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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 6 U 2849/00
Rechtsgebiete: UWG, Berufungsordnung für die Ärzte Bayerns


Vorschriften:

UWG § 1
Berufungsordnung für die Ärzte Bayerns § 27
Leitsatz:

Wenn eine Krankenkasse der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen eines Modellvorhabens nach § 63 Abs. 1 SGB V für ein Projekt gegenüber ihren Kassenmitgliedern wirbt und diese zur Teilnahme auffordert, so liegt kein unzulässiges Handeln unter Ausnutzung einer Standesvergessenheit der sich an dem Projekt beteiligenden Ärzte vor, wenn die Krankenkasse sachlich informierend auf Vorteile des Projekts für den Patienten hinweist und ihm eine Liste der beteiligten Ärzte übermittelt, ohne die Qualifaktion dieser Ärzte hervorzuheben.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 2849/00 17 HKO 193/00 LG München I

Verkündet am 30. November 2000

Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 02.03.2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten, ob die Beklagte in unzulässiger Weise Arztwerbung betreibt.

Die Klägerin ist die berufsständische Organisation der Ärzte in B.

Die Beklagte ist eine Krankenkasse der gesetzlichen Krankenversicherung.

Im Rahmen eines Modellvorhabens nach § 63 Abs. 1 SGB V wurde zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung B und der Beklagten sowie der BIM Ersatzkasse am 26.03.1999 ein Vertrag über das "Medizinische Qualitätsnetz M" (MQM) geschlossen. Hinsichtlich des Inhalts des Vertrags wird auf den von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Abdruck des Vertragstextes Bezug genommen.

Im September 1999 warb die Beklagte mit Schreiben an ihre Mitglieder für das "Medizinische Qualitätsnetz M". In dem Anschreiben (Anlage K 1) wird das Kassenmitglied aufgefordert, an einem Modell-Projekt in den Stadtteilen G und H teilzunehmen, dessen Vorzüge darin bestünden, daß für den Versicherten montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr abwechselnd eine Hausarztpraxis geöffnet sei und daß abends, an den Wochenenden und Feiertagen eine Anlaufpraxis im Krankenhaus-H diese Aufgabe bis 23.00 Uhr übernehme. Falls der Hausarzt des Kassenmitglieds keine Sprechstunde habe, werde der Anruf des Kassenmitglieds automatisch an die richtige Stelle weitergeleitet. In dringenden Fällen stehe ferner ein "MQM-Arzt" für Hausbesuche zur Verfügung und zwar täglich zwischen 8.00 Uhr bis 23.00 Uhr.

Dem an ihre Mitglieder gerichteten Schreiben der Beklagten gemäß Anlage K 1 waren beigegeben ein Faltblatt gemäß Anlage K 2, in dem die Vorzüge des Medizinischen Qualitätsnetz M näher dargestellt wurden, sowie eine "Ärzteliste MQM", in der 45 Ärzte verschiedener Fachrichtungen mit Namen, Anschrift und Rufnummer aufgelistet waren. Hinsichtlich des Inhalts und der Ausgestaltung des Faltblatts wird auf das von der Klägerin als Anlage K 2 vorgelegte Original eines solchen Faltblatts Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Verbreitung der "Ärzteliste MQM" zusammen mit dem Faltblatt gemäß Anlage K 2 verstoße gegen die Berufsordnung für die Ärzte B, die grundsätzlich vorsehe, daß ein Arzt für seine berufliche Tätigkeit oder die berufliche Tätigkeit anderer Ärzte nicht werben dürfe. Die Werbung sei von der Beklagten zu unterlassen, wenn sie bestimmte in dem Faltblatt gemäß Anlage K 2 enthaltene und im nachfolgenden Klageantrag im einzelnen wiedergegebene Formulierungen enthalte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die nachfolgend wiedergegebene "Ärzteliste MQM" zusammen mit einem Faltblatt zu verbreiten, das über das "Medizinische Qualitätsnetz M" informiert, wenn es folgende Formulierungen enthält:

a) Unter der Überschrift "Weil die Zusammenarbeit zählt": "damit Ihre medizinische Versorgung verbessert werden kann."

b) Unter der Überschrift "Hier stehen Sie im Mittelpunkt: "Beim Medizinischen Qualitätsnetz M" steht der Patient im Mittelpunkt. Und dadurch wird für Sie eine medizinische Betreuung ermöglicht, die erfolgsorientiert, transparent und zugleich kostensparend ist."

