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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 12.10.2006
Aktenzeichen: 6 U 1676/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 677
BGB § 679
BGB § 683
1. Wer, nachdem er gegen einen Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hat, den Gegner zur Rücknahme des Mahnbescheidsantrages und zum Verzicht auf den Anspruch auffordert, der besorgt ausschließlich ein eigenes Geschäft. Ein Fremdgeschäftsführungswille im Sinne des § 677 BGB kann hier auch dann nicht angenommen werden, wenn der Auffordernde alternativ die Möglichkeit hätte, eine negative Feststellungsklage zu erheben oder seinerseits ins streitige Verfahren überzugehen und dadurch dem Gegner noch höhere Kosten zu verursachen.

2. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683) können hier außerdem auch deshalb nicht bestehen, weil dieses Vorgehen offensichtlich nicht dem tatsächlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dieser entgegenstehende Willen des Geschäftsherrn kann hier - anders als in den Fällen der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung - nicht über § 679 BGB überwunden werden, denn die Rücknahme eines Mahnbescheidsantrages liegt auch dann, wenn der Antrag unberechtigt ist, nicht im öffentlichen Interesse.


Az.: 6 U 1676/06

Verkündet am 12.10.2006

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

wegen Forderung

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Streicher, Richterin am Oberlandesgericht Hübner und Richter am Oberlandesgericht Dr. Delonge aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.10. 2006

folgendes Endurteil:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 14. 12. 2005, Az. 54 O 1431/05, wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe:

I.

1.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von Anwaltskosten, nachdem sie die Beklagte mit anwaltlicher Hilfe erfolgreich zur Rücknahme eines Mahnbescheidsantrages aufgefordert hat.

Die Klägerin stellt Uhren her und vertreibt diese. Die Beklagte vertreibt Uhren von Mitbewerbern, insbesondere solche der in Hongkong ansässigen Firma E..

Die Klägerin hatte 1985 ein Patent zur Steuerung von Funkuhren mittels einer Lichtschranke angemeldet. Im Jahre 1997 hatte eine Abnehmerin der E. Funkuhren, die dieses Patent verletzten, an die Handelskette L. geliefert. Die Klägerin hatte daraufhin beim Landgericht Düsseldorf gegen zwei Unternehmen der L.-Gruppe Einstweilige Verfügungen erwirkt und 1998 Hauptsacheklage erhoben.

Das Bundespatentgericht hatte das oben genannte Patent auf eine Nichtigkeitsklage der E. hin zwar abgeändert, aber im Wesentlichen aufrechterhalten. Auf die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der E. hin hat der Bundesgerichtshof im Jahre 1998 das Patent teilweise für nichtig erklärt; die Nichtigerklärung betraf insbesondere den Teil des Patents, auf den die Klägerin ihre Klagen gegen die Firmen der L.-Gruppe gestützt hatte.

Die Klägerin nahm daraufhin diese Klagen zurück.

Die Beklagte erwirkte nun ihrerseits einen Mahnbescheid vom 21. 10. 2002 gegen die Klägerin über eine Hauptforderung von 1.500.000,- Euro zuzüglich Zinsen (Anlage K 1). Der Anspruchsgrund war bezeichnet mit "Schadensersatz aus Unfall/Vorfall gem. Eingriff in Gewerbebetrieb - E., Patent DE 3...... vom 2. 10. 96 bis 31. 12. 99". Einschließlich der vom Gericht ausgerechneten, bereits aufgelaufenen Zinsen ergab sich eine Gesamtforderung von 1.740.035,67 Euro zuzüglich weiter fällig werdender Zinsen.

Die Klägerin legte gegen diesen Mahnbescheid fristgerecht Widerspruch ein. Die Beklagte forderte daraufhin die Klägerin auf, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, was diese ablehnte. Gleichwohl unternahm die Beklagte nichts weiter; ein streitiges Verfahren wurde von keiner der Parteien eingeleitet.

