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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 02.10.2008
Aktenzeichen: 34 Wx 33/08
Rechtsgebiete: BGB, GBO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 878
GBO § 19
GBO § 77
GBO § 80 Abs. 3
ZPO § 563 Abs. 2
1. Der auf eine Rechtsbeschwerde ergangene Beschluss des Oberlandesgerichts mit der Anweisung an das Grundbuchamt, ein Vorkaufsrecht einzutragen, bindet grundsätzlich nicht nur das Grundbuchamt sondern auch das Landgericht und den Senat selbst (§ 563 Abs. 2 ZPO); diese Bindung entfällt, wenn sich der Sachverhalt geändert hat.

2. Eine Bindung kann hinsichtlich eines neuen, in dieser Entscheidung nicht gewürdigten Grundes nicht bestehen; darauf, ob die zuvor entscheidenden Gerichte den Umstand hätten erkennen und berücksichtigen können, kommt es nicht an.

3. Die Eintragung muss durch den zur Zeit der Eintragung in seinem Recht Betroffenen bewilligt werden.


Gründe:

I. 1. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind Geschwister. Ihre Eltern überließen ihnen zu notariellen Verträgen vom 14.12.1973 Teilflächen eines ihnen gehörenden Grundstücks. Die Beteiligte zu 2 sollte diesem Vertrag zufolge eine verbleibende Teilfläche von etwa 1.925 m² samt einem von zwei Wohnhäusern erhalten, der Beteiligte zu 1 eine solche von 2.830 m² mit dem anderem Wohnhaus. Die Beteiligte zu 2 bestellte in dieser Urkunde für den jeweiligen Eigentümer der dem Beteiligten zu 1 überlassenen Teilfläche ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle und bewilligte die Eintragung dieses Vorkaufsrechts ins Grundbuch. Der Antrag auf Eintragung sollte dem Vertrag zufolge in der Messungsanerkennungsurkunde nach Vorliegen des amtlichen Messergebnisses gestellt werden.

In einer Nachtragsurkunde vom 26.4.1976 wurde die ursprüngliche Vereinbarung dahingehend geändert, dass die an die Beteiligte zu 2 zu überlassende Parzelle auf ca. 480 m² reduziert wurde. Auf dieser Parzelle stand das im ersten Vertrag ebenfalls bezeichnete Wohnhaus. Im Übrigen räumte die Beteiligte zu 2 den jeweiligen Eigentümern des Restgrundstücks ein dauerhaftes unentgeltliches Geh- und Fahrtrecht und in einer weiteren Urkunde vom selben Tag ein Kanalanschlussrecht ein. Eine weitere Urkunde unter Mitwirkung der Eltern und der Beteiligten zu 2 vom 5.1.1981 enthielt die Messungsanerkennung und Auflassung hinsichtlich des der Beteiligten zu 2 zugewandten Grundstücks. Die Grundstücksgröße wurde mit 514 m² festgestellt. Hinsichtlich des Kanalanschlussrechts wurde eine Grunddienstbarkeit bestellt. Unter Ziff. 4 heißt es in dieser Urkunde:

Im Übrigen verbleibt es bei den Bestimmungen der Vorurkunde, mit der dieser Nachtrag zu verbinden und wie diese auszufertigen ist.

Am 12.7.2005 beantragte der Beteiligte zu 1 die Eintragung des bezeichneten Vorkaufsrechts. Nachdem das Grundbuchamt zunächst im Wege der Zwischenverfügung die Vorlage einer Bewilligung der Beteiligten zu 2 verlangt hatte, diese aber nicht vorgelegt wurde, wies das Grundbuchamt mit Beschluss vom 6.7.2006 den Eintragungsantrag unter Hinweis auf die Zwischenverfügung endgültig zurück. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1 blieb gemäß Beschluss des Landgerichts vom 18.12.2006 erfolglos. Auf dessen weitere Beschwerde hin hob das Oberlandesgericht München (32. Zivilsenat) mit Beschluss vom 27.3.2007 (32 Wx 032/07 = NotBZ 2007, 419) die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts auf und wies das Grundbuchamt an, die im Antrag vom 12.7.2005 bezeichnete Eintragung eines Vorkaufsrechts für alle Verkaufsfälle am verfahrensgegenständlichen Grundstück einzutragen.

2. Bereits am 19.5.2006 hatte die Beteiligte zu 2 mit dem Beteiligten zu 3 vor dem Notar einen Überlassungsvertrag geschlossen, wonach die Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 3, ihrem Sohn, das Alleineigentum an dem streitgegenständlichen Grundbesitz überließ. Am 2.8.2006 wurde der Beteiligte zu 3 als Alleineigentümer in das Grundbuch eingetragen.