"Auf Wunsch erhalten Sie von Ihrem Arzt schriftliche Berichte, die Ihre persönliche Gesundheits- und Behandlungsdaten enthalten."

c) Unter der Überschrift "Punkt für Punkt erfreulich":

"Die Netzärzte beabsichtigen, über individuelle Absprachen Ihre Wartezeit auf einen Arzttermin und in der Praxis zu verkürzen". "Intensiver Informationsaustausch zwischen den Ärzten verhindert, daß Sie unnötig mehrfach untersucht werden".

"Damit Sie optimal behandelt werden, stimmen die Ärzte Ihre Therapien und den Einsatz von Medikamenten sowie Heil- und Hilfsmitteln aufeinander ab".

"Bei bestimmten Krankheitsbildern oder auf Ihren Wunsch wird die Meinung eines weiteren Arztes eingeholt."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, in dem Werbefaltblatt werde Inhalt und Funktionsweise des MQM in sachlicher Form beschrieben und erläutert. Die Beifügung der Ärzteliste sei lediglich Teil einer Darstellung der Organisation des MQM als Ganzes. Mit der Nennung der am MQM teilnehmenden Ärzte komme die Beklagte ihrer Beratungspflicht gegenüber ihren Mitgliedern nach.

Mit Endurteil vom 02.03.2000 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei zwar nicht unmittelbar dem Werbeverbot des § 27 der Berufsordnung für die Ärzte B (künftig nur noch BO), unterworfen, hafte jedoch möglicherweise für ein etwaiges berufsordnungswidriges Verhalten der in der Liste genannten Ärzte, da sie willentlich und adäquat an der Werbung mitgewirkt habe. Ein Verstoß gegen § 27 der BO mit einem Vorwurf unlauteren Verhaltens liege hier jedoch nicht vor. Nach der BO seien sachliche Informationen, jedoch keine Werbung zulässig. Die BO sei im übrigen keine Rechtsnorm, lasse aber erkennen, was nach Auffassung der Berufsangehörigen dem Wesen und der Würde des Berufstandes entspreche. Dabei könne allerdings nicht jeder Verstoß hiergegen als unlauter gewertet werden. Vor allem wäre es bedenklich, das Unwerturteil der Unlauterkeit allein nach den von berufsständischen Verbänden und Organisationen aufgestellten Ordnungen zu bestimmen, denen ihre eigenen Interessen am nächsten lägen (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht 21. Aufl. § 1 UWG (Nr. 673)). Das Verhalten müsse vielmehr einer Auffassung widersprechen, die tatsächlich bei den Berufsgenossen vorhanden sei, um einen redlichen Geschäftsverkehr zu gewährleisten, und die ferner einheitlich befolgt werde und gefestigt sei. Dies sei vorliegend wesentlich, denn es handele sich vorliegend um ein Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 SGB V auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben, mit dem die langjährig gefestigten Bahnen berufsständischen Verhaltens bewußt verlassen und teilweise im Bereich der ärztlichen Versorgung Neuland betreten werden sollten. Der zehnte Abschnitt SGB V trage die Überschrift "Weiterentwicklung der Versorgung" und der unmittelbar nachfolgende § 63 Abs. 1 sähe vor, daß die Krankenkassen zur "Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit" der Versorgung "Modellvorhaben" zur Weiterentwicklung der "Verfahrens-, Organisations- und Finanzierungsformen" der Leistungserbringung durchführen oder nach § 64 vereinbaren könnten. Die angegriffenen Aussagen müßten daher im Lichte der einschlägigen Vorschriften des SGB V betrachtet werden; es könne nicht unkritisch am Gefestigten festgehalten, sondern es solle eine Weiterentwicklung der Versorgung angestrebt werden. Das als Modellvorhaben angelegte MQM sei ein freiwilliger, auf regionaler Ebene gebildeter Zusammenschluß von Haus- und Fachärzten. Die am MQM beteiligten Ärzte sollten gemeinsam die ärztliche Versorgung für die eingeschriebenen Versicherten sicherstellen. Für die Meinungsbildung der bei der Beklagten versicherten Personen, ob sie am MQM teilnehmen wollen, seien deshalb von erheblicher Bedeutung, welche Haus- und Fachärzte im MQM mitwirkten. Im Interesse einer sachgerechten Information und Beratung der bei ihr versicherten Personen könne es der Beklagten daher nicht verwehrt sein, die Informationen über das MQM mit einer Information darüber zu verbinden, welche Ärzte sich am MQM beteiligen. Die Grenzen der sachlichen Information, die Ärzten gestattet sei, würden mit den von der Klägerin angegriffenen Formulierungen in dem Werbefaltblatt nicht überschritten. Dabei sei zu berücksichtigen, daß es im Hinblick auf den innovativen Charakter von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 SGB V eine gefestigte Standesauffassung, welcher Art von Informationen über Modellvorhaben wie das MQM für Ärzte berufswidrig sei, nicht gebe. Standesregeln unterlägen dem Zeitwandel. Wenn das SGB V eine Weiterentwicklung ärztlicher Verfahrens- und Organisationsformen zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung ausdrücklich vorsehe, dürfe einer Information der beteiligten Verkehrskreise über einschlägige Modellverfahren wie das MQM nicht durch eine zu weite Auslegung des Werbeverbots der BO entgegen gewirkt werden. Die neuere Rechtsprechung tendiere im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ohnehin zu einer restriktiven Auslegung der Werbeverbote (vgl. Baumbach/Hefermehl a. a. O. § 1 UWG Rn. 678).

