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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 29.01.2007
Aktenzeichen: 4St RR 222/06
Rechtsgebiete: FeV, GG, StVG


Vorschriften:

FeV § 28
GG Art. 103 Abs. 2
StVG § 21 Nr. 1
Der Inhaber einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU erworbenen Fahrerlaubnis, gegen den im Inland eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis verhängt worden war und der erst nach Ablauf dieser Sperrfrist im Inland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge führt, macht sich auch dann nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar, wenn die EU-Fahrerlaubnis noch während der Sperrfrist erteilt worden war. Unerheblich ist dabei, ob die Fahrerlaubnis in dem anderen Mitgliedstaat der EU nur deshalb erworben wurde, um die inländischen Vorschriften über die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach deren Entzug zu umgehen.
Gründe:

I.

1. Das Amtsgericht Viechtach hat den Angeklagten mit Urteil vom 22.6.2005 vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis aus Rechtsgründen freigesprochen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fuhr der Angeklagte am 1.3.2005 gegen 10.45 Uhr mit seinem Pkw VW Jetta, amtliches Kennzeichen XXX, auf der Kreisstraße REG 20 von P nach V. Die Fahrerlaubnis war dem Angeklagten mit Urteil des Amtsgerichts Viechtach vom 21.4.2004, rechtskräftig seit diesem Tage, entzogen worden. Zugleich war eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis bis 15.12.2004 verhängt worden. Am 2.11.2004 erwarb der Angeklagte in der Tschechischen Republik eine neue Fahrerlaubnis. Er vertraute bei der Fahrt am 1.3.2005 auf die Gültigkeit dieser Fahrerlaubnis in Deutschland nach Ablauf der Sperrfrist.

2. Das Amtsgericht hat den Freispruch im Wesentlichen damit begründet, der Angeklagte sei zum Tatzeitpunkt Inhaber einer gültigen tschechischen Fahrerlaubnis gewesen und damit gemäß § 28 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) berechtigt gewesen, auch im Inland Kraftfahrzeuge zu führen. Dieser Berechtigung stehe § 28 Abs. 4 und Abs. 5 FeV nicht entgegen, weil eine auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gestützte EU-richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschriften ergebe, dass die tschechische Fahrerlaubnis nach Ablauf der im Inland verhängten Sperrfrist ohne vorherige Durchführung eines Anerkennungsverfahrens ipso iure im Inland gültig sei. Nach der Entscheidung des EuGH vom 29.4.2004 (NJW 2004, 1725 = NZV 2004, 372 - Urteil Kapper) könne ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis nicht deshalb ablehnen, weil im Hoheitsgebiet des Anerkennungsstaats auf den Inhaber des Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Staat erteilten Fahrerlaubnis angewendet worden war, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist bereits abgelaufen war, bevor der Führerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist. Daraus lasse sich im Hinblick auf die weiteren Gründe der Entscheidung des EuGH und im Hinblick auf die der Richtlinie 91/439/EWG zugrunde liegenden Erwägungen kein Umkehrschluss dahingehend ziehen, dass in einem Fall wie dem vorliegendem, in welchem die EU-Fahrerlaubnis während der im Inland angeordneten Sperrfrist erteilt wurde, diese EU-Erlaubnis unter Anwendung von Art. 8 Abs. 4 der genannten Richtlinie im Inland nicht anerkannt werden muss. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH berechtige die Ausnahmeregelung in Art. 8 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht, einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit zu versagen.

3. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Sprungrevision. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Richtlinie 91/439/EWG sei vom Amtsgericht falsch angewendet worden. Es sei zu besorgen, dass in Zukunft Kraftfahrzeugführer, denen in der Bundesrepublik Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen wurde, unter Umgehung der Sperrfrist auf dem vom Amtsgericht gebilligten Weg in einem anderen Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis erwerben. Dabei sei nicht auszuschließen, dass in diesem Mitgliedstaat nach einem Entzug der Fahrerlaubnis an deren Neuerteilung geringere Anforderungen gestellt werden, als dies in Deutschland der Fall ist.

