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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 13.03.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 2/06
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 2
Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beginnt spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei der von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte wahrnehmen können; dies ist wiederum davon abhängig, wann der Anwalt Anlass hatte zu prüfen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten war. Ein solcher Anlass besteht regelmäßig, wenn der Anwalt ein fristgebundenes Rechtsmittel ohne genaue Kenntnis der Frist einlegen will, weil ihm weder die Handakten zur Verfügung stehen noch die Frist im Fristenkalender eingetragen ist.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Antragstellerin, der eine Wohnung im obersten Stockwerk des mit einem Flachdach versehenen Wohngebäudes gehört, hat beim Amtsgericht beantragt, Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 2.2.2005 zur Sanierung und Wärmedämmung des Daches, namentlich über ihrer Wohnung, für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat den Antrag am 25.7.2005 abgewiesen. Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 10.8.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 25.8.2005 Rechtsmittel eingelegt und nach einem am Morgen des 7.9.2005 ihrem Verfahrensbevollmächtigten übermittelten gerichtlichen Hinweis auf die Verfristung am 21.9.2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Das Landgericht hat am 26.10.2005 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist sowie die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 25.7.2005 verworfen. Gegen die am 6.12.2005 zugestellte Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 20.12.2005.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragstellerin habe die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO versäumt. Die Antragstellerin selbst treffe daran zwar kein Verschulden, dies gelte aber nicht für ihren anwaltlichen Vertreter. Dieser habe sich im August 2005 aus unvorhersehbaren gesundheitlichen Gründen nicht durchgängig in der Kanzlei aufgehalten. Am 23.8.2005 habe er seine Kanzleiangestellte angewiesen, gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Rechtsmittel einzulegen, was diese als äußerst gewissenhaft und zuverlässig bekannte Büroangestellte jedoch offensichtlich unterlassen habe. Bei einer Nachfrage am 25.8.2005 habe er dann feststellen müssen, dass sich die entsprechenden Schriftsätze nicht in den Akten befänden und habe erneut angewiesen, Rechtsmittel einzulegen. Am 25.8.2005 hätte für ihn bei der zu fordernden Umsicht und Sorgfalt hinreichend Anlass bestanden, die Akten im Hinblick auf die Einhaltung von Fristen einer genauen Kontrolle zu unterziehen. Dies hätte die Fristversäumnis aufgedeckt und zur Erkenntnis geführt, fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen.

Überdies hätte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nach dem gerichtlichen Hinweis vom 7.9.2005 bis zum Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO noch ausreichend Zeit bis zum Ablauf des 8.9.2005 besessen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Der Bevollmächtigte habe jedoch erst am 14.9.2005 mit einem Gesuch um Fristverlängerung reagiert. Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 21.9.2005 sei somit verspätet gestellt. Wegen Verfristung sei deshalb auch die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der auf Rechtsfehler beschränkten Nachprüfung stand.

a) Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den am 10.8.2005 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts vom 25.7.2005 endete am 24.8.2005 (§ 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG, § 16 Abs. 2, § 22 Abs. 1 FGG, §§ 172, 174 ZPO). Das Rechtsmittel vom 25.8.2005 war daher verfristet.

b) Der Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist unzulässig, weil die Wiedereinsetzungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG nicht eingehalten ist.

Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG ist einem Antragsteller, der ohne sein Verschulden verhindert war, eine Rechtsmittelfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung zu erteilen, wenn er diesen Antrag binnen zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses stellt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Eine Versäumung der Frist, die in dem Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten ihren Grund hat, ist nicht unverschuldet (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG).

Die Wiedereinsetzung ist innerhalb einer zweiwöchigen Frist zu beantragen (siehe Jansen FGG 2. Aufl. § 22 Rn. 25); diese Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das Hindernis behoben ist (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG, § 234 Abs. 2 ZPO). Das ist schon dann der Fall, wenn das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Daher beginnt die Frist insbesondere zu laufen, sobald der Beschwerdeführer oder sein Vertreter von der Versäumung der Beschwerdefrist Kenntnis erlangt hat oder sie dies bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten erkennen müssen (BayObLGZ 1981, 21/28; BayObLG Beschluss vom 8.9.1994, 3Z BR 205/94; BayObLG Beschluss vom 31.1.2002, 2Z BR 159/01 = ZWE 2002, 317 - Leitsatz; vgl. auch BGH MDR 1990, 413; NJW 1994, 2831/2832 m.w.N.). Die Frist beginnt spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei der von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte wahrnehmen können; dies ist wiederum davon abhängig, wann der Anwalt Anlass hatte zu prüfen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten war (BGH NJW-RR 1999, 429/430; NJW 2001, 1578/1579; NJW 2003, 1815; BayObLG Beschluss vom 8.9.1994, 3Z BR 205/94).

c) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass am 25.8.2005 für den Verfahrensbevollmächtigten Anlass bestanden hätte, selbständig und eigenverantwortlich das Fristende zu überprüfen. Hätte er dies gemacht, wäre ihm die eingetretene Fristversäumung aufgefallen und er hätte fristgerecht Wiedereinsetzung beantragen können. Dabei kann es ihn nicht entlasten, dass ihm die Handakten mit dem zugestellten Beschluss des Amtsgerichts in diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung standen, weil sie in der Kanzlei nicht aufgefunden werden konnten. Jedenfalls wurde der Bevollmächtigte gemäß seiner anwaltlichen Erklärung schon am 23.8.2005 von seiner Angestellten darüber unterrichtet, dass die Mandantschaft am Vortag angerufen und von der über die Hausverwaltung bekannt gegebenen, ihr nachteiligen Entscheidung berichtet habe. Als er am 25.8.2005 auf bewusste Nachfrage erfuhr, dass seine Anweisung zur Rechtsmitteleinlegung nicht ausgeführt war, hätte er sich an diesem Tag nicht damit begnügen dürfen, erneut Rechtsmitteleinlegung anzuweisen. Vielmehr hätte Anlass bestanden, das Fristende eigenverantwortlich festzustellen. Waren die Akten nicht auffindbar, hätte dies über den zu einer ordentlichen Kanzleiführung gehörenden Fristenkalender stattfinden können (siehe BGH NJW 2003, 1815/1816). Soweit die Fristennotierung in diesem Fall ebenfalls unterblieben ist, hätte es sich schon angesichts der knapp bemessenen 14-tägigen Rechtsmittelfrist aufgedrängt, nicht nur das Datum des ergangenen Beschlusses, sondern auch das Zustelldatum über das Gericht in Erfahrung zu bringen. Dies hätte sich beispielsweise durch einen Anruf bei der Geschäftsstelle des erkennenden Gerichts unschwer aufklären lassen, weil seit 17.8.2005 das mit dem Datum vom 10.8.2005 unterzeichnete Empfangsbekenntnis vorlag.

d) Dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin auf den Hinweis des Landgerichts vom 7.9.2005 auf die Verfristung des Rechtsmittels noch innerhalb der Frist des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG bis einschließlich 8.9.2005 den erforderlichen Antrag hätte stellen können, ist in diesem Zusammenhang nicht mehr erheblich.

3. Es erscheint nach § 47 WEG angemessen, der Antragstellerin neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten des erfolglosen Rechtsmittels aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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