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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: 5 St RR 37/05
Rechtsgebiete: JGG, StPO


Vorschriften:

JGG § 54 Abs. 1
StPO § 267 Abs. 3 Satz 1
StPO § 357
In den Gründen des Strafurteils müssen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände angegeben werden. Hierzu muss das Gericht eine - im Falle der Verhängung von Jugendstrafe besonders sorgfältige - eigenständige Bewertung und Begründung vornehmen und darf nicht nur pauschal auf die Ausführungen des erstinstanziellen Urteils zur Strafzumessung und der erforderlichen strafrechtlichen Reife Bezug nehmen. Die fehlerhafte Gesamtwürdigung bei der Strafzumessung betrifft auch nicht beschwerdeführende Angeklagte. Daher ist das Urteil insoweit ebenfalls aufzuheben, wenn - wie hier - ein Fall des § 55 JGG nicht gegeben ist. Das gilt auch im Beschlussverfahren.
Tatbestand:

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - hatte die beiden Angeklagten wegen Raubes zu einem Dauerarrest von je zwei Wochen und den Angeklagten B wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einem Dauerarrest von drei Wochen verurteilt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilte die Jugendkammer des Landgerichts den Angeklagten A wegen Raubes rechtlich zusammentreffend mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines anderen Urteils zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten, den Angeklagten D wegen Raubes rechtlich zusammentreffend mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten und den Angeklagten B unter klarstellender Aufrechterhaltung des amtsgerichtlichen Schuldspruchs ebenfalls zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten.

Gegen dieses Urteil wandten sich die Angeklagten A und B mit ihren Revisionen und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Die Revision des Angeklagten B ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Er begehrt die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils im Rechtsfolgenausspruch. Der Angeklagte D hat die von seiner Verteidigerin form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision zurückgenommen. Auf die Revision der Angeklagten A und B hin war das angefochtene Urteil hinsichtlich aller Angeklagter im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

Gründe:

Die gemäß §§ 341, 344 StPO zulässigen Revisionen der Angeklagten A und B haben mit der Sachrüge Erfolg, weil die in den Urteilsgründen getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch lückenhaft sind und deswegen die Verurteilung jeweils zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten nicht zu tragen vermögen, §§ 337 Abs. 2, 349 Abs. 4 StPO.

Von diesem Mangel ist auch der Angeklagte D betroffen, weshalb die Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch auf ihn zu erstrecken war, § 357 StPO.

Die weitergehende den Schuldspruch betreffende Revision des Angeklagten A ist unbegründet, weil die Nachprüfung aufgrund der Revision insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten A ergeben hat, § 349 Abs. 2 StPO.

1. Soweit sich der Angeklagte A mit der Sachrüge gegen den Schuldspruch wendet, indem er rügt, die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung des Berufungsurteils seien lückenhaft und widersprüchlich, bleibt seine Revision ohne Erfolg. Insoweit hat die Nachprüfung aufgrund der Revision keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, § 349 Abs. 2 StPO. Zur Begründung wird auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht in ihrer Antragsschrift vom 10.2.2005 (dort unter Ziffern 1.1.1. und 1.1.2.) Bezug genommen.

Auch die Gegenerklärung des Angeklagten A vom 4.3.2005 zeigt insoweit keinen Rechtsfehler auf. Die Darstellung in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht, wonach der Geschädigte bei der Flucht zu Fall gebracht wurde und in Anwesenheit aller Schläge und Tritte gegen ihn erfolgten, deckt sich mit den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsurteils (UA S.8/9 und 11). Im Übrigen geht die Jugendkammer offensichtlich in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht von einem Geständnis aller Beteiligter aus, wie sich dies aus der Inbezugnahme unter Ziffer V. des Berufungsurteils (UA S.12) ergibt. Soweit die Bezugnahmen des Berufungsgerichts auf das amtsgerichtliche Urteil die Beweiswürdigung und darüber hinaus die rechtliche Würdigung betreffen, sind sie revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat ausreichend eigene Feststellungen getroffen, so dass durch die in Rede stehenden Bezugnahmen keine Unklarheiten entstehen.

