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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.03.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 75/05
Rechtsgebiete: HeizkostenV


Vorschriften:

HeizkostenV § 9
Als Schätzgrundlage für die mittlere Temperatur des Warmwassers können nur Werte herangezogen werden, die aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte nicht unplausibel sind. Die fehlende Plausibilität kann sich auch daraus ergeben, dass nach dem berechneten Energieverbrauch für das Warmwasser keine ausreichende Menge für die erfolgte Beheizung mehr übrig bleibt (Anschluss an BayObLG Beschluss vom 15.9.2004, 2Z BR 145/04 = WuM 2004, 679).
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragstellerin gehört ein Appartement (Einheit Nr. 18), das vermietet ist. Der Warmwasserverbrauch wird bei den einzelnen Nutzern durch Wasseruhren gemessen. Bei der Besichtigung des Appartements am 20.4.2000 wurde festgestellt, dass der Warmwasserhahn defekt war und ununterbrochen Wasser lief, das mittels eines vom Mieter angebrachten Schlauchstücks in den Abfluss geleitet wurde. Bei der letzten Ablesung am 2.2.1999 lag der Defekt noch nicht vor.

In der Eigentümerversammlung vom 25.9.2000 genehmigten die Wohnungseigen-tümer die Jahresgesamt- und Einzelabrechnung für den Zeitraum 1.1.1999 bis 31.5.2000. Unter der Position "Heizung, Wasser" ist in der Jahresabrechnung ein Gesamtbetrag von 83.947,55 DM aufgeführt und als Anteil des Appartements der Antragstellerin "laut Heizkostenabrechnung" ein Betrag von 50.375 DM. Die von einer Messdienstfirma erstellte Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung führt für das Appartement der Antragstellerin einen Verbrauch von 3.635,71 m3 und Kosten hierfür von 49.472,19 DM auf. Die Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser im ganzen Anwesen mit insgesamt 25 Wohnungen belaufen sich auf 67.963,42 DM. Hiervon entfallen laut Abrechnung 65.114,66 DM auf Warmwasser und 2.761,76 DM auf Heizung.

Der Rechtsvorgänger der Antragstellerin hat den Beschluss vom 25.9.2002 über die Jahresabrechnung insoweit angefochten, als die Eigentümerversammlung die Einzel- und Gesamtbewirtschaftungskosten beschlossen und die Nachzahlung fällig gestellt hat. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 7.3.2003 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht am 28.5.2004 zurückgewiesen. Der gegen diesen Beschluss gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde der Antragstellerin hat das Bayerische Oberste Landesgericht am 15.9.2004 (2Z BR 145/04 = WuM 2004, 679) stattgegeben, indem es die land-gerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, zurückverwiesen hat. Das Landgericht hat nach weiterer Beweisaufnahme mit Beschluss vom 16.5.2005 die Entscheidung des Amtsgerichts vom 7.3.2003 in der Sache und im Kostenpunkt aufgehoben, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.9.2000 zur Jahresgesamt- und Einzelabrechnung 1999/2000 in der Position "Heizung, Wasser" für ungültig erklärt und den Antragsgegnern samtverbindlich die Verfahrenskosten auferlegt; von einer Erstattungsanordnung hat das Gericht abgesehen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Rechtsmittel begründet; der Eigentümerbeschluss sei hinsichtlich der Position "Heizung, Wasser" in der Jahresabrechnung, weil nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechend, für ungültig zu erklären.

In der Wohnung der Antragstellerin habe der in der Abrechnung eingestellte Verbrauch nicht tatsächlich anfallen können. Ein sich danach errechnender Brennstoffverbrauch für Heizwärme mit nur 2.681 Liter (Öl), weniger als 8 % dessen, was in den Vorjahren für Heizwärme verbraucht worden sei, sei absolut unrealistisch. Bei korrigiertem Brennstoffverbrauch könnten nur 1.479,60 m3 Wasser erwärmt werden. Es beständen auch erhebliche Zweifel am Durchfluss der angeblich verbrauchten Warmwassermenge von 3.635,71 m3. Bei voller Durchlaufleistung durch die installierte Waschbecken-Mischbatterie sei ein Zeitraum von rund 200 Tagen zu veranschlagen, beim Auslauf von 1/4 des Vollstrahls, wie vom Mieter angegeben, ein Zeitraum von etwa 842 Tagen. Für die vom Amtsgericht angenommene halbe Durchlaufleistung fehlten anknüpfungsfähige Tatsachen.

