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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 19/07
Rechtsgebiete: AufenthG, FreihEntzG


Vorschriften:

AufenthG § 106 Abs. 2 Satz 2
FreihEntzG § 3 Satz 2
FreihEntzG § 16 Satz 1
1. Zur Ergänzung eines Beschlusses im Rechtsbeschwerdeverfahren (hier: übergangene Beschwerde gegen die unterbliebene Auslagenerstattung).

2. Zur Wirksamkeit von Abgabebeschlüssen in Abschiebungshaftsachen.

3. Zur Anordnung von Auslagenersatz bei formellen Verfahrensmängeln im Freiheitsentziehungsverfahren.


Gründe:

I.

Gegen den Betroffenen, einen algerischen Staatsangehörigen, hat das Amtsgericht Neuburg/Donau auf Antrag der Ausländerbehörde am 5.10.2006 mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten im Anschluss an eine seinerzeit bestehende Strafhaft angeordnet. Im Hinblick auf eine Verlegung des Betroffenen in die Justizvollzugsanstalt Nürnberg hat das Amtsgericht Neuburg/Donau sodann das Verfahren mit Beschluss vom 23.10.2006 unter Berufung auf § 4 Abs. 1 FreihEntzG an das Amtsgericht Nürnberg abgegeben. Mit Beschluss vom 9.1.2007 hat das Amtsgericht Nürnberg auf Antrag der Ausländerbehörde vom 3.1.2007 die Abschiebungshaft mit sofortiger Wirksamkeit bis 13.4.2007 verlängert. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat am 5.2.2007 den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg über die Haftverlängerung aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über den Antrag der Ausländerbehörde vom 3.1.2007 an das Amtsgericht Neuburg/Donau zurückgegeben. Das Beschwerdegericht war der Auffassung, der Abgabebeschluss des Amtsgerichts Neuburg/Donau vom 23.10.2006 sei ergangen, ohne dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgelegen hätten. Es hat daraus den Schluss gezogen, dass der Abgabebeschluss vom 23.10.2006 zu einem Zuständigkeitsübergang auf das Amtsgericht Nürnberg nicht habe führen können und über die Haftfortdauer deshalb nicht vom gesetzlichen Richter entschieden worden sei. Zugleich hat das Landgericht mit sofortiger Wirksamkeit angeordnet, dass der Betroffene zur Sicherung der Abschiebung einstweilen auf die Dauer von längstens vier Wochen, gerechnet ab Erlass des Beschlusses, in Haft zu nehmen sei. Eine Auslagenerstattungsanordnung zugunsten des Betroffenen hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, dass die örtlich zuständige Ausländerbehörde zur Stellung des Haftverlängerungsantrags Anlass gehabt hätte.

Der Senat hat mit Beschluss vom 15.2.2007 das gegen die einstweilige Anordnung sowie die versagte Kostenerstattung gerichtete Rechtsmittel des Betroffenen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die vom Landgericht angeordnete Haft mit Ablauf des 19.2.2007 endet, sofern nicht zuvor endgültig über den Haftantrag der Ausländerbehörde vom 3.1.2007 entschieden werde. Ausführungen zur Frage einer Kostenerstattung enthält der Senatsbeschluss nicht.

Der Antragsteller wurde zwischenzeitlich abgeschoben, nachdem das Amtsgericht Neuburg/Donau am 8.2.2007 nun unter Berufung auf § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG das Verfahren an das Amtsgericht Nürnberg abgegeben und dieses am 16.2.2007 über die Haftfortdauer endgültig entschieden hatte.

Mit Schriftsatz vom 16.3.2007 an den Senat begehrt der anwaltliche Bevollmächtigte des Antragstellers nunmehr noch eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen. Er weist darauf hin, dass seine sofortige weitere Beschwerde vom 13.2.2007 sich ausdrücklich auch auf die Entscheidung des Landgerichts, der Stadt Nürnberg als Trägerin der zuständigen Ausländerbehörde die notwendigen Auslagen des Betroffenen nicht aufzuerlegen, bezogen habe.

II.

