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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 08.12.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 111/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 1
Die Bezeichnung eines Teileigentums als "Laden" in der Teilungserklärung ist eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Dieser Zweckbestimmung entspricht die Nutzung mit einem (Fisch-) Großhandelsgeschäft nicht. Eine solche Nutzung beeinträchtigt die übrigen Eigentümer über das zugelassene Maß hinaus.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer größeren Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragsteller ist Sondereigentümer der Einheit Nr. 54, die in der Teilungserklärung mit "Laden" bezeichnet ist. Die Nutzfläche des Sondereigentums beträgt im Erdgeschoß ca. 360 qm und im Kellergeschoß ca. 165 qm. Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Nutzungsmöglichkeit dieser Einheit.

Die Teilungserklärung der Gemeinschaft vom 10.12.1968 enthält eine Regelung, wonach die Vermietung von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten an Dritte der Genehmigung durch den Verwalter bedarf. Wenn dieser sie verweigert, entscheidet über die Genehmigung die Eigentümergemeinschaft.

Der Antragsteller hat mit Vertrag vom September 2005 einen Miteigentumsanteil in der Wohnanlage, verbunden mit dem Sondereigentum an der Einheit Nr. 54, erworben und ab 1.11.2005 an eine Firma vermietet, die dort einen Fisch- und Feinkosthandel betreibt. Ca. 80 % des Gewerbes betreffen den Großhandel, zu ca. 20 % werden die Waren im Einzelhandel verkauft. Mit Schreiben vom 13.10.2005 beantragte der Antragsteller bei der Hausverwaltung die Genehmigung dieser Vermietung. Die Hausverwaltung verweigerte die Zustimmung und berief eine außerordentliche Eigentümerversammlung ein. Diese beschloss in der Sitzung vom 7.11.2005:

"Zu Punkt 2 der Tagesordnung

Beschlussfassung über die Genehmigung des Antrages des Miteigentümers Herrn H. im Teileigentum Nr. 54 (Laden) ein Fisch- und Feinkostgroß- und Einzelhandel zu eröffnen. (...)

Somit ist der Beschlussantrag mehrheitlich abgelehnt.

Beschlussfassung über die Genehmigung, im Teileigentum Nr. 54 (Laden gemäß Teilungserklärung) einen Fisch- und Einzelhandel zu eröffnen unter Beachtung der gesetzlichen Ladungsöffnungszeiten. (...)

Somit ist der Beschlussantrag mehrheitlich genehmigt."

Der Antragsteller hat im amtsgerichtliche Verfahren den ersten unter Tagesordnungspunkt (TOP) 2 gefassten Beschluss angefochten und beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die Vermietung seines Ladens an die Firma L. zum Betrieb eines Fisch- und Feinkostgroßhandels zu genehmigen. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 6.4.2006 stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht diese Entscheidung mit Beschluss vom 9.8.2006 aufgehoben und die Anträge abgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Sache ausgeführt:

Der in der Eigentümerversammlung vom 7.11.2005 unter TOP 2 gefasste Beschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Dem Antragsteller stehe kein Anspruch auf Genehmigung eines Großhandels in seinem Teileigentum zu. In der Teilungserklärung sei dieses Sondereigentum als "Laden" bezeichnet worden. Hierin sei eine Zweckbestimmung zu sehen, die Vereinbarungscharakter habe. Durch diese Zweckbestimmung werde der Umfang des zulässigen Gebrauchs vorgegeben. Dem entspreche ein Großhandel nicht, da unter einem Laden typischerweise ein Einzelhandelsgeschäft zu verstehen sei.

