Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 31.07.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 59/07
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 164 Abs. 1
WEG § 10 Abs. 2
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 2
WEG § 22 Abs. 1
Die vom Käufer dem Bauträger erteilte Vollmacht zur Änderung künftiger Sondernutzungsrechte umfasst auch die zusätzliche Begründung eines Sondernutzungsrechts; als Oberbegriff beinhaltet die Änderung auch die Einräumung eines bisher nicht vorgesehenen Sondernutzungsrechts.
Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 5. April 2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Der Antragsteller, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Den Antragsgegnern, einem Ehepaar, gehört seit Anfang 2004 die Wohnung Nr. 17.

Das Wohnungs- und Teileigentum wurde im Frühjahr 1986 begründet. Mit notarieller Urkunde vom 2.12.1986 wurde dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 17 das "Sondernutzungsrecht an dem über der Wohnung gelegenen Spitzboden" eingeräumt und im Grundbuch eingetragen. Die dazu erforderlichen Erklärungen gaben neben einzelnen Wohnungseigentümern der damalige Eigentümer der Wohnung Nr. 17 persönlich sowie für den Bauträger und für verschiedene Käufer von Wohnungs- und Teileigentum handelnd der Kaufmann H. ab. Die Vollmacht hat in ihrem maßgeblichen Teil folgenden Wortlaut:

Der Käufer erteilt (Bauträger) unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Vollmacht:

a) ...

b) Zur Änderung des künftigen Wohnungs- und Teileigentums und der künftigen Sondernutzungsrechte, und zwar auch noch nach grundbuchamtlichem Vollzug. Die Änderung kann auch in Ergänzungen sowie in der Umwandlung von Wohnungs- und Teileigentum und umgekehrt bestehen. Die Vollmacht darf nur Verwendung finden, wenn das Sondereigentum des Käufers von der Änderung nicht betroffen ist und, wenn die Größe seiner Miteigentumsanteile nicht verändert wird. Das Gemeinschaftseigentum und auch die allgemeinen Sondernutzungsrechte am Gemeinschaftseigentum der einzelnen Gebäude dürfen jedoch betroffen sein. Etwaige Sondernutzungsrechte des Käufers an Kfz-Stellplätzen dürfen nicht geändert werden. Die Vollmacht berechtigt auch zur Abgabe von Bewilligungen, sowie zur Stellung und Rücknahme von Anträgen.

...

Zu den Käufern, die Vollmacht erteilt hatten, gehörte auch der Antragsteller.

Die vom Bauträger dem Kaufmann H. erteilte Vollmacht ermächtigt zu bestimmten, im einzelnen aufgezählten, Rechtsgeschäften, insbesondere zur Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in jeder beliebigen Form einschließlich der Errichtung der Gemeinschaftsordnung (Ziffer 6), und enthält darüber hinaus die Einschränkung "auf die vorgenannten Fälle".

Das im Grundbuch verlautbarte und farblich gekennzeichnete Sondernutzungsrecht befindet sich nicht nur über der Wohnung Nr. 17, sondern auch über der Wohnung Nr. 16. Zwischen den Flächen, die über der Wohnung Nr. 16 bzw. Nr. 17 liegen, war von Anfang an eine Tür vorhanden, ebenso war von Anfang an eine Wasserversorgung vorhanden.

Die Antragsgegner nutzen den Spitzboden teilweise zum Abstellen von Gegenständen, teilweise als Wirtschaftsraum, und haben eine Waschmaschine aufgestellt.

Der Antragsteller hält ein Sondernutzungsrecht am Spitzboden für nicht wirksam begründet. Falls es bestehe, berechtige es nicht zu vorgenommenen baulichen Veränderungen. Der Antragsteller hat deshalb beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, den Spitzboden über der Wohnung Nr. 16 zu räumen, ihnen zu untersagen, dort künftig Gegenstände abzustellen, ferner sie zu verpflichten, die dort installierte Beleuchtung und Elektroinstallation zu beseitigen sowie den Wirtschaftsraum auf dem Spitzboden über der Wohnung Nr. 17 durch Rückbau und Beseitigung des Strom-, Wasser- und Waschmaschinenanschlusses wieder in einen Spitzboden umzugestalten. Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 14.12.2006 abgewiesen, das Landgericht die sofortige Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 5.4.2007 zurückgewiesen. Gegen die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung richtet sich das Rechtsmittel des Antragstellers.