4. Mit Beschluss vom 21.10.2005 hat der Senat das Verfahren bis zur Vorabentscheidung des EuGH im Verfahren 4St RR 031/05 ausgesetzt. Im genannten Bezugsverfahren waren dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Senatsbeschluss vom 9.9.2005 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt worden:

Lässt Artikel 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG in einem derartigen Fall eine gesetzliche Regelung des Aufnahmestaats zu, wonach von der Fahrerlaubnis des Ausstellungsstaats nur auf Antrag und nach Prüfung, ob die Voraussetzungen der Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie entfallen sind, im Aufnahmestaat Gebrauch gemacht werden darf, oder folgt aus dem Gebot der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie sowie aus dem Gebot, Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie eng auszulegen, dass der Aufnahmestaat die Gültigkeit der Fahrerlaubnis ohne Vorschaltung eines Kontrollverfahrens anerkennen muss und dass ihm lediglich die Befugnis zusteht, das Recht zum Gebrauch der Fahrerlaubnis im Aufnahmestaat abzukennen, sofern Gründe (fort-)bestehen, die die Anwendung von Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie rechtfertigen?

5. Mit Beschluss vom 28.9.2006 hat der EuGH (Geschäftszeichen C-340/05) im genannten Bezugsverfahren folgende Entscheidung getroffen:

Artikel 1 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 8 Absätze 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein in der durch die Richtlinie 97/26/EG des Rates vom 2. Juni 1997 geänderten Fassung verwehrt es einem Mitgliedstaat, das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs aufgrund eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins und damit dessen Gültigkeit in seinem Hoheitsgebiet nicht anzuerkennen, solange der Inhaber dieses Führerscheins, auf den im erstgenannten Mitgliedstaat eine Maßnahme des Entzugs einer früher erteilten Fahrerlaubnis ohne gleichzeitige Anordnung einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis angewendet worden ist, die Bedingungen nicht erfüllt, die nach den Rechtsvorschriften dieses Staates für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis vorliegen müssen, einschließlich einer Überprüfung der Fahreignung, die bestätigt, dass die Gründe für den Entzug nicht mehr vorliegen.

6. Die Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht weist darauf hin, Sinn und Zweck des vorstehenden Beschlusses des EuGH könne nicht sein, den missbräuchlichen Erwerb einer Fahrerlaubnis unter Berufung auf europarechtliche Vorgaben zu ermöglichen. In Fällen wie dem vorliegenden sei im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung den Belangen der Sicherheit des Straßenverkehrs vor dem Interesse des Kraftfahrers an der Geltung seiner in einem anderen Mitgliedsland erworbenen Fahrerlaubnis der Vorzug einzuräumen. Im Übrigen leide das angefochtene amtsgerichtliche Urteil an einem Darstellungsmangel, der die Aufhebung des Urteils zur Folge haben müsse. Das Amtsgericht teile nämlich nicht mit, wo, aufgrund welcher Kenntnisnachweise, unter welchen Umständen und von welcher tschechischen Behörde die Fahrerlaubnis vom 2.11.2004 erteilt worden sei. Es sei daher nicht möglich, nachzuprüfen, ob der Angeklagte in Tschechien seine Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs auch ausreichend nachgewiesen habe.

II.

Die gemäß §§ 312, 335 Abs. 1 StPO statthafte Revision ist zulässig, § 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO, ihr bleibt jedoch in der Sache der Erfolg versagt. Das angefochtene amtsgerichtliche Urteil begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