Eine weitergehende Nutzung als die zu Zwecken eines Einzelhandels sei nur zulässig, wenn diese nicht mehr beeinträchtige als ein alleiniger Einzelhandel. Das sei hier bei dem zusätzlich betriebenen Großhandel nicht der Fall. Für die Beurteilung komme es nicht auf den konkreten Einzelfall, sondern auf eine typisierende Betrachtungsweise an, also darauf, ob die von der Zweckbestimmung abweichende Nutzung generell zu stärkeren Beeinträchtigungen führe. Ein Großhandel sei typischerweise durch große Warenmengen und Auslieferung der Waren an den Kunden geprägt. Es sei damit zu rechnen, dass die Anlieferfrequenz höher und/oder die einzelnen eingesetzten Lieferfahrzeuge größer seien als bei dem Betrieb eines reinen Ladeneinzelhandels. Die Be- und Entladevorgänge könnten länger dauern aufgrund der größeren Warenmengen, zusätzlich fielen Ladevorgänge und Warenverkehr auch dadurch an, dass im Großhandel die Waren nicht nur angeliefert, sondern auch an den Kunden ausgeliefert würden. Die Lärmbelästigung durch Warenverkehr und Ladevorgänge sei gegenüber dem Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts bei abstrakter Betrachtung erhöht. Damit bestehe kein Anspruch auf die Genehmigung einer solchen Nutzung. Die Wohnungs- bzw. Teileigentümer seien daher im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung berechtigt gewesen, die Genehmigung zu verweigern.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Genehmigung des in der Einheit Nr. 54 betriebenen Fischgroßhandels.

a) Für die Ungültigerklärung des ablehnenden Eigentümerbeschlusses hat der Antragsteller schon deswegen ein Rechtschutzinteresse, weil er damit den Antrag auf Verpflichtung verbunden hat, ihm den Betrieb des Großhandels in seinem Teileigentum zu genehmigen (vgl. Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 43 Rn. 69).

b) Nach § 15 Abs. 1, § 1 Abs. 6 WEG können die Wohnungs- und Teileigentümer den Gebrauch des Sondereigentums durch Vereinbarung regeln. Jeder Eigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Eigentümer nach billigem Ermessen entspricht (§ 15 Abs. 3 WEG). Soweit eine Vereinbarung getroffen ist, geht sie vor und bindet die Eigentümer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG). Wie das Landgericht zu Recht ausführt, handelt es sich bei der Angabe in der Teilungserklärung "Laden" um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG. Ein solches Teileigentum darf grundsätzlich nur im Rahmen der Zweckbestimmung genutzt werden. Eine andere Nutzung ist nur dann zulässig, wenn sie der Zweckbestimmung "Laden" nicht widerspricht und für die übrigen Wohnungseigentümer nach einer typisierenden Betrachtung keine Beeinträchtigung verursacht, die die mit dem gewöhnlichen Betrieb eines Ladens regelmäßig verbundenen Beeinträchtigungen überschreitet (BayObLG NZM 2000, 288; OLG Köln WuM 2005, 71).

c) Ein Großhandel geht bei typisierender Betrachtungsweise mit Beeinträchtigungen für die Wohnungseigentümer einher, die mit einem Laden nicht verbunden sind.

(1) Da die Beschreibung als "Laden" in der Teilungserklärung als Inhalt des Sondereigentums ins Grundbuch eingetragen ist, unterliegt sie wie alle Grundbucheintragungen und dort zulässigerweise in Bezug genommenen Eintragungsbewilligungen der selbständigen Auslegung durch das Rechtsbeschwerdegericht (st. Rspr., zuletzt Senat v. 6.11.2006, 34 Wx 105/06). Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen oder in Bezug Genommenen ergibt (BGHZ 59, 205/209; KK-WEG-Elzer § 3 Rn. 38).

(2) Den in der Teilungserklärung verwendeten Begriff des "Ladens" hat das Landgericht zutreffend ausgelegt. In § 1 Abs. 1 LadenschlußG sind "Ladengeschäfte" als Unterfall der Verkaufsstellen aufgeführt. Das typische Geschäft für den "Laden" ist der Warenkleinverkauf durch den Einzelhandel und das warenverkaufende Handwerk (vgl. BayObLGZ 1980, 154/159). Für diesen gelten hinsichtlich der Verkaufszeiten die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten.

(3) Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass der Betrieb eines Großhandels der Zweckbestimmung als Laden nicht entspricht. Durch diese andersartige Nutzung werden die übrigen Eigentümer auch mehr belastet als durch den Betrieb eines normalen Einzelhandels. Dies gilt nach Ansicht des Senats unabhängig davon, ob der Großhandel alleine oder aber neben dem (genehmigten) Einzelhandel betrieben wird. Die höhere und teilweise andersartige Belastung der übrigen Wohnungseigentümer ist Folge der nicht bestehenden Bindung an die gesetzlichen Ladenschlusszeiten sowie der erhöhten Geräusch- und wohl auch Geruchsbelästigung.

