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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 18.09.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 81/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 16 Abs. 2
Zur Auslegung einer Gemeinschaftsordnung, nach der die benutzungsberechtigten Sondereigentümer der gemeinsamen Anlagen kostentragungspflichtig sind, und wenn aus tatsächlichen Gründen einige Sondereigentümer diese nicht nutzen können (hier: Warmwasserversorgungseinrichtung).
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die aus Wohnungen, Büro- und Garageneinheiten besteht. Die Antragsteller zu 1 und 2 waren Miteigentümer jeweils zu 1/4 und der Antragsteller zu 3 zu 1/2 eines Büros (Nr. 3) und von drei Garagen (Nr. 20, 21, 22). Inzwischen ist der Antragsgegner zu 3 Alleineigentümer der vorgenannten Einheiten mit Ausnahme des Teileigentums an der Garage Nr. 20, die nunmehr den Antragstellern zu 1 und 2 gehört. Seit Errichtung der Wohnanlage in den Jahren 1973/1974 sind die Büros in der Anlage nicht an die zentrale Warmwasserversorgung angeschlossen. Vielmehr erfolgt die Warmwasserversorgung separat über elektrisch betriebene Durchlauferhitzer. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsteller verpflichtet sind, sich an den Instandhaltungskosten der Warmwasserversorgung zu beteiligen, obwohl ihre Einheiten nicht angeschlossen sind.

Die Teilungserklärung vom 14.9.1973 enthält in der Gemeinschaftsordnung (GO) u.a. folgende Regelungen:

§ 4 Benützung des gemeinschaftlichen Eigentums

(1) Jeder Miteigentümer hat das Recht der Mitbenützung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Räume, Anlagen und Einrichtungen des Hauses, soweit nicht ein ausschließliches Benützungsrecht für einzelne Sondereigentümer besteht (...).

§ 8 Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums

(1) Das gemeinschaftliche Eigentum ist laufend auf Kosten der Gesamtheit der benutzungsberechtigten Sondereigentümer ordnungsgemäß instand zu halten und bei Schäden zu reparieren (...).

§ 9 Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums

§ 10 Nutzungspflichten und Kosten

(1) Die Sondereigentümer können die Beteiligung an den Kosten für die gemeinschaftlichen Anlagen wie Heizung, Müllsammelanlagen usw. nicht verweigern. Die Beteiligungspflicht beinhaltet auch die anteilige Übernahme der Kosten für einen Umbau der Anlagen, soweit dieser von der Eigentümerversammlung beschlossen wird.

(2) Die Kosten des Betriebs einschließlich der Wartung der Zentralheizung, werden auf Grund eines prozentualen Verteilungsschlüssels nach Maßgabe der beheizten Flächen für jedes Sondereigentum im Voraus berechnet (...).

(3) Alle übrigen Bewirtschaftungskosten, einschließlich der Kosten für Verwaltung, Hausmeister, Wasserverbrauch und Versicherungen sowie die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten haben die Sondereigentümer gemeinsam zu tragen, soweit sich nicht aus den §§ 4, 9 und 10 etwas anderes ergibt. Die Kosten werden im Verhältnis der Miteigentumsanteile auf die einzelnen Sondereigentümer umgelegt (...).

Bei der Jahresabrechnung 2000 wurden die Antragsteller zur Bezahlung eines Wärmetauschers der Warmwasserversorgungseinrichtung entsprechend ihren Miteigentumsanteilen herangezogen. Die Jahresabrechnung wurde von den Eigentümern am 14.8.2006 beschlossen und wird von den Antragstellern in einem gesonderten Verfahren angegriffen. Die Antragsteller sind der Ansicht, dass sie sich an den Kosten der Warmwasserversorgung nicht beteiligen müssen, weil sie wegen der fehlenden Nutzungsmöglichkeit nicht benutzungsberechtigt seien. Sie haben - neben einem Zahlungsantrag - beantragt, festzustellen, dass sie sich nicht an den Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten zu beteiligen haben, die in Zukunft im Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen Warmwasserversorgungsanlage/dem Warmwasserbereiter der Wohnanlage anfallen.

Das Amtsgericht hat am 5.10.2005 den Zahlungsantrag teilweise und den Feststellungsantrag insgesamt abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.4.2006 den geltend gemachten Zahlungsanspruch in vollem Umfang für begründet erachtet und den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Die Antragsteller haben gegen den Beschluss, soweit für sie nachteilig, sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das notwendige (vgl. dazu Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. Vor §§ 43 ff. Rn. 38) Feststellungsinteresse für den Antrag ist gegeben. Die Antragsteller werden für das Jahr 2000 durch die vorgelegte Jahresabrechnung zu anteiligen Zahlungen hinsichtlich der Kosten der Warmwasserversorgung herangezogen und sind damit direkt betroffen. Dem Streit liegt die grundsätzliche Frage zugrunde, wie die für die Warmwasserversorgung entstehenden Kosten zu verteilen sind. Dies betrifft auch die zukünftige Verteilung, woraus sich das Feststellungsinteresse der Antragsteller ergibt.