1. Das Amtsgericht ist zutreffend von dem Grundsatz des § 28 Abs. 1 FeV ausgegangen, wonach eine EU- Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt. Ein Fall, der vorliegend die Nichtanerkennung dieser Fahrerlaubnis rechtfertigen würde, liegt nicht vor, weil § 28 Abs. 4 Nr. 3, Abs. 5 FeV im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben eng auszulegen und daher nur eingeschränkt anwendbar ist:

a. Der EuGH hat im Urteil Kapper (NJW 2004, 1725 = NZV 2004, 372) festgestellt, dass Art. 8 Abs. 4 Unterabsatz 1 der Richtlinie 91/439/EWG, soweit die Vorschrift einem Mitgliedstaat erlaubt, die Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins dann nicht anzuerkennen, wenn auf dessen Inhaber in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme der Einschränkung, der Aussetzung, des Entzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet wurde, eine Ausnahme von dem in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie enthaltenen allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine darstellt und demnach eng auszulegen ist (Urteil Kapper Rn. 70 und 72). Hieraus hat der EuGH im Weiteren gefolgert, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG berufen kann, um einer Person, auf die eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer früher von ihm erteilten Fahrerlaubnis angewendet worden war, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der ihr möglicherweise später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist (Urteil Kapper Rn. 76).

b. Des Weiteren hat der EuGH in der Entscheidung Halbritter (NJW 2006, 2173) festgestellt, ein Mitgliedstaat könne vom Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht die Erfüllung der Bedingungen verlangen, die sein eigenes nationales Recht für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis aufstellt (Beschluss Halbritter Rn. 29). Die Behörden eines Mitgliedsstaats seien nicht befugt, im Falle der Ausstellung eines Führerscheins durch einen anderen Mitgliedstaat die Beachtung der Ausstellungsbedingungen erneut zu überprüfen (Beschluss Halbritter Rn. 34).

c. Im oben genannten Bezugsverfahren (Az. 4St RR 031/05), im Hinblick auf das der Senat das vorliegende Verfahren vorläufig ausgesetzt hatte, hat der EuGH diese Rechtsprechung auch auf den Fall erstreckt, in welchem der Entzug der ursprünglichen Fahrerlaubnis nicht mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis verbunden war (Beschluss Kremer Rn. 34). Demgemäß hat der EuGH die Vorlegungsfrage dahingehend beantwortet, dass ein Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis auch dann anerkennen muss, wenn der Inhaber dieser Fahrerlaubnis die Bedingungen nicht erfüllt, die nach den Rechtsvorschriften dieses Staates für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis vorliegen müssen, einschließlich einer Überprüfung der Fahreignung, die bestätigt, dass die Gründe für den Entzug nicht mehr vorliegen.

2. Diese Rechtsprechung des EuGH hält der Senat insofern für eindeutig, als die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nach Ablauf einer vom Anerkennungsstaat ausgesprochenen Sperrfrist nicht von innerstaatlichen Vorschriften über Erwerb, Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis abhängig gemacht werden darf (ebenso OLG Saarbrücken NStZ-RR 2005, 50; a.A. LG Freiburg (Breisgau) vom 8.5.2006 in juris Rn. 45; VGH Baden-Württemberg VM 2006 Nr. 92; VGH Kassel NZV 2006, 668).

Das Amtsgericht ist darüber hinaus in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass es für die strafrechtliche Beurteilung keinen Unterschied macht, ob der Erwerb einer Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat noch während einer im Inland verhängten Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis erfolgt oder erst nach Ablauf einer solchen Frist (ebenso OLG Nürnberg vom 16.01.2007, Az: 2St OLG Ss 286/06). Diese Auffassung hat der Senat auch bereits im Aussetzungsbeschluss vom 21.10.2005 Seite 3 vertreten. Ausschlaggebend hierfür ist die Feststellung des EuGH, einer EU-Fahrerlaubnis dürfe nach Ablauf der Sperrfrist die Anerkennung nicht auf unbestimmte Zeit versagt werden (Urteil Kapper Rn. 76; Beschluß Kremer Rn 29).

Zu Recht hat das OLG Nürnberg (aaO) in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, das Verbot einer Neuerteilung vor Ablauf der Sperrfrist nach § 4 Abs. 10 StVG gelte nur für inländische Behörden. Dasselbe trifft auf eine nach § 69 a StGB festgesetzte Sperrfrist zu.