Ein Großhandel ist an gesetzliche Öffnungszeiten nicht gebunden (vgl. § 1 Laden-schlussG). Daher kommt es zu An- und Auslieferungen ohne zeitliche Beschränkung, also auch abends und am Wochenende. Mit einer solchen Belastung brauchten die übrigen Wohnungseigentümer nicht rechnen, als sie der Vereinbarung in der Teilungserklärung zugestimmt haben. Vielmehr konnten sie davon ausgehen, dass nach Ladenschluss, also insbesondere abends und sonntags, eine Lärmbeeinträchtigung nicht auftritt. Darauf, dass bei einem Großhandel möglicherweise unter tags weniger Verkehr stattfindet als bei einem Einzelhandel, kommt es nicht an. Eine "Aufrechnung" kann insoweit nicht vorgenommen werden, da es Sache jedes Erwerbers ist, ob er den Lärm am Tag hinnimmt, etwa weil er ohnehin zur Arbeit geht, am Abend aber seine Ruhe haben möchte. Durch einen Großhandel liegt daher eine Beeinträchtigung vor, die ein Laden nicht mit sich bringt.

Die Eigentümer durften sich bei Erwerb ihres Eigentums auch darauf verlassen, dass abends und sonntags eine Ladenöffnung untersagt ist. Zwar geraten die Ladenöffnungszeiten immer mehr in die Diskussion. Es kann hier jedoch dahinstehen, was bei einer allgemeinen Freigabe der Ladenöffnungszeiten in Gebieten mit hauptsächlicher Wohnnutzung gelten würde. Insbesondere ältere Teilungserklärungen, die noch unter der Geltung wesentlich engerer Ladenöffnungszeiten erstellt wurden, könnten dann im Hinblick auf die damals zulässigen Öffnungszeiten und den daraus erwachsenen Vertrauensschutz enger auszulegen sein (vgl. dazu Schmid GuT 2004, 3,4). Dies braucht der Senat jedoch nicht zu entscheiden. Solange die Ladenöffnungszeiten verbindlich festgelegt sind, geben sie den Rahmen für die erlaubte Nutzung einer als "Laden" bezeichneten Einheit vor.

Zudem ist ein Großhandel mit vermehrtem Schwerverkehr verbunden, da größere Warenmengen umgeschlagen werden. Dies gilt sowohl für An- als auch für Auslieferungen durch Lkws. Hierdurch steigt der Lärmpegel, wodurch auch die Wohnungseigentümer in Mitleidenschaft gezogen werden, die aufgrund einer weiteren Entfernung ihrer Wohnung von dem Laden davon ausgehen durften, dass sie Lärmbelästigungen überhaupt nicht ausgesetzt sind.

Bei einem geruchsintensiven Verkaufsgut wie Fischen führen größere Warenmengen auch zu einer größeren Geruchsbelästigung. Die beim An- und Abtransport entstehenden Geruchsbelästigungen durch Verschmutzung der Anlieferungsflächen und Austreten von geruchsbelastetem Tauwasser werden größer, je mehr Waren umgeschlagen werden. Gleiches gilt für das Ausnehmen größerer Fischmengen.

(4) Der Senat braucht nicht zu beurteilen, ob die Geruchsbelästigungen, die durch einen Fischeinzelhandel unter den momentanen Gegebenheiten entstünden, zulässig wären. Denn gemäß § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Eigentümer verpflichtet, von dem im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungs- oder Teileigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Die Einhaltung dieses Gebots erscheint im Hinblick auf den Vortrag der Antragsgegner, dass in den über dem Laden liegenden Wohnungen durch die gemeinsamen Lüftungsschächte Fischgeruch austritt, nicht unproblematisch. Jedenfalls aber ist davon auszugehen, dass der Geruch intensiver wird, je größer die an- und abtransportierten Fischmengen sind.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Da der Antragsteller mit seinem Rechtsmittel unterlegen ist, erscheint es angemessen, ihm die gerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Da Amts- und Landgericht unterschiedliche Entscheidungen getroffen haben, erscheint die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht willkürlich, so dass von der Auferlegung der außergerichtlichen Kosten abgesehen wurde.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und übernimmt die unbeanstandet gebliebenen Werte der unteren Instanzen.

Ende der Entscheidung

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