Mit Anwaltsschreiben vom 10. 5. 2004 (Anlage K 5) wandte sich dann die Klägerin ihrerseits an die Beklagte und forderte diese auf, den Mahnbescheidsantrag zurückzunehmen und ausdrücklich einen Verzicht auf die in diesem Mahnbescheid bezeichnete Forderung zu erklären. Die Beklagte erklärte zunächst mit Schreiben vom 28. 5. 2004 (Anlage K 6) lediglich, dass sie sich des Anspruchs nicht länger berühme. Erst auf ein weiteres anwaltliches Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 2. 6. 2004 (Anlage K 7) hin erklärte die Beklagte dann mit Anwaltsschreiben vom 11.6. 2004 (Anlage K 8) ausdrücklich den geforderten Verzicht und nahm den Mahnbescheidsantrag zurück.

Die Kosten des Mahnverfahrens wurden daraufhin der Beklagten auferlegt. Die von der Klägerin beantragte Festsetzung der ihr für die oben genannten Anwaltsschreiben entstandenen Kosten unterblieb jedoch. Das zuständige Landgericht Düsseldorf wies den Festsetzungsantrag der Klägerin mit Beschluss vom 5. 10. 2004 (Anlage K 11) zurück, weil es sich bei den ihr entstandenen Kosten nicht um Kosten des Mahnverfahrens handele.

Die Klägerin wandte sich daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 2.11. 2004 unmittelbar an die Beklagte und verlangte die Erstattung der ihr entstandenen Kosten "aus dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag". Geltendgemacht wurden eine 10/10-Rechtsanwaltsgebühr und eine 10/10-Patentanwaltsgebühr, jeweils aus einem Gegenstandswert von 1.740.035,67 Euro, woraus sich eine Gesamtforderung von 13.532,- Euro ergab.

Die Beklagte lehnte die Zahlung ab.

Die Klägerin führte erstinstanzlich aus, sie könne nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag die Erstattung dieser Anwaltsgebühren bzw. die Freistellung von der entsprechenden Gebührenforderung ihrer Anwälte (§ 257 BGB) verlangen. Dadurch, dass sie die Beklagte außergerichtlich zum Verzicht und zur Rücknahme des Mahnbescheidsantrags aufgefordert habe, habe sie dieser die deutlich höheren Kosten erspart, die entstanden wären, wenn die Klägerin stattdessen eine negative Feststellungsklage erhoben hätte.

Eine solche negative Feststellungsklage wäre jedenfalls zulässig und begründet gewesen. Das für die Zulässigkeit einer solchen Klage erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass sich die Beklagte in ernstzunehmender Weise eines Schadensersatzanspruches gegen die Klägerin berühmt habe; nachdrücklicher als durch die Erwirkung eines Mahnbescheides könne eine solche Berühmung kaum erfolgen. Es sei der Klägerin nicht zuzumuten gewesen, den durch dieses nicht weiter betriebene Mahnverfahren entstandenen rechtlichen Schwebezustand unbegrenzt lange hinzunehmen, zumal sie bei dieser Sachlage verpflichtet gewesen sei, entsprechende Rücklagen zu bilden.

Eine entsprechende negative Feststellungsklage wäre auch ohne weiteres begründet gewesen, denn tatsächlich hätten der Beklagten die Schadensersatzansprüche, die dem Mahnbescheid zugrunde lagen, nicht zugestanden, auch wenn das fragliche Patent der Klägerin nachträglich für nichtig erklärt worden sei. Zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin gegen die Abnehmer der Beklagten vorgegangen sei, habe das Patent jedoch noch bestanden, und die Klägerin habe auf dessen Fortbestand vertraut. Sie habe daher nicht schuldhaft gehandelt; ein Eingriff in den Gewerbebetrieb müsse jedoch schuldhaft erfolgen, um Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB auszulösen.