Schließlich sei auch zu berücksichtigen, daß das in der BO enthaltene Werbeverbot dem Schutz allgemeiner Interessen, insbesondere dem Schutz der Bevölkerung diene. Die von der Klägerin begehrte Unterlassungsverpflichtung der Beklagten müßte somit durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und zugleich im Lichte des Grundrechts der Berufsfreiheit der in der Ärzteliste MQM genannten Ärzte dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Es seien aber keine Gründe des Gemeinwohls ersichtlich, aus denen es der Beklagten verwehrt sein sollte, den berechtigten Informationsinteressen der beteiligten Verkehrskreise über das MQM und die daran beteiligten Ärzte wie geschehen Rechnung zu tragen.

Mit ihrer Berufung greift die Beklagte diese Würdigung an und macht geltend, § 63 SGB V beziehe sich nicht auf Formen ärztlicher Berufsausübung, schon gar nicht auf Formen ärztlichen Werbeverhaltens. Ferner sei die dort angesprochene Weiterentwicklung in den Rahmen der gesetzlichen Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenkassen gestellt, wozu nicht Formen der ärztlichen Berufsausübung und Werbung gehörten. Dieser Formenkreis sei den Ärztekammern übertragen. Ferner sei das Berufsausübungsrecht Landesrecht, das durch das Recht der Sozialversicherung nicht "weiterentwicklungsfähig" sei. Nach der BGH-Entscheidung "Klinik S" (WRP 2000, 506 ff.) seien die Bestimmungen der Berufsordnungen objektives Recht. Auch die sonstigen Überlegungen des Erstgerichts seien unzutreffend: Verstöße gegen berufsrechtliche Werbeverbote seien zugleich Wettbewerbsverstöße. Die Grenze zwischen unzulässiger Werbung und zulässiger sachlicher Information sei vorliegend überschritten. Durch Wegfall der Floskeln würde der sachliche Inhalt des Flyers nicht berührt. Die Floskeln seien anreißerisch und priesen die ausgewählten Ärzte an. Nach der zitierten BGH-Entscheidung sei die Grenze in § 27 Abs. 1 Satz 2 BO gezogen; was nicht unter Nr. 1 bis 6 des Kapitels D falle, sei unzulässige Werbung. Die Ausnutzung fremder Berufsstandesvergessenheit, um die es vorliegend gehe, verstoße gegen § 1 UWG. Einem beteiligten Arzt sei es nicht erlaubt, mit den verfahrensgegenständlichen Slogans für sich zu werben. Die zitierte BGH-Entscheidung zeige ferner, daß die Rechtsprechung keineswegs zu einer restriktiven Auslegung des ärztlichen Werbeverbots tendiere oder gar Gründe des Gemeinwohls und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Lichte der Berufsfreiheit eine Rolle spielten.

