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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 17.05.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 25/06
Rechtsgebiete: AufenthG, FreihEntzG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2
FreihEntzG § 13 Abs. 2
1. Der Vollzug von Abschiebehaft ist nur zulässig, wenn noch Erfolg versprechende Möglichkeiten zur Abschiebung bestehen. Eine solche Erfolg versprechende Möglichkeit liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die einzige Möglichkeit zur Identifizierung des Betroffenen in seiner wiederholten Vorführung bei der Vertretung des möglichen Heimatlandes besteht, die seine Rücknahme ohne neue Sachbeweise bereits einmal abgelehnt hat und neue Sachbeweise nicht vorliegen und auch nicht zu beschaffen sind.

2. Die Ausländerbehörde als Herrin des Verfahrens in Abschiebungshaftsachen muss auch bei Einschaltung anderer Behörden organisatorisch sicherstellen, dass Mitteilungen, die den weiteren Vollzug der Abschiebungshaft berühren können, ihr unverzüglich zugeleitet werden.

3. Der Antrag, die Rechtswidrigkeit einer der richterlichen Haftanordnung vorausgehenden behördlichen Ingewahrsamnahme festzustellen, begründet einen selbständigen Verfahrensgegenstand im Sinne des § 13 Abs. 2 FreihEntzG, über den erstinstanzlich das Amtsgericht zu entscheiden hat. Es bleibt offen, ob der Betroffene seine sofortige Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Haftanordnung mit einem solchen Feststellungsantrag verbinden kann mit der Folge, dass dann das Landgericht auch über den erstmals bei ihm gestellten Feststellungsantrag entscheiden kann.


Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines vermutlich sudanesischen oder nigerianischen Staatsangehörigen. Der Betroffene reiste eigenen Angaben zufolge Anfang November 2003 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12.11.2003 einen Asylantrag, der vom zuständigen Bundesamt als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Der Bescheid ist seit 3.12.2003 bestandskräftig. Seitdem ist der Betroffene vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Zu einem unbekannten Zeitpunkt reiste er illegal nach Österreich und stellte dort unter Alias-Personalien erneut einen Asylantrag. Am 2.3.2004 wurde er nach Deutschland rücküberstellt und bis 5.5.2004 in Abschiebungshaft genommen. Nach seiner Entlassung erhielt er befristete Duldungen, zuletzt bis 15.1.2006. Nach einer Vorführung bei der sudanesischen Botschaft am 28.9.2004 erklärte diese, dass es sich bei dem Betroffenen nicht um einen Staatsbürger der Republik Sudan handele.

Der Aufenthalt des Betroffenen war beschränkt auf die Stadt K. Im Zeitraum vom 16.12.2004 bis 26.4.2005 wurde er insgesamt siebenmal ohne behördliche Genehmigung außerhalb des ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereichs aufgegriffen. Seit dem 22.12.2005 war er gar nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft aufhältlich. Er wurde daraufhin am 16.1.2006 von der Ausländerbehörde zur Festnahme ausgeschrieben und noch am selben Tag von der Polizei festgenommen, als er eine Bescheinigung über eine weitere Duldung bei der Ausländerbehörde abholen wollte.

Mit Beschluss vom 17.1.2006 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen Abschiebungshaft für die Dauer von höchstens drei Monaten mit sofortiger Wirksamkeit angeordnet. Dagegen hat der Betroffene beim Amtsgericht sofortige Beschwerde eingelegt und zugleich beantragt, festzustellen, dass seine Festnahme und Ingewahrsamnahme vom Zeitpunkt der Festnahme bis zum Zeitpunkt der Anordnung der Haft durch das Amtsgericht rechtswidrig waren. Das Amtsgericht hat diesen Antrag, ohne über ihn zu entscheiden, mit der sofortigen Beschwerde dem Landgericht vorgelegt. Dieses hat mit Beschluss vom 10.2.2006 die sofortige Beschwerde und in den Gründen der Entscheidung (unter IV.) die beantragte Feststellung als unbegründet zurückgewiesen. Zugleich hat es die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ebenso versagt wie die beantragte Feststellung, dass die Staatskasse verpflichtet ist, die Auslagen des Verfahrensbevollmächtigten zu erstatten, die diesem durch Hinzuziehung eines Englisch-Dolmetschers zu einem Gespräch mit dem Betroffenen entstünden. Gegen diese Entscheidung richtete sich ursprünglich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 21.2.2006.

