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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 05.03.2002
Aktenzeichen: 5 U 4442/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1 a. F.
ZPO § 543 Abs. 2 n. F.
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1 a. F.
ZPO §§ 511 f. a. F.
ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2
ZPO § 156
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713 a. F.
ZPO § 3
BGB § 459 Abs. 2
BGB § 459
BGB § 463
BGB § 464
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 5 U 4442/01

Verkündet am 5. März 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung u.a.

erläßt der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2002 folgendes

Endurteil:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.6.2001 aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.500,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz der Deutschen Bundesbank hieraus seit 8.2.2001 zu zahlen.

3. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Verfahrens der ersten Instanz tragen der Kläger 58 %, der Beklagte 42 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 65 %, der Beklagte 35 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

7. Die Beschwer des Klägers beträgt 3.507,-- EUR.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 2.500,-- EUR.

8. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt wie folgt:

- Bis 28.1.2002: 13.524,-- EUR (entspricht 26.451,-- DM),

- ab 29.1.2002: 6.007,-- EUR.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a. F. abgesehen, bei folgender Ergänzung:

Der Kläger hat mit Schriftsätzen vom 18.10.2001 und 23.10.2001 die Klage wegen weiterer Mängel des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges und Sachverständigenkosten erweitert sowie ein Gutachten von vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 29.1.2002 wurden jedoch die klageerweiternden Anträge nicht gestellt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig gemäß §§ 511 f. ZPO a. F..

Vorliegend ergeht eine Entscheidung nur bezüglich des in der Klageschrift enthaltenen Anspruchs, d.h. soweit Minderwert deshalb geltend gemacht wird, weil das Fahrzeug bereits früher als im Kaufvertrag angegeben erstmals zugelassen und von älterem Baujahr als angenommen war.

Die Berufung ist teilweise begründet. Der Beklagte schuldet dem Kläger 2.500,-- EUR Schadensersatz nebst Zinsen. Die weitergehende Klage und Berufung bleiben erfolglos.

1. Dem verkauften Ferrari fehlt eine zugesicherte Eigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB.

Auszugehen ist davon, daß der Ferrari (mittlerweile unstreitig) Baujahr 1988 ist und erstmals Anfang 1989 zugelassen worden war. Dies folgt auch aus dem Schreiben der Firma vom 12.12.2000 (Anlage B 9).

Die im Zeitungsinserat (Bj. 2.91) sowie im Kaufvertrag und bei den technischen Detailangaben {Erstzulassung: 15.2.1991) enthaltenen Daten sind unrichtig. Sowohl das Baujahr wie das Datum der Erstzulassung stellen Eigenschaften eines gebrauchten Kraftfahrzeuges im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB dar; (vgl. Palandt 61. Aufl. § 459 BGB Rn. 29).

Ungeachtet dessen, daß der Beklagte als Privatmann verkauft und die Daten zum Alter des Fahrzeugs gegebenenfalls aus den ihm vorliegenden Kfz.-Papieren entnommen hat, ist bezüglich der vorgenannten Eigenschaften von einer Zusicherung bei Abschluß des Kaufvertrages auszugehen.

Zugesichert ist, wenn der Verkäufer durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung, die Vertragsinhalt geworden ist, dem Käufer zu erkennen gibt, daß er für den Bestand der bestimmten Eigenschaft und alle Folgen ihres Fehlens einstehen will; (vgl. Palandt 61. Aufl. §459 BGB Rn. 15). Dies ist hier der Fall, nachdem der Beklagte nach Angabe des Baujahres im Zeitungsinserat (1991) sowohl in den technischen Detailangaben (ausgefüllt vom Beklagten und dem Kläger übermittelt noch vor Abschluß des Kaufvertrages) wie im Kaufvertrag die Erstzulassung mit 15.2.1991 angegeben hat; denn damit ist zum Ausdruck gebracht, daß der Verkäufer bezüglich einer für die Kaufentscheidung durchaus bedeutsamen Eigenschaft den Zeitpunkt Anfang 1991 für zutreffend hält und ein Fahrzeug mit dem inserierten Baujahr bzw. der angegebenen Erstzulassung mit allen hieraus entstehenden rechtlichen Pflichten verkaufen will. Der Beklagte hat im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag nicht zu verstehen gegeben, daß er bezüglich des Fahrzeugalters unsicher ist, daß seine Angaben fraglich sein könnten und daß die entsprechenden Daten, die schließlich auch bei der Kaufpreisbildung von Bedeutung sind, unverbindlich sein sollen. Wäre eine Zusicherung nicht gewollt gewesen, wäre die Aufnahme des Erstzulassungsdatums in den Kaufvertrag nicht erforderlich gewesen: zur Identifizierung des Fahrzeugs ist das Datum nicht notwendig; im übrigen wären die aus den Kfz.-Papieren sich ergebenden Daten dem Käufer, der die Papiere ja auch erhalten hat ohne Aufnahme in den Kaufvertrag bekannt gewesen.

