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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 56/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
1. Die Überdachung einer Terrasse mittels einer Ziegel-/ Holzkonstruktion stellt regelmäßig eine bauliche Veränderung dar.

2. Der Eigentümerbeschluss, der eine bauliche Veränderung genehmigt, muss hinreichend bestimmt sein. Ergibt sich auch aus sonstigen aus dem Protokoll ersichtlichen Umständen (wie z.B. als Anlage beigefügten Planskizzen) nicht hinreichend eindeutig, welches Ausmaß die bauliche Veränderung hat, ist der Beschluss auf Antrag für ungültig zu erklären.


Tatbestand:

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In der Eigentümerversammlung vom 5.3.2004 lag den Wohnungseigentümern ein Antrag des Wohnungseigentümers G. auf Errichtung einer Terrassenüberdachung im Haus Nr. 11 a bei der zur Wohnung umgewandelten Einheit G 01 bei Kostenübernahme durch Herrn G. vor. Nach längerer Diskussion, die sich gemäß dem Protokoll auf die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit bezog, wurde der "Beschluss für Terrassenüberdachung" mehrheitlich gefasst. Der Antragsteller stimmte dagegen. Eine Überdachung einschließlich hölzernen Unterbaus mit Wandverschalung ist inzwischen errichtet. Inwieweit dieses Bauwerk der Beschlusslage entspricht, steht nicht fest.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, den Beschluss der Eigentümerversammlung für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat den Antrag nach Einnahme eines Augenscheins am abgewiesen, das Landgericht die sofortige Beschwerde mit Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers. Das zulässige Rechtsmittel erwies sich als begründet.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Rechtsschutzbedürfnis an der Anfechtung des Beschlusses bestehe fort, auch wenn die Überdachung angebracht sei. Denn diese müsse im Fall der Ungültigerklärung des Beschlusses im Rahmen des Möglichen rückgebaut werden.

Der Beschluss sei wirksam. Er beinhalte zwar eine bauliche Veränderung, jedoch seien die Wohnungseigentümer, die gegen ihn gestimmt hätten, insbesondere der Antragsteller, nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. An der Terrasse bestehe für den Eigentümer des nach der Teilungserklärung zulässigerweise als Wohnung genutzten Teileigentums ein Sondernutzungsrecht. Als Beeinträchtigung seien nur objektive und konkret feststellbare Nachteile von Bedeutung. Subjektive Empfindungen eines Eigentümers, dessen Ängste und Befürchtungen allein, spielten bei der Beurteilung keine Rolle. Hingegen sei die konkrete Situation der Wohnanlage bedeutsam. Das Vorhandensein eines Sondernutzungsrechts sei insofern beachtlich, als es das Einverständnis der übrigen Eigentümer mit einer intensiveren Inanspruchnahme dieses Teils des Gemeinschaftseigentums aufzeige.

Dass durch das Anbohren der Außenfassade für das Anbringen des Vordachs Wasser in diese eindringen könne, sei auch nach dem Vorbringen des Antragstellers ein nur theoretisches Risiko. Eine Wertminderung des dem Antragsteller gehörenden Miteigentumsanteils durch die bauliche Maßnahme sei nicht zwangsläufig. Dafür fehlten hier konkrete Anhaltspunkte.

Eine Kostenbelastung für den Antragsteller scheide nach dem Inhalt des Beschlusses aus. Im Übrigen sei er schon nach § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 WEG nicht verpflichtet, die Kosten der Umgestaltung zu tragen.

