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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 30.03.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 132/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 1
Einem Verpflichtungsantrag, über einen Antrag in der Eigentümerversammlung abzustimmen, kann das Rechtschutzbedürfnis fehlen, wenn nur die Ablehnung des Antrags ordnungsmäßiger Verwaltung entspräche und ein derartige Negativbeschluss für den Antragsteller keinen rechtlichen Folgen hätte (hier: Antrag auf Rückgängigmachung eines Wohnungsdurchbruchs, der nicht der Zustimmung der Wohnungseigentümer bedürfte).
Gründe:

I.

Die Antragsteller, ein Ehepaar, und die Antragsgegner sind Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die vom weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Auf der Eigentümerversammlung vom 16.09.1992 gab der damalige Verwalter die Absicht der Eigentümerin der Wohnung Nr. 12 bekannt, ihre Wohnung mittels einer Treppe mit der darunter liegenden Wohnung Nr. 8 zu verbinden. Im Protokoll vom 16.09.1992 ist hierzu festgehalten:

Die anwesenden Eigentümer haben nichts gegen eine derartige Verbindung, solange das übrige Gemeinschaftseigentum nicht beeinträchtigt wird.

Ein Eigentümerbeschluss wurde nicht gefasst. In der Folgezeit setzte die Eigentümerin der Wohnung Nr. 12 ihr Vorhaben in die Tat um und ließ eine Treppe zu der von ihr zwischenzeitlich erworbenen Wohnung Nr. 8 einbauen. Dem Antragsteller war die Verbindung beider Wohnungen spätestens seit dem Jahr 2000 bekannt.

Mit Schreiben vom 27.1.2006 beantragten die Antragsteller, die Tagesordnung der Eigentümerversammlung 2006 um den Punkt "Antrag auf Rückbau des Wohnungsdurchbruchs von Wohnung Nr. 8 und 12 aufgrund des hohen Energieverbrauches und die damit verbundenen hohen Grundkosten auf die anderen Eigentümer" zu ergänzen.

Die Hausverwaltung nahm diesen Antrag als Punkt 7 in die Tagesordnung auf.

Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 24.3.2006 heißt es hierzu:

Zu TOP 7.) Tagesordnungspunkte der Eigentümer

Über den Antrag von Herrn A. (= der Antragsteller) wurde auf Empfehlung des Verwalters nicht abgestimmt, da dies einen Eingriff in bestehende Rechte einer Miteigentümerin bedeuten würde. Ein Beschluss wäre in solchen Fällen unwirksam.

Mit Schreiben vom 10.4.2006 und vom 13.4.2006 haben die Antragsteller beim Amtsgericht "Widerspruch" eingelegt und sich dagegen gewandt, dass über den von ihnen gestellten Antrag (TOP 7) eine Abstimmung verweigert worden sei.

Das Amtsgericht hat den "Widerspruch" als Antrag auf Ungültigerklärung eines negativen Eigentümerbeschlusses ausgelegt und ihn mit Beschluss vom 7.7.2006 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit Beschluss vom 10.10.2006 als unbegründet zurückgewiesen hat. Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Antragsteller sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Rechtsmittel sei unbegründet. Der Antrag der Antragsteller sei als zulässiger Feststellungsantrag auszulegen, der darauf abziele, dass sich die Eigentümergemeinschaft mit dem unter TOP 7 gestellten Antrag befassen müsse. Allerdings fehle den Antragstellern ein berechtigtes Feststellungsinteresse bzw. ein Rechtschutzbedürfnis, da nur die Ablehnung des Antrags einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspreche. Den Antragstellern stehe weder ein Beseitigungsanspruch noch ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu, da die vorgenommene Verbindung der Wohnungen für die übrigen Wohnungseigentümer keinen Nachteil verursache, somit die bauliche Veränderung nicht zustimmungspflichtig gewesen sei. Soweit die Antragsteller geltend machen würden, ein Nachteil läge im erhöhten Energieverbrauch, sei dies kein geeigneter Einwand. Der einzelne Wohnungseigentümer habe keinen Anspruch gegen weitere Miteigentümer auf energiesparendes Verhalten. Es könne dahinstehen, ob aus dem Energiegutachten, auf das sich die Antragsteller stützten, folge, dass die Verbindung der Wohnungen Nr. 8 und Nr. 12 ursächlich für einen erhöhten Energieverbrauch sei. Darüber hinaus sei die Auswirkung der Verbindung der Wohnungen auf den Energieverbrauch nach Überzeugung des Gerichts nicht realistisch bezifferbar. Die Miteigentümerin der Wohnungen Nr. 8 und Nr. 12 habe erklärt, anders als andere berufstätige Miteigentümer übe sie ihr Gewerbe in der Wohnung aus und beheize diese ständig. Die sei die Ursache der hohen Energiekosten. Der Antragsteller habe eingeräumt, dass sich der Grundkostenanteil seiner Wohnung vor und nach der Verbindung der Wohneinheiten nicht verändert habe.