II. Das Rechtsmittel gegen den entgegen § 16 Abs. 2 FGG formlos hinausgegebenen Beschluss des Landgerichts ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 62 Abs. 1 WEG n.F.; § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG a.F., § 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und 4 FGG), bleibt in der Sache aber erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die dem Kaufmann H. vom Bauträger erteilte Vollmacht umfasse auch die Einräumung von Sondernutzungsrechten. Diese gehörten ebenfalls zur Ausgestaltung des Wohn- und Teileigentums. Die Einschränkung in der Vollmacht vom 5.7.1983 beziehe sich nicht hierauf. Der Sinn dieser Einschränkung ergebe sich aus dem Folgeabsatz, wonach die Vollmacht zur Annahme von Angeboten nicht zum Abschluss von Verträgen berechtige.

Dass der Rechtsvorgänger der Antragsgegner keine Vollmacht erteilt habe, sei unerheblich, weil er selbst bei der fraglichen Beurkundung zugegen gewesen sei. Das Gericht sei überzeugt, der Antragsteller habe dem Bauträger auch eine Vollmacht in dem angeführten Umfang erteilt. Hierauf komme es aber letztlich gar nicht an, da die Antragsgegner das im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht gutgläubig hätten erwerben können. Dem ständen geringe bauliche Änderungen gegenüber dem bei der Beurkundung vorgelegenen Plan nicht entgegen.

Das Sondernutzungsrecht erstrecke sich auf den von den Antragsgegnern in Anspruch genommenen Teil des Spitzbodens. Die Beschreibung des Sondernutzungsrechts bedeute nicht zwingend, dass die Fläche des dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Spitzbodens mit der Fläche der Wohnung Nr. 17 identisch sein müsse. Wäre dem so, wäre im Übrigen die zusätzliche farbliche Kennzeichnung gar nicht mehr notwendig gewesen. Diese präzisiere die Angaben und lege den genauen Bereich des Sondernutzungsrechts fest.

Die Antragsgegner seien auch zu einer Nutzung, wie sie gegenwärtig ausgeübt werde, berechtigt. Die Räume dürften in einem der damaligen Beschaffenheit entsprechenden Rahmen genutzt werden. Türen und Wasseranschluss seien bei Fertigstellung des Anwesens vorhanden gewesen. Zu Wohnzwecken nutzten die Antragsgegner den Spitzboden nicht. Die Lagerung von Gegenständen und die gelegentliche Benutzung zu kleineren Arbeiten sowie die Aufstellung einer Waschmaschine seien mit einer Wohnnutzung nicht zu vergleichen. Auch Kellerräume würden nicht mehr ausschließlich als Abstellräume genutzt. Falls die Stromversorgung erst nachträglich eingerichtet worden sein sollte, gehe dies nicht über die genannte Nutzung hinaus und beeinträchtige nicht die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer.

2. Dies ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a) Zweifelhaft und nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit im Grundbuch eingetragene, so genannte verdinglichte, Sondernutzungsrechte am guten Glauben des Grundbuchs teilhaben (siehe BayObLG DNotZ 1990, 381 mit Anmerkung Weitnauer; BayObLG ZMR 1993, 476/477; bejahend Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 4. Aufl. Rn. 106; ablehnend Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 15 Rn. 35). Die Frage bedarf keiner Vertiefung. Denn das Sondernutzungsrecht an dem Spitzboden ist wirksam begründet worden.

b) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Antragsteller dem Bauträger eine Vollmacht erteilt hatte, die auch die Einräumung des gegenständlichen Rechts zugunsten des Voreigentümers der Wohnung Nr. 17 umfasste. Derartige Vollmachten zur Änderung von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung sind in der notariellen Praxis weithin üblich, um spätere bauliche Änderungen der geplanten Wohnanlage flexibel und ohne Rücksprache mit grundbuchrechtlich bereits gesicherten Käufern bewirken zu können (vgl. Basty NotBZ 1999, 233). Der Senat kann die Vollmacht als grundbuchamtliche Erklärung selbständig auslegen (Demharter Grundbuchordnung 25. Aufl. § 19 Rn. 75; Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 50 m.w.N.). Bei der Auslegung ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (z.B. BGHZ 113, 374/378; Demharter § 19 Rn. 28). Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen zur Auslegung nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Darauf, was der Aussteller gewollt hat, kommt es nicht an (BayObLGZ 2002, 263/265).