Die Ärzte sollten vorliegend ferner systematisch dazu veranlaßt werden, sich über Nr. 8 des Abschnitts II des Kapitels D der BO hinwegzusetzen, wonach "Berufsausübungsgemeinschaften" nur bei gemeinsamen Praxissitz zulässig seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils entsprechend ihrem Antrag in der ersten Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das Ersturteil als zutreffend und meint, die Argumente der Klägerin seien nicht stichhaltig. Nach Nr. 11 der BO sei der fragliche Zusammenschluß zulässig, es handele sich nämlich nicht um eine Berufsausübungsgemeinschaft nach Nr. 8, sondern um einen Praxisverbund. Die Beklagte verweist ferner auf die Vorschriften des §§ 63 und 64 SGB V, §§ 70, 71 SGB V und § 1 Satz 1 SGB V, § 2 IV und § 72 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V. Das MQM beinhalte nichts anderes als eine Regelung des Zusammenwirkens zwischen Krankenkassen und Ärzten. Keinesfalls werde eine Regelung der Berufsausübung vorgenommen, die über den Bereich der Regelung der Sozialversicherung hinausgehe. Außerdem werde an einer nach Landesrecht zulässigen Form der Berufsausübung, nämlich den Praxisverbund, angeknüpft.

Es fehle vor allem überhaupt an einer Werbung, da die Broschüre lediglich informiere über ein Modellprojekt, mit dem eine Verbesserung der medizinischen Versorgung erreicht werden solle.

Eine Hervorhebung und Anpreisung der am Projekt beteiligten Ärzte werde nicht vorgenommen, einer Aussage über deren fachliche Qualifikation erfolge nicht. Es handele sich um eine reine Auflistung.

Im übrigen sei § 27 BO verfassungskonform dahin auszulegen, daß nur berufswidrige Werbung unzulässig ist. Durch das Werbeverbot solle eine Verfälschung des Berufsbildes durch Verwendung von Werbemethoden verhindert werden, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind; es solle einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes vorgebeugt werden. Die Übermittlung interessengerechter und sachangemessener Informationen, die keine berufswidrige Werbung darstellten, müsse zulässig sein, da es insoweit an hinreichenden Gründen des Gemeinwohls fehle, die eine Beschränkung der Berufsfreiheit legitimierten.

Der Beklagten müsse es möglich sein, Patienten über die Innitiative des Modellprojekts zu informieren sowie dessen Ziel und seine einzelnen Maßnahmen. Die Patienten müßten auch wissen, welche Ärzte beteiligt seien, da sie nur so beurteilen könnten, ob sie im Hinblick auf Erreichbarkeit, bisherige Betreuung und ähnliches sich an dem Projekt beteiligen wollten. An einem Verbot der sachlichen Information über Modellprojekte, die eine Verbesserung der medizinischen Versorgung anstrebten, könne kein allgemeines Interesse bestehen.

Auch der BGH respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn er feststelle, nur berufswidrige Werbung rechtfertige wettbewerbsrechtliche Sanktionen. Die S-Entscheidung habe kommerzielle Werbung im primären Sinn betroffen.