2. Die landgerichtliche Entscheidung hält der auf Rechtsfehler gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2 ZPO beschränkten Nachprüfung durch den Senat stand.

a) Abweichend vom Landgericht legt der Senat das Rechtschutzbegehren der Antragsteller nicht als Feststellungs-, sondern als Verpflichtungsantrag aus. Ziel der Antragsteller ist nicht nur, feststellen zu lassen, dass sich die Eigentümergemeinschaft mit dem Antrag auf Rückbau des Deckendurchbruchs zwischen den Wohnungen Nr. 8 und Nr. 12 befassen soll, sondern die Eigentümergemeinschaft zu verpflichten, über diesen Antrag einen Beschluss zu fassen. Soweit die Antragsteller in der Rechtsbeschwerde beanstandet haben, ihr Antrag sei nicht in die Tagesordnung der Eigentümerversammlung vom 24.3.2006 aufgenommen worden, trifft dieser Vorwurf nicht zu; er wurde von den Antragstellern zuletzt auch nicht mehr aufrechterhalten. Tatsächlich hat der weitere Beteiligte den Antrag der Antragsteller unter TOP 7 auf die den Wohnungseigentümern vorab mitgeteilte Tagesordnung gesetzt. Gegenstand des Verfahrens ist somit ausschließlich die Frage, ob die Wohnungseigentümer verpflichtet sind, in einer Eigentümerversammlung über den gestellten Antrag einen Beschluss zu fassen.

b) Grundsätzlich kann sich ein derartiger Anspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer aus dem Gesichtspunkt einer ordnungsmäßigen Verwaltung ergeben (§ 21 Abs. 4 WEG; vgl. Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 21 Rn. 34).

c) Der Anspruch scheitert auch nicht an der fehlenden Kompetenz der Wohnungseigentümer. In Angelegenheiten, die die Regelung des Gebrauchs (§ 15 WEG), der Verwaltung (§ 21 WEG) und der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 22 WEG) betreffen, ist die Eigentümerversammlung nicht von vorneherein für eine (Mehrheits-) Beschlussfassung absolut unzuständig (siehe § 21 Abs. 1 WEG). Sie darf nur keine Beschlüsse fassen, die über die "Ordnungsmäßigkeit" des Gebrauchs hinausgehen. Da dies aber von den Umständen des Einzelfalls abhängt und die Frage der Abgrenzung vielfach nicht leicht zu entscheiden ist, hängt die Beschlusszuständigkeit nicht davon ab, ob die Maßnahme ordnungsmäßig ist (BGHZ 145, 158/168 f).

d) Der Verpflichtungsantrag hat jedoch deshalb keinen Erfolg, weil ein Rechtschutzbedürfnis, darüber in der Eigentümerversammlung abzustimmen, bei den Antragstellern fehlt. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass ein durchsetzbarer Anspruch auf Beseitigung des Durchbruchs bzw. Wiederherstellung des früheren Zustands nicht besteht. Auf Antrag der Eigentümerin der Wohnungen Nr. 8 und Nr. 12 müsste ein entsprechender Beschluss der Eigentümergemeinschaft für ungültig erklärt werden. Nur die beschlussmäßige Ablehnung des Antrags würde hier einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen. Eine dahingehende kollektive Willensbildung hätte keinerlei Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern, die damit lediglich eine der Rechtslage entsprechende Absicht kundtun würden. Auch die Rechtsstellung der Antragsteller würde sich materiell nicht verändern. An die Fassung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft, der keine rechtliche Relevanz hat, hat ein Wohnungseigentümer kein berechtigtes Interesse.

