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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 27.06.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 38/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 3 Abs. 1
WEG § 4 Abs. 1
WEG § 4 Abs. 3
WEG § 10 Abs. 2
WEG § 15
Werden Räume abweichend vom Aufteilungsplan errichtet und sind sie einem Sondereigentum nicht zuordnungsfähig, entsteht an ihnen Gemeinschaftseigentum. Aus § 242 BGB und dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer können diese verpflichtet sein, ihre dinglichen Vereinbarungen der veränderten Lage anzupassen und eine angemessene Lösung zu finden. Danach können sie verpflichtet sein, den Teilungsvertrag und den Aufteilungsplan so abzuändern, dass er der tatsächlichen Bebauung entspricht.
Tatbestand:

Die Antragsteller, ein Ehepaar, und die Antragsgegnerin sind die Wohnungseigentümer einer aus zwei Haushälften bestehenden Wohnanlage. Den Antragstellern gehört je zur Hälfte ein 500/1.000 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum, das in dem der Teilungserklärung vom 2.8.1994 beigefügten Aufteilungsplan als Nr. 1 bezeichnet ist; der Antragsgegnerin gehört ein Miteigentumsanteil von 500/1.000, verbunden mit dem als Nr. 2 bezeichneten Sondereigentum.

Abweichend vom Aufteilungsplan errichteten die Beteiligten unter einer den Antragstellern zur Sondernutzung zugewiesenen Gartenfläche zusätzlich zwei Kellerräume und einen Abstellraum. Diese Räumlichkeiten werden von den Antragstellern ausschließlich genutzt. Unter den im Aufteilungsplan mit Nr. 1 und Nr. 2 bezeichneten Garagen befinden sich nicht, wie geplant, zwei ebenfalls jeweils dem Sondereigentum Nr. 1 und Nr. 2 zugewiesene Kellerräume. Vielmehr wurde unter den Garagen ein einheitlicher Kellerraum geschaffen, den die Antragsgegnerin, ursprünglich im Einverständnis mit den Antragstellern, allein nutzt.

Die Antragsteller haben beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, die notarielle Zustimmung zur Abänderung der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung vom 2.8.1994 zu erteilen hinsichtlich der in Abweichung zum ursprünglichen Aufteilungsplan ausgeführten zwei Kellerräume Nr. 1 und dem Abstellraum Nr. 1 als Gemeinschaftseigentum mit Zuweisung des ausschließlichen und alleinigen Sondernutzungsrechts an die Antragsteller sowie die Eintragung in das Wohnungsgrundbuch zu bewilligen und zu beantragen. Die Antragsgegnerin hat neben der Zurückweisung des Antrags hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht mit der Maßgabe, dass die Antragsteller einer notariellen Änderung des Teilungsvertrags vom 2.8.1994 im Wesentlichen dahingehend zustimmen, dass der unter der Garage Nr. 1 gelegene Kellerraum von dem Sondereigentum Nr. 1 abgetrennt und mit dem Sondereigentum Nr. 2 der Antragsgegnerin verbunden wird und weiterhin die Beteiligten die unter der Gartenfläche errichteten Kellerräume und den Abstellraum mit der Wohnungseigentumseinheit Nr. 1 verbinden. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14.2.2003 den Antrag abgewiesen, das Landgericht am 2.12.2004 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller. Das zulässige Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Senat entscheidet ohne die von den Antragstellern angeregte mündliche Verhandlung. § 44 Abs. 1 WEG gilt in dieser Instanz nicht (BayObLGZ 1977, 44/49). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung kommt im Rechtsbeschwerdeverfahren nämlich nicht in Betracht. Im Übrigen kann nach Aktenlage mit einer gütlichen Streitbeilegung nicht gerechnet werden.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Mit der Begründung des Amtsgerichts, das Sondernutzungsrecht sei ein Recht an einem Grundstück im Sinn von § 313 BGB a.F. und es fehle hier an einer notariellen Vereinbarung, könne der Antrag nicht abgewiesen werden. Denn das Sondernutzungsrecht sei ein schuldrechtliches Gebrauchsrecht. Die Eintragung im Grundbuch führe zwar zu einer Inhaltsänderung der Wohnungseigentumsrechte. Die dingliche Einigung könne aber formfrei erklärt werden.

Ein Anspruch der Antragsteller aus einer entsprechenden Anwendung von § 912 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben, weil kraft Gesetzes kein Sondereigentum entstehen könne.