Die verfahrensgegenständliche Vollmacht ermächtigt u.a. zur Änderung der künftigen Sondernutzungsrechte. Die zusätzliche Begründung eines Sondernutzungsrechts ist davon umfasst, weil Änderung als Oberbegriff (so wohl auch Basty aaO.) auch die Einräumung eines bisher nicht vorgesehen gewesenen Sondernutzungsrechts beinhaltet (BayObLGZ 1994, 244). Dass die Vollmacht in diesem Sinn umfassend ist, ergibt sich jedenfalls aus dem Zusatz, dass die Änderung auch in Ergänzungen bestehen kann. Bezöge sich die Vollmacht nur auf in der Teilungserklärung bereits angelegte Rechte, bedürfte es dieses Zusatzes nicht. Denn etwaige flächenbezogene oder inhaltliche Erweiterungen wären ohne weiteres bereits vom Änderungsbegriff umfasst. Die vom Bauträger seinem Vertreter erteilte Vollmacht vom 5.7.1983 wiederum erfasst die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in jeder beliebigen Form einschließlich der Errichtung der Gemeinschaftsordnung und damit auch die Bestimmung von Sondernutzungsrechten im Rahmen der Gemeinschaftsordnung. Die Einschränkung der Vollmacht darüber hinaus hat in dem beschriebenen Rahmen keine Bedeutung. Denn die Einräumung des Sondernutzungsrechts wird von der Ermächtigung in Ziffer 6 erfasst.

c) Mit dem Landgericht legt auch der Senat das Sondernutzungsrecht nach seiner örtlichen Lage dahin aus, dass es nicht beschränkt ist auf die Umrisse der darunter befindlichen Wohnung Nr. 17. Vielmehr ist mit dem Hinweis, dass es sich auf den über der Wohnung gelegenen Spitzboden beziehe, nur die Lage beschrieben, ohne es räumlich auf eine bestimmte Fläche zu begrenzen. Dafür dient ersichtlich die farbliche Kennzeichnung, die die äußeren Grenzen des Rechts objektiv bestimmbar umreißt. Im Zusammenhang mit der Lagebeschreibung reicht es aus, dass jedenfalls eine (wesentliche) Teilfläche des farblich gekennzeichneten Spitzbodens über der Wohnung Nr. 17 gelegen ist.

d) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Nutzung des Spitzbodens sich im Rahmen seiner Zweckbestimmung hält (dazu BayObLG WE 1990, 70; BayObLG MDR 1993, 1200; OLG Hamm FGPrax 1998, 175), insbesondere dass dieser nicht zu Wohnzwecken genutzt wird. Die Beseitigung der Metalltür und der Installation kann der Antragsteller von den Antragsgegnern schon deshalb nicht verlangen, weil diese unstreitig schon vorher vorhanden waren, die Antragsgegner also nicht Handlungsstörer sind (vgl. BayObLG NZM 2002, 351). Im Übrigen hat der Tatrichter auch nicht feststellen können, dass etwaige Umbaumaßnahmen nach Begründung des Wohnungseigentums zu einer Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer geführt hätten, die über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinausgeht (§ 22 Abs. 1 WEG; siehe auch BayObLG ZMR 1993, 476/477 f.). Ein wohnungsähnlicher Gebrauch und damit eine Nutzung in einem Maß, die intensiver ist als erlaubt, ist mit dem festgestellten Zustand nicht verbunden.

III. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG (a. F.) angemessen, dem in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsteller neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, zumal die tragenden Gesichtspunkte bereits vom Landgericht zutreffend herausgestellt wurden.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG (a. F.).

Ende der Entscheidung

Zurück