Das Feststellungsinteresse ist durch die Änderung der Eigentumsverhältnisse bei den Antragstellern nicht entfallen. Auch die Antragsteller zu 1 und 2, denen nunmehr nur noch eine Garage gehört, haben ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob sie sich an den Kosten der Warmwasserversorgung der Wohnanlage beteiligen müssen. Aus der vorgelegten Abrechnung ergibt sich, dass die Eigentümer lediglich von Garagen ebenfalls gemäß ihrem Miteigentumsanteil an den entstehenden Kosten beteiligt werden.

Antragsgegner des Feststellungsantrags können, wie hier, jedenfalls auch die übrigen Wohnungseigentümer sein, da die Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft und nicht der Rechtsverkehr des Verbands betroffen ist (BGH NJW 2005, 2061/2068).

Die Antragsgegner sind ungeachtet der vom Tatrichter nicht beigefügten und offenbar auch nicht zu den Akten gelangten Eigentümerliste noch ausreichend bezeichnet (vgl. Niedenführ/Schulze Vor §§ 43 ff. Rn. 73a). Jedenfalls die Entscheidung des Senats schafft keinen Vollstreckungstitel gegen die Wohnungseigentümer, so dass weitere Zusätze nicht zwingend geboten sind.

2. Das Landgericht hat zur Sache ausgeführt:

Aus der Teilungserklärung sei nicht zu entnehmen, dass die Antragsteller abweichend von der gesetzlichen Regelung (§ 16 Abs. 2 WEG) sich nicht an den Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten zu beteiligen hätten. Grundsätzlich sei der gesetzliche Kostenverteilungsschlüssel anwendbar, wenn sich nicht zweifelsfrei aus der Teilungserklärung selbst eine abweichende Regelung ergebe. Soweit die Antragsteller darauf verwiesen, dass laut Teilungserklärung nur die benutzungsberechtigten Sondereigentümer das gemeinschaftliche Eigentum instand zu halten und bei Schäden zu reparieren hätten, sie selbst aber bezüglich der Warmwasserversorgung von der Nutzung ausgeschlossen seien, so ergebe sich hieraus nicht mit hinreichender Klarheit, dass alleine die an die Warmwasserversorgung angeschlossenen Teileigentümer für deren Erhalt aufzukommen hätten.

Auch ein Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels (§ 242 BGB) bestehe nicht, da eine fehlende Nutzungsmöglichkeit kein Grund zur Änderung des Verteilungsschlüssels darstelle, sondern nur in Betracht komme, wenn von Anfang an der Verteilungsschlüssel verfehlt sei, beispielsweise bei grob unrichtiger Flächenberechnung oder fehlender Möglichkeit, das Teileigentum überhaupt nutzen zu können.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Nach der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils (Abs. 1 Satz 2) zu tragen. Die Regelung des § 16 WEG ist insgesamt abdingbar, es können daher andere Verteilungsschlüssel vereinbart werden (Weitnauer/Gottschalg WEG 9. Aufl. § 16 Rn. 1). Wenn kein anderer Kostenverteilungsschlüssel wirksam vereinbart worden ist, gilt die gesetzliche Kostenverteilung.

b) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Abänderung des gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssels durch die Teilungserklärung vom 14.9.1973 nicht erfolgt ist.

(1) Die Teilungserklärung unterliegt in der Rechtsbeschwerdeinstanz der Auslegung durch den Senat. Die Auslegung der Teilungserklärung als einer Grundbucherklärung hat den für Grundbucheintragungen maßgeblichen Regeln zu folgen. Dabei ist vorrangig auf Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt, abzustellen. Umstände außerhalb der Eintragung und der in ihr in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 113, 374/378; siehe auch BGH NJW 2006, 2187). Es kommt nicht auf den Willen des Erklärenden, sondern darauf an, was jeder gegenwärtige und zukünftige Betrachter als objektiven Sinn der Erklärung ansehen muss. Unmaßgeblich sind der Wille des Erklärenden, die Meinung des Notars, Prospekte, der Kaufvertrag über das Wohnungseigentum, behördliche Unterlagen außerhalb der Abgeschlossenheitsbescheinigung oder die Entstehungsgeschichte, da ein Sondernachfolger sich über den Rechtsinhalt anhand des Grundbuchs orientieren können muss (vgl. Staudinger/Kreuzer (2005) § 10 WEG Rn. 116 m.w.N.). Umstände außerhalb der Teilungserklärung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH aaO; OLG Karlsruhe WuM 2001, 140). Solche außerhalb der Teilungserklärung liegenden Umstände können beispielsweise die - ohne weiteres erkennbaren - örtlichen Verhältnisse innerhalb der Wohnungseigentumsanlage sein.