Die Klägerin hält dem entgegen, es gehe ihr nicht darum, eine Weiterentwicklung der Versorgung zu verhindern oder zu erschweren, sondern die Erfüllung der ärztlichen Berufspflicht zu überwachen. Es gehöre nicht zu den Aufgaben der Beklagten, Arztwerbung zu betreiben. Durch den Wegfall der Floskeln würde der sachliche Inhalt des Flyers nicht berührt, ihnen komme nur ein anreißerischer und die ausgewählten Ärzte anpreisender Gehalt zu.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Einzelheiten in den eingereichten Schriftsätzen nebst Anlagen, die angefochtene Entscheidung und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg.

Zunächst wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, denen sich der Senat voll und ganz anschließt mit Ausnahme der Frage, ob die Regeln der BO tatsächlich der Auffassung der Berufsgenossen entsprechen (Seite 9 zweiter Absatz des Ersturteils), § 543 Abs. 1 ZPO.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind folgende ergänzende Ausführungen veranlaßt:

1. Die Auseinandersetzung der Parteien, ob die Zusammenarbeit der Ärzte, die sich am MQM beteiligen, unter Abschnitt D Nr. 11 BO fällt, ist nicht entscheidungserheblich, weil ein entsprechender Klageantrag nicht gestellt worden ist.

Die Klägerin greift lediglich konkrete Formulierungen als zu weitgehend an.

2. Die Ärzteliste des MQM erfaßt lediglich die beteiligten Ärzte ohne jede Beurteilung bezüglich ihrer fachlichen Qualifikation.

Entgegen dem Vortrag der Klägerin handelt es sich auch nicht um ausgewählte Ärzte.

Ihr Vortrag, die Mitgliedschaft im Praxisnetz stehe nicht allen dazu bereiten Ärzten offen, ist bestritten und von der Klägerin nicht einmal unter Beweis gestellt.

Auch die von der Klägerin beanstandeten Formulierungen im Faltblatt ergeben nichts dafür, daß die beteiligten Ärzte besser qualifiziert sein könnten als ihre Kollegen, die sich an dem Modellprojekt nicht beteiligen.

3. Trotz aller Angriffe hat sich die Klägerin letztlich darauf beschränkt zu behaupten, den angegriffenen Sätzen komme nur ein anreißerischer und die Ärzte anpreisender Charakter zu, sie gingen also über das notwendige Maß der zulässigen Information hinaus.

Damit akzeptiert letztlich auch die Klägerin die Rechtsprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichts zum Werbeverbot für freie Berufe.

Die von ihr trotzdem weiterhin herangezogene Entscheidung des BGH "S" (WRP 2000, 506 ff.) betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt, denn dort warb eine an ihrem kommerziellen Erfolg orientierte Privatklinik und es ging um die Angabe einer Telefonnummer in der Klinikwerbung, die in die Praxis eines niedergelassenen Arztes führte, während vorliegend eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Aufbau eines Modellprojekts einer gesetzlich festgelegten Aufgabe entspricht und hierüber informiert.

Der Senat verweist jedoch auf die Ausführungen des BGH in jener Entscheidung in Abschnitt 2 aa) (a. a. O. Seite 508 rechte Spalte unten), die bereits die Beklagte herangezogen hat (vgl. ihre Ausführungen im Tatbestand zu § 27 BO) und schließt sich ihnen an.

Die Beklagte wirbt nicht für die beteiligten Ärzte, denn sie stellt nicht deren Qualifikation, Erfahrung oder Können in den Vordergrund, sondern sie wirbt für ihr Modellvorhaben.

Die dafür von ihr hervorgehobenen Gesichtspunkte stellen ebenfalls keine (mittelbare) Qualitätswerbung für die beteiligten Ärzte dar, denn es werden nur für das Modell Ziele und Wege dorthin (positiv) dargestellt, die über die Qualifizierung der beteiligten Ärzte nichts aussagen.