Im Übrigen entspreche die Aufteilung der Kosten in der der Einzelabrechnung zu-grunde liegenden Heizkostenabrechnung auch nicht den gesetzlichen Vorgaben. Für verbundene Anlagen sei der Brennstoffverbrauch der zentralen Warmwasserversor-gungsanlage gemäß § 9 Abs. 2 HeizkostenV zu ermitteln. Mangels Messung sei die mittlere Temperatur des Warmwassers zu schätzen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HeizkostenV); dafür könne nicht vereinfacht, wie in der Abrechnung geschehen und in der Praxis vielfach üblich, die höchstzulässige Temperatur von 60º Celsius (C) angesetzt werden. Vielmehr ergebe sich infolge der zuletzt durchgeführten Beweisaufnahme, dass die mittlere Wassertemperatur bei ca. 40 bis 45º C gelegen habe. Dies schließe es nicht aus, dass im Tagesbetrieb durchaus eine Wassertemperatur von 60º C habe erreicht werden können, da ansonsten die Heizung nie in Betrieb gegangen wäre. In Stoßzeiten, also morgens und abends sowie an Wochenenden, sei dies jedoch anders.

Die Überprüfung des Eigentümerbeschlusses sei darauf beschränkt, ob sich das Schätzergebnis nach den durchgeführten Ermittlungen noch im Rahmen des den Wohnungseigentümern zustehenden Ermessensspielraums halte. Das sei nicht der Fall und die Abrechnung daher in diesem Punkt für ungültig zu erklären. Denn es handele sich um eine erhebliche Abweichung, wenn statt 40 bis 45º C mittlerer Wassertemperatur eine solche von 60º C angesetzt werde. Die Kostenaufteilung zwischen Heizung und Warmwasser werde dadurch erheblich beeinflusst. Ob der große Warmwasserverbrauch durch einen Messfehler vorgetäuscht worden sei, könne nicht mehr aufgeklärt werden, weil die in der Wohnung der Antragstellerin ursprünglich vorhandene Wasseruhr nicht mehr verfügbar sei. Die Vornahme einer neuen Schätzung sei Sache der Wohnungseigentümer.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der auf Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2 ZPO) beschränkten Nachprüfung stand.

a) Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15.9.2004 (WuM 2004, 679) hatte für das weitere Verfahren bindend (vgl. § 563 Abs. 2 ZPO) vorgegeben, mangels Messung der mittleren Temperatur des Warmwassers eine geeignete Schätzgrundlage zu ermitteln (§ 12 FGG; vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HeizkostenV). Verworfen hatte das Bayerische Oberste Landesgericht den vom Landgericht dafür pauschal und ohne Prüfung des Einzelfalls angesetzten Standardwert von 60º C entsprechend der Obergrenze in § 8 Abs. 2 HeizAnlV a.F. (vgl. Lammel in Schmitt-Futterer Mietrecht 8. Aufl. § 9 HeizkostenV Rn. 16).

Als ein Anhaltspunkt für die einzelfallbezogene Schätzung kann sich die getroffene Temperatureinstellung an der Warmwasseraufbereitungsanlage anbieten (Lammel aaO). Diese mag in geeigneten Fällen hinreichend verlässlich sein, muss es aber nicht immer, wie auch den Ausführungen des vom Landgericht angehörten Sachverständigen zu entnehmen ist. Das Bayerische Oberste Landesgericht ging in seinem Beschluss, für das Landgericht insoweit bindend, ebenfalls davon aus, dass die Temperatureinstellung der Anlage im gegebenen Fall nicht die einzige Schätzgrundlage wird bilden können.

Demgemäß ist es, schon wegen § 563 Abs. 2 ZPO, rechtsfehlerfrei, dass das Landgericht über die Feststellung der Temperatureinstellung hinaus weitergehende Ermittlungen nach der mittleren Temperatur des Warmwassers angestellt, dazu Zeugen vernommen und den Sachverständigen ergänzend befragt hat.

Der Schluss, den das Landgericht aus der Beweisaufnahme gezogen hat, dass der für das Appartement Nr. 18 eingestellte Verbrauch tatsächlich nicht angefallen sein kann, ist aus Rechtsgründen (vgl. Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42 m.w.N.) nicht zu beanstanden. Insbesondere konnte das Landgericht annehmen, dass der angesetzte Brennstoffverbrauch für Heizwärme mit nur 8 % des Vorjahresbedarfs unrealistisch niedrig ist. Denn eine Kontrollrechnung unter Bezug auf die für eine Beheizung noch zur Verfügung stehende Brennstoffmenge ist dem Tatrichter trotz der Systematik des § 9 HeizkostenV (siehe § 9 Abs. 1 Satz 4 HeizkostenV) nicht verboten (Schmid WuM 2004, 643/644). Die Beschwerdekammer hat zudem als zusätzliche Kontrollüberlegung mit einbezogen, dass auch der behauptete Warmwasserverbrauchswert erheblichen Zweifeln unterliegt, dieser jedoch, weil der maßgebliche Warmwasserzähler nicht beizubringen ist, nicht mehr überprüft werden kann. Zwar hatte das Landgericht in seiner ersten Entscheidung vom 28.5.2004 noch einen Verbrauch im Appartement der Antragstellerin von 3.635,72 Kubikmeter festgestellt, was das Bayerische Oberste Landesgericht als rechtsfehlerfrei nicht beanstandet hat. An diese Würdigung war das Landgericht in seiner neuen Entscheidung jedoch nicht gebunden (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 563 Rn. 7 m.w.N.).