Wenn die Klägerin bei dieser Sachlage gleichwohl keine negative Feststellungsklage erhoben, sondern stattdessen den für die Beklagte günstigeren Weg des außergerichtlichen Aufforderungsschreibens gewählt habe, dann habe sie im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag ein Geschäft der Beklagten wahrgenommen. Sie könne dann die ihr hierdurch entstandenen Kosten ähnlich wie bei einem wettbewerbsrechtlichen Abmahnschreiben von der Beklagten ersetzt verlangen.

Die geltend gemachten Kosten seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Gegenstandswert habe sich aus der Höhe der im Mahnbescheid bezifferten Gesamtforderung, einschließlich der vom Gericht ausgerechneten Zinsen ergeben. Die Mitwirkung eines Patentanwalts sei nötig gewesen, weil es sich bei der Abwehr dieser Ansprüche um eine Patentstreitsache im Sinne des § 143 Abs. 1 PatG gehandelt habe. Und innerhalb der Rahmengebühr des (damals noch geltenden) § 118 Abs. 1 BRAGO sei der obere Grenzwert angemessen gewesen, weil es zum einen um eine sehr hohe Summe gegangen sei und weil zum anderen die Verfolgung der Angelegenheit besondere Schwierigkeiten aufgeworfen habe; die uneinsichtige Haltung der Beklagten habe immerhin ein zweites Anwaltsschreiben erforderlich gemacht.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte dazu zu verurteilen, für die Klägerin an deren Rechtsanwälte 13.532,- Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 16. 12. 2004 zu bezahlen.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Sie hat bestritten, dass eine negative Feststellungsklage der Klägerin erfolgreich gewesen wäre, sodass das Mahnschreiben schon aus diesem Grund keine "Geschäftsführung ohne Auftrag" im Interesse der Beklagten gewesen sein könne. Einer solchen Klage hätte bereits das Feststellungsinteresse gefehlt, weil die Beklagte nach Widerspruchseinlegung durch die Klägerin nichts mehr unternommen habe. Im Übrigen sei ja mit diesem Mahnverfahren bereits ein gerichtliches Verfahren über denselben Streitgegenstand eingeleitet gewesen, wobei auch die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, gem. § 696 ZPO in das streitige Verfahren überzuleiten.

Die Beklagte hat auch die Höhe der klägerischen Ansprüche bestritten. Als Streitwert könne allenfalls die Höhe der von der Beklagten geltend gemachten Hauptforderung (1,5 Mio. Euro) angenommen werden. Der Mitwirkung eines Patentanwalts habe es nicht bedurft; die im Mahnbescheid genannten Ansprüche seien keine patentrechtlichen Ansprüche gewesen, sondern allgemeine deliktische Ansprüche aus § 823 BGB. Und innerhalb der Rahmengebühr sei lediglich der Mittelwert von 7,5/10 angemessen gewesen.

Ferner hat die Beklagte bestritten, dass die fraglichen Anwaltsgebühren überhaupt angefallen seien. Die Anwälte der Klägerin würden zu festen Stundensätzen arbeiten und hätten der Klägerin tatsächlich niemals ein derartiges Honorar in Rechnung gestellt.

2.

Das Landgericht hat zunächst ein Gutachten der zuständigen Rechtsanwaltskammer vom 12. 10. 2005 zur Angemessenheit der geltendgemachten Rahmengebühren eingeholt (Bl. 67 ff. d. A.).

Sodann hat es mit Urteil vom 14. 12. 2005 (Bl. 108 ff. d. A.) die Klage insgesamt abgewiesen: Zum einen seien hier die Voraussetzungen einer Geschäftsführung schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin ersichtlich nicht mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt habe. Und außerdem sei die Vermeidung einer negativen Feststellungsklage für die Beklagte nicht von Interesse gewesen, denn wenn die Klägerin eine solche Klage erhoben hätte, dann hätte die Beklagte - die ja ihre Schadensersatzforderungen tatsächlich nicht mehr verfolgte - den Feststellungsantrag sofort anerkennen können, mit der Kostenfolge des § 93 ZPO; das außergerichtliche Aufforderungsschreiben sei also für sie nicht der billigere, sondern der teurere Weg gewesen.