Schließlich liege in der Anbringung der Terrassenüberdachung auch keine optische Beeinträchtigung des Gesamtbilds der Wohnanlage. Es handle sich um eine U-förmige Anlage, die einzelnen Gebäudeteile seien nicht völlig gleichmäßig gehalten. In der gesamten Anlage seien in unterschiedlicher Weise im Wesentlichen über den einzelnen Eingängen mehr oder weniger große Vordächer mit Ziegelbedachung angebracht, im Bereich der als Cafe und Metzgerei genutzten Teileigentumseinheiten befände sich eine größere Überdachung. Durch die Vielzahl von Erkern, Giebeln, Balkonen und versetzten Mauern weise die Wohnanlage ein unruhiges Gesamtbild auf, das durch die Überdachungen an einzelnen Eingangstüren und im Bereich der Ladengeschäfte noch verstärkt werde. Die gegenständliche Terrassenüberdachung füge sich in dieses Gesamtbild ohne optische Beeinträchtigungen ein. Auf die konkrete Ausführung der Terrassenüberdachung komme es dabei nicht an, denn der Antrag richte sich lediglich auf die Aufhebung des Beschlusses. Schließlich ergebe sich aus dem vom Amtsgericht vorgenommenen Augenschein, dass sich die Wohnung des Antragstellers nahezu diagonal gegenüber der Wohnung mit der Terrassenüberdachung befinde. Auch die Wohnung eines weiteren Miteigentümers, der gegen den Beschluss gestimmt habe, befinde sich genau entgegengesetzt auf der nordöstlichen Seite der Anlage. Beide Eigentümer könnten von ihrem Wohnungseigentum aus die Überdachung nicht sehen.

Ob ein Bezugsfall geschaffen werde, sei nicht erheblich. Dieses Argument könne dem Antrag schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die bloße Möglichkeit, andere Wohnungseigentümer könnten zukünftig ähnliche bauliche Veränderungen vornehmen, jedenfalls keine konkrete Beeinträchtigung zum jetzigen Zeitpunkt schaffe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der angegriffene Eigentümerbeschluss entbehrt nämlich bereits der hinreichenden Bestimmtheit und ist schon deshalb auf Antrag für ungültig zu erklären (§ 23 Abs. 4 WEG).

a) Der Beschluss hat eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG zum Gegenstand. Darunter fällt auch die Überdachung einer Terrasse (Merle in Bärmann /Pick/ Merle WEG 9. Aufl. § 22 Rn. 99 m.w.N.). Während für die Einberufung der Eigentümerversammlung eine schlagwortartige Bezeichnung des Beschlussgegenstandes im Allgemeinen ausreichend ist (§ 23 Abs. 2; BayObLG WuM 1992, 84/85), muss der gefasste Beschluss selbst die zur rechtlichen Beachtlichkeit erforderliche Bestimmtheit aufweisen (BayObLG ZWE 2001, 599/601; ZWE 2002, 523/524; OLG Düsseldorf NZM 2005, 791; AG Hamburg ZMR 2005, 821). Weil der Beschluss über die Genehmigung einer baulichen Veränderung nach § 10 Abs. 3 WEG auch gegen Sondernachfolger wirkt, muss er Mindesterfordernissen an inhaltlicher Klarheit und Bestimmtheit genügen. Diesen Erfordernissen wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht.

(1) Der Beschluss besagt seinem maßgeblichen objektiven Inhalt und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt (BGHZ 139, 288/292 f.), weder etwas zum Umfang der Überdachung noch zur Dachneigung noch zum dafür zulässig verwendbaren Material noch zur farblichen Gestaltung.

Was die zu überdachende Fläche betrifft, herrscht unter den Beteiligten Streit, ob dem Wohnungseigentümer überhaupt ein Sondernutzungsrecht an der Terrassenfläche zusteht und, falls ein solches bestände, welches Ausmaß dieses hat. Dass es im Grundbuch eingetragen ist und damit auch Rechtsnachfolger gemäß § 10 Abs. 2 WEG bindet, ist nicht abschließend aufgeklärt, kann aber auch dahinstehen. Denn der Beschluss lässt schon nicht hinreichend erkennen, dass die zu überdachende Fläche identisch mit dem im Aufteilungsplan eingetragenen Recht sein soll. Denkbar wäre nämlich auch, dass die Überdachung nach der tatsächlich vorhandenen Terrassenbefestigung ausgerichtet werden sollte, insoweit aber nicht gewährleistet ist, dass sie sich mit dem Sondernutzungsbereich deckt, zumal der vorgelagerte Gartenbereich zwar unstreitig Gemeinschaftseigentum ist, aber dem Wohnungseigentümer G. nach einem früheren Beschluss der Wohnungseigentümer zur alleinigen Nutzung überlassen wurde.

