Instandsetzung (OLG Hamburg ZMR 2003, 866/867; BayObLG ZMR 2004, 442/443; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 21 Rn. 139; Niedenführ/Schulze § 21 Rn. 58; Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 21 Rn. 34 jeweils m.w.N.). Bei einer derartigen modernisierenden Instandsetzung handelt es sich nicht um eine nur einstimmig zu beschließende bauliche Veränderung (§ 22 Abs. 1 WEG; Merle in Bärmann/Pick/ Merle § 22 Rn. 8; Niedenführ/Schulze § 22 Rn. 8). Kommen mehrere mögliche Arten der Sanierung in Betracht, steht den Wohnungseigentümern ein Ermessensspielraum zu; vertretbare Mehrheitsentscheidungen sind in diesem Rahmen hinzunehmen (OLG Hamburg ZMR 2003, 866/867 m.w.N.).

b) Sowohl nach dem von der Wohnungseigentümergemeinschaft im Vorfeld der Beschlussfassung in Auftrag gegebenen Gutachten der Firma B. als auch nach dem vom Landgericht erholten Gutachten des Sachverständigen E. besteht bei den vorspringenden Balkonen der Wohnungen in der T.-Straße Sanierungsbedarf. Wie das Landgericht rechtsfehlerfrei und für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO) unter tatrichterlicher Würdigung des vom Sachverständigen E. erstatteten Gutachtens festgestellt hat, müssen sowohl die Schäden an dem Mauerwerk der Klinkerbrüstungen behoben als auch die als nicht genügend standsicher beurteilten Geländer erneuert werden. Rechtsfehlerfrei konnte das Landgericht auch davon ausgehen, dass bei einer Gegenüberstellung der vom Sachverständigen E. veranschlagten Kosten (netto) bei Beibehaltung der Brüstungen in Höhe von 18.000 EUR und der Kosten in Höhe von 23.000 EUR für eine Auswechslung der Klinkerbrüstungen gegen eine Leichtmetallkonstruktion die Mehrkosten von 5.000 EUR bei einem Gesamtvolumen der Sanierungsmaßnahmen von 150.000 EUR nicht ins Gewicht fallen, zumal dieser Kostennachteil bei Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der bisherigen Balkonkonstruktion in Anbetracht zu kalkulierender Wartungs- und Erneuerungskosten in ca. 10 bis 15 Jahren ausgeglichen sein wird. Soweit im Rahmen der Rechtsbeschwerde Einwendungen gegen die Beweiswürdigung erhoben werden, lassen die Ausführungen des Landgerichts Rechtsfehler nicht erkennen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur überprüfen, ob der Tatrichter den Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) und bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (vgl. § 25 FGG), ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ferner, ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (Merle in Bärmann/Pick/ Merle § 45 Rn. 87 m.w.N.). Dass das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen E. die Abrisskosten für die bisherigen Balkoneinfassungen nicht gesondert berücksichtigt hat, ist schon deswegen nicht zu beanstanden, weil auch die vom Sachverständigen E. übernommene Kostenkalkulation der Firma B. derartige Kosten nicht ausweist. Das Entfernen der Metallgeländer und der Mauerwerksbrüstungen ist ausdrücklich Gegenstand des der Kostenkalkulation zugrunde liegenden Sanierungskonzepts. Auch die Grenzen des den Wohnungseigentümern zustehenden Ermessensspielraums wurden insoweit nicht verkannt.

c) Soweit das Landgericht bei der Neugestaltung der Balkone eine optisch nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung des Gesamteindrucks verneint hat, obliegt diese Beurteilung ebenfalls in erster Linie tatrichterlicher Würdigung (vgl. BayObLG WuM 2004, 358). Das Beschwerdegericht hat sich in diesem Zusammenhang allerdings nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob es sich auf den Gesamteindruck der Anlage nachteilig auswirken könnte, dass aufgrund des angefochtenen Beschlusses die vorspringenden Balkone ein Geländer aus Leichtmetall erhalten sollen, während bei den in der Wohnanlage ebenfalls vorhandenen Loggien die bisherigen Klinkerbrüstungen mit aufgesetzter Geländerkonstruktion beibehalten werden. Der Senat kann die fehlenden Feststellungen aber nachholen, da es insoweit keiner weiteren Ermittlungen bedarf (vgl. BayObLG NZM 1998, 1010/1011; Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 45). Aus dem unstreitigen Akteninhalt, insbesondere aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern, ergibt sich, dass die unterschiedliche Gestaltung der Balkone im Verhältnis zu den Loggien keinen außerhalb des Ermessensspielraums der Wohnungseigentümer liegenden Nachteil hinsichtlich der äußeren Gestaltung der Fassade bewirkt. Die Anwesen T.- Straße und die beiden weiteren zur Wohnanlage gehörenden Häuser gehen zwar, von der Straßenfront aus betrachtet verbunden durch einen Zwischentrakt mit nicht von der Instandsetzung betroffenen Loggien, ineinander über. Sie weisen aber, wie auch an der Dachgestaltung deutlich wird, getrennte Baukörper auf. Die bei Umsetzung des Beschlusses entstehenden Unterschiede betreffen abgrenzbare Teile der Gesamtfassade und führen innerhalb dieser wiederum zu einer einheitlichen Gestaltung. Dieser nur an der der Straße zugewandten Seite der Anlage wahrnehmbare Unterschied stellt aber für sich genommen keinen optischen Nachteil dar, der außerhalb des den Wohnungseigentümern für die bauliche Gestaltung eingeräumten Ermessenspielraums läge. Soweit der Beschluss sowie das zugrunde liegende Instandsetzungskonzept der Firma B. keine Einzelheiten, wie z.B. zur farblichen Gestaltung der Füllungsplatten enthält, geht der Senat davon aus, dass insoweit die Verwalterin nicht allein entscheidet, sondern eine Abstimmung über eine dem Gesamtkonzept der Anlage entsprechende Ausführung innerhalb der Gemeinschaft noch stattzufinden hat.

Ende der Entscheidung

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