Am 18.1.2006 wurde der Betroffene der nigerianischen Vertretung zur Feststellung seiner Staatsangehörigkeit vorgeführt. Der Vertreter der Botschaft erklärte, der Betroffene sei mit hoher Wahrscheinlichkeit Nigerianer. Die Ausstellung eines Heimreisescheins wurde mündlich zugesagt. Mit Schreiben vom 27.1.2006 teilte die Bundespolizeidirektion, die die Vorführung des Betroffenen bei der nigerianischen Botschaft durchgeführt hatte, der Zentralen Rückführungsstelle bei der Regierung von O. mit, dass die Botschaft doch noch Beweise für die nigerianische Staatsangehörigkeit des Betroffenen fordere. Der Ausländerbehörde liegen solche nicht vor. Da es schon vorgekommen ist, dass auch ohne weitergehende Identitätsbelege eine Botschaft bei einer erneuten Vorführung dennoch Heimreisepapiere ausstellte, beabsichtigte die Ausländerbehörde, den Betroffenen am 26.4.2006 erneut vorzuführen. Am 2.3.2006 wurde der Betroffene aus der Haft entlassen.

Nach seiner Entlassung hat der Betroffene seine Anträge auf Haftaufhebung und Kostenzusage für eine Dolmetscherbeiziehung für erledigt erklärt. Er beantragt nunmehr, festzustellen, dass die Freiheitsentziehung aufgrund der Beschlüsse des Amtsgerichts vom 17.1.2006 und des Landgerichts vom 10.2.2006 rechtswidrig war. Seinen Feststellungsantrag betreffend die Rechtswidrigkeit des Gewahrsams bis zur Haftanordnung durch das Amtsgericht hält er aufrecht, ebenso den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig und in der Sache auch vorläufig erfolgreich.

1. Die Beendigung des der Abschiebungshaft vorgelagerten Gewahrsams vor Einlegung des Rechtsmittels und die Entlassung des Betroffenen aus der Abschiebungshaft am 2.3.2006 stehen der Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde nicht entgegen. Eine Erledigung der Hauptsache lässt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für ein gegen die Freiheitsentziehung eingelegtes Rechtsmittel entfallen. Der Rechtsmittelführer kann sein Rechtsmittel mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der aufgrund der angefochtenen Haftanordnung vollzogenen Freiheitsentziehung einlegen (oder aufrecht erhalten); er kann aber auch sein Rechtsmittel auf die Kostenfrage beschränken mit dem Ziel, im Rahmen der Kostenentscheidung gerichtlich prüfen zu lassen (vgl. § 16 Satz 1 FreihEntzG), ob seine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen die Gebietskörperschaft zu tragen hat, der die Verwaltungsbehörde angehört, deren Antrag zur Freiheitsentziehung geführt hat (Senat v. 24.10.2005, 34 Wx 113/05 m.w.N.). Der Betroffene hat nach seiner Entlassung aus der Abschiebungshaft im Rahmen der sofortigen weiteren Beschwerde seine Anträge auf Haftaufhebung und Kostenzusage für einen Dolmetscher für erledigt erklärt und beantragt nunmehr, festzustellen, dass die Freiheitsentziehung aufgrund des amts- bzw. landgerichtlichen Beschlusses rechtswidrig war. Die Auslegung dieses Antrags ergibt, dass er damit die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vom 17.1.2006 bis zum 2.3.2006 vollzogenen Abschiebungshaft begehrt. Zudem beantragt er auch weiterhin, festzustellen, dass der der Abschiebungshaft vorgelagerte Gewahrsam rechtswidrig war.

2. Die Entscheidung des Landgerichts über den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des der Abschiebungshaft vorgelagerten Gewahrsams ist bereits deswegen aufzuheben, weil das Gericht die damit befasste Polizeibehörde nicht beteiligt und zudem gegen das Gebot einer umfassenden Sachaufklärung (§12 FGG) verstoßen hat.

a) Das Landgericht hat zum vorangegangenen Gewahrsam ausgeführt:

Auch wenn der Ausländer freiwillig bei der Ausländerbehörde vorgesprochen habe, sei dies ebenso wenig wie der Zeitpunkt der Vorsprache vorhersehbar gewesen. Von einer geplanten Festnahme - mit der Möglichkeit einer vorherigen gerichtlichen Anordnung nach § 11 FreihEntzG - sei daher nicht auszugehen.

b) Mit diesen Erwägungen kann die Entscheidung keinen Bestand haben.