3.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiterverfolgt.

Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält der Argumentation des Ersturteils entgegen, dass die Beklagte im Fall einer negativen Feststellungsklage keineswegs mehr die Möglichkeit gehabt habe, den Feststellungsantrag mit der Kostenfolge des § 93 ZPO sofort anzuerkennen. Bei einer negativen Feststellungsklage falle die Prüfung der Frage, ob der Beklagte Anlaß zur Klage gegeben habe, mit der Prüfung des Feststellungsinteresses zusammen. Die Klägerin verweist hier auf die Entscheidung des BGH in WRP 2004, 1032 (1036).

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend verweist sie auf das Urteil des BGH in BGHZ 165, 311, aus dem sich ergebe, dass auch bei einem formal bestandskräftigen Patent der Patentinhaber schuldhaft handeln könne, wenn er aus diesem Patent gegen Konkurrenten vorgehe; es sei also keineswegs gewiss, dass hier eine negative Feststellungsklage der Klägerin begründet gewesen wäre.

Im übrigen fehle es an einer an die Klägerin andressierten Rechnung der Anwälte; dies sei jedoch Voraussetzung für die Fälligkeit der Gebührenforderung (§ 18 Abs. 1 BRAGO).

Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz dem Rechtsanwalt, der sie bei der Einleitung des Mahnverfahrens beraten hatte, den Streit verkündet. Dieser ist mit Schriftsatz vom 4. 10. 2006 dem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten beigetreten und hat sich deren Argumentation angeschlossen. Ergänzend hat der Nebenintervenient bestritten, dass die Klägerin der Kanzlei ihrer Vertreter überhaupt ein gesondertes patentanwaltliches Mandat erteilt habe.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als unbegründet. Die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag greifen bei der hier vorliegenden Fallgestaltung selbst dann nicht ein, wenn man unterstellt, dass eine negative Feststellungsklage der Klägerin zulässig und begründet gewesen wäre.

1.

Ansprüche der Klägerin aus 683 BGB müssen bereits deshalb entfallen, weil diese hier offensichtlich kein "Geschäft für einen anderen" im Sinne des § 677 BGB besorgt hat.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Aufforderung an die Beklagte, den Mahnbescheidsantrag zurückzunehmen, überhaupt ein "Geschäft" im Sinne des § 677 BGB dargestellt haben kann. Zwar ist der Begriff des "Geschäfts" in § 677 BGB weit auszulegen; ein rein tatsächliches Tätigwerden kann genügen (BGHZ 67, 368), und nach BGHZ 43, 188 (192) kann sich dieses sogar in einer bloßen Aufforderung an einen anderen erschöpfen. In dieser vom BGH entschiedenen Fallgestaltung hatte der dortige Kläger allerdings den Beklagten an die Einhaltung einer gesetzlichen Pflicht erinnert, während im hier zu entscheidenden Fall die Gegenseite einfach nur zu einer bestimmten Prozesshandlung aufgefordert wurde, zu der sie rechtlich nicht verpflichtet war. Ob ein solches Anwaltsschreiben als "Geschäft" im Sinne des § 677 BGB verstanden werden kann, ist zumindest fraglich.

Im Ergebnis kann dies freilich dahinstehen, denn jedenfalls hat die Klägerin hier kein Geschäft "für einen anderen" besorgt. Sie hat vielmehr mit Eigengeschäftsführungswillen gehandelt; es ging ihr darum, eine für sie selbst lästige Situation zu klären und gegen sie selbst gerichtete Ansprüche, die sie als unberechtigt empfand, abzuwehren.

Welche Anforderungen an den "Fremdgeschäftsführungswillen" im Sinne des § 677 BGB zu stellen sind, ist zwar weitgehend umstritten und vielfältig von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig (hierzu Palandt-Sprau, BGB, 65. Aufl., § 677 Rn 3 mwN). Es kann auch ausreichen, dass der Willen, im Interesse eines anderen zu handeln, neben den Willen zum Besorgen eines eigenen Geschäfts tritt (BGHZ 16, 18; 63, 167; 110, 313). Erforderlich ist jedoch immer, dass das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Handelnden, sondern auch dem anderen zugute kommt.