Es wird - entsprechend BGH a. a. O. - keine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes bewirkt. Die ärztliche Berufsausübung orientiert sich in der beanstandeten Information nicht an ökonomischen Erfolgskriterien des einzelnen Arztes, sondern an medizinischen Notwendigkeiten für den Patienten. Das Werbeverbot soll einer gesundheitspolitischen unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes vorbeugen und ist deshalb gerechtfertigt (BGH a. a. O. unter Hinweis auf BVerfGE 85, 248, 259 f.; BGH WRP 99, 501, "Implantatbehandlungen" und WRP 99, 1136 "Notfalldienst für Privatpatienten").

Davon kann vorliegend keine Rede sein.

Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird auf folgende Entscheidungen verwiesen:

aa) Nach Bundesverfassungsgericht in NJW 2000, 2734 (Abschnitt 3 a)) ist § 27 BO verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß nur berufswidrige Werbung unzulässig ist, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt, wozu zum Beispiel Aussagen zählen, die geeignet erscheinen, das Schutzgut der Volksgesundheit zu beeinträchtigen. Es obliegt dabei den Fachgerichten, die Grenze zwischen erlaubten und verbotenen Handlungsformen - unter Abwägung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit mit der Sicherung des Werbeverbots - im Einzelfall zu ziehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in jener Entscheidung die Haltung des BGH als zu eng gesehen und will gewerbliche Unternehmen, die zur Erfüllung ihrer Aufgabe Belegärzte benötigen, nicht schlechthin dem Werbeverbot des § 27 BO unterwerfen, und stellt dabei auf eine Rechtfertigung vor Art. 12 Abs. 1 GG ab.

Für die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit einem gesetzlichen Auftrag können diese Überlegungen jedenfalls im Ergebnis nur entsprechend gelten und bieten ihr daher einen Freiraum, den die Klägerin zu Unrecht nicht hinnehmen will.

bb) Nach Bundesverfassungsgericht NJW 92, 2341, 2342 (Abschnitt 3 b)) sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit mit Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen. Das Werbeverbot soll eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes verhindern, die eintrete, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes vor.

Damit hat die beanstandete Werbung ersichtlich überhaupt nichts zu tun.

Die Ausführungen von Papier/Petz in NJW 94, 1553 f. (noch zu einer älteren Fassung der BO für die Ärzte Bayerns) sind entgegen der Meinung der Klägerin auch nicht vereinzelt geblieben und keineswegs von keiner höchstrichterlichen Rechtsprechung getragen.

Es wird insoweit insbesondere auf Abschnitt III "die "Brüchigkeit" des ärztlichen Werbeverbots" (a. a. O. 1555) verwiesen und IV "verfassungsrechtliche Grenzen des ärztlichen Werbeverbots" a. a. O. insbesondere Seite 1557 mit den Ausführungen zum Recht, auf spezielle ärztliche Indikationen und Behandlungsmethoden hinzuweisen, wobei nach Papier hier die Autonomie der Standesorganisationen zur eigenständigen Regelung überschritten wird. Ferner wird Bezug genommen auf "verfassungslegitimer Zweck" (a. a. O. 1558) und insbesondere Abschnitt V "Gesamtergebnis" (a. a. O. 1561/1562). Dort wird in völliger Übereinstimmung mit der früheren und der aktuellsten Rechtsprechung festgestellt, die auf den Weg gebrachten berufsrechtlichen "Trends" seien "nichts anderes als eine verfassungsrechtlich gebotene Anpassung der standesrechtlich über Gebühr konservierten Arbeitsbedingungen freier Berufe an die aktuellen Verhältnisse ... der Vorwurf der Berufswidrigkeit gebühre ... vielmehr der "informationellen Bevormundung" und "Entmündigung" des Bürgers durch ... Standesorganisationen, die weit mehr als der staatliche Gesetzgeber der Gefahr erliegen können, nicht Gemeinwohl belange, sondern einseitige ideologische oder ökonomische Standesinteressen zu verfolgen".

Dem ist nichts hinzuzufügen.

