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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 03.04.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 25/07
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 2
Auch der konkrete Gebrauch eines in der Teilungserklärung bestimmten Sondernutzungsrechts unterliegt der Regelungskompetenz durch die Wohnungseigentümer. Deshalb ist ein Eigentümerbeschluss jedenfalls nicht nichtig, der die Ein- und Ausfahrt zu Stellplätzen, die dem Teileigentümer einer als Laden ausgewiesenen Einheit zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen sind, ab 21.00 Uhr beschränkt.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Dem Antragsteller gehört im Erdgeschoß zum Miteigentum eine Gewerbeeinheit, die im Aufteilungsplan als Laden samt Nebenräumen Nr. 2 beschrieben ist. Das Teileigentum ist vermietet; in ihm wird u.a. eine Videothek betrieben. Nach der Gemeinschaftsordnung steht dem Sondereigentümer der Gewerberäume darüber hinaus das Recht auf alleinige und ausschließliche Nutzung zweier Stellplätze im rückwärtigen Grundstücksteil (Hof) zu. Die Videothek hat ihren Eingang auf der Rückseite des Gebäudes. Kunden der nach 21.00 Uhr noch geöffneten Videothek nutzen die beiden Stellplätze. In der Einfahrt zu diesen und weiteren Stellflächen war seit dem Jahr 2005 ein absperrbarer Kipppfosten angebracht. Beim Ein- und Ausfahren über den niedergeklappten Pfosten kam es wegen einer in der Einfahrt befindlichen Regenrinne zu Beschädigungen an tiefer gelegten Fahrzeugen.

In ihrer Versammlung vom 9.11.2005 fassten die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:

Der Pfosten wird versetzt und funktionsgerecht installiert, so dass keine Fahrzeuge mehr beschädigt werden können. Die Hausbewohner haben die Möglichkeit, den Pfosten ab 21.00 Uhr durch Hochkippen abzusperren. Die Videothek, der Optiker sowie die Firma V. erhalten je zwei Schlüssel, um den Pfosten während des Tages entriegeln zu können.

Das Schild an der Einfahrt wird durch den Hinweis ergänzt, dass das Ein- und Ausfahren ab 21.00 Uhr nicht mehr möglich ist.

Der Antragsteller hat zunächst mit am 22.12.2005 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Im Hinblick auf die abgelaufene Ausschlussfrist hat er seinen Antrag auf die Feststellung umgestellt, dass der Beschluss nichtig ist. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 28.7.2006 den Antrag abgewiesen, das Landgericht die sofortige Beschwerde des Antragstellers am 23.1.2007 zurückgewiesen und dem Antragsteller neben den gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auch die den Antragsgegnern entstandenen außergerichtlichen Kosten auferlegt. Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Eigentümerbeschluss sei nicht wegen mangelnder Bestimmtheit nichtig. Der Beschluss sei nicht deswegen zu unbestimmt, weil der genaue Ort, an den der Pfosten versetzt werden solle, nicht ausdrücklich genannt worden sei. Vielmehr sei der Eigentümerbeschluss dahingehend auszulegen, dass der Pfosten an eine Stelle versetzt werden solle, an der eine Gefährdung für die Fahrzeuge nicht mehr bestehe und er andererseits noch eine Sperrwirkung entfalte. Welcher genaue Standort dafür in Betracht komme, müsse, um dem Bestimmtheitserfordernis zu genügen, nicht ausdrücklich genannt werden. Nach Wortlaut und voranstehendem Protokolltext sei die Stelle jedenfalls bestimmbar.

Eine Unbestimmtheit ergebe sich auch nicht aus der Regelung, wonach verschiedene Geschäfte je zwei Schlüssel erhielten. Wer mit Videothek, Optiker sowie Firma V. gemeint sei, lasse sich ohne weiteres feststellen. Der Regelung sei weiterhin zu entnehmen, dass jedenfalls die Nutzer der im Beschluss aufgeführten Gewerbeeinheiten Schlüssel erhalten sollten, um den Pfosten auch während des Tages entriegeln zu können. Es ergebe sich auch ohne weiteres aus dem Beschluss, dass den Hausbewohnern ohnehin die Möglichkeit eingeräumt werde, den Pfosten durch Hochkippen abzusperren, was naturgemäß voraussetze, dass diese in Besitz eines entsprechenden Schlüssels seien.

Unklar sei der Eigentümerbeschluss schließlich nicht deshalb, weil er die Anbringung eines Schildes vorsehe mit dem Hinweis, dass das Ein- und Ausfahren ab 21.00 Uhr nicht mehr möglich sei. Hieraus lasse sich nicht schließen, dass den Wohnungseigentümern bzw. deren Mietern das Ein- und Ausfahren ab 21.00 Uhr nicht mehr gestattet sein solle. Aus dem Gesamtzusammenhang sowie aus Sinn und Zweck folge, dass die Eigentümer berechtigt seien, auch nach 21.00 Uhr in den Hof ein- bzw. auszufahren. Weil ihnen die Möglichkeit eingeräumt werde, den Hof ab 21.00 Uhr durch Hochkippen des Pfostens abzusperren, solle lediglich die Zufahrt von Kunden der Gewerbeeinheiten in den Hof verhindert werden können. Das Schild bezwecke nur, die Kunden darauf hinzuweisen, dass ein Abstellen der Fahrzeuge ab 21.00 Uhr im Hofbereich nicht mehr gestattet sei.

