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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 7 U 1906/01
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 111 Abs. 1
AktG § 113 Abs. 1
AktG § 131 Abs. 1
AktG § 186 Abs. 4
AktG § 192 Abs. 2 Nr. 3
AktG § 193 Abs. 2 Nr. 4
AktG § 221 Abs. 4
AktG § 241 Abs. 1 Nr. 3
1. Der Vorstand hat den Aktionären auf deren Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über die Kosten der Gewährung von Bezugsrechten an Vorstand, Arbeitnehmer und Aufsichtsrat zu geben.

2. Ermächtigt die Hauptversammlung gleichzeitig Vorstand und Aufsichtsrat, sich gegenseitig Bezugsrechte zu gleichwertigen Bedingungen einzuräumen, so ist das nicht nur mit der Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Festsetzung der Vergütung für den Aufsichtsrat, sondern auch mit der vom Aufsichtsrat auszuübenden Kontrolle des Vorstandes unvereinbar.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 7 U 1906/01

Verkündet am 27. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Beschlußanfechtung

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter auf Grund mündlicher Verhandlung vom 06. Februar 2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt bis zur Erledigterklärung des Rechtstreits hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses vom 04.07.2000 unter dem Tagesordnungspunkt 9.3 EUR 180.000,00, ab da bis zur Erledigterklärung des übrigen Hauptsache EUR 162.000,00 und von da an EUR 30.000,00.

Gründe:

I.

Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten und fochten die unter den Tagesordnungspunkten 9.2 und 9.3 auf deren ordentlicher Hauptversammlung vom 04.07.2000 gefassten Beschlüsse über die Ermächtigung des Aufsichtsrates zur Begebung von Aktienoptionen an Arbeitnehmer und Mitglieder des Vorstandes sowie die Ermächtigung des Vorstandes zur Begebung von Optionsschuldverschreibungen an Mitglieder des Aufsichtsrates nebst Schaffung eines jeweils entsprechenden bedingten Kapitals von EUR 90.000, EUR 72.000 und EUR 18.000, eingeteilt in Aktien zu jeweils 1 Euro, an, hilfsweise begehrten sie die Feststellung der Nichtigkeit dieser Beschlüsse.

Das Landgericht München I hat am 07.12.2000 die angefochtenen Beschlüsse für wirksam gehalten und die Klage abgewiesen (abgedruckt mit Gründen in ZIP 2001, 287 ff.). Mit ihrer Berufung verfolgten die Kläger ihr Klageziel weiter. Nachdem der jeweilige Zeitraum zur Begebung der Optionen und Optionsschuldverschreibungen am 31.12.2001 abgelaufen ist, ohne dass von den Ermächtigungen Gebrauch gemacht worden ist, haben die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt und jeweils beantragt, der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen.

Die Kläger hielten den Beschluss zu TOP 9.2 schon deshalb für nichtig, weil insoweit nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Der zum hierfür notwendigen Bezugsrechtsausschluss schriftlich zu verfassende Bericht des Vorstand sei in der im Bundesanzeiger Nr. 99 vom 25.05.2000 veröffentlichten Einladung (Anl. 3 zu Bl. 36/37) nicht bekannt gemacht worden. Auch fehle es diesem Beschluss an dem anzugebenden Erfolgsziel. Der Beschluss zu TOP 9.3 sei nichtig, da die Begebung von Stock Options für Aufsichtsratsmitglieder nach deutschem Recht nicht vorgesehen sei und die beschlossene Begebung von Optionsschuldverschreibungen das unterlaufe. Ferner stützten die Kläger ihre Anfechtung auf die Nichtbeantwortung entscheidungserheblicher Fragen des Klägers zu 3) nach dem Grund für die Entwicklung des zum 31.12.1999 in Höhe von TDM 688 bilanzierten Beteiligungsinvestment und den Gesamtkosten des Optionsplanes sowie die Verletzung des § 87 Abs. 1 AktG durch unangemessene Gesamtbezüge des Vorstandes in Folge des für den Vorstand beschlossenen Optionsplanes. Schließlich beanstandeten die Kläger, dass es durch die angefochtenen Beschlüsse ins Ermessen von Vorstand und Aufsichtsrat gestellt worden sei, sich gegenseitig überhöhte Bezüge zu bewilligen.