4. Für eine Krankenkasse wie die Beklagte müssen diese Leitgedanken, die schon für einen Gewerbebetrieb wie eine Zahnklinik, die generell nicht dem ärztlichen Werbeverbot unterliegt (BVerfGE NJW 2000, 2734, 2735), erst recht zutreffen.

Sie darf daher informieren über ein neues Modell, das ihr Kosten erspart, Beitragserhöhungen möglicherweise verhindert und zu einer sachgerechten und umfangreichen Patientenversorgung in zeitlicher und fachärztlicher Hinsicht führen soll.

Eine positive Darstellung ist dabei erlaubt, um den Modellversuch erfolgreich durchführen zu können, solange die zulässigen Grenzen nicht überschritten werden.

5. Das ist bei keiner der gerügten Aussagen der Fall, auch nicht bei einer Gesamtschau:

a) Die Ausführungen unter a) (des Klageantrags) sind sachlich und nicht übertrieben, weil dank der Zusammenarbeit die medizinische Versorgung zum Beispiel schon insoweit verbessert wird, als zu ambulanten Versorgung täglich von 8.00 Uhr bis 23.00 Uhr eine Praxis geöffnet ist und in der gleichen Zeit Hausbesuche durchgeführt werden.

Auf noch weitere Verbesserungen wird unter Abschnitt c) eingegangen.

b) Auch die Ausführungen unter Klageantrag b) sind sachlich informativ:

Im "Vernetzungsmodell" arbeiten Ärzte verschiedener Fachrichtungen, ein Krankenhaus, Pflegedienste, soziale Einrichtungen und Krankenkassen eng zusammen. Da der Patient derartiges bisher nicht gewohnt ist und er nicht weiß, wie er hier welchem Beteiligten zugeordnet werden soll, wird er dahin informiert, er stehe im Mittelpunkt mit der Folge einer medizinischen Betreuung, die erfolgsorientiert, transparent und zugleich kostensparend sei.

Ohne eine solche Zusammenarbeit verschiedener Ärzte und Einrichtungen kann es leichter zu Behandlungen durch den nicht spezialisierten Arzt, Doppelbehandlungen und ähnliches kommen. In Großbetrieben hat der Patient zudem oftmals den Eindruck, nur eine Nummer zu sein und nicht im Mittelpunkt mit seinem Leiden zu stehen.

Eine unzulässige Übertreibung ist hier nicht erkennbar.

Die Aushändigung schriftlicher Berichte seitens des Arztes ist sinnvoll und eine gute Sache. Was daran unzulässig sein soll, ist nicht ersichtlich. Eine diesbezügliche Information des Patienten ist nicht üblich, eine Überschreitung der Grenze sachlicher Information liegt nicht vor.

c) Auch die unter diesem Buchstaben beanstandeten Angebote sind tatsächlich Punkt für Punkt erfreulich.

Warum hier eine anreißerische Werbung vorliegen soll, vermag der Senat nicht zu erkennen.

- Der Hinweis auf die Abkürzung der Wartezeit auf einen Arzttermin und in der Praxis ist sachlich und kaum an Nüchternheit zu überbieten.

- Das Verhindern von Mehrfachuntersuchungen wird ebenfalls rein sachlich dargestellt, ist billiger und, z.B. beim Röntgen, auch eindeutig gesünder.

Eine anreißerische Floskel ist hier nicht erkennbar.

- Das Abstimmen von Therapien und der Verabreichung von Medikamenten ist weder selbstverständlich oder gar gesichert noch ist dieser Hinweis unzulässig anreißerisch.

- Der Hinweis auf die Einholung einer weiteren ärztlichen Meinung ist ebenfalls rein sachlich. Der Patient weiß von dieser möglichen Pflicht des Arztes in der Regel nichts und fürchtet die Verärgerung des behandelnden Arztes, wenn er ihn um so etwas bittet.

Von einer Berufsstandesvergessenheit der angeschlossenen Ärzte, die die Beklagte schamlos ausnutze, kann nach alledem nicht gesprochen werden.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf § 708 Nr. 10, § 711 und § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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