Für die Aufforderung an einen anderen, einen Mahnbescheidsantrag zurückzunehmen, kann dies schon deshalb nicht angenommen werden, weil sich der Angesprochene durch eine solche Antragsrücknahme zunächst einmal einer für ihn negativen Kostenfolge aussetzt, und weil vorteilhafte Folgen hierdurch zunächst ausschließlich für den Auffordernden eintreten.

Die bloße Tatsache, dass dem Auffordernden als Alternative auch die gerichtliche Durchsetzung seiner Auffassung (im Wege der negativen Feststellungsklage oder im Wege der Überleitung ins streitige Verfahren, die gem. § 696 Abs. 1 ZPO auch dem Anspruchsgegner möglich ist) möglich gewesen wäre, kann die Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens selbst dann nicht begründen, wenn auf diesem Wege der Gegenseite noch höhere Kosten entstanden wären. Denn die bloße Tatsache, dass das Handeln des Geschäftsführers geeignet ist, sich für einen anderen in irgendeiner Form vorteilhaft auszuwirken, kann für einen Fremdgeschäftsführungswillen nicht ausreichen, wenn es sich um ein Geschäft handelt, das bei objektiver Betrachtung allein den "Geschäftsführer" angeht. Die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag stellen zwar in vielen Fällen einen "Auffangtatbestand" dar (Palandt-Sprau, aaO, vor § 677 Rn. 2); sie schaffen aber keine generelle Anspruchsgrundlage für den Ersatz eigener Aufwendungen, die sich in irgendeiner Form auch fremdnützig auswirken (hierzu BGH NJW 2000, 72).

Wenn zwei Parteien über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen streiten, dann nimmt deshalb jede von ihnen ausschließlich ihr eigenes Geschäft wahr, wenn sie in diesem Streit ihre Position vertritt. Dies gilt auch dann, wenn eine Seite eine Vorgehensweise wählt, die die Gegenseite im Ergebnis billiger kommt als eine denkbare Alternative. Die Erstattung von Kosten, die durch die eigene Rechtsverfolgung entstanden sind, schuldet die Gegenseite grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 91 ff. ZPO oder aufgrund gesetzlicher Schadensersatzregelungen; keine dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall erfüllt. In diesem Zusammenhang bleibt auch zu beachten, dass sich ein außergerichtlicher Anspruchsverzicht der Gegenseite gerade auch für den Auffordernden sehr vorteilhaft darstellt, weil dieser sich den Aufwand eines gerichtlichen Verfahrens erspart und jeglicher Ungewissheit über den Ausgang eines solchen Verfahrens enthoben ist.

Soweit die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung auf eine Parallele zur wettbewerbsrechtlichen Abmahnung abgestellt hat, deren Kosten nach ständiger Rechtsprechung auch schon vor Einführung des § 12 UWG n. F. über § 683 BGB zu erstatten waren, bleibt festzuhalten, dass hier ein gravierender Unterschied besteht. Wer einen Wettbewerbsteilnehmer dazu anhält, ein wettbewerbswidriges Verhalten einzustellen, der weist den Adressaten auf eine Rechtspflicht hin, deren Erfüllung im allgemeinen Interesse liegt; das UWG schützt nach heute herrschender Ansicht auch die Interessen der Allgemeinheit an einem redlichen Wirtschaftsleben. Diese Situation entspricht daher weitgehend der in BGHZ 43, 192 gegebenen Fallgestaltung, und unter diesen Umständen wird sich die Annahme, der Abmahnende habe auch mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt, eher begründen lassen.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin hingegen ausschließlich eigene Interessen verfolgt; es gibt kein öffentliches Interesse daran, dass niemand unberechtigte Ansprüche gegen einen anderen erhebt. Und das Interesse des Abgemahnten an der Vermeidung gerichtlicher Kosten (hierzu BGHZ149, 371; Baumbach-Hefermehl/Bornkamm, UWG, 23. Aufl., § 12 Rn. 1.5) war vorliegend dadurch relativiert, dass der Beklagten durch die Einleitung des Mahnverfahrens bereits entsprechende Kosten entstanden waren.