2. Wegen Fehlens der zugesicherten Eigenschaft kann der Kläger gemäß § 463 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

2.1. Dem steht nicht entgegen, daß im Kaufvertrag vom 27.7.2000 "Ausschluß jeglicher Gewährleistung" enthalten ist. Die Bestimmung ist gemäß Art. 11 Nr. 11 AGBG unwirksam.

Der Formularkaufvertrag, mitgebracht vom Beklagten (Verwender) enthält - ungeachtet dessen, ob der Beklagte des öfteren diesen Vordruck verwendet - Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AGBG (vgl. Palandt 61. Aufl. Art. 1 AGBG Rn. 6). Beim Kaufvertrag kann der Schadensersatzanspruch des Käufers wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gegen den Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam ausgeschlossen werden.

2.2. Der Kläger hat den Schadensersatzanspruch nicht wegen vorbehaltloser Annahme des Fahrzeugs im Oktober 2000 verloren.

Grundsätzlich kommt gemäß § 464 BGB bei vorbehaltloser Annahme Verlust des Schadensersatzanspruches in Betracht.

2.2.1. Dies setzt voraus, daß der Käufer positive Kenntnis von dem Mangel hat. Fahrlässige, selbst grob fahrlässige Unkenntnis des Mangels und dringender Verdacht reichen allgemeiner Meinung zufolge nicht aus; (vgl. Palandt § 464 BGB Rn. 5).

Den Zeitpunkt der Auslieferung von der Fa. an die Firma (7.11.1988) sowie das Datum der Auslieferung an die Firma in (20.1.1989) hat der Beklagte erst mit Schreiben der Firma vom 12.12.2000 (also nach Übergabe des streitgegenständlichen Ferraris) erfahren und dies sodann dem Kläger mitgeteilt. Vorher haben beide Parteien - dies wird insbesondere auch zugunsten des Beklagten unterstellt - keine positive Kenntnis von den wahren Daten gehabt. Das Gericht geht davon aus, daß beide Parteien zunächst von der Richtigkeit der in den Kfz.-Unterlagen enthaltenen Daten ausgegangen sind.

Daß die Rechnung der Firma vom 4.6.1993 als "Zulassungsdatum" den 14.2.1989 enthält, begründet keine positive Kenntnis beim Kläger dazu, daß der gekaufte Ferrari - weil älter als im Zuge der Kaufverhandlungen angenommen - mangelhaft ist. Damit war für den Kläger zunächst lediglich eine Auffälligkeit gegeben, die er - vgl. sein Schreiben vom 28.7.2000 (Anlage B 2) - dem Beklagten mit der Bitte um Überprüfung mitgeteilt hat. Der Beklagte behauptet auch nicht, sogleich eingeräumt zu haben, daß das Fahrzeug älter als im Zuge der Verkaufsverhandlungen angegeben ist. Der Beklagte hat vielmehr mit Schreiben vom 16.9.2000 (Anlage B 5) bei der Firma um Aufklärung bezüglich des Fahrzeugalters gebeten und mit Schreiben vom selben Tag (Anlage B 6) dies dem Kläger mitgeteilt.

Somit lagen bei Übergabe des Ferrari im Oktober 2000 bezüglich des Fahrzeugalters Unsicherheiten vor, gegebenenfalls auch Verdachtsmomente. Positives Bewußtsein vom Mangel ist jedoch nicht anzunehmen.

2.2.2 Davon abgesehen hat der Kläger den zum Erhalt des Schadensersatzanspruches erforderlichen Vorbehalt in ausreichender Form erklärt.

