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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.07.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 83/07
Rechtsgebiete: FGG, GG, WEG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 19 Abs. 2
FGG § 27 Abs. 1 Satz 2
FGG § 30 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
WEG § 44 Abs. 1
WEG § 45 Abs. 3
ZPO § 526
ZPO § 546
ZPO § 547 Nr. 1
ZPO § 568
ZPO § 767
1. Der Vollstreckungsgegenantrag in Wohnungseigentumssachen gehört zum Erkenntnisverfahren (§ 45 Abs. 3 WEG, § 767 ZPO analog); zuständig für Entscheidungen über sofortige Beschwerden in Wohnungseigentumssachen sind die Landgerichte (§ 19 Abs. 2 FGG), und in diesen funktionell eine Zivilkammer (§ 30 Abs. 1 FGG).

2. Ob die Kammer in voller Besetzung oder durch ihren Einzelrichter entscheidet, richtet sich gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 FGG nach § 526 ZPO; hiernach ist der Einzelrichter der Kammer als Beschwerdegericht nur zuständig, wenn ihm die Kammer durch Beschluss die Sache zur Entscheidung überträgt.

3. Hat die Kammer die Sache fehlerhaft dem originären Einzelrichter (gemäß § 45 Abs. 3 WEG, § 568 ZPO) zugeordnet, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und damit ein zwingender Aufhebungsgrund vor (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 547 Nr. 1 ZPO).

4. Die mündliche Verhandlung ist grundsätzlich auch in der Beschwerdeinstanz durchzuführen (§ 44 Abs. 1 WEG)); nur wenn die hiermit verfolgten Absichten (gütliche Einigung und Sachaufklärung) ohnehin nicht erreicht werden können und die Gewährung rechtlichen Gehörs anderweitig sichergestellt ist, kann das Gericht im Einzelfall auf deren Durchführung verzichten.


Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 24. Mai 2007 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin und die Antragsgegner, ein Ehepaar, sind oder waren Teileigentümer einer Tiefgarage. Der Antragstellerin gehört das Sondereigentum an zwei Stellplätzen mit den Nrn. 1 und 2. Der Eigentumsübergang wurde am 11.1.2006 im Grundbuch eingetragen. Den Antragsgegnern gehörte das Sondereigentum an dem neben dem Stellplatz Nr. 2 gelegenen Stellplatz Nr. 3, das inzwischen veräußert ist. Die Antragstellerin hatte vor ihrem Eigentumserwerb im Grenzbereich zwischen den beiden Tiefgaragenstellplätzen Nr. 2 und Nr. 3 ein Metallgitter errichtet.

Im Vorverfahren wurde der Rechtsvorgänger der Antragstellerin mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.11.2005 u.a. dazu verpflichtet, das in der Tiefgarage zwischen den Stellplätzen Nr. 2 und Nr. 3 befindliche Gitter zu entfernen. Den Antragsgegnern wurde eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses mit Rechtsnachfolgeklausel für den im Beschluss bezeichneten Schuldner, also nun lautend auf die Antragstellerin als Schuldnerin, erteilt.

Nachdem das ursprünglich angebrachte Trenngitter entfernt worden war, hat die Antragstellerin erneut ein Trenngitter, diesmal um einige Zentimeter in Richtung ihres Stellplatzes Nr. 2 versetzt und möglicherweise auf dessen Fläche, angebracht.

Die Antragsgegner betreiben gegen die Antragstellerin die Zwangsvollstreckung aus dem umgeschriebenen Beschluss.

Die Antragstellerin hat am 4.7.2006 beim Amtsgericht beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 17.11.2005 für unzulässig zu erklären. Das Amtsgericht hat ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 30.8.2006 den Antrag abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat die Beschwerdekammer des Landgerichts durch ihre Einzelrichterin mit Beschluss vom 24.5.2007, ebenfalls ohne mündliche Verhandlung, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II. Verfahrens- und materiellrechtlich ist das bis 30.6.2007 geltende Wohnungseigentumsgesetz anzuwenden (vgl. § 62 Abs. 1 WEG n.F.; Elzer WuM 2007, 295/305).

Das zulässige Rechtsmittel gegen die entgegen § 16 Abs. 2 FGG formlos übersandte Entscheidung des Beschwerdegerichts (§ 45 Abs. 1 WEG, § 29 Abs. 1, 2 und 4, § 22 Abs. 1 FGG) hat bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg.

1. Zuständig für Entscheidungen über sofortige Beschwerden in Wohnungseigentumssachen, zu denen der Vollstreckungsgegenantrag als dem Erkenntnisverfahren zugehörig rechnet (§ 45 Abs. 3 WEG, § 767 ZPO analog; vgl. BayObLG ZMR 1999, 183; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1235; Palandt/Bassenge BGB 66. Aufl. § 45 WEG Rn. 8), sind die Landgerichte (§ 19 Abs. 2 FGG), und in diesen funktionell eine Zivilkammer (§ 30 Abs. 1 FGG). Ob die Kammer in voller Besetzung oder durch ihren Einzelrichter entscheidet, richtet sich gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 FGG nach § 526 ZPO. Hiernach ist der Einzelrichter der Kammer als Beschwerdegericht nur zuständig, wenn ihm die Kammer durch Beschluss die Sache zur Entscheidung überträgt. Dies ist unterblieben, weil die Kammer die Sache fehlerhaft dem originären Einzelrichter gemäß § 45 Abs. 3 WEG, § 568 ZPO zugeordnet hat.

