Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 6 U 4627/04
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4
1. Liegen in einem Gebäude die Verkaufsflächen zweier miteinander im Wettbewerb stehender Gewerbetreibender unmittelbar nebeneinander, unterliegen beide auch im Rahmen des Lauterkeitsrechts dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme.

2. Eine massierte Anbringung von Werbeschildern - teils mit der Aufschrift "Da lang" - unmittelbar vor dem Eingang zum Geschäftslokal eines Mitbewerbers, mittels derer der Kunde an diesem Geschäftslokal vorbei zu den für jedermann sichtbaren benachbarten Räumlichkeiten des werbenden Konkurrenten gelenkt wird, ist unlauter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 6 U 4627/04

In dem Verfahren

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 22. Juni 2005 folgenden

Beschluss:

Tenor:

gemäß § 91 a ZPO

I. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zur Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits auf € 75.000.- festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Elektronikartikeln. Über ca. zehn Jahre hinweg hat die Verfügungsklägerin (im Folgenden: die Klägerin) bis Mitte Mai 2005 im Obergeschoß des "Kaufland-Centers" Dessau einen ihrer Märkte betrieben. Zum 01. Juli 2004 hatte die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: die Beklagte) in Verkaufsflächen des "Kaufland-Centers", die in einem 90°-Winkel unmittelbar an die klägerischen Geschäftsräume angrenzen, ebenfalls einen Markt eröffnet. Auf ihre Präsenz hatte sie nicht nur durch zahlreiche großformatige Werbeaushänge auf dem gesamten Gelände des Einkaufszentrums hingewiesen, sondern überdies in dem (öffentlich zugänglichen) Bereich zwischen dem Eingang bzw. den Schaufenstern des klägerischen Geschäfts und einer diese Fläche zur Rolltreppe hin abgrenzenden Balustrade, mithin unmittelbar vor dem Ladenlokal der Klägerin, Schilder mit der Aufschrift "MediaMarkt" bzw. in Richtung des Eingangs zum Markt der Beklagten weisende großformatige rotgrundige Pfeile, teils mit dem Aufdruck "Da ang" sowohl auf dem Fußboden wie auch an der Balustrade selbst angebracht.

Wegen dieses unter dem Gesichtspunkt der unsachlichen Kundenbeeinflussung sowie des gezielten Behinderungswettbewerbs durch Abfangen von Kunden als unlauter erachteten Vorgehens hatte die Klägerin am 02. Juli 2004 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel antragsgemäß verboten worden war, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Eingangsbereich der Filiale der Antragstellerin in Dessau, Kauflandcenter, Kleutscherstr. 1, 06842 Dessau, für das eigene Geschäftslokal der Antragsgegnerin mit Hinweisschildern mit der Aufschrift "MediaMarkt" und mit Pfeilen in Richtung des Eingangs der Antragsgegnerin und mit Pfeilen mit der Aufschrift "Da lang" in Richtung des Eingangs der Antragsgegnerin und mit Werbeschildern mit der Aufschrift "MediaMarkt", unmittelbar angebracht an der Balustrade zur Rolltreppe vor dem Eingangsbereich der Antragstellern, zu werben, insbesondere wenn dies geschieht, wie auf den als Anlagen H & P 3 vorgelegten Fotografien.

Auf den Widerspruch der Beklagten vom 07. Juli 2004 hin hat das Landgericht die Beschlussverfügung mit Urteil vom 31. August 2004, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag - auch in der Fassung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten, auf die (teils beschrifteten) Pfeile beschränkten Hilfsbegehrens - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die angegriffene Werbung sei lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kunde werde weder durch die Ausgestaltung noch durch die Art und Weise der Anbringung der Schilder belästigt oder gar gedrängt, die Ladenräume der Beklagten aufzusuchen. Auch ein gezieltes Abfangen von Kunden liege nicht vor, bleibe es ihnen doch unbenommen, beide Geschäfte aufzusuchen und so einen Leistungs- und Preisvergleich vorzunehmen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingereichten sowie begründeten Berufung hat die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren - ausschließlich in der Fassung des Hauptantrags - zunächst weiterverfolgt. Mitte Mai 2005 hat sie ihren Dessauer Markt aufgegeben.