Der Vorbehalt ist formlos und auch durch schlüssiges Verhalten möglich. Er muß grundsätzlich bei Annahme erklärt werden, ist aber auch schon vorher möglich (vgl. Palandt 61. Aufl. § 464 BGB Rn. 8, 9). Der Kläger hatte sich unmittelbar vor Überführung und Übergabe des Fahrzeugs mit Schreiben vom 13.10.2000 an den Beklagten gewandt und hierbei ausdrücklich - mit der Bitte um Rückruf - nach der "Kaufrechnung von Firma gefragt. Damit war in ausreichender Form zum Ausdruck gebracht, daß der Problempunkt: Alter des Fahrzeugs noch offen ist, der Klärung bedarf und daß insoweit auf etwaige Gewährleistung nicht verzichtet wird.

3. Dem Kläger stehen 2.500,-- EUR als Schadensersatz zu.

3.1. Der hier geltend gemachte kleine Schadensersatz soll die Wertdifferenz ausgleichen. Der Käufer kann den Kaufgegenstand behalten und verlangen, so gestellt zu werden, als ob gehörig erfüllt worden wäre, also Ersatz des Wertunterschiedes zwischen mangelfreier und mangelhafter Sache geltend machen; (vgl. Palandt § 463 BGB Rn. 18).

Diese zu ersetzende Wertdifferenz schätzt das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 2.500,-- EUR.

Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde:

Das Alter eines gebrauchten Kraftfahrzeugs stellt grundsätzlich einen preisbildenden Faktor dar. Dasselbe kann bezüglich des Tages der Erstzulassung gelten; damit ist u.a. die Aussage verbunden, ob das Fahrzeug kurz nach Fertigstellung und Auslieferung genutzt wurde oder erst nach längerem Zeitablauf, weil es beispielsweise "auf Halde" lag. Vorliegend ist von Auslieferung der Fa. an die Firma am 7.11.1988 und von weiterer Auslieferung an Firma am 20.1.1989 (vgl. Anlage B 9) auszugehen, d.h. der Ferrari muß spätestens das Baujahr 1988 haben; hiervon abweichend sind beide Parteien (vgl. Zeitungsinserat, Kaufvertrag und technische Detailangaben) von einem späteren Baujahr ausgegangen, was der Verkäufer über das Datum der Erstzulassung im Jahre 1991 im Kaufvertrag in Verbindung mit den Angaben in der Annonce (Baujahr 1991) auch ausdrücklich angegeben hat.

Das verkaufte Auto ist demnach mehr als 2 Jahre älter als beim Kauf angenommen.

Den dadurch gegebenen Minderwert schätzt das Gericht mit gut 10 % des Kaufpreises (47.000,-- DM). Dies scheint angemessen auch unter Berücksichtigung dessen, daß es sich - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 29.1.2002 herausgestellt hat - um einen Klassiker, ein Kultauto und einen "Oldtimer von Morgen" handelt.

Die Erholung eines kostenintensiven Sachverständigengutachtens war nicht geboten. Dabei ist berücksichtigt, daß es sich um ein seltenes Liebhaberobjekt handelt, das nicht wie gängige Massen-Gebrauchsfahrzeuge nach relativ festen Sätzen auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird. Die Zahl der produzierten Wagen ist wie die Zahl der potentiellen Käufer relativ gering. Auch ein Sachverständiger wäre auf Schätzungen mit - gemessen an Massen-Kraftfahrzeugen - relativ wenigen Vergleichszahlen angewiesen.

3.2. An der vorstehenden Beurteilung ändert nichts die Vorlage der Kurzbewertung nach dem Classic Data System (Anlage B 12) mit nicht nachgelassenem Schriftsatz des Beklagten vom 13.02.2002, welche zur Beweisführung nicht geeignet ist. Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO war nicht veranlaßt.

4. Nebenentscheidungen:

- Kosten: §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 97 Abs. 1 ZPO.

- Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO a. F..

- Beschwer: § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO a. F..

- Nichtzulassung der Revision: § 543 Abs. 2 ZPO n. F.; keine der dort genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegt vor.

- Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist gemäß § 3 ZPO festgesetzt. Dieser setzt sich zusammen aus dem beiden bezifferten Anträgen in Höhe von 11.750,-- DM und 9.701,-- DM sowie 5.000,-- DM für den Feststellungsantrag; dies ergibt zusammen 26.451,-- DM, das sind 13.524,-- EUR; im übrigen ist dem Umstand Rechnung getragen, daß der Kläger die klageerweiternden Anträge in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat.

Ende der Entscheidung

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