Dadurch ist gegen den gesetzlichen Richter verstoßen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), was einen zwingenden Aufhebungsgrund bildet (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 547 Nr. 1 ZPO).

2. Überdies leidet das Verfahren an dem weiteren Mangel der unterbliebenen mündlichen Verhandlung (§ 44 Abs. 1 WEG). Die mündliche Verhandlung dient der Herbeiführung einer gütlichen Einigung, daneben der Sachverhaltsaufklärung und der Gewährung rechtlichen Gehörs. Die mündliche Verhandlung ist grundsätzlich auch in der Beschwerdeinstanz durchzuführen. Sie bildet den Normalfall. Nur dann, wenn die hiermit verfolgten Absichten, also gütliche Einigung und Sachaufklärung, ohnehin nicht erreicht werden können und die Gewährung rechtlichen Gehörs anderweitig sichergestellt ist, kann das Gericht im Einzelfall auf deren Durchführung verzichten. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles ist zu begründen (vgl. KK-WEG/Abramenko § 44 Rn. 2 und 5 m.w.N.). Die mündliche Verhandlung ist, wohl wegen der fehlerhaften Einordnung der Sache als Vollstreckungsverfahren, unterblieben. Auch deswegen kann die landgerichtliche Entscheidung keinen Bestand haben.

3. Der Senat weist das Verfahren an das Landgericht zurück. Dieses tritt in den Grenzen des Rechtsmittels vollständig an die Stelle der ersten Instanz und hat in der zu entscheidenden Angelegenheit die gleichen Befugnisse wie diese (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 25 Rn. 7). Im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage erscheinen weitere Ermittlungen, die zweckmäßigerweise vom Amtsgericht durchzuführen wären, nicht mehr geboten.

4. Für das weitere Verfahren ist anzumerken:

a) Das Landgericht braucht die übrigen Eigentümer am Verfahren nicht zu beteiligen. Es kann dahin stehen, ob im Ausgangsverfahren, das die Beseitigung des Trenngitters zum Gegenstand hatte, die übrigen Teileigentümer zu beteiligen gewesen wären (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 WEG), was unterblieben ist. Der gegenständliche Titel bindet deshalb nur die damals Beteiligten (§ 45 Abs. 2 WEG) bzw. deren Rechtsnachfolger (§ 325 Abs. 1 ZPO). Für ein Verfahren nach § 767 ZPO, das Einwendungen gegen einen solchen Titel betrifft, ist der Beteiligtenkreis jedenfalls kein anderer als der des dem Titel zugrunde liegenden Verfahrens.

b) Soweit Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite vorgetragen ist und behauptet wird, der Rechtsnachfolger sei mit dem Verbleib des Gitters einverstanden, steht dies einem erfolgreichen Vollstreckungsgegenantrag gegen die Antragsgegner nicht entgegen. Diese sind nach wie vor im Besitz der auf sie lautenden vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses; es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie materiell befugt bleiben, daraus zu vollstrecken (Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 727 Rn. 8).

c) Etwaige individuelle Absprachen der Antragstellerin mit dem Bauträger zum Einbau des Trenngitters berühren das Verhältnis der Teileigentümer untereinander nicht. Maßgeblich sind insoweit die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten. Diese kann der Bauträger nach der durchgeführten Teilung nicht einseitig zu Lasten anderer Teileigentümer abändern (vgl. BayObLG ZfIR 2003, 641).

d) In materieller Hinsicht dürfte der Beschluss vom 17.11.2005 nicht geeignet sein, die Entfernung des gegenwärtig vorhandenen Trenngitters zu betreiben. Unstreitig ist das seinerzeit vorhanden gewesene Gitter entfernt worden. Grundsätzlich ist es zwar zutreffend, dass der Anspruch nur bei einer endgültigen und vollständigen Beseitigung erfüllt ist. Das im Titel ausgesprochene Verbot dürfte jedoch nicht jedes die Stellplätze voneinander trennende Gitter erfassen. Denn in den zur Auslegung heranziehbaren Gründen (Zöller/Stöber ZPO 26. Aufl. § 704 Rn. 5 m.w.N.) wird entscheidend darauf abgestellt, dass das (damals) angebrachte Absperrgitter beim Ein- und Aussteigen störe und die (dortigen) Antragsteller beeinträchtige, was auch daraus folge, dass das Gitter sich nicht auf der Grenze, sondern auf dem Garagengrund der Antragsteller befinde. Ob dies für das gegenständliche innerhalb der Garagenfläche der jetzigen Antragstellerin angebrachte Gitter gleichermaßen gilt, lässt sich dem Titel nicht zweifelsfrei entnehmen.

III. Eine Kostenentscheidung ist an dieser Stelle nicht veranlasst.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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