b) Die Erwägungen der Antragsgegner zur Darlegungslast rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Ob die aufgeführte Parallele zwischen der Wahl der Schätzgrundlage durch die Wohnungseigentümer und dem Leistungsbestimmungsrecht des Gläubigers gemäß § 315 BGB besteht, mag offen bleiben. Denn auch im Rahmen von § 315 BGB trifft nach herrschender Meinung denjenigen die Beweislast für die Billigkeit der getroffenen Bestimmung, dem das Recht zusteht (siehe § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB; BGH NJW 2003, 3131; Palandt/Grüneberg BGB 65. Aufl. § 315 Rn. 19). Hält aber der ursprünglich gewählte Maßstab schon einer Plausibilitätskontrolle nicht stand, genügt die darauf aufgebaute Abrechnung nicht einer ordnungsmäßigen Verwaltung.

c) Unabhängig von der durch das Verfahren vorgegebenen Bindung teilt der erkennende Senat auch die Auffassung des vormals zuständigen Bayerischen Obersten Landesgerichts, dass die Berechnungsformel in § 9 Abs. 2 HeizkostenV dazu dient, einen möglichst den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden individuellen Brennstoffverbrauch für die Warmwasseraufbereitung einerseits wie die Wärmeversorgung andererseits zu ermitteln. Nur so kann dem Anliegen der Energieeinsparung im Regelfall wirksam Rechnung getragen werden (vgl. Schmid WuM 2004, 643/645). Deshalb kann als Tatsachenmaterial für die Schätzgrundlage nur herangezogen werden, was der Plausibilitätskontrolle standhält. Der Anteil für die Heizanlage ist insoweit nicht nur ein fiktiver Wert. Genügt aber eine angenommene Vorlauftemperatur von 60º C diesem Maßstab nicht, scheidet sie als geeignete Grundlage aus.

Die Frage, nach welchen sonstigen Maßstäben die Eigentümergemeinschaft die mittlere Temperatur zu bestimmen hat, stellt sich an dieser Stelle ebenso wenig, wie diejenige, ob die Berechnung insgesamt nach den Alternativmethoden in § 9 Abs. 3 Satz 1 HeizkostenV (anerkannte Regeln der Technik) oder aber, geht man von der Unrichtigkeit und Unkorrigierbarkeit der Warmwasserverbrauchsmessung aus, auf einer Schätzbasis nach § 9 Abs. 2 Satz 4 HeizkostenV getroffen werden kann (Schmid WuM 2004, 643/644; auch BGH WuM 2005, 776 zur vergleichbaren Frage nicht ordnungsgemäßer Erfassung des anteiligen Verbrauchs nach § 9a HeizkostenV). Zu berücksichtigen wird in jedem Fall sein, dass im Appartement der Antragstellerin belegtermaßen ein im Verhältnis zu den sonstigen Werten atypischer Verbrauch vorlag.

d) Es spricht nichts dafür, dass der vom Landgericht herangezogene öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Wärmeverbrauchserfassung und Heizkostenabrechnung trotz der zutreffend formulierten Beweisfrage maßgebliche Gesichtspunkte übersehen und insbesondere in seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht den Begriff der auf Dauer erreichbaren mittleren Temperatur verkannt hätte. Angesichts des zweifelhaften Datenmaterials liegt es auf der Hand, dass die mit rund 45º C bezeichnete mittlere Wassertemperatur nur auf einer groben Schätzung beruhen kann, zumal sie nicht als Durchschnittstemperatur vom Nutzer fühlbar ist. Nicht zu beantworten hatte das Landgericht an dieser Stelle, ob die vom Sachverständigen vorgenommene "grobe Schätzung" für eine neue Verbrauchsberechnung nach § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 HeizkostenV ohne weiteres verwendbar ist. Es genügt, dass jedenfalls der in der Abrechnung enthaltene Wert von 60º C im konkreten Fall außerhalb der Realität liegt. Auch bei diesem Ergebnis ist die Befürchtung der Antragsgegner, Nutzer, die durch unkontrollierte Warmwasserentnahme eine Fehlfunktion der Anlage verursachten, würden durch die gewählte Sichtweise noch belohnt, unbegründet. Denn eine realitätsbezogene Sichtweise, die die von einigen Zeugen geschilderten Defizite in der Heizleistung angemessen berücksichtigt, kann die übrigen Nutzer nicht benachteiligen.

Die Kostenentscheidung des Landgerichts gemäß § 47 WEG ist als Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden.

3. Dem Senat erscheint es gemäß § 47 WEG angemessen, den Antragsgegnern, weil sie unterlegen sind, samtverbindlich die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, von einer Erstattungsanordnung gemäß § 47 Satz 2 WEG jedoch abzusehen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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