Aus der Rechtsprechung des EuGH zur richtlinienkonformen Auslegung von Art. 28 der FeV ergibt sich kein rechtlicher Gesichtspunkt, den Fall, in dem einem Angeklagten die in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Fahrerlaubnis bereits während des Laufs einer im Inland verhängten Sperrfrist erteilt worden ist, anders zu behandeln als die vom EuGH entschiedenen Fälle. Aus der Systematik der Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung und ihrer europarechtlichen Auslegung ergibt sich demnach nicht, dass einer EU-Fahrerlaubnis ihre Gültigkeit im Inland auf Dauer abgesprochen werden kann, nur weil sie innerhalb einer Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis erworben wurde.

Es trifft zwar zu, dass der EuGH in allen drei genannten Entscheidungen die Pflicht zur Anerkennung der von Mitgliedstaaten der EU ausgestellten Führerscheine ausdrücklich nur für den Fall gefordert hat, dass der Führerschein durch den anderen Mitgliedstaat erst ausgestellt wurde, nachdem die Sperrfrist im Inland bereits abgelaufen war. Diese Einschränkung erklärt sich jedoch aufgrund des jeweils der Vorlage zugrunde liegenden Sachverhalts und lässt nicht den Umkehrschluss zu, die gegenseitige Anerkennungspflicht solle nicht auch für die vorliegende Fallgestaltung gelten (ebenso OLG Nürnberg aaO).

Für dieses Ergebnis spricht auch die Regelung des § 28 Abs. 4 Nr. 4 FeV, die insoweit einen vergleichbaren Fall betrifft, als dort die Nichtanerkennung einer EU-Fahrerlaubnis nur auf einer gegen den Inhaber gerichtlich verhängten Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis beruht. Dort heißt es jedoch nicht, die Berechtigung, von einer EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, gelte nicht für denjenigen, dem auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden "durfte", sondern dies gelte, wenn demjenigen keine Fahrerlaubnis erteilt werden "darf". Damit kommt zum Ausdruck, dass nach Ablauf der Sperrfrist eine EU-Fahrerlaubnis grundsätzlich zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt, allerdings nur unter den vom EuGH für eingeschränkt anwendbar erklärten Voraussetzungen des § 28 Abs. 5 FeV.

Entscheidend ist demnach alleine, dass der Angeklagte vorliegend von der Fahrerlaubnis erst nach Ablauf der im Inland verhängten Sperrfrist Gebrauch machte.

3. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass der Angeklagte die EU-Fahrerlaubnis nach den amtsgerichtlichen Feststellungen nur deshalb erwarb, weil er damit die deutschen Vorschriften über die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach deren Entzug und nach Verhängung einer Sperrfrist für die Wiedererteilung umgehen wollte. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob eine solche mit dem Stichwort Führerscheintourismus belegte Verhaltensweise als rechtsmissbräuchlich zu bezeichnen wäre oder nicht, weil sie jedenfalls eine Strafbarkeit nicht begründet.

a. Es ist nicht zulässig, der vom Angeklagten erworbenen EU-Fahrerlaubnis ihre tatbestandausschließende Wirkung mit dem Hinweis darauf abzuerkennen, sie sei rechtsmissbräuchlich erlangt worden (Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil Band I 3. Auflage S. 513; Schönke/Schröder/Lenckner StGB 27. Auflage vor § 32 Rn 63a m.w.N.). Ausschlaggebend ist im strafrechtlichen Zusammenhang nur die formelle verwaltungsrechtliche Wirksamkeit eines Verwaltungsakts, nicht dessen materiell-rechtliche Richtigkeit (Tröndle/Fischer StGB 54. Auflage vor § 324 Rn 7 m.w.N.).

