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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 4St RR 3/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 318
Eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch den Tatrichter führt jedenfalls dann nicht zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf die Rechtsfolgen, wenn das festgestellte Verhalten eine Straftat mit dem gleichen Strafrahmen begründet.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht Erding verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 33 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit 3 tatmehrheitlichen Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft, die ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, änderte das Landgericht Landshut das amtsgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass es den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilte.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision; er rügt die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.

Mit der Verfahrensrüge macht er geltend, das Landgericht habe es unterlassen, Zeugen zu der Frage, ob er bedroht worden sei, zu vernehmen.

Mit der Sachrüge trägt der Angeklagte vor, die vom Landgericht angenommene Bindung an den Schuldspruch im Fall II. 4. d sei wegen eines offensichtlichen Fehlers im Schuldspruch des Amtsgerichts unwirksam. Das Landgericht habe zwar zutreffend erkannt, dass die Feststellungen des Amtsgerichts im Fall II. 4. d eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Ziff. 2 BtMG nicht trügen, dennoch habe es in diesem Fall rechtsfehlerhaft die Einzelstrafe aus diesem Strafrahmen entnommen; dies wirke sich auf die verhängte Gesamtstrafe aus. Ferner rügt er, der Gesichtspunkt der Bedrohung hätte sich, hätte das Landgericht diesen festgestellt, zu seinen Gunsten ausgewirkt, da das Gericht dann verstanden hätte, warum er keine Angaben zu seinen Hintermännern habe machen könne. Schließlich habe es das Landgericht unterlassen bei einer Strafe, die sich im Grenzbereich einer Verurteilung befände, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne, ausführlich zu begründen, warum eine Aussetzung zur Bewährung nicht mehr erfolgen könne.

II.

Der statthaften (§ 333 StPO) und auch sonst zulässigen (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Revision war der Erfolg zu versagen.

1. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam ist (BU. S. 4).

a) Die Frage der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGHSt 27, 70/72).

b) Grundsätzlich ist der Rechtsfolgenausspruch nur dann alleine anfechtbar, wenn das Amtsgericht ausreichende Feststellungen zur Tat getroffen hat, die den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat jedenfalls in groben Zügen erkennen lassen und insofern eine hinreichende Grundlage für die Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (BayObLGSt 1999, 99).

Der objektive Unrechtsgehalt der Tat wie auch das Maß der persönlichen Schuld des Angeklagten lassen sich bei Betäubungsmitteldelikten nur bestimmen, wenn der Tatrichter neben der Menge des Rauschgifts, auf die sich die Tat bezieht, auch dessen Qualität festgestellt hat. Für den Schuldumfang ist entscheidend, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich jeweils im verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelgemisch befunden haben.

Diesen Anforderungen wird das amtsgerichtliche Urteil gerecht (AU. S. 3/5) . Es hat im Einzelnen die Tatzeitpunkte, die Art und Menge des verkauften und übergebenen Rauschgifts angegeben, wobei es zu Gunsten des Angeklagten von einem Wirkstoffgehalt des Kokains von 20% und des Heroins von 8% ausging. Im Übrigen sind die einzelnen Tathandlungen, auch im subjektiven Tatbestand, hinreichend deutlich umschrieben. Soweit das Amtsgericht nicht feststellen konnte, ob der Angeklagte Heroin oder Kokain verkauft hat, wurde auch dies deutlich gemacht.

c) Die vom Amtsgericht im Fall II. 4. d getroffenen Feststellungen (AU. S. 4/5) tragen jedoch eine Verurteilung nach § 29a Abs. 1 Ziff. 2 BtMG nicht, da bei einer Lieferung von 20g Kokain und einem Wirkstoffgehalt von 20 % ein Kokainhydrochloridwirkstoffgehalt von 4g und damit keine nicht geringe Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Ziff. 2 BtMG vorliegt, die erst bei Erreichen von 5g Kokainhydrochlorid angenommen wird (BGH StV 1994, 486/487; 1996, 548).

Dies steht der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung jedoch nicht entgegen, da, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (BU. S. 10), das festgestellte Verhalten des Angeklagten nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 1 BtMG strafbar ist, der den gleichen Strafrahmen vorsieht wie § 29a Abs. 1 Ziff. 2 BtMG.