Eine Einigung der Beteiligten über eine abweichende Regelung zur ursprünglichen Teilungserklärung habe nicht stattgefunden. Allerdings sei schuldrechtlich die Nutzung der Kellerräume unter der Gartenfläche durch die Antragsteller vereinbart worden. Eine Einigung über die Eintragung im Wohnungsgrundbuch sei hingegen nicht feststellbar. Auch die Beweisaufnahme habe insoweit keine Eindeutigkeit erbracht. Insbesondere sei nicht klar, ob die Einräumung eines dinglichen Sondernutzungsrechts, wie von den Antragstellern behauptet, oder die Einräumung von Sondereigentum Gegenstand der Abrede hätte sein sollen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die in Abstimmung mit der Antragsgegnerin abweichend vom Aufteilungsplan errichteten zusätzlichen Räume unter der Terrasse der Antragsteller stehen nicht in deren Sondereigentum; sie bilden Gemeinschaftseigentum (BayObLG NJW-RR 1990, 332; OLG Stuttgart OLGZ 1979, 21/23; Staudinger-Rapp WEG § 3 Rn. 74; Palandt/Bassenge BGB 64. Aufl. § 2 WEG Rn. 6). § 912 BGB ist insoweit nicht anwendbar (BayObLG DNotZ 1993, 741). An dem übrigen Baukörper konnte hingegen das vorgesehene Sondereigentum gemäß dem Aufteilungsplan begründet werden. Dem stehen auch die Veränderungen im Raum unter den Garagen nicht entgegen (vgl. Abramenko ZMR 1998, 741).

b) Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Keller- und Abstellräumen ein Sondernutzungsrecht begründet werden kann (vgl. etwa Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 4. Aufl. Rn. 101). Dieses ist weder ein dingliches noch ein grundstücksgleiches Recht, sondern ein schuldrechtliches Gebrauchsrecht. Soll es ins Grundbuch gemäß § 10 Abs. 2 WEG eingetragen werden, ist hierzu gemäß § 877 BGB in entsprechender Anwendung des § 873 BGB die dingliche Einigung aller Wohnungseigentümer erforderlich (BayObLGZ 2001, 73/76). Die Einigung ist formfrei (vgl. §§ 877, 873 Abs. 1, § 925 Abs. 1 BGB, § 4 Abs. 2 WEG). Sie gilt unter den Vertragsschließenden auch ohne Eintragung im Wohnungsgrundbuch. Soll jedoch ein Sondernachfolger gebunden werden, muss er, wenn eine Eintragung unterblieben ist, der Vereinbarung beitreten (OLG Köln NZM 2001, 1135); andernfalls bindet sie ihn nicht. Aus einer formlosen Vereinbarung über die Einräumung von Sondernutzungsrechten kann in bestimmten Fällen auch die Pflicht zur Mitwirkung bei der Eintragung der Vereinbarung in die Wohnungsgrundbücher folgen (BayObLG ZMR 2005, 382).

c) Das Landgericht hat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht die Überzeugung gewinnen können, dass sich die Beteiligten darüber geeinigt hätten, ein Sondernutzungsrecht an den Kellerräumen und dem Abstellraum zugunsten der Antragsteller auch als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch einzutragen. Das Landgericht hat insoweit zwar festgestellt, dass die Antragsgegnerin mit einer ausschließlichen Nutzung der Kellerräume durch die Antragsteller einverstanden war, deren Einverständnis aber die Schaffung von Sondereigentum sowohl an den von den Antragstellern genutzten zusätzlichen Räumen wie auch an dem von der Antragsgegnerin allein genutzten Raum unter den beiden Garagen zur Grundlage hatte. Zwar wäre eine derartige von der Antragsgegnerin vorgetragene Einigung, weil sie die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum zum Gegenstand hat, formbedürftig (vgl. § 4 Abs. 1 WEG) und ohne Einhaltung der Form unwirksam (§ 4 Abs. 3 WEG, § 311b Abs. 1 BGB n.F., § 313 Abs. 1 BGB a.F.). Dieser Umstand erlaubt es aber nicht, daraus für die von den Antragstellern geschaffenen zusätzlichen Räume eine formlose Vereinbarung mit dem von ihnen behaupteten Inhalt abzuleiten.

d) Die Feststellungen des Landgerichts zu den Absprachen der Beteiligten in der Bauphase beruhen im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie sind, weil verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, für den Senat als Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO).