3. Mit Zwischenverfügung vom 31.5.2007 hat das Grundbuchamt den Beteiligten zu 1 darauf hingewiesen, dass infolge des Eigentümerwechsels zur Eintragung des Vorkaufsrechts die Bewilligung des neuen Eigentümers in notariell beglaubigter Form erforderlich sei. Eine solche wurde in der gesetzten Frist nicht vorgelegt. Daraufhin hat das Grundbuchamt den Antrag auf Eintragung eines Vorkaufsrechts sowie den Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs am 1.10.2007 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.3.2008 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.

II. Die weitere Beschwerde ist gemäß § 78 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Grundbuchamt habe den Antrag auf Eintragung des Vorkaufsrechts zu Recht zurückgewiesen, da die Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks fehle; es liege nur eine Bewilligung der früheren Eigentümerin vor. Gemäß § 18 Abs. 1 GBO sei der Eintragungsantrag zurückzuweisen, wenn der beantragten Eintragung ein Hindernis entgegenstehe. Hierbei sei jedes bis zur Vollendung der Eintragung auftretende Hindernis zu beachten. Es sei somit nicht entscheidend, ob zum Zeitpunkt der Antragstellung die Bewilligung einer bewilligungsberechtigten Person vorgelegen habe, vielmehr sei entscheidend, ob dies zum Zeitpunkt der Vornahme der beantragten Eintragung der Fall sei.

Eigentümer sei aber gegenwärtig der Beteiligte zu 3. Dieser habe keine Bewilligung erteilt. Es liege lediglich eine Bewilligung der Beteiligten zu 2, der früheren Eigentümerin, vor, die jedoch nicht genüge.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass das Grundbuchamt zunächst die beantragte Eintragung zu Unrecht zurückgewiesen habe; die Grundbuchordnung kenne insoweit keine Rückwirkung der Eintragungsvoraussetzungen.

Die Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts könne auch nicht durch Grundbuchberichtigung erfolgen. Das Grundbuch sei nicht unrichtig. Das dingliche Vorkaufsrecht entstehe nicht mit Beantragung und Bewilligung der Eintragung, sondern als dingliches Recht gemäß §§ 873, 874 BGB erst mit der Eintragung im Grundbuch. Da somit mangels Eintragung ein Vorkaufsrecht nicht entstanden sei, könne das Grundbuch auch durch die Nichteintragung des Vorkaufsrechts nicht unrichtig sein. Wenn ein dingliches Vorkaufsrecht nicht entstanden sei, komme es für das Eintragungsverfahren auch nicht darauf an, inwieweit der Beteiligte zu 3 im Hinblick hierauf gutgläubig gewesen sei oder nicht.

Das Grundbuchamt habe auch den Antrag auf Eintragung eines Amtswiderspruchs zu Recht zurückgewiesen, da aus den genannten Gründen das Grundbuch nicht unrichtig geworden sei.

Das Grundbuchamt sei nicht an den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27.3.2007 gebunden gewesen. Dieses sei nämlich von einer wirksamen Bewilligung der betroffenen Grundstückseigentümerin ausgegangen. Diese tatsächliche Feststellung sei jedoch unzutreffend, da seit 2.8.2006 der Beteiligte zu 3 als Eigentümer eingetragen sei. Auch habe das Oberlandesgericht im Beschluss vom 26.7.2007 noch einmal darauf hingewiesen, dass der Senat an die tatsächlichen Feststellungen der Beschwerdeentscheidung gebunden sei und daher Änderungen in der tatsächlichen Situation außerhalb dieser Feststellungen gar nicht habe berücksichtigen können.

2. Die Ausführungen des Landgerichts halten rechtlicher Überprüfung stand (§ 78 GBO, §§ 546, 547 ZPO).

a) Die Entscheidung des Landgerichts leidet nicht unter einem die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigenden Verfahrensfehler. Das Recht auf rechtliches Gehör des Beteiligten zu 1 ist nicht dadurch verletzt, dass ihm der Beschluss des 32. Zivilsenats vom 26.7.2007 nicht zugänglich gemacht worden ist. Mit diesem Beschluss wurde eine Anhörungsrüge des Beteiligten zu 3 verworfen; auf den darin enthaltenen ergänzenden Hinweis ist die Entscheidung des Landgerichts nicht gestützt, er dient lediglich als weiteres Argument für die Meinung, eine Bindung bestehe nicht. Der Beteiligte zu 1 trägt auch nicht vor, welche relevanten, bisher nicht berücksichtigten Tatsachen er bei Kenntnis dieses Beschlusses noch gebracht hätte.

b) Der Beschluss des 32. Zivilsenats vom 27.3.2007 mit der Anweisung an das Grundbuchamt, das Vorkaufsrecht einzutragen, bindet grundsätzlich nicht nur das Grundbuchamt, sondern auch das Landgericht und den Senat selbst (vgl. § 563 Abs. 2 ZPO). Allerdings entfällt diese Bindung, wenn sich der Sachverhalt geändert hat (vgl. Demharter GBO 26. Aufl. § 77 Rn. 43; Meikel/Streck GBO 9. Aufl. § 77 Rn. 44; § 80 Rn. 39, 40 und 41; KEHE/Briesemeister GBO 6. Aufl. § 77 Rn. 29).