Daraufhin haben die Parteien mit Schriftsätzen vom 13. Mai 2005 (Bl. 102 ff. d.A.) sowie vom 19. Mai 2005 (Bl. 106 f. d.A.) den Rechtsstreit in der Hauptsache jeweils unter Verwahrung gegen die Kostenlast übereinstimmend für erledigt erklärt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu befinden. Dies führte zur alleinigen Kostentragungspflicht der Beklagten. Denn ohne das erledigende Ereignis wäre sie voraussichtlich in vollem Umfang unterlegen.

a. Insofern die Beklagte die streitgegenständliche Werbung noch vor Inkrafttreten der UWG-Novelle zum 08. Juli 2004 betrieben hat, setzt ein Obsiegen der Klägerin mit ihrem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsbegehren voraus, dass das angegriffene Verhalten sowohl nach § 1 UWG a.F. als auch nach §§ 3, 4 UWG in der nunmehr geltenden Fassung als unlauter zu beanstanden ist. Hiervon geht der Senat mit der Klägerin aus. Dabei kann dahinstehen, ob die Werbeschilder als unsachliche Kundenbeeinflussung anzusehen sind. Denn in Abwägung der besonderen Umstände der vorliegend zu beurteilenden Fallkonstellation sowie unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Beteiligten stellt sich das Vorgehen der Beklagten als gezielte, dem Leistungswettbewerb fremde Absatz- und Werbebehinderung des Konkurrenten und daher als unlauter i.S.d. § 1 UWG (a.F.) bzw. nach § 4 Nr. 10 UWG dar.

b. Wie bereits zu § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der (von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppe der) Absatz- oder Werbebehinderung allgemein anerkannnt (vgl. Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 1 Rdnr. 208), ist zwar jeder Wettbewerbshandlung, insofern auf die eigene Umsatzsteigerung gerichtet, eine potentielle Beeinträchtigung der Mitbewerber immanent (Härte-Henning, UWG, § 4 Nr. 10, Rdnr. 1, 58). Als wettbewerbswidrig kann das Abwerben von Kunden oder ihr Umlenken auf das eigene Angebot hin nur dann bewertet werden, wenn besondere Umstände hinzutreten, welche die Unlauterkeit positiv begründen: Fördert der Wettbewer-ber sein Unternehmen nicht durch die Qualität und Preiswürdigkeit seiner Produkte, sondern verfolgt er gezielt den Zweck, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen, ist dieses Vorgehen mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht vereinbar (Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG 23. Aufl., § 4 Rdnr. 10.10). Dies gilt auch dann, wenn sich zwar eine solche Zweckrichtung nicht feststellen lässt, die Beeinträchtigung aber von einer Art ist, dass der Konkurrent seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (BGH GRUR 2001, 1061, 1062 - Mitwohnzentrale; BGH WRP 2002, 1050, 1053 - Vanity-Nummer). Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Vanity-Nummer" (a.a.O.) befunden hat, lässt sich dies nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände unter Abwägung der widerstreitenden Interessen des Wettbewerbs, auch unter Einbeziehung der Belange der Beteiligten einschließlich der betroffenen Marktpartner (BGH GRUR 2001, 1061, 1062 - Mitwohnzentrale) beurteilen, wobei die gesetzlichen Wertungen als Beurteilungsmaßstab zugrundezulegen sind. Danach können selbst Maßnahmen, die (auch) der Entfaltung des eigenen Wettbewerbs dienen, als unlauter anzusehen sein, sofern sich das Eigeninteresse des Handelnden gegenüber den Belangen der sonstigen Beteiligten und der Allgemeinheit als weniger schutzwürdig darstellt (Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O., § 4 Rdnr. 10.11).