2. Die Revisionen der Angeklagten A und B sind begründet, soweit sie sich gegen den Rechtsfolgenausspruch richten. Die Begründung des angefochtenen Urteils trägt die Entscheidung zum Strafausspruch nicht.

2.1. Das gilt zunächst, soweit die Jugendkammer hinsichtlich der Strafzumessung und der erforderlichen strafrechtlichen Reife pauschal auf die Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil Bezug genommen hat. Diese Bezugnahme steht nicht im Einklang mit § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO, wonach in den Gründen des Strafurteils u.a. die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände angeben werden müssen. Andernfalls ist das angefochtene Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft.

Zwar ist es ausnahmsweise zulässig, wenn dadurch keine Unklarheiten entstehen, dass in einem Berufungsurteil auf tatsächliche und rechtliche Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen wird. Dies gilt aber nicht für die Strafzumessungserwägungen. Insoweit muss das Berufungsgericht eine eigenständige Begründung vornehmen und darf nicht einfach auf die Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil verweisen (OLG Jena NStZ-RR 1998, 119 m.w.N.). Denn die Strafzumessungsgründe setzen sich aus Tatsachen und Erwägungen zusammen, wobei die Erwägungen einen Akt der Bewertung und Gewichtung oft sehr zahlreicher und vielgestaltiger Umstände darstellen, den durchzuführen der Tatrichter selbständig, in eigener Verantwortung und auf der Grundlage der jeweiligen Hauptverhandlung verpflichtet ist. Daher ist eine Bezugnahme der vorliegenden Art nicht zulässig und ersetzt nicht die Strafzumessungsgründe, die dem Urteil gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO beizufügen sind.

2.2. Darüber hinaus ist bei der Verhängung von Jugendstrafe eine besonders sorgfältige Sanktionsbegründung erforderlich. Denn § 54 Abs. 1 JGG ergänzt § 267 StPO im Hinblick auf die Besonderheiten des Jugendstrafrechts, die sich daraus ergeben, dass das Jugendstrafrecht ein Erziehungs- und Täterstrafrecht ist. Die hieraus folgende erweiterte Begründungspflicht erfordert eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der Biografie des Angeklagten, eine Bewertung der Tat im Zusammenhang mit den Lebensverhältnissen des Angeklagten sowie die Begründung der hiernach unter Berücksichtigung ihrer Eingriffsintensität erforderlichen Rechtsfolgen. Diesen Anforderungen genügen die sehr pauschalen Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil nicht, zumal sie sich, abgesehen von der zwischenzeitlich erfolgten Verurteilung des Angeklagten A, stets auf alle drei Angeklagten beziehen.

2.3. Was die Einbeziehung der rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten A gemäß § 31 Abs. 2 JGG angeht, weist der Senat darauf hin, dass das einbezogene Urteil im Strafausspruch seine Wirkung verliert, weil der neue Tatrichter die Strafe selbständig und losgelöst von dem Strafausspruch der einzubeziehenden Entscheidung zu bestimmen hat. Dabei sind die früher begangenen und die nunmehr abgeurteilten Straftaten neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen originären Sanktion zu machen, wobei die früheren Taten mit allen erforderlichen Einzelheiten umfassend zu würdigen sind (OLG Jena aaO, OLG Hamm StV 2002,404/405). Daran fehlt es im Berufungsurteil vollständig.

3. Nach alledem kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben. Da die fehlerhafte Gesamtwürdigung bei der Strafzumessung im Allgemeinen und bei der Verhängung der Jugendstrafen im Besonderen auch den - nicht beschwerdeführenden - Angeklagten D betrifft, hat das Urteil auch insoweit keinen Bestand, § 357 stopp (LR/Hanack StPO 25.Aufl. § 357 Rn. 20, 21 m.w.N.).

Dies gilt auch im Beschlussverfahren und obwohl der Angeklagte D die von ihm eingelegte Revision zurückgenommen hat. Ein Fall des § 55 Abs. 2 JGG ist vorliegend nicht gegeben (vgl. Meyer-Goßner StPO 47.Aufl. § 357 Rn. 5 ff. m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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