Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.09.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 54/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 22 Abs. 1
Heckenrückschnitt als bauliche Veränderung in Abgrenzung zu Pflegemaßnahmen (Ergänzung zu BayObLG Beschluss vom 18.3.2004, 2 Z BR 249/03 = NJW-RR 2004, 1378).
Tatbestand:

Der Antragsteller und der Antragsgegner sind die beiden Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus zwei freistehenden Einfamilienhäusern auf einem größeren Grundstück. Mit dem Sondereigentum des Antragstellers sind 36/100 Miteigentumsanteile und mit dem des Antragsgegners 64/100 Miteigentumsanteile verbunden. Das Stimmrecht bemisst sich nach der Größe der Miteigentumsanteile. Der Antragsteller hat seine Wohnung vermietet. Der Antragsgegner war im Jahr 2001 zugleich Verwalter der Anlage.

Am 17.7.2001 wurde zu Tagesordnungspunkt (TOP) 7 mit den Stimmen des Antragsgegners gegen die des Antragstellers beschlossen:

Die Hecke zwischen den beiden Gartensondernutzungsflächen ist auf eine Höhe von höchstens 80 cm zurückzuschneiden. Sie ist auf Dauer jeweils in dieser Höhe zu belassen. Der Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, den Rückschnitt und den jeweils erforderlichen Nachschnitt namens aller Wohnungseigentümer auf Kosten der Gemeinschaft in Auftrag zu geben ...

Auch diese Maßnahme (Rückschnitt) wird durch Sonderumlage finanziert. Der Verwalter ist befugt, diese bei Bedarf von den Wohnungseigentümern anzufordern. Die Kosten werden laut notariellem Kaufvertrag von beiden Eigentümern zu gleichen Teilen getragen.

Der Antragsteller hat beantragt, sämtliche in der Versammlung vom 17.7.2001 gefassten Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat das Verfahren abgetrennt, soweit es den Beschluss zu TOP 7 betrifft. Es hat am 27.9.2002 den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 29.10.2003 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und dem Antrag stattgegeben. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat durch Beschluss vom 18.3.2004 (2Z BR 249/03, NJW-RR 2004, 1378) die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und den angefochtenen Eigentümerbeschluss zu TOP 7 insoweit für ungültig erklärt, als Gegenstand die Erhebung einer Sonderumlage war. Im Übrigen hat es die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück- verwiesen. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen hat das Landgericht durch Beschluss vom 26.4.2005 den Eigentümerbeschluss auch insoweit für ungültig erklärt, als Gegenstand der Rückschnitt der Hecke auf eine Höhe von höchstens 80 cm und Belassung in dieser Höhe ist. Gegen diese Entscheidung richtet sich die erneute sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners. Das zulässige Rechtsmittel erwies sich als unbegründet.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein durch die beauftragte Richterin durchgeführter Augenschein habe ergeben, dass es sich um eine Thuja-Hecke von beträchtlichen Ausmaßen handele. Sie ziehe sich zwischen den Sondernutzungsflächen in einer Länge von 20 bis 25 Metern entlang, wobei ihre Höhe an einer mittleren Stelle etwa 160 cm und die Breite ca. ein Meter betrage. Die Hecke bewirke in ihrer derzeitigen Form nicht nur eine ideelle Trennung der beiden Sondernutzungsbereiche, sondern habe auch eine erhebliche Sichtschutzfunktion, die bei einem Rückschnitt auf 80 cm und Belassen in dieser Höhe nicht gewährleistet sei. Der beschlossene Rückschnitt stelle daher eine gegenständliche Veränderung dar, die grundsätzlich nach § 22 Abs. 1 WEG zu beurteilen sei. Die Kammer könne aufgrund der zunächst telefonischen und dann schriftlich ergänzten Stellungnahme des zugezogenen Baumsachverständigen D. ausschließen, dass der beschlossene Rückschnitt als Maßnahme ordnungsmäßiger Instandhaltung nach § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG angesehen werden könne. Der Sachverständige, an dessen Sachkunde die Kammer keinen Zweifel habe, habe überzeugend dargelegt, dass der Rückschnitt zwar nicht unbedingt zu einer Zerstörung der Hecke führen würde, dass jedoch eine langfristige Schädigung zu erwarten sei. Auftretende Kahlstellen könnten nicht kurzfristig durch Nachtrieb wieder geschlossen werden, sondern es sei eine nachhaltige Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds der Hecke über einen längeren Zeitraum hin zu erwarten. Dies könne nicht als ordnungsmäßige Pflegemaßnahme des Gartens betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund stelle der Rückschnitt auch keine Maßnahme zur Herstellung eines optisch einheitlichen Bildes dar. Auch wenn durch den Rückschnitt ein besserer Überblick über das Gesamtgrundstück ermöglicht würde, würde bei einem solchen Überblick auch die in ihrem Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigte Hecke ins Auge fallen. Zudem sei die Gartengestaltung in den beide Sondernutzungsbereichen ohnehin nicht einheitlich. Weitere Sachverhaltsaufklärung sei im Rahmen von § 12 FGG nicht erforderlich. Der Einwand des Antragsgegners, dass die Hecke an sich zu beseitigen sei, sei nicht entscheidungserheblich.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Nicht zu beanstanden ist das Verfahren des Landgerichts.

