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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.07.2004
Aktenzeichen: 6 U 2297/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Bei Einlegung der Berufung gegen das die Klage zusprechende und die Widerklage abweisende Urteil, liegt keine Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vor, wenn die Berufungsbegründung ausschließlich Ausführungen zur Klage, aber keinerlei Darlegungen zur Widerklage enthält.

Aber selbst bei Annahme eines Falls des § 233 ZPO ist der diesbezügliche Antrag unbegründet, da die Fristversäumung nicht unverschuldet war, wenn der Berufungsbegründungsschriftsatz in mehreren Etappen diktiert und in mehreren Dateien abgelegt wird und beim Zusammenfügen ein Teil übersehen wird.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 6 U 2297/04

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 12. Juli 2004 folgenden

Beschluß:

Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten vom 24.2.2004 gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.1.2004 - Az.: 29 O 4292/01 - wird als unzulässig zurückgewiesen soweit sie sich gegen die Abweisung der Widerklage (= Nr. II des Tenors) richtet.

2) Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

3) Der Streitwert betreffend die Widerklage wird für das Berufungsverfahren auf 14.763,55 EUR festgesetzt.

4) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berücksichtigung des Vortrages als Berufungsbegründung zur eingelegten Berufung gegen die Abweisung der Widerklage wird zurückgewiesen.

Gründe:

1) Das Landgericht München I hat den Beklagten mit Endurteil vom 30.1.2004 - dem Beklagten zugestellt am 13.2.2004 - zur Zahlung von 13.111,18 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage über 14.763,55 EUR abgewiesen.

Der Beklagte hat hiergegen mit Schriftsatz vom 24.2.2004, bei Gericht eingegangen am 9.3.2004, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10.5.2004, eingegangen bei Gericht am 11.5.2004, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 13.5.2004 begründet.

Er hat die Berufungsanträge dahin angekündigt, dass er unter Aufhebung des Ersturteils Klageabweisung und Verurteilung der Klägerin und Widerbeklagten zur Zahlung von 14.763,55 EUR nebst Zinsen beantragen werde.

2) Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung ausführlich dargelegt, warum seiner Auffassung nach das Ersturteil unrichtig und daher aufzuheben und die Klage abzuweisen sei.

Zur Widerklage enthält die Berufungsbegründung keine Ausführungen. Der Senat hat den Beklagten hierauf mit Hinweis vom 14.5.2004 - zugestellt am 17.5.2004 - aufmerksam gemacht.

3) Mit Schriftsatz vom 17.5.2004 - bei Gericht eingegangen am 18.5.2004 - hat der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung ausgeführt, sein Anwalt habe die Berufungsbegründung in mehreren Teilen, aufgeteilt auf mehrere Dateien, diktiert. Das Diktat betreffend die Widerklage sei wohl auf nicht mehr aufklärbare Weise gelöscht worden.

Im übrigen hat er die Begründung zur Widerklage nachgeholt. Die Klägerin hält den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet und beantragt, die Berufung hinsichtlich der Widerklage als unzulässig zurückzuweisen.

4) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zurückzuweisen.

Zum einen erscheint schon zweifelhaft, ob überhaupt ein Fall des § 233 ZPO vorliegt, nämlich die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.

Die Berufungsbegründung ist nämlich - nach Verlängerung der Frist - fristgerecht vorgelegt worden. Es fehlen - bezüglich der Widerklage - lediglich die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, § 520/III/2 Nr. 2 ZPO.

Derartige Versäumnisse lassen sich aber über § 233 ZPO nicht beheben.

Sollte man der Auffassung sein, die Berufungsbegründung bezüglich der Widerklage sei nicht etwa unvollständig (der entsprechende Antrag war ja immerhin angekündigt) sondern überhaupt nicht fristgerecht eingelegt worden, wäre Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zwar grundsätzlich möglich. Der vorliegende Antrag ist aber nicht begründet, da die Versäumung der Frist nicht unverschuldet war.

Wenn der Prozeßbevollmächtigte einen Berufungsbegründungsschriftsatz in mehreren Etappen diktiert und in mehrere Dateien ablegt, ist von Haus aus die Gefahr sehr groß, dass beim Zusammenfügen der endgültigen Fassung der eine oder andere Teil übersehen werden kann. Es sind daher besondere Kontrollmaßnahmen erforderlich, die sicherstellen können, dass auch wirklich alle dazugehörigen Dateien erfaßt sind. Von derartigen Kontrollen ist im Wiedereinsetzungsantrag keine Rede.

Darüber hinaus muß der Rechtsanwalt vor Unterschrift einer Berufungsbegründung auch überprüfen, ob zu jedem Berufungsantrag Ausführungen enthalten sind, vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 233 RN 50. Dies ist hier offenbar nicht geschehen.

Die Partei hat sich das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten anrechnen zu lassen.

5) Die Berufung des Beklagten war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen als sie sich gegen die Abweisung seiner Widerklage richtete; denn sie ist nicht in der gesetzlichen Form des § 520/III/2 Nr. 2 ZPO, jedenfalls aber nicht innerhalb der - verlängerten - Frist begründet worden, § 522/I/2 ZPO.

6) Die Kostenentscheidung war der Schlußentscheidung bezüglich der Berufung gegen die Verurteilung nach dem Klageantrag vorzubehalten.

7) Der Streitwert war nach § 3 ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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