Der Beschluss sei nicht wegen fehlender Kompetenz der Eigentümerversammlung nichtig. Es handle sich vielmehr um eine zulässige Gebrauchsregelung. Dem Antragsteller werde die Nutzung der ihm zugeordneten Stellplätze nicht vollständig unmöglich gemacht. Die Stellplätze könnten auch weiterhin nach 21.00 Uhr benutzt werden. Lediglich für die Kunden der Videothek seien die Nutzungsmöglichkeiten zeitlich eingeschränkt. Es handele sich um eine durch Mehrheitsbeschluss getroffene zulässige Gebrauchsregelung. Die Teilungserklärung schließe eine zeitliche Beschränkung der Nutzung nicht aus.

Der Gültigkeit des bestandskräftigen Beschlusses stehe auch nicht entgegen, dass das Versetzen des Pfostens als bauliche Maßnahme anzusehen sei, wofür es grundsätzlich der Zustimmung aller Miteigentümer bedürfe. Der Beschluss sei nicht rechtzeitig angefochten worden; deswegen sei er bestandskräftig.

Die getroffene Regelung sei schließlich auch nicht willkürlich. Sie bezwecke die Wahrung der Interessen der Hausbewohner an einer möglichst geringen Lärmbelästigung. Diese seien vom Antragsteller bzw. dessen Mieter bei der Ausübung des Sondernutzungsrechts zu berücksichtigen. Von einer nicht mehr zu billigenden einseitigen Bevorzugung der Hausbewohner gegenüber den Interessen des Antragstellers könne nicht gesprochen werden.

Es entspreche billigem Ermessen, dem Antragsteller neben den Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten der sofortigen Beschwerde aufzuerlegen, da deren Erfolglosigkeit offensichtlich gewesen sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung durch den Senat stand.

a) Der Senat kann den maßgeblichen Eigentümerbeschluss ohne Bindung an die tatrichterliche Auffassung selbständig auslegen. Es handelt sich nämlich um einen auf unbegrenzte Dauerwirkung angelegten Beschluss, der eine Hausordnungsregelung zum Gegenstand hat. Jedenfalls derartige Beschlüsse hat das Rechtsbeschwerdegericht selbst "aus sich heraus" - objektiv und normativ - auszulegen (BGHZ 139, 288/292 f.; OLG Hamburg ZMR 2001, 725; OLG Düsseldorf ZMR 2005, 143).

b) Die Auslegung eines derartigen Eigentümerbeschlusses, der nach § 10 Abs. 3 WEG auch ohne Eintragung in das Grundbuch für etwaige Sondernachfolger gilt, richtet sich nach dessen in der Niederschrift der Eigentümerversammlung festgehaltenen Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt; Umstände außerhalb des Versammlungsprotokolls dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 121, 236/239; 139, 288/292 f.).

c) Die Auslegung durch den Senat führt zu keinem anderen Ergebnis als dem des Landgerichts.

(1) Gegenstand des Beschlusses bildet zunächst die Versetzung eines vorhandenen Pfostens. Dass ein Pfosten nicht erstmals gesetzt werden sollte, sondern bereits angebracht war, lässt sich dem weiteren Protokollinhalt unschwer entnehmen. Die Notwendigkeit, über die Versetzung des Kipppfostens zu beraten und abzustimmen, ergab sich aus dessen Vorhandensein in der Hofeinfahrt und dessen Ursächlichkeit für Schäden an tiefer gelegten Fahrzeugen.

Der Standort, an den der Pfosten versetzt werden sollte, ist jedenfalls bestimmbar. Nach seiner Funktion soll der Pfosten für Kraftfahrzeuge die Hofeinfahrt versperren. Ferner hat der neue Standort zu gewährleisten, dass im Hinblick auf die in der Einfahrt vorhandene Entwässerungsrinne Fahrzeuge, deren Räder sich in der Rinne befinden, nicht mehr aufsetzgefährdet sind. Mehr ist unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit, jedenfalls soweit es um die ohne gerichtliche Ungültigerklärung für jedermann zu beachtende Nichtigkeit eines Eigentümerbeschlusses geht, nicht zu verlangen (vgl. auch OLG München ZMR 2007, 69).