c. Ausgehend von diesen Grundsätzen musste die Klägerin die angegriffenen Werbemaßnahmen der Beklagten nicht hinnehmen. Denn angesichts der besonderen örtlichen Gegebenheiten im "Kaufland-Center" Dessau wie auch der Art und Weise, in welcher die - entlang der Balustrade gegenüber dem Eingang zum klägerischen Geschäftslokal sowie, in massiert-gedrängter Abfolge (vgl. die Photographien gemäß Anlage H&P 3), unmittelbar vor ihrer Schaufensterfront auf dem Fußboden angebrachten - Reklameschilder und Richtungspfeile potentielle Kaufinteressenten an der Klägerin vorbei frontal auf den (wie aus Anlage JS 1 ersichtlich die gesamte innere Gebäudebreite einnehmenden und, haben Kunden die Rolltreppe erst verlassen, auch ohne zusätzliche Hinweise schlechterdings, nicht zu übersehenden) Eingang zum Geschäft der Beklagten lenkten, lässt sich diese Werbemaßnahme nicht mehr als wettbewerbskonform bewerten. Dabei ist zunächst zu sehen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR 1963, 197, 200 - Zahnprothesen-Pflegemittel; GRUR 1986, 547, 548 - Handzettelwerbung) die Werbung in unmittelbarer Nähe zum Geschäftslokal eines Mitbewerbers unter dem Gesichtspunkt, dass sich der Werbende zwischen den Kaufinteressenten und den Mitbewerber schiebe, grundsätzlich unzulässig ist. Lediglich in Ausnahmefällen - beispielsweise dann, wenn angesichts der räumlichen Verhältnisse (Parken eines Fahrzeugs mit Werbeaufschrift vor dem Geschäftslokal des Konkurrenten, wobei die Aufschrift auf die mehrere Kilometer entfernte Niederlassung des Parkenden hinweist, OLG Hamm, GRUR 1989, 924, 925 - Parkbucht-Werbung) bzw. im Hinblick auf die zeitliche Abfolge konkurrierender Veranstaltungen (Werbung für einen Automarkt, der regelmäßig sechs Tage nach demjenigen des Wettbewerbers stattfindet, BGH GRUR 1986, 547, 548 - Handzettelwerbung) ein Umlenken von Kunden als wenig plausibel angesehen wurde - hat die Rechtsprechung ein derartiges Vorgehen nicht beanstandet. So liegt der Fall hier indes schon angesichts der örtlichen Gegebenheiten nicht, so dass es beim Grundsatz der Unlauterkeit sein Bewenden hat. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, im Hinblick auf die Neueröffnung ihres Marktes zur Information der Kunden auf die beanstandete Werbemaßnahmen angewiesen zu sein. Denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin waren auf dem gesamten Gelände des "Kaufland-Centers", insbesondere auch am Fuße der Rolltreppe (vgl. die Photographie nach Anlage H&P 7), großflächige Hinweise auf den neuen Elektronikmarkt im Obergeschoß angebracht, so dass potentielle Interessenten über dessen Lage nicht im Zweifel sein konnten. Zudem bietet sich den Kunden in der ersten Etage, sobald sie die Rolltreppe verlassen und sich dem Ladenlokal der Klägerin zugewandt haben, unübersehbar auch der über die gesamte Breite der gegenüberliegenden Mauer sich erstreckende Eingang zum Markt der Beklagten dar. Eine Notwendigkeit, die Besucher durch in dichter Abfolge gehäufte Schilder und Pfeile, zumal teils mit der drängendimperativ wirkenden Aufforderung "Da lang", direkt am Geschäft der Klägerin vorbeizulenken, ist bei dieser Sachlage nicht zu erkennen. Soweit die Beklagte meint, aus der unmittelbar benachbarten Lage der konkurrierenden Märkte dürften ihr keine Nachteile erwachsen, bleibt dies unbehelflich. Denn eine Rechtfertigung für eigenes - wettbewerbsfremdes (vgl. Härte-Henning, a.a.O., § 4 Nr. 10 Rdnr. 64) - Verhalten dahingehend, ihrerseits den räumlich angrenzenden Mitbewerber an einer vergleichbaren Bewerbung seiner Leistungen zu hindern, könnte sie aus der benachbarten Anordnung der Geschäftslokale nicht herleiten. Vielmehr belegt die Erwägung nur, dass die besonderen örtlichen Verhältnisse beiden Mitbewerbern Rücksichtnahme abverlangen: Wollte man nämlich das beanstandete Vorgehen der Beklagten als grundsätzlich wettbewerbskonform erachten, dürfte es auch der Klägerin nicht verwehrt werden, an derselben Stelle mit vergleichbaren Mitteln (etwa durch Pfeile, die, quer über den auf dem Fußboden angebrachten Schildern der Beklagten verlaufend, in Richtung ihres Eingangs zeigen) auf ihr eigenes Angebot hinzuweisen und durch derartige Gegenwerbung die Werbemaßnahme des Konkurrenten faktisch zu unterdrücken. Dies wird indes - zu Recht, vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1956, 64; OLG Bamberg, NJW-RR 1993, 50; OLG Stuttgart, NJW-RR 1993,1455 - selbst von der Beklagten nicht vertreten.

d. Stellt sich die beanstandete Werbemaßnahme der Beklagten demnach als unlauter i.S.d. § 1 UWG a.F., § 4 Nr. 10 UWG dar, wäre die Beklagte ohne übereinstimmende Erledigungserklärung voraussichtlich in vollem Umfang unterlegen mit der Folge, dass sie auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

2. Die Bemessung des Streitwerts für das Berufungsverfahren entspricht § 47 Abs. 1 GKG. Für die Zeit nach Erklärung der Erledigung war eine Festsetzung des Streitwerts, insofern dieser berechenbar ist, entbehrlich.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist unabhängig davon, dass die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1 Nr. 2; Abs. 3; Abs. 2 ZPO nicht vorlägen, kein Raum: Insofern im Streitfall ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugrunde lag, ist der Instanzenzug - auch für die Kostenentscheidung - durch § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO begrenzt (vgl. BGH NJW 2003, 1531).

Ende der Entscheidung

Zurück