Der im Rahmen des zulässigen Rechtsmittels verfolgte Kostenantrag hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Während eine Abänderung des Senatsbeschlusses nach § 18 FGG nicht in Frage kommt, weil das zugrunde liegende Verfahren formell rechtskräftig abgeschlossen ist (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 18 Rn. 13; Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler § 29 Rn. 45), ist eine Beschlussergänzung analog § 321 ZPO grundsätzlich zulässig (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler § 18 Rn. 67). Allerdings verzichtet der Senat üblicherweise dann, wenn die Rechtslage eindeutig ist, in seinen Beschlüssen auf Ausführungen zur Kostenfolge, weil sie regelmäßig unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. §§ 14-16 FreihEntzG) folgt. Anders kann es sich jedoch verhalten, wenn der Betroffene ausdrücklich die vorangegangene Kostenentscheidung angreift und dazu Sachanträge stellt. Soweit sich in derartigen Fällen nicht bereits aus der Begründung der Entscheidung zur Hauptsache, namentlich bei Bestätigung einer vom Landgericht zurückgewiesenen Beschwerde gegen eine Haftanordnung, mit Eindeutigkeit ergibt, dass eine Kostenerstattung zugunsten des Betroffenen nicht in Betracht kommt, ist auch eine Begründung zu den Kosten veranlasst. Das folgt aus § 29 Abs. 4 FGG i.V.m. § 25 FGG (siehe Bassenge/Herbst/Roth FGG 10. Aufl. § 29 Rn. 16).

Im gegebenen Fall bestand sowohl aufgrund der Anträge des Betroffenen als auch nach dem Inhalt der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung - diese führte unter anderem zur Aufhebung der ergangenen Haftverlängerungsanordnung - ein Anlass, auch zu den Kosten Ausführungen zu machen. Der Senat holt dies nun nach.

2. Das Landgericht hat angeordnet, dass gerichtliche Kosten für das erstinstanzliche Verfahren nicht zu erheben sind. Für das zweitinstanzliche Verfahren ist eine Entscheidung über die Gerichtskosten vom Landgericht nicht getroffen worden. Sie erübrigt sich auch, weil solche weder vom Betroffenen als Beschwerdeführer noch von der Ausländerbehörde erhoben werden können. Dies folgt unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. § 14 Abs. 3 FreihEntzG i.V.m. § 15 Abs. 1 und 2 FreihEntzG).

3. Der Antrag auf Erstattung von außergerichtlichen Kosten des Betroffenen (Auslagen) ist abzulehnen, weil das Landgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die zuständige Ausländerbehörde begründeten Anlass hatte, den Haftverlängerungsantrag zu stellen. Demnach fehlt es an den gemäß § 16 FreihEntzG maßgeblichen Voraussetzungen für eine Erstattungsanordnung zugunsten des Betroffenen. Dies gilt für sämtliche drei Rechtszüge.

a) Mögliche formelle Fehler im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Beschluss zur Verlängerung der Haftanordnung ändern daran nichts (vgl. z.B. BayObLG Beschluss vom 30.1.2002, 3Z BR 244/01). Die materiellen Voraussetzungen für die Haftverlängerung hat der Senat in seiner Entscheidung vom 15.2.2007 ausdrücklich bestätigt (Beschlussgründe unter II. 2. b S. 7). Hierauf wird Bezug genommen.

b) Es kann dahinstehen, ob ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags voraussetzt, dass der Antrag beim zuständigen Amtsgericht gestellt wird. Zweifelhaft ist dies deshalb, weil im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu dem das Freiheitsentziehungsverfahren gehört (vgl. § 3 Satz 2 FreihEntzG), eine formlose Abgabe an das örtlich zuständige Gericht, jedenfalls nach gerichtlichem Hinweis und auf Antrag, grundsätzlich möglich ist (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler § 1 Rn. 41; siehe auch BGHZ 139, 305 und BayObLG FGPrax 1998, 103 je für das Wohnungseigentumsverfahren). Denn das gegenständliche Verfahren zeichnet sich schon dadurch aus, dass ein Abgabebeschluss des Amtsgerichts (Neuburg/Donau) vorlag und die Ausländerbehörde den Verlängerungsantrag bei dem im Abgabebeschluss genannten Gericht (Nürnberg) gestellt hatte. Das Landgericht hat diesen zwar als derart fehlerhaft erachtet, dass er einen Zuständigkeitsübergang auf das Amtsgericht Nürnberg nicht habe bewirken können. Insoweit beruft sich das Landgericht auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 1995, 168), der ein Kompetenzstreit nach § 5 FGG zugrunde lag. Ob jener Entscheidung derart weitreichende Folgen für unter den beteiligten Gerichten nicht in Zweifel gezogene Abgaben zu entnehmen sind, erscheint fraglich. Im Regelfall wird vielmehr davon auszugehen sein, dass ein fehlerhafter Abgabebeschluss nicht nichtig ist (vgl. Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler § 7 Rn. 40/41; KG NJW 1955, 108/109). Dies kann hier aber offen bleiben. Jedenfalls hatte die Ausländerbehörde auf der Grundlage eines solchen nicht angegriffenen Beschlusses keinen Anlass, von dessen Wirkungslosigkeit auszugehen. Sie hat deshalb aus begründetem Anlass bei dem Amtsgericht, an das abgegeben wurde, den Verlängerungsantrag gestellt.

Ende der Entscheidung

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