Auf die Frage, ob der in der neueren Rechtsprechung (OLG Saarbrücken NStZ 1997, 149/150; OLG Köln NStZ-RR 2000, 49) vertretenen Ansicht, die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß sei auch in den Fällen unwirksam, in denen das Erstgericht offensichtlich fehlerhaft gültiges Recht dadurch falsch angewandt hat, dass es einen festgestellten Sachverhalt unrichtig unter einen gültigen Straftatbestand subsumiert hat, der für die Strafzumessung einen höheren Strafrahmen vorgibt, als derjenige, der nach der festgestellten Tat bei zutreffender rechtlicher Wertung zur Anwendung kommende Straftatbestand, beizutreten ist, kommt es vorliegend somit nicht an, da ein solcher Fall gerade nicht gegeben ist.

2. Auch die Strafzumessung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Die Revision hat auch nicht deshalb Erfolg, weil das Landgericht auf Grund der wirksamen Berufungsbeschränkung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch, wie sich aus dem Kontext der Ausführungen auf Seite 10, 2. Absatz, seines Urteils ergibt, im Fall II. 4 d vom Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Ziff. 2 BtMG ausgeht. Hierdurch ist der Angeklagte schon nicht beschwert, da diese Vorschrift den gleichen Strafrahmen aufweist wie § 29 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 1 BtMG, worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat (BU. S. 10).

b) Auch die konkrete Strafzumessung des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich die Sache des Tatrichters. Auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten gewonnen hat, ist es seine Aufgabe, die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen (§ 46 StGB). Das Revisionsgericht darf in die Einzelakte der Strafzumessung regelmäßig nur dann eingreifen, wenn der Tatrichter von einem falschen Strafrahmen ausgeht, wenn seine Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt, oder wenn sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht. Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BayObLGSt 1995, 27/28).

aa) Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht auf der Grundlage einer Gesamtabwägung von der Annahme eines minderschweren Falles bei der Tat II. 4 d nach § 29a Abs. 2 BtMG insbesondere deshalb abgesehen hat, da der Angeklagte gewerbsmäßig handelte (BU. S. 10).

bb) Es kann dahinstehen, ob der Angeklagte hinsichtlich der von ihm als unterlassen gerügten Vernehmung von Zeugen, die bestätigen sollen, dass er sich in einer Bedrohungssituation befunden habe, eine zulässige Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhoben hat. Die Strafkammer hat nämlich zu seinen Gunsten ausdrücklich berücksichtigt (BU. S. 11), dass er sich subjektiv durch eine Bedrohungssituation gehindert sah, früher und umfassender Angeben zu machen.

cc) Das Landgericht hat ferner bei der Tat II. 4. d dem Umstand Rechnung getragen, dass der Angeklagte nicht mit einer nicht geringen Menge Heroin oder Kokain Handel getrieben hat. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus den Urteilsgründen, erschließt sich aber dem Senat aus dem Umstand, dass die Strafkammer die hierfür festgesetzte Einzelstrafe abweichend vom Amtsgericht um zwei Monate niedriger auf 1 Jahr und 3 Monate festgesetzt hat (BU. S 11).

dd) Auch die Gesamtstrafenbildung durch das Landgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Auch hier ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle durch den Senat ausgeschlossen.

Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Revision, dass bei einer verhängten Freiheitsstrafe, die geringfügig über derjenigen, die noch zur Bewährungsausgesetzt werden kann, besonders zu prüfen wäre, ob eine Absenkung der verhängten Freiheitsstrafe auf zwei Jahre, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, verantwortet werden kann. Dies ist auch nicht der in der Revisionsbegründung zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7.2.2001 - 2 StR 487/00 (NStZ 2001, 365/366) zu entnehmen. Diese Entscheidung befasst sich vielmehr damit, dass jeder Schematismus der Bildung einer Gesamtstrafe fremd ist.

Zutreffend ist vielmehr, dass eine Freiheitsstrafe knapp über zwei Jahren angesichts ihrer Nähe zu einer in aussetzungsfähiger Höhe einer besonders sorgfältigen Begründung bedarf (BGH StV 1992, 462/463).

Dem wird die Begründung der Gesamtstrafe durch das Landgericht noch gerecht. Insbesondere hält es rechtlicher Überprüfung stand, dass die Strafkammer wegen der Vielzahl der Delikte die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe geringfügig über 2 Jahre erhöht hat.

III.

Der Revision war deshalb der Erfolg zu versagen.

Der Senat entscheidet einstimmig nach § 349 Abs. 2 StPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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