Landgericht und Oberlandesgericht sind im vorangegangenen Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren (§ 77, § 80 Abs. 3 GBO) davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 2 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen sei. Für die Entscheidung des 32. Zivilsenats ergibt sich dies aus II 2. a) der Gründe. Tatsächlich ist seit 2.8.2006 der Beteiligte zu 3 als Eigentümer eingetragen.

Auch wenn eine Veränderung der Rechtslage durch Eintragungen im Grundbuch bei der Entscheidung über die weitere Beschwerde hätte berücksichtigt werden können (vgl. BayObLGZ 1983, 303; Demharter § 78 Rn. 8), liegt eine Zuwiderhandlung gegen die Rechtsauffassung des (Rechts-) Beschwerdegerichts nicht vor, wenn dieses, wie hier, ersichtlich von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist, so z.B., wenn dem (Rechts-) Beschwerdegericht der zwischenzeitlich geänderte Grundbuchstand nicht bekannt war (vgl. Meikel/Streck § 77 Rn. 44). Die Bindungswirkung besteht nur hinsichtlich der vom (Rechts-) Beschwerdegericht entschiedenen Frage (vgl. BayObLGZ 1918, 286/288), nämlich der Verwendbarkeit einer vor 32 Jahren beurkundeten Eintragungsbewilligung. Die Notwendigkeit einer Bewilligung gemäß § 19 GBO gerade durch den (aktuell) Berechtigten, also desjenigen, dessen Recht durch die Eintragung betroffen wird, war nicht Gegenstand des Beschlusses vom 27.3.2007. Eine Bindung kann daher hinsichtlich des neuen, in dieser Entscheidung nicht gewürdigten Grundes nicht bestehen. Darauf, ob die damals entscheidenden Gerichte den Umstand hätten erkennen und berücksichtigen können, kommt es nicht an.

c) Die Eintragung muss, wie das Landgericht zu Recht entschieden hat, durch den zur Zeit der Eintragung in seinem Recht Betroffenen bewilligt werden (vgl. Demharter § 19 Rn. 61). Als Eigentümer eingetragen ist seit 2.8.2006 der Beteiligte zu 3, der die Eintragung des Vorkaufsrechts nicht bewilligt hat. Die von der Beteiligten zu 2 erteilte Bewilligung wirkt auch nicht nach § 878 BGB fort. § 878 BGB setzt voraus, dass der Berechtigte Inhaber des Rechts bleibt und lediglich in seiner Verfügung darüber beschränkt wird (vgl. OLG Frankfurt OLGZ 1980, 100; Staudinger/Gursky Bearb. 1995 § 878 BGB Rn. 18).

Selbst wenn, wie der Beteiligte zu 1 vorträgt, die Übergabe an den Beteiligten zu 3 im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte, so ist der Beteiligte zu 3 doch nicht Gesamtrechtsnachfolger und wirken Erklärungen der Beteiligten zu 2 nicht für ihn.

d) Da die Belastung eines Grundstücks mit einem Recht Einigung und Eintragung voraussetzt (§ 873 BGB), eine Eintragung aber nicht erfolgt ist, ist ein dingliches Vorkaufsrecht nicht entstanden. Auf die vom Beteiligten zu 1 angesprochene Frage, ob ein gutgläubiger Erwerb möglich war, kommt es daher nicht an. Ebenso kommt die Eintragung eines Widerspruchs nicht in Frage, weil das Grundbuch nicht unrichtig geworden ist (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO). Nur der Vollständigkeit halber ist noch anzuführen, dass das Grundbuchamt die Eintragung des neuen Eigentümers nicht unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften, hier des § 17 GBO (Reihenfolge bei Erledigung mehrerer Anträge), vorgenommen hat. Denn mit der bekannt gemachten Zurückweisungsentscheidung des Grundbuchamts vom 6.7.2006 war der Eintragungsantrag vom 12.7.2005 zunächst erledigt (vgl. Demharter § 17 Rn. 11).

e) Eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung ist nur - ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (Demharter § 77 Rn. 31) - insoweit veranlasst, als nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG eine Kostenerstattungsanordnung für das Beschwerdeverfahren zugunsten der Beteiligten zu 2 und 3 zu treffen ist. Diese haben sich mit entgegen gesetzter Zielrichtung am Beschwerdeverfahren beteiligt. Die Vorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist zwingender Natur (BayObLGZ 1968, 304/311; Senat vom 12.12.2007, 34 Wx 118/07 = ZfIR 2008, 505/507). Ob und ggf. welche Kosten tatsächlich zu erstatten sind, ist erst in der späteren Kostenfestsetzung zu klären.

3. Auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren ergibt sich die Kostenerstattungsanordnung zugunsten der Beteiligten zu 2 und 3 aus § 13a Abs.1 Satz 2 FGG.

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