Ebenfalls ungeregelt lässt der Eigentümerbeschluss die Frage der zulässigen Dachneigung. In dem Baugebiet ist durch Bebauungsplan die Festsetzung "Dachneigung 25 bis 30°" getroffen. Dies muss für die Wohnungseigentümer nicht unbedingt verbindlich sein, zumal unstreitig im Baugebiet für genehmigungsfreie Nebengebäude, Loggien oder Terrassenüberdachungen auch andere Dachneigungen, in Ausnahmefällen auch Flachdächer, toleriert werden. Gerade deswegen bedarf es einer beschlussweisen Regelung, weil es die Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung in der Hand haben, für ihren Bereich innerhalb einer großen Bandbreite möglicher Dachneigungen bis hin zum Flachdach eine Regelung zu treffen.

Das Material ist nicht festgelegt. Außer der verwirklichten, mit den übrigen Vordächern in der Anlage insoweit übereinstimmenden, Ziegeleindeckung kämen auch andere, optisch weniger ins Auge springende Materialien wie etwa eine Glasbedachung in Frage. Ähnliches gilt für die Stützpfeiler, die in der Ausführung des Wohnungseigentümers aus Holzlatten bestehen, während etwa die Balkonkonstruktionen in der Anlage Metallträger aufweisen. Der Beschluss äußert sich zu dieser Frage nicht.

Zur farblichen Gestaltung schweigt der Beschluss ebenso. Der betroffene Wohnungseigentümer hat zwar erklärt, er werde die Überdachung seiner Terrasse, gemeint sind die Holzteile, "angemessen" streichen. Dass nur eine Farbwahl zulässig ist, die der Farbgebung von Hölzern in der übrigen Anlage entspricht, legt der Beschluss aber nicht fest.

(2) Auch durch Auslegung des protokollierten Beschlusstextes unter Heranziehung der in der Niederschrift festgehaltenen Diskussion ist nicht objektiv nicht feststellbar, wie die mehrheitlich gebilligte Terrassenüberdachung beschaffen sein soll. In der Diskussion wurde festgestellt, dass die Maßnahme genehmigungsfrei und kein Plan nötig sei. Der Senat sieht sich deshalb auch außerstande, auf gegebenenfalls vorhandene, aber der Versammlung nicht vorgelegte Pläne zurückzugreifen, mögen solche auch für die bewirkte Genehmigungsfreistellung notwendig gewesen sein. Der protokollierte Inhalt lässt auch im Übrigen nicht erkennen, dass bestimmte Pläne für die Terrassenüberdachung vorlagen und die Grundlage für den gefassten Beschluss bildeten.

Im Zeitpunkt der Beschlussfassung war die Überdachung samt Umbretterung, wie sie sich auf den zu den Akten gegebenen Lichtbildern derzeit darstellt, noch nicht ausgeführt. Den Beschluss der Wohnungseigentümer auf einen schon ausgeführten Bauzustand zu beziehen (vgl. BayObLG ZMR 2002, 61; OLG Düsseldorf NZM 2005, 791), verbietet sich also.

Schließlich gehen auch die Antragsgegner davon aus, dass Teile des Bauwerks, jedenfalls die seitliche Holzeinschalung der Terrasse, und offensichtlich auch der derzeitige farbliche Zustand vom Beschlussinhalt nicht umfasst sind.