2.

Letztlich müssten Ansprüche der Klägerin aus § 683 BGB aber selbst dann ausscheiden, wenn man annehmen wollte, dass die Klägerin hier (zumindest auch) mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt hätte. Denn ihr Handeln entsprach unter den gegebenen Umständen ersichtlich weder dem wirklichen noch dem mutmaßlichen Willen der Beklagten.

Die Beklagte hatte allein durch die Einleitung des Mahnverfahrens hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie zumindest die Verjährung unterbrechen und sich die Option zur Weiterverfolgung ihrer vermeintlichen Ansprüche offenhalten wollte. Andererseits hatte sie dadurch, dass sie keine Überleitung ins streitige Verfahren betrieb, verdeutlicht, dass sie die Angelegenheit zunächst in diesem Stadium belassen wollte. Erst durch die Drohung der Klägerin, andernfalls ihrerseits eine gerichtliche Klärung herbeizuführen, sah sich die Beklagte dann genötigt, ihren Mahnbescheidsantrag förmlich zurückzunehmen; dass dies ihrem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprochen hätte, lässt sich selbst dann nicht begründen, wenn man davon ausgeht, dass der Beklagten bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung noch höhere Kosten entstanden wären. Der eigene Wille der Beklagten ging vielmehr ersichtlich dahin, den bestehenden "Schwebezustand" bis auf Weiteres aufrechtzuerhalten.

Dieser entgegenstehende Willen der Beklagten wäre nur unter den Voraussetzungen des § 679 BGB unbeachtlich gewesen. Wie oben bereits ausgeführt, lagen dessen Voraussetzungen aber hier nicht vor, weil das von der Klägerin herbeigeführte Verhalten der Beklagten keinem öffentlichen Interesse entsprach; hierin lag gerade der entscheidende Unterschied zu den wettbewerbsrechtlichen Abmahnfällen.

3.

Im Ergebnis kann also dahinstehen, ob eine negative Feststellungsklage der Klägerin hier insgesamt zulässig und begründet gewesen wäre. Auch auf die Streitfragen zur Höhe der klägerischen Ansprüche muss nicht eingegangen werden.

Der Senat weist allerdings darauf hin, dass die Argumentation des Ersturteils, die auf § 93 ZPO verweist, die Klageabweisung nicht tragen konnte. Dadurch, dass die Beklagte einen Mahnbescheid gegen die Klägerin erwirkte, hat sie sich in unmissverständlicher Weise eines entsprechenden Anspruches gegen die Klägerin berühmt, sodass die negative Feststellungsklage jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt zulässig gewesen wäre. Dies bedeutet dann aber zugleich, dass die Beklagte im Sinne des § 93 ZPO "Anlass zur Klageerhebung" gegeben hatte, sodass sie auch nach einem sofortigen Anerkenntnis die Kosten des Verfahrens zu tragen gehabt hätte. Der Fall liegt auch insofern anders als in den Fällen der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage, die dem Beklagten ohne vorangegangene Abmahnung stets den Weg des sofortigen Anerkenntnisses nach § 93 ZPO eröffnet (Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, aaO, Rn. 1.8).

Gleichwohl erweist sich das Ersturteil aus den obengenannten Gründen im Ergebnis als richtig, weshalb die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war.

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2.

Die Revision war zuzulassen, weil die Entscheidung des Rechtsstreits wesentlich von der Frage abhängt, ob in einer Konstellation wie der hier vorliegenden ein Fremdgeschäftsführungswille des Handelnden im Sinne des § 677 BGB angenommen werden kann. Diese Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung und erfordert zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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