(2) Bei Auslegung der Teilungserklärung nach diesen Grundsätzen ergibt sich nicht, dass die Teileigentümer der Wohnanlage von der Benutzung der Warmwasserversorgung ausgeschlossen sind. Der Begriff der gemäß § 8 Abs. 1 GO zahlungspflichtigen "benutzungsberechtigten Sondereigentümer" ist mit Hilfe des § 4 Abs. 1 GO auszulegen. Danach hat jeder Miteigentümer das Recht der Mitbenützung der gemeinschaftlichen Anlagen. Dies setzt weder voraus, dass der jeweilige Sondereigentümer von seinem jeweiligen Benutzungsrecht Gebrauch macht, noch dass er aufgrund der individuellen Verhältnisse zur Nutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Anlagen überhaupt in der Lage ist. Die zentrale Wasserversorgung ist in der Teilungserklärung nicht einzelnen Sondereigentümern zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen. Demnach sind alle Sondereigentümer nutzungsberechtigt und daher auch kostentragungspflichtig. Gemäß § 10 Abs. 3 GO bestimmt sich ihr Kostenanteil nach ihrem Miteigentumsanteil.

Auf die Aussage des vom Amtsgericht vernommenen Zeugen K. kommt es nicht an. Am Nutzen der Einrichtung für den einzelnen Wohnungseigentümer richtet sich die Kostentragungspflicht nicht aus (s.a. OLG Frankfurt a.M. IBR 2005, 716).

Für Außenstehende ohne weiteres erkennbare Umstände, aus denen sich hier eine andere Auslegung der Teilungserklärung ergeben könnte, liegen nicht vor. Der Anschluss bzw. fehlende Anschluss einzelner Teileigentumseinheiten an die Warmwasserversorgung der Wohnanlage gehört nicht zu solchen Umständen. Zudem kann sich eine Nutzung der zentralen Warmwasserversorgung für alle Teileigentümer auch aus der Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen ergeben. Ob dies im Einzelnen der Fall ist, kann dahinstehen, da eine Nutzung jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.

c) Auch eine Abänderung des gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssels durch konkludente Vereinbarung der Eigentümer liegt nicht vor. Zwar kann eine Vereinbarung, da es sich dabei um einen schuldrechtlichen Vertrag handelt, grundsätzlich auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen (Weitnauer/Lüke § 10 Rn. 29; KK-WEG/Elzer § 10 Rn. 157). An das Vorliegen einer konkludenten Vereinbarung sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Nicht jede langjährige Übung stellt eine konkludente Vereinbarung dar. Entscheidend ist, ob die Wohnungseigentümer bewusst eine dauerhafte Regelung schaffen bzw. bewusst dauerhaft eine Änderung herbeiführen wollten. Dafür muss feststehen, dass sämtliche Wohnungseigentümer eine jahrelange Praxis in dem Bewusstsein ausüben, die bisherige Regelung ändern und durch eine neue ersetzen zu wollen. Die entsprechend zu ändernde Vereinbarung muss den Eigentümern dabei positiv bekannt sein. Im bloßen Dulden von Verstößen gegen eine bisherige Regelung ist eine Vereinbarung nicht zu sehen (vgl. KK-WEG/Elzer § 10 Rn. 158).

Das Landgericht hat zu einer konkludenten Vereinbarung keine Feststellungen getroffen. Der Senat kann jedoch gleichwohl entscheiden. Im vorliegenden Fall erscheint es bis zu der in diesem Verfahren erfolgten gerichtlichen Auslegung der Teilungserklärung ausgeschlossen, dass allen Eigentümern die bestehende, nicht eindeutige Rechtslage bekannt war und sie durch ein rechtsgeschäftlich erhebliches Verhalten in der Vergangenheit bewusst eine neue Regelung schaffen wollten.

d) Es kann offen bleiben, ob die Antragsteller einen Anspruch auf Abänderung des bestehenden Kostenverteilungsschlüssels haben. Denn selbst wenn ein solcher Anspruch bestünde, kommt es zu einer geänderten Verteilung erst ab Abschluss der entsprechenden Vereinbarung bzw. durch ein entsprechendes rechtskräftiges Gerichtsurteil. Der Anspruch auf Abänderung bewirkt noch nicht die Änderung selbst (Senat vom 23.8.2006, 34 Wx 90/06; KG WuM 1992, 560).

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, den hinsichtlich des Feststellungsantrags in allen Instanzen unterlegenen Antragstellern die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und übernimmt die unbeanstandeten Festsetzungen der Vorinstanzen.



Ende der Entscheidung

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