b. Diejenigen Umstände, die den unerwünschten Führerscheintourismus begründen, nämlich die innerstaatlichen Vorschriften über die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach deren Entzug, und die der EuGH wie ausgeführt als für die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis durch einen anderen Mitgliedstaat irrelevant erachtet, können nicht mit dem Argument des "Missbrauchs" nun doch zu einer Verweigerung der Anerkennung der EU-Fahrerlaubnis führen. Dies käme einer Missachtung der Rechtsprechung des EuGH gleich, dessen Entscheidungen Kapper und Kremer ebenfalls Sachverhalte aus dem Bereich des Führerscheintourismus zugrundelagen. Im Ergebnis ist daher der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Führerschein ohne jegliche Formalität und daher auch ohne ein Umschreibungsverfahren anzuerkennen, weil er ipso iure im Inland wirksam ist (ebenso OLG Saarbrücken NStZ-RR 2005, 50; OLG Nürnberg aaO).

4. Diese Rechtslage verliert ihre Geltung nicht dadurch, dass sie zum sogenannten Führerscheintourismus führt. Dieser ist eine Konsequenz der europarechtlichen gegenseitigen Anerkennungspflicht von Fahrerlaubnissen und der fehlenden Harmonisierung der Rechtslage in den einzelnen Mitgliedstaaten bzw. eines fehlenden europaweiten Mitteilungssystems betreffend Fahrerlaubnisse. Jedenfalls in dem vorliegenden strafrechtlichen Zusammenhang kann es sich nicht zu Lasten eines Kraftfahrzeugführers auswirken, dass er bestehende rechtliche Möglichkeiten zur Erlangung eines Zustandes ausnutzt, den der nationale Gesetzgeber vermeiden möchte.

5. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht ist vorliegend kein Raum für eine Interessenabwägung zwischen den Belangen der Sicherheit des Straßenverkehrs einerseits und dem Interesse des Kraftfahrers, mit einer EU-Fahrerlaubnis im Inland Kraftfahrzeuge führen zu dürfen. Eine solche Interessenabwägung, wie sie die Verwaltungsgerichte - überwiegend im Rahmen von Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.9.2006 Az. 16 B 989/06 in juris; VGH Kassel NZV 2006, 668; VGH Baden-Württemberg VM 2006 Nr. 92) - durchführen, hält der Senat im vorliegenden strafrechtlichen Zusammenhang für unzulässig, weil sie möglicherweise im Einzelfall voneinander abweichende Ergebnisse erbrächte, was einer eindeutigen Bestimmbarkeit des regelmäßig im Einzelfall strafbaren Verhaltens durch den Betroffenen und damit Art. 103 Abs. 2 GG widerspräche (Vgl. BVerfG vom 20.03.2002 in juris Rn. 66 -68).

Daraus folgt, dass bei einer richtlinienkonformen Anwendung von Art. 28 Abs. 4 und 5 der FeV die Belange der Sicherheit des Straßenverkehrs aus innerstaatlicher Sicht unberücksichtigt bleiben, weil für diese Belange der die Fahrerlaubnis jeweils erteilende Mitgliedstaat verantwortlich ist. Soweit hiergegen mit gutem Recht eingewendet wird, die innerstaatlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten seien nicht harmonisiert und dies führe daher im Einzelfall zu einer unzureichenden Berücksichtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs (vgl. z.B. LG Freiburg (Breisgau) a.a.O. Rn 45 ff; VGH Kassel NZV 2006, 668/670), erscheint dies auch dem erkennenden Senat unbefriedigend, ist allerdings durch die Strafgerichte solange hinzunehmen, wie die entsprechende Gesetzeslage besteht.

6. Das angefochtene Urteil leidet auch nicht an dem gerügten Darstellungsmangel. Zu Recht hat das Amtsgericht die näheren Umstände der Erteilung der Fahrerlaubnis in Tschechien nicht feststellt. Denn darauf kommt es für die Entscheidung nicht an. Wie ausgeführt hat nach Auffassung des EuGH ein Mitgliedstaat die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis unabhängig davon anzuerkennen, ob der Betroffene nach Auffassung des Anerkennungsstaates seine Fahreignung ausreichend nachgewiesen hat oder nicht (Beschluss Kremer Rn 32 und 33).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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