(1) Ob die Annahme richtig ist, dass eine einstweilige Anordnung gemäß § 11 FreihEntzG nur bei einer geplanten Festnahme eingeholt werden muss, kann dahinstehen. Denn für die Festnahme des Betroffenen lag eine solche jedenfalls nicht vor. Dann aber bedarf diese Freiheitsentziehung, um rechtmäßig zu sein, einer anderen rechtlichen Grundlage. Es ist zweifelhaft, ob das Ausländerrecht eine Grundlage für die Ausländerbehörde bietet, aus eigener Machtvollkommenheit den Ausländer über die Polizei zur vorläufigen Sicherung der Abschiebung selbst in Gewahrsam zu nehmen oder dem Haftrichter vorzuführen. Die herrschende Meinung verneint dies (OLG Braunschweig InfAuslR 2004, 166; OLG Frankfurt a.M. InfAuslR 1997, 313; OLG Köln v. 1.10.2004, 16 Wx 195/04; LG Göttingen InfAuslR 2006, 204; siehe auch BGH NJW 1993, 3069; Marschner/Volckart Freiheitsentziehung und Unterbringung 4. Aufl. § 2 Rn. 5 und § 13 FreihEntzG Rn. 2; a.A. wohl OLG Celle InfAuslR 2005, 58). Wohl deshalb beruft sich die Ausländerbehörde darauf, dass die Entscheidung über die Freiheitsentziehung vom 16. bis zum 17.1.2006 von der örtlichen Polizeiinspektion getroffen worden sei. Sollte dies zutreffen, läge kein Fall der Vollzugshilfe (Art. 52 PAG) vor, bei dem die durchgeführte Freiheitsentziehung der ersuchenden (Ausländer-)Behörde zugerechnet wird (vgl. Honnacker/Beinhofer PAG 18. Aufl. Art. 52 Erl. 1 f.). Daher ist es erforderlich, dass die Polizei durch ihre zuständige Direktion an dem gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams beteiligt wird. Denn zum einen kann nur so aufgeklärt werden, auf welcher Rechtsgrundlage die Festnahme des Betroffenen erfolgte. Zum anderen wäre die Polizei als für die Festnahme verantwortliche Behörde unmittelbar betroffen von einer Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Maßnahme, somit Antragsgegnerin der begehrten Feststellung (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 142; siehe auch OLG Schleswig InfAuslR 2003, 292/294). Das Gericht wird daher die Behörde formell am Verfahren zu beteiligen haben.

(2) Offen bleiben kann, ob das Landgericht über den Antrag überhaupt erstinstanzlich entscheiden konnte (so aber OLG Köln v. 1.10.2004, 16 Wx 195/04 bei Melchior/Abschiebungshaft/Anhang). Bei dem erstmals im Rahmen der sofortigen Beschwerde gestellten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der behördlichen Ingewahrsamnahme handelt es sich um einen Antrag nach § 13 Abs. 2 FreihEntzG, mit dem eine behördliche, nicht die richterliche Maßnahme zur gerichtlichen Überprüfung gestellt wird. Es handelt sich somit um einen selbständigen Verfahrensgegenstand (so auch OLG Hamm FGPrax 2005, 90; OLG Köln v. 1.10.2004, 16 Wx 195/04 bei Melchior/ Abschiebungshaft/Anhang). Über diesen hat, da sich das Verfahren nach dem FreihEntzG/FGG richtet, die ordentliche Gerichtsbarkeit, und dabei zuerst das Amtsgericht, zu entscheiden (vgl. dazu BVerwG NJW 1982, 536/537).

Ob in einem Fall wie hier eine einheitliche Freiheitsentziehung von vorgelagertem Gewahrsam und anschließend verhängter Abschiebungshaft vorliegt, die die Zuständigkeit des Landgerichts im Rahmen einer sofortigen Beschwerde zu begründen vermag (so OLG Köln a.a.O.), erscheint zweifelhaft, braucht aber nicht entschieden zu werden. Demgemäß weicht der Senat mit seiner Entscheidung auch nicht entscheidungserheblich vom Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 1.10.2004 ab. Die erwogene Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG kommt daher nicht in Betracht.

3. Die Entscheidung des Landgerichts über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungshaft hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand, wenn auch die Anordnung durch das Amtsgericht rechtmäßig erfolgte.

a) Das Landgericht hat zur Sache ausgeführt:

Bei dem Betroffenen lägen die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG vor. Er habe am 22.12.2005 den ihm zugewiesenen Aufenthaltsort gewechselt, ohne der Ausländerbehörde seinen neuen Wohnort anzugeben. Unerheblich sei, ob die Ausländerbehörde den Aufenthaltsort des Betroffenen hätte ermitteln können. Auch eine dem Betroffenen vom 2. bis 4.1.2006 erteilte Ausnahmegenehmigung sei unerheblich, da der Betroffenen diese zwar beantragt, aber nicht abgeholt habe. Zudem gebe der Betroffene falsche Personalien an, woraus in aller Regel auf eine Entziehungsabsicht geschlossen werden könne.