Die Beklagte sah die angefochtenen Beschlüsse dagegen für wirksam an. Ein Vorstandsbericht sei nicht notwendig gewesen, da in § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG anders als zum Beispiel in § 221 Abs. 4 AktG keine Verweisung auf § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG enthalten sei. Das sei kein gesetzgeberisches Versehen, wie aus dem Regierungsentwurf zum KonTraG hervorgehe. Auch sei die Börseneinführung der Gesellschaft im Hinblick auf die dabei zu erfüllenden Voraussetzungen ein zulässiges Erfolgsziel. Durch die Einführung des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG habe der Gesetzgeber entsprechend dem Regierungsentwurf zum KonTraG die Gewährung von Optionsanleihen oder Optionsschuldverschreibungen ausdrücklich nicht einschränken wollen. Zudem sei die Vergütungskompetenz der Hauptversammlung nach § 113 AktG durch den Beschluss zu TOP 9.3 nicht angetastet worden. Im Übrigen hätten die Kläger die Ausführungen zum inneren Wert der Aktie nicht verstanden und ihre Frage nach den Kosten der Optionspläne habe, da auf die Zukunft gerichtet, nicht beantwortet werden können.

Gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO waren die Kosten des Rechtsstreits in beiden Zügen der Beklagten aufzuerlegen. Ohne übereinstimmende Erledigterklärung hätte die Nichtigkeit der angefochtenen Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 04. Juli 2000 festgestellt werden müssen. Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 9.2 und 9.3 waren nicht nur jeweils wegen Verletzung des gesetzlichen Auskunftsrechtes der Kläger rechtswidrig und daher nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar, sondern zu Tagesordnungspunkt 9.3 allein als auch zusammen wegen Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nach § 241 Nr. 3 AktG sogar nichtig.

1. Der Vorstand der Beklagten hat zunächst das Auskunftsrecht der Kläger nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG verletzt; dieser Verstoß war kausal für das Zustandekommen der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 9.2 und 9.3.

Der Vorstand der Beklagten hat zu Unrecht eine weitergehende Auskunft auf die Frage des Klägers zu 3) verweigert, was der Aktienoptionsplan, der zum Tagesordnungspunkt 9 beschlossen werden sollte, die Mitaktionäre, aufgeschlüsselt nach Optionen für Aktionäre/Vorstände bzw. Mitarbeiter/Mitglieder des Aufsichtsrates, koste, wenn man den vom Vorstand angegebenen inneren Wert von DM 70,00 je Aktie an der Gesellschaft zugrundelege. Obschon diese Kosten vom Kurs der Aktie bei Börseneinführung abhängen, worauf der Vorstand der Beklagten in seiner Antwort zu Recht hingewiesen hat, durfte er doch nicht unter Hinweis auf die Unmöglichkeit, den in der Zukunft liegenden Einführungskurs gegenwärtig nicht benennen zu können, eine weitere Beantwortung der Frage des Klägers zu 3) ablehnen. Dass die vom Kläger gestellte Frage zur sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnungspunkte 9.2 und 9.3 erforderlich war, liegt auf der Hand.

a) Ohne Angabe, wie sich der Vorstand das Aktienoptionsprogramm im Rahmen der Börseneinführung vorstellt, war eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für einen objektiven Aktionär nicht gegeben. Insbesondere ließ sich für diesen ohne eine entsprechende Auskunft nicht abschätzen, in welcher Grösse sich der für ihn negative Kapitalverwässerungseffekt durch den teilweisen Bezugsrechtausschluss bewegen würde. Zudem müsste der Vorstand, könnte er die Bezifferung der voraussichtlichen Kosten mit dem Hinweis auf eine Ungewisse Zukunft nicht vornehmen, andererseits offen legen, das nach § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG zu benennende Erfolgsziel bei Gewährung von Bezugsrechten im Rahmen des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG nicht mit der einem Erfolg innewohnenden notwendigen Bestimmheit oder wenigstens Bestimmbarkeit angeben zu können. In einem solchen Falle bliebe nämlich der Börseneinführungskurs völlig offen mit der Folge, dass der Erfolg, nämlich eine in einem Mindestkurs zum Ausdruck kommende angemessene Börsenkapitalisierung nicht zu nennen wäre. Vergleichbares gilt für die Ausgabe der Optionsschuldverschreibungen. Hier fehlte es dann an einer nachvollziehbaren Begründung gemäß § 221 Abs. 4 Satz 2 AktG in Verbindung mit § 186 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz AktG für den vorgeschlagenen Ausgabebetrag.

b) Hinzu kommt, dass der Aktienoptionsplan einschließlich der zu begebenden Optionsschuldverschreibungen einen Vergütungsbestandteil der auszuweisenden Gesamtbezüge für Vorstand und Aufsichtsrat im Sinne des § 285 Nr. 9 a HGB darstellt. So hat die Bundesregierung in der Begründung ihres Entwurfes zu dem am 27.04.1998 im wesentlichen unverändert beschlossenen Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) (ZIP1997, 2059, 2067) ausgeführt, dass sich das Auskunftsrecht der Aktionäre gemäß § 131 Abs. 1 AktG bei einer Beschlussfassung zu einem Aktienoptionsplan auf die Zusammensetzung der Vergütungskomponenten der Begünstigten beziehen kann.