(3) Zieht man das in der Versammlung vom 5.3.2004 zum Thema Terrassenüberdachung zitierte Protokoll der Eigentümerversammlung vom 23.5.2003 hinzu, ergibt sich ebenfalls nichts hinreichend Eindeutiges. Zwar findet sich dort der Hinweis auf eine Holzkonstruktion mit Dachziegel. Der dortigen Diskussion lagen nach dem Protokoll auch Planskizzen zugrunde. Diese wurden jedoch nicht als Anlage zum Gegenstand des Protokolls gemacht. Soweit die Antragsgegner in der Rechtsbeschwerde eine undatierte Skizze vorlegen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die damals verwendete ist (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle § 23 Rn. 52 m.w.N.). Unabhängig davon, dass der Senat als Rechtsbeschwerdegericht in diesem Rechtszug neuen Sachvortrag der Beteiligten nicht selbständig würdigen kann, kommt es auf subjektive Vorstellungen der Abstimmenden und auch des Verwalters darüber, was mit dem Beschluss gemeint gewesen sein soll, nicht an (BayObLG NZM 1998, 867; Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 23 Rn. 21). Die ergänzenden Erklärungen des betroffenen Wohnungseigentümers und des Verwalters, die die Antragsgegner dem Senat vorgelegt haben, sind deshalb unerheblich.

b) Der angegriffene Eigentümerbeschluss ist somit schon deswegen, weil es ihm an der erforderlichen Bestimmtheit fehlt, auf Antrag für ungültig zu erklären (BayObLG WE 1988, 143; 1988, 198; 1993, 342).

c) Soweit die Wohnungseigentümer das nunmehr errichtete Bauwerk, sei es beschränkt auf die Dachkonstruktion, sei es einschließlich des Unterbaus mit Verschalung, als bauliche Veränderung nachträglich gemäß § 22 Abs. 1 WEG durch Beschluss genehmigen sollten, weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Weil das Bauwerk bereits fertig gestellt ist, bedarf es in formeller Hinsicht im Beschluss nicht mehr einer eingehenden näheren Beschreibung, wenn aus diesem selbst ersichtlich ist, dass und in welchem Umfang gerade dieses Bauwerk in seinen in Natur vorhandenen Ausmaßen genehmigt werden soll.

Ob eine optische Beeinträchtigung eines Wohnungseigentümers vorliegt, so dass dessen Zustimmung erforderlich ist, bemisst sich nach § 14 Nr. 1 WEG. Kommt es zur gerichtlichen Beschlussanfechtung, ist die Frage der optischen Beeinträchtigung in erster Linie Tatfrage. Die Gefahr einer Schädigung des gemeinschaftlichen Eigentums und die Frage der Kostenbelastung hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen als nicht durchschlagend angesehen. Die Möglichkeit einer intensiveren Nutzung von Gemeinschaftseigentum, sei es im Bereich eines Sondernutzungsrechts (Merle in Bärmann/ Pick/Merle § 22 Rn. 34) - dessen Grenzen bisher nicht feststehen - , sei es auch möglicherweise in einem schmalen Streifen von Gemeinschaftseigentum über das Sondernutzungsrecht hinaus, kann, muss aber nicht in jedem Fall das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß überschreiten. Bei Wintergärten hat das Bayerische Oberste Landesgericht in dieser Hinsicht einen nicht mehr hinzunehmenden Nachteil in der Regel bejaht (vgl. BayObLG OLG-Report 2004, 299). Die Schwelle für die Annahme einer Beeinträchtigung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG ist niedrig anzusetzen, was im Übrigen der Vorschrift als Ausnahmeregelung entspricht (BVerfG NZM 2005, 182). Zu beachten ist, dass die nun allseitig verkleidete Terrasse dieser weitgehend das Gepräge eines umschlossenen zusätzlichen Raumes gibt und im Verhältnis zu bloß überdachten Balkons und Terrassen eine nicht unwesentlich gesteigerte Nutzungsmöglichkeit gewährt.

Ende der Entscheidung

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