Die Abschiebung des Betroffenen werde von der Ausländerbehörde auch mit Nachdruck betrieben, was sich aus seiner alsbaldigen Vorführung am 18.1.2006 bei der nigerianischen Botschaft ergebe. Das Ergebnis der Vorführung sei noch nicht bekannt, eine Abschiebung erscheine innerhalb der nächsten drei Monate nicht unmöglich.

b) Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass bei dem Betroffenen der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vorlag. Dies folgt aus den vom Betroffenen angegebenen falschen Personalien. Die Angabe falscher Personalien begründet in aller Regel den Verdacht einer Entziehungsabsicht (vgl. BayObLG OLG-Report 2000, 56). Auf die Begründung des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Die freiwillige Vorsprache des Betroffenen bei der Ausländerbehörde am 16.1.2006 hindert bei dieser Sachlage die Annahme einer Entziehungsabsicht nicht. Es gibt keine Regel dahingehend, dass bei einem Ausländer, der freiwillig vorspricht, keine Entziehungsabsicht im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vorliegt (vgl. OLG Köln v. 1.10.2004, 16 Wx 195/04).

c) Das Landgericht konnte hier ausnahmsweise von der grundsätzlich auch im Beschwerderechtszug gemäß § 5 Abs. 1 FreihEntzG gebotenen persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen. Der Betroffene wurde vom Amtsgericht zeitnah persönlich angehört. Er hat sich über seinen Verfahrensbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren ausführlich geäußert. Umstände dafür, dass durch eine persönliche Anhörung die Annahme einer Entziehungsabsicht, die sich auf die Angabe falscher Personalien stützt, entfallen wäre, sind nicht erkennbar und sind auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zutage getreten. Die Einschätzung des Landgerichts, dass der Betroffene falsche Personalien angegeben hat, wird im Übrigen vom ihm selbst inzwischen bestätigt. Inwieweit die Umstände des Untertauchens durch eine persönliche Anhörung genauer zu klären gewesen wären, kann dahinstehen. Denn der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG lag in jedem Fall vor.

d) Die Entscheidung des Landgerichts verstieß auch nicht dadurch gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (vgl. § 5 Abs. 1 u. 2 FreihEntzG, Art. 103 Abs. 1 GG), dass das Landgericht die Übernahme von Dolmetscherkosten für ein Gespräch zwischen dem Betroffenen und seinem Verfahrensbevollmächtigtem versagt hat. Es ist weder dargelegt noch erkennbar, dass dem Betroffenen die Möglichkeit zur adäquaten Äußerung im Beschwerdeverfahren genommen wurde. Eine Kostenzusage kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Notwendigkeit der Beiziehung eines Dolmetschers dargelegt wird (vgl. Senat v. 8.2.2006, 34 Wx 004/06). Daran fehlt es hier. Es wurde weder erklärt, dass eine Verständigung mit seinem Verfahrensbevollmächtigten sonst nicht möglich ist, noch, dass kein anderer, privater Sprachmittler zur Verfügung steht. Einer solchen substantiierten Darlegung hätte es im vorliegenden Fall aber bedurft. Der Betroffene beherrscht die englische Sprache. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verständigung zwischen Verfahrensbevollmächtigtem und Betroffenem in dieser in Deutschland weit verbreiteten Fremdsprache unmöglich war.

4. Die landgerichtliche Entscheidung hält der rechtlichen Überprüfung aber deswegen nicht stand, weil nicht ermittelt ist, ob im dafür maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung am 10.2.2006 noch Erfolg versprechende Möglichkeiten der Ausländerbehörde zur Abschiebung des Betroffenen bestanden. Dies ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungshaft, da diese keine Erzwingungshaft darstellt, sondern ausschließlich der Sicherung der Abschiebung dient. Wenn eine Abschiebung nicht bzw. nicht mehr möglich ist, muss auch die Abschiebungshaft beendet werden (BayObLGZ 1997, 350 und st. Rspr.).