Das Anfechtungsrecht insoweit steht aber nicht nur dem Kläger zu 3) als dem Aktionär zu, der die Auskunft begehrt hat, sondern jedem Aktionär, der wie die beiden anderen Kläger Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat (BGHZ 119, 1, 13). Die Verweigerung der Auskunft war für das Ergebnis der Hauptversammlungsbeschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 9.2 und 9.3 auch kausal, weil ein objektiv urteilender Aktionär ohne diese Angaben den zur Abstimmung gestellten Ermächtigungen nicht zugestimmt hätte (vgl. BGHZ 122, 211, 239; 146, 288, 298).

2. Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 04.07.2000 zu den Tagesordnungspunkten 9.2 und 9.3 verletzten darüber hinaus die gesetzliche Grundordnung einer Aktiengesellschaft und waren deshalb nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig.

a) Zunächst verstieß der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 04.07.2000 zu Tagesordnungspunkt 9.3 schon allein gegen die alleinige Zuständigkeit der Hauptversammlung nach § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG, Vergütungen für Aufsichtsratsmitglieder zu bewilligen.

Mit diesem Beschluss hatte die Hauptversammlung den Vorstand entgegen der gesetzlichen Zuständigkeitszuweisung unter Einräumung eines Ausübungsermessens ermächtigt, an den Aufsichtsrat Optionsschuldverschreibungen auszugeben. So muss der Vorstand nicht, sondern "soll" nur diese Papiere ausgeben. Er war ferner innerhalb eines Zeitraumes bis zum 31.12.2001 frei, den Zeitpunkt der Ausgabe sowie die Laufzeit der Schuldverschreibungen zu bestimmen, nämlich "mit längstens fünfjähriger Laufzeit".

b) Die mit den Beschlüssen zu den Tagesordnungspunkten 9.2 und 9.3 gleichzeitig erfolgte Ermächtigung von Vorstand und Aufsichtsrat, Optionen und Optionsschuldverschreibungen zu gleichen Bezugsbedingungen an das jeweils andere Organ sowie an Mitarbeiter auszugeben, war überdies nicht mit der dem Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG obliegenden Aufgabe, die Geschäftsführung, also den Vorstand, zu überwachen, zu vereinbaren.

Keinen Bedenken begegnet zunächst die Ermächtigung des Aufsichtsrates allein im Beschluss zu Tagesordnungspunkt 9.2, an den Vorstand Optionen zu begeben. Das ist Sache des Aufsichtsrates, der gemäß § 87 Abs. 1 AktG bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds dafür zu sorgen hat, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur läge der Gesellschaft stehen. Zieht man aber weiter den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 9.3 heran, nach dem der Vorstand ermächtigt sein sollte, Optionsschuldverschreibungen an den Aufsichtsrat zu gleichen Bezugsbedingungen zu begeben, wie er selbst nach dem Beschluss zu Tagesordnungspunkt 9.2 Optionen beziehen sollte, dann liegt auf der Hand, dass die Begebung der Optionsrechte bzw. Optionsschuldverschreibungen wechselweise vom Wohlwollen des anderen Organs abhängig geworden war. Sind die von Aktienoptionsprogrammen begünstigten Organe an sich schon, wie die Bundesregierung in ihrer Begründung des Entwurfes zu dem am 27.04.1998 im wesentlichen unverändert beschlossenen Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) (ZIP 1997, 2059, 2067) mit Recht annimmt, befangen, so gilt das im vorliegenden Fall für Vorstand und Aufsichtsrat erst recht. In einer solchen Lage ist jedoch die vom Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG vorzunehmende Überwachung des Vorstandes regelmäßig nicht mehr gewährleistet.

Zulassung der Rechtsbeschwerde: Die Voraussetzungen hierfür liegen nach § 574 Abs. 2 ZPO in der gemäß § 26 Nr. 10 EGZPO anzuwendenden Fassung des Zivilprozessreformgesetzes vom 27.07.2001 nicht vor.

Streitwert: §§ 3, 5 und 6 ZPO.



Ende der Entscheidung

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