(1) Bei einem Deckendurchbruch zum Zwecke der Verbindung zweier Wohnungen handelt es sich um eine über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehende bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 22 Rn.45 m.w.N.). Eine derartige Maßnahme bedarf grundsätzlich der Zustimmung aller betroffenen Wohnungseigentümer. Ein mehrheitlicher Eigentümerbeschluss ist dafür weder erforderlich noch ausreichend (vgl. BGHZ 73, 196/199; Niedenführ/Schulze § 22 Rn. 11). Das ergibt sich bereits aus § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 WEG. Die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung ist allerdings nicht an eine bestimmte Form gebunden, sie kann von den übrigen Wohnungseigentümern mündlich, z.B. im Rahmen einer Eigentümerversammlung, erklärt oder auch konkludent erteilt werden. Rechtsnachfolger sind an eine einmal erteilte Zustimmung ihres Vorgängers gebunden (BayOblG NJW-RR 1992,1165), auch wenn eine daraufhin zustande gekommene Einigung nicht im Grundbuch eingetragen ist (OLG Hamm NZM 1998, 873). Vorliegend spricht einiges dafür, dass der in der Eigentümerversammlung vom 16.9.1992 besprochene Deckendurchbruch mit Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, insbesondere auch der Rechtsvorgängerin der Antragsteller, durchgeführt wurde, zumindest aber, dass ein etwaiger Anspruch gegen die Wohnungseigentümerin der Wohnungen Nr. 8 und Nr. 12 auf Rückgängigmachung des Durchbruchs verjährt oder verwirkt sein dürfte und sich bereits deshalb eine mehrheitliche positive Beschlussfassung der Eigentümer betreffend den Rückbau des Durchbruchs verbietet. Dies kann aber im Ergebnis aus den nachfolgenden Überlegungen dahinstehen.

(2) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht nämlich davon ausgegangen, dass die Verbindung der beiden Wohnungen die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt.

Wird ein Wohnungseigentümer nicht oder nur unwesentlich in seinen Rechten beeinträchtigt, ist es bereits im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 22 WEG nicht erforderlich, die bauliche Veränderung auch von seiner Zustimmung abhängig zu machen.

Ein Nachteil ist dagegen nicht hinzunehmen, wenn er eine nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Beeinträchtigung darstellt. Entscheidend ist, ob sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGHZ 116, 392/396). Erforderlich ist eine objektive Betrachtungsweise. Das subjektive Empfinden eines Eigentümers, seine Ängste und Befürchtungen allein, spielen bei der Beurteilung keine Rolle. Ausreichend ist auch nicht die fern liegende, mehr oder weniger theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung (Merle in Bärmann/Pick/ Merle § 22 Rn. 132).

Ob eine bauliche Veränderung eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung darstellt, ist weitgehend eine Tatsachenfeststellung des Gerichts, die das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüfen kann, ob das Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht.

(aa) Wand- oder Deckendurchbrüche zwischen zwei Wohnungen, die zum Verlust der Abgeschlossenheit (§ 3 Abs. 2 WEG) oder einem der Teilungserklärung widersprechenden Zustand führen, stellen nicht schon deshalb einen für die anderen Wohnungseigentümer nicht hinnehmbaren Nachteil dar (BGHZ 146, 341).

(bb) Der Nachteil der Verbindung der beiden Wohnungen, den die Antragsteller geltend machen, liegt in einer möglichen Erhöhung der Energiekosten. Das Landgericht hat dies geprüft und keinen relevanten Nachteil feststellen können. Die Beurteilung des Landgerichts lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass weder eine Öffnung zu einem nicht gedämmten oder nicht isolierten Teil des Hauses vorgenommen wurde, noch großflächig Decken zwischen einzelnen Stockwerken entfernt wurden, was eine spürbare Steigerung von Heizkosten nach sich ziehen könnte. Es wurden vielmehr lediglich zwei übereinanderliegende Wohnungen durch eine Treppe miteinander verbunden. Hinzu kommt, dass verbrauchsabhängige Kosten, wie etwa Heizkosten, ohnehin im Wesentlichen vom jeweiligen Miteigentümer zu tragen sind. Die Antragsteller haben selbst eingeräumt, dass sich ihr Grundkostenanteil nicht verändert hat. Einen konkreten Nachteil, der über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinausgeht, kann der Senat bei dieser Sachlage nicht erkennen.

(cc) Andere mögliche Nachteile haben die Antragsteller im Verfahren nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus den Akten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass mit der Verbindung der beiden Wohnungen durch eine Treppe eine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes oder dessen Brandsicherheit geschaffen worden sein könnte. Für weitere Ermittlungen (§ 12 FGG) bestand für den Tatrichter keine Veranlassung.

3. Es erscheint gemäß § 47 WEG angemessen, den in sämtlichen Rechtszügen unterlegenen Antragstellern samtverbindlich neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG, den der Senat in Übereinstimmung mit dem Amts- und Landgericht auf 10.000 EUR schätzt.

Ende der Entscheidung

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