aa) Das Landgericht, das vor der Aufhebung der zunächst getroffenen Entscheidung und Zurückverweisung durch das Bayerische Oberste Landesgericht bereits mündlich verhandelt hatte, hat von einer erneuten mündlichen Verhandlung abgesehen. Die in § 44 Abs. 1 WEG auch für das Beschwerdeverfahren (BayObLG NJW-RR 2004, 804) vorgeschriebene mündliche Verhandlung bezweckt die Förderung der Sachaufklärung, die Gewährung rechtlichen Gehörs und das Hinwirken auf eine gütliche Einigung (vgl. BayObLGZ 1973, 145/148). Dass eine weitere mündliche Verhandlung vor dem Landgericht diese Zwecke gefördert hätte, kann, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, ausgeschlossen werden. Der Sachverhalt ist durch das Landgericht hinreichend aufgeklärt, die Beteiligten haben zu den tatsächlichen und rechtlichen Fragen vortragen können, und für die Möglichkeit einer gütlichen Einigung bestand kein Anhaltspunkt. Allein der zeitliche Abstand zwischen der Verhandlung und der Beschlussfassung zwingt nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung (BayObLG ZMR 2004, 764/765; KG NJW-RR 1994, 278).

bb) Das Beschwerdegericht konnte ein Mitglied der Kammer mit der Einnahme des Augenscheins beauftragen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 372 Abs. 2 ZPO) und so den für die Kammer erforderlichen Eindruck von den maßgeblichen Verhältnissen durch die ausführliche Niederschrift über den Augenschein (§ 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO) sowie ergänzend durch weitere bei den Akten befindliche Unterlagen und Lichtbilder gewinnen (BayObLG WE 1990, 71; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 44 Rn. 10). Besonderer Sachkenntnisse der beauftragten Richterin bedurfte es nicht. Durch die Übertragung des Augenscheins auf diese wurde auch nicht deshalb gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 12 FGG) verstoßen, weil das Ergebnis der Augenscheinseinnahme nur aufgrund des persönlichen Eindrucks aller Mitglieder des Gerichts zutreffend hätte gewürdigt werden können (vgl. Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 15 Rn. 17). Gegenstand der Beweisaufnahme war ein von den tatsächlichen Verhältnissen her relativ einfach gelagerter Sachverhalt, nämlich Verlauf, Ausmaß und Zustand einer Hecke sowie deren Lage im Umfeld. Dieser Sachverhalt konnte anhand des von der beauftragten Richterin gefertigten Protokolls ohne weiteres durch die übrigen Kammermitglieder beurteilt werden.

b) Auch in sachlicher Hinsicht hält die Entscheidung des Landgerichts der rechtlichen Nachprüfung stand und wird insbesondere auch den in dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 18.3.2004 entwickelten Kriterien gerecht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, der sich der Senat anschließt.

Ergänzend sei bemerkt:

aa) Zu Unrecht rügt der Antragsgegner im Rahmen der Rechtsbeschwerde, das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Hecke rechtswidrig errichtet worden sei. Bereits das Bayerische Oberste Landesgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.3.2004 ausgeführt, dass ein Beschluss, der den Rückschnitt und die Gestaltung der Hecke regelt, einen anderen Inhalt hat als ein Beseitigungsbeschluss und nicht als ein Weniger in diesem enthalten ist. Auf die Frage, ob der Antragsgegner einen Anspruch auf Beseitigung der Hecke hat, kommt es also im gegebenen Zusammenhang nicht an.

bb) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht unter tatrichterlicher Würdigung der erhobenen Beweise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rückschnitt der Hecke von ca. 160 cm auf 80 cm und Belassung in dieser Höhe eine nach § 22 Abs. 1 WEG zu beurteilende gegenständliche Veränderung darstellt und weder als Pflegemaßnahme im Rahmen einer Maßnahme ordnungsmäßiger Instandhaltung nach § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG noch als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung nach § 21 Abs. 3 WEG zur Herstellung eines optisch einheitlichen Bildes angesehen werden kann. Der Senat folgt dem Landgericht dahingehend, dass ein mehrjähriger Zeitraum bis zum Nachgrünen der bei einem Rückschnitt auftretenden Kahlstellen nicht hinnehmbar ist. Dass die Hecke nach dem Augenscheinsprotokoll im südlichen Bereich dünner und dürftiger wird, ändert an der Beurteilung der Rechtslage insgesamt nichts. Denn dass der beschlossene Rückschnitt geeignet wäre, insoweit Abhilfe zu schaffen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 47 WEG. Da die Rechtsbeschwerde von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg war, entspricht es billigem Ermessen, dem Antragsgegner nicht nur die gerichtlichen, sondern auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

Zurück