a) Auch nach Entlassung des Betroffenen aus der Haft und Erledigterklärung des ursprünglichen Rechtsschutzziels können weitere Tatsachenfeststellungen geboten sein. Die Erledigung der Hauptsache (Entlassung aus der Abschiebungshaft) führt im vorliegenden Fall nicht dazu, dass weitere Ermittlungen nicht mehr durchgeführt werden können (vgl. Senat v. 8.2.2006, 34 Wx 004/06). Da das Rechtsmittel mit geändertem Rechtsschutzziel weiterbetrieben wird, führt die Erledigung der Hauptsache nicht zur Verfahrensbeendigung.

b) Das Landgericht hat festgestellt, dass eine Abschiebung des Betroffenen innerhalb der nächsten drei Monate nicht unmöglich sei. Es hat sich dabei auf die Erklärung der Ausländerbehörde vom 6.2.2006 gestützt, wonach das Ergebnis der Vorführung bei der nigerianischen Botschaft noch nicht vorläge.

c) Zweifel an dieser Feststellung des Landgerichts ergeben sich aus dem Schreiben der Bundespolizeidirektion vom 27.1.2006 an die Zentralen Rückführungsstelle der Regierung von O. Auch wenn dieses Schreiben von der Ausländerbehörde erstmals im Rahmen der Rechtsbeschwerde vorgelegt wurde, konnte der Senat es bei seiner Entscheidung als unstreitige Tatsache (vgl. Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 45) mit berücksichtigen. In diesem Schreiben wurde der Zentralen Rückführungsstelle der Regierung von O. mitgeteilt, dass die nigerianische Botschaft weitere Sachbeweise für die nigerianische Staatsangehörigkeit des Betroffenen verlangt, bevor sie für den Betroffenen Passersatzpapiere ausstellt. Die Ausländerbehörde verfügte ersichtlich nicht über solche. Es liegt nahe, dass mit Kenntnisnahme der Erklärung der nigerianischen Botschaft die Erfolg versprechenden Möglichkeiten zur Abschiebung des Betroffenen durch die Ausländerbehörde ausgeschöpft waren und daher der Betroffene umgehend, möglicherweise auch noch vor dem 10.2.2006, aus der Abschiebungshaft zu entlassen gewesen wäre.

5. Der Senat verweist das Verfahren betreffend die Feststellung der Rechtswidrigkeit der bis zum 2.3.2006 dauernden Abschiebungshaft insgesamt an das Landgericht entsprechend § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zurück. Die von der Kammer zu treffenden weiteren Tatsachenfeststellungen über die Zeitdauer, in der die Haft möglicherweise rechtswidrig war, umfassen auch den Zeitraum nach der ersten landgerichtlichen Entscheidung.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

a) Es bedarf der Aufklärung, wann die Ausländerbehörde oder eine ihr zuzurechnende sonstige amtliche Stelle von der Mitteilung der Botschaft Kenntnis erlangte und was sie daraufhin zu welchem Zeitpunkt veranlasst hat. Auch können organisatorische Probleme eine weitere Inhaftierung des Betroffenen nicht rechtfertigen. Die Ausländerbehörde als Herrin des Verfahrens muss daher sicherstellen, dass sie unverzüglich Mitteilung erhält, wenn die Voraussetzungen der weiteren Abschiebungshaft zweifelhaft werden (vgl. dazu auch OLG Köln FGPrax 2005, 274/275). In diesem Zusammenhang wird daher auch zu klären sein, wann die Bundespolizeidirektion Mitteilung von der nigerianischen Botschaft erhielt und wann die Mitteilung jeweils an welche Stelle weitergeleitet wurde.

b) Eine zweite Vorführung des Betroffenen bei der nigerianischen Botschaft ohne Änderung der Sachlage dürfte keine Ermittlungsmöglichkeit darstellen, die die weitere Inhaftierung des Betroffenen rechtfertigen könnte. Die Botschaft hat hier bereits entschieden. Soweit der Ausländerbehörde Fälle bekannt sind, in denen die Vertretung eines ausländischen Staates bei unveränderter Sachlage bei einer zweiten Vorführung anderes entschieden hat als bei der ersten Vorführung, erscheint dies grundsätzlich nicht geeignet, die weitere Haft zu rechtfertigen und den Freiheitsanspruch des Betroffenen zurücktreten zu lassen.

III.

Dem Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gemäß § 14 FGG, §§ 114, 121 ZPO angesichts der nicht einfachen Sach- und Rechtlage und mit Rücksicht auf die nicht zu überspannenden Erfolgsaussichten stattzugeben. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen rechtfertigen die Bewilligung ohne Ratenzahlung, § 120 ZPO.



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