(2) Der Beschluss enthält seinem objektiven Inhalt zufolge kein Verbot, tagsüber oder auch nachts in den Hof zu Zwecken des Parkens ein- und auszufahren. Der Beschluss bestimmt insoweit nur, dass die Zufahrt ab einer bestimmten Uhrzeit durch das Hochkippen des Pfostens versperrt werden kann. Dies hat für die Inhaber der Gewerbeeinheiten zur Folge, dass ihnen zuzurechnende Personen ohne Schlüssel, also insbesondere Kunden, nach 21.00 Uhr Gefahr laufen, nicht mehr in den Hof ein- oder aus dem Hof ausfahren zu können. Im Übrigen legt der Beschluss ebenfalls ausreichend bestimmt den Kreis von Gewerbetreibenden fest, die Schlüssel zum Entriegeln des Pfostens erhalten sollen.

Der ebenfalls beschlossene Zusatz auf dem in der Einfahrt angebrachten Schild ist unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit ohnehin unproblematisch. Der Regelungsgehalt ergibt sich bereits daraus, dass den Hausbewohnern erlaubt ist, den Pfosten ab 21.00 Uhr durch Hochkippen abzusperren und damit die Einfahrt abzuriegeln.

(3) Der Eigentümerbeschluss ist nicht deshalb nichtig, weil er unzulässig in den Bestand eines Sondernutzungsrechts des Antragstellers eingriffe (vgl. § 15 Abs. 2 WEG). Auch der konkrete Gebrauch eines in der Teilungserklärung bestellten Sondernutzungsrechts unterliegt der Regelungskompetenz durch eine Hausordnung (KG NJW-RR 1996, 586; siehe auch BayObLG NZM 1999, 1145).

Nach der maßgeblichen Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung steht dem Antragsteller als Teilmiteigentümer des Ladens Nr. 2 das Rechts auf alleinige und ausschließliche Benutzung der im Hof befindlichen Stellplätze 1 und 2 zu. Das Sondernutzungsrecht besteht für das als Laden beschriebene Teileigentum. Es handelt sich hierbei um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Läden zeichnen sich herkömmlicherweise dadurch aus, dass in ihren Räumen Geschäfte mit beschränkten Öffnungszeiten betrieben werden (vgl. BayObLG ZMR 1996, 335; OLG Hamburg ZMR 2002, 455; OLG Köln WuM 2005, 71; siehe auch § 3 LadSchlG). Deshalb ist es hier, jedenfalls im Rahmen der Nichtigkeitsprüfung, unbedenklich, dass der Eigentümerbeschluss eine Einschränkung des motorisierten Besucherverkehrs für die in dem Laden des Antragstellers betriebene Videothek bewirkt, indem nach 21.00 Uhr die dem Laden zugehörigen Parkflächen nicht mehr von Personen ohne Schlüssel, also insbesondere von wechselnder Kundschaft, genutzt werden können. Im Zusammenhang mit der Nichtigkeitsprüfung spielt es auch keine Rolle, ob der Eigentümerbeschluss inhaltlich einen ordnungsmäßigen Gebrauch regelt, der unter Berücksichtigung der Beschaffenheit seines Gegenstands sowie öffentlichem Recht und Verkehrssicherungspflichten dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme und billigem Ermessen entspricht (vgl. BayObLG NZM 1998, 239; OLG Köln NZM 2000, 191; Palandt/Bassenge BGB 66. Aufl. § 15 WEG Rn. 5 und 10). Denn ein Verstoß hiergegen hätte allenfalls dessen Anfechtbarkeit zur Folge (§ 23 Abs. 4 WEG). Gleiches gilt, sofern das Versetzen des Pfostens als bauliche Maßnahme anzusehen sein sollte, die auch der Zustimmung des Antragstellers bedurft hätte. Ohne rechtzeitige Anfechtung erlangt der Beschluss Bestandskraft (BGHZ 145, 158/168 f.).

d) Auch die nach § 47 WEG getroffene Kostenentscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Sie unterliegt als Ermessensentscheidung nur einer beschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (vgl. § 27 FGG), nämlich darauf, ob von ungenügenden oder verfahrenswidrigen Feststellungen ausgegangen wurde, ob wesentliche Umstände außer Betracht gelassen wurden, ob gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde oder ob von dem Ermessen ein dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufender oder die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreitender und damit rechtlich fehlerhafter Gebrauch gemacht wurde (siehe Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 47 Rn. 23 m.w.N.). Solche Fehler sind nicht ersichtlich. Das Landgericht ist vielmehr ohne Ermessensfehler von einer offensichtlichen Erfolglosigkeit des Rechtsmittels ausgegangen und hat damit die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung in § 47 Satz 2 WEG begründet. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Anforderungen an die Feststellung der Nichtigkeit des gefassten Eigentümerbeschlusses ungleich höher sind als die an die Feststellung der bloßen Anfechtbarkeit, nicht zu beanstanden. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung erwähnte "Einsichtsrechtsprechung" (BayObLG NZM 2003, 521; Niedenführ/Schulze § 47 Rn. 16) kommt nicht zum Tragen.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, dem in allen Rechtszügen erfolglosen Antragsteller die gerichtlichen wie auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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