e) Der schon im ersten Rechtszug und erneut in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vorgelegte Aufteilungsplan aus dem Jahr 1998 mit der geänderten Abgeschlossenheitsbescheinigung gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG unterstützt die Auffassung der Antragsteller nicht. Denn die beiden Kellerräume und der Abstellraum werden dort als Sondereigentum der Antragsteller dargestellt, während die Räumlichkeit unter den beiden Garagen komplett als Sondereigentum der Antragsgegnerin ausgewiesen ist. Eine Vereinbarung, die Kellerräume und den Abstellraum im gemeinschaftlichen Eigentum zu belassen, sie jedoch zur durch Grundbucheintragung verdinglichten Sondernutzung den Antragstellern zuzuweisen, lässt sich daraus nicht entnehmen. Im Übrigen wird der Beweiswert dieses Plans für die Parteivereinbarung schon dadurch maßgeblich entwertet, dass der Antragsteller zu 1 selbst behauptet, dieser sei hinsichtlich der unterkellerten Garage mit dem dort ausgewiesenen umfänglichen Sondereigentum zugunsten der Antragsgegnerin nicht zutreffend.

f) Soweit die Rechtsprechung in Einzelfällen aufgrund der zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Treuepflicht (§ 242 BGB) einen Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Zustimmung zur Abänderung der Gemeinschaftsordnung und Abgabe der erforderlichen grundbuchrechtlichen Erklärungen anerkennt (z.B. BayObLGZ 2001, 99; Weitnauer/Briesemeister WEG 9. Aufl. § 3 Rn. 43; Weitnauer/Lüke § 10 Rn. 52 jeweils m.w.N.), verhilft dies den Antragstellern ebenso wenig zum Erfolg. Ein Anspruch auf Abänderung ist nicht schon bei Unbilligkeit der bestehenden Regelung, sondern erst dann gegeben, wenn die Änderung dringend geboten ist und die Beibehaltung der geltenden Regelung gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. z.B. Staudinger/Kreuzer WEG § 10 Rn. 85). Stets bedarf es einer Abwägung der Interessen aller Beteiligten.

Ob ein Abänderungsanspruch hier überhaupt in Frage kommt, braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Eine Abänderung jedenfalls mit dem durch den Sachantrag der Antragsteller umrissenen Ziel, woran sich der Senat zu halten hat (Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. Vor §§ 43 ff. Rn. 43), entspricht nicht der beiderseitigen Interessenlage. Dies ergibt sich schon daraus, dass die erstrebte Regelung, selbst wenn sie mit einer Ausgleichszahlung verbunden würde, einseitig die Antragsteller begünstigte, ohne die Vorstellungen der Antragsgegnerin mit einzubeziehen, die diese bei ihrer Zustimmung zur vom Aufteilungsplan abweichenden Bauerrichtung hatte. Zu berücksichtigen ist, dass die zusätzlichen Keller-/Abstellräume nach ihrer Lage, ihrer primären Zugangsmöglichkeit vom Keller des Sondereigentums Nr. 1 aus und nach ihrer tatsächlichen Funktion nicht typischerweise Gemeinschaftseigentum sind, sondern, wären sie plangemäß errichtet worden, aller Voraussicht nach einem Sondereigentum zugeordnet worden wären. Dies deckt sich hinsichtlich der Keller-/Abstellräume auch mit dem abgeänderten Aufteilungsplan aus dem Jahr 1998. Es kommt deshalb in Betracht, die für die Beseitigung isolierter Miteigentumsanteile entwickelten Rechtsgrundsätze entsprechend heranzuziehen (vgl. BGHZ 109, 179/184; 130, 159/168 f.; BGH NJW 2004, 1798). Danach kann sich für die Beteiligten, soweit dies nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumutbar ist, aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses die Verpflichtung ergeben, den Gründungsakt, also den Teilungsvertrag, so zu ändern, dass der sondereigentumslose Miteigentumsanteil nicht weiter bestehen bleibt (vgl. auch OLG Stuttgart WuM 2001, 566/569). Die Miteigentümer sind gehalten, ihre Vereinbarungen der veränderten Sachlage anzupassen und eine angemessene Lösung zu finden. Im Rahmen des Zumutbaren sind sie verpflichtet, den Teilungsvertrag und den Aufteilungsplan so abzuändern, dass er der tatsächlichen Bebauung entspricht. Die Antragsgegnerin ist einer solchen Lösung grundsätzlich zugänglich. Ob sie ihre Bereitschaft davon abhängig machen kann, dass die Antragsteller ihrerseits an einer Rechtsänderung hinsichtlich des Kellerraums unter der Garage mitwirken, kann an dieser Stelle auf sich beruhen.

g) Auf das von der Antragsgegnerin hilfsweise geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht kommt es nicht mehr an.

h) Die Entscheidung des Landgerichts, den Antragstellern, weil sie unterlegen sind, die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG), ist als tatrichterliche Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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