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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 31.05.2000
Aktenzeichen: 7 U 1927/99
Rechtsgebiete: AktG, ZPO


Vorschriften:

AktG § 131 Abs. 2
AktG § 245 Ziffer 1
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Leitsatz:

Bei Einlegung eines Widerspruchs zu Protokoll einer Hauptversammlung muß der Widersprechende, der Aktien sowohl im Eigenbesitz als auch im Fremdbesitz angemeldet hat, eindeutig klarstellen, zu welcher Stimmkarte der Widerspruch eingelegt werden soll.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 7 U 1927/99 5 HKO 10758/98 LG München I

Verkündet am 31. Mai 2000

Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Anfechtung

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht D die Richter am Oberlandesgericht und N aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2000 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 12.11.1998 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahren.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 18.000 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägern im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000.

Tatbestand:

Mit seiner Klage vom 17.06.1998 hat der Kläger als Aktionär der vormaligen bank begehrt, Beschlüsse der Hauptversammlung vom 19.05.1998, durch die dem Vorstand (TOP 2) und dem Aufsichtsrat (TOP 3) Entlastung erteilt wurde, für nichtig zu erklären. An der ordentlichen Hauptversammlung der bank AG am 19.05.1998 hat der Kläger persönlich teilgenommen. Nach dem Teilnehmerverzeichnis (Anlagen B 1) war für ihn die Stimmkarte für eine im Eigenbesitz gehaltene Aktie ausgegeben. Rechtsanwalt war anwesend als Vertreter des Klägers für 60 in Fremdbesitz gehaltene Aktien mit der Stimmkarte. Diese Stimmkarte hat Rechtsanwalt bei seiner Wortmeldung in der Hauptversammlung auch vorgelegt. Die Stimmkartennummer wurde hierbei vom beurkundenden Notar, notiert.

Ausweislich der Niederschrift über die Hauptversammlung hat "Herr M ... namens von Herrn ... (Stimmkarte Nr.)" gegen die zu den TOP 2 und 3 gefaßten, Beschlüsse Widerspruch zu Protokoll erklärt. Auf den Inhalt der Niederschrift (B 1) wird Bezug genommen.

Die Parteien streiten - u.a. - darüber, ob eine Anfechtungsbefugnis des Klägers besteht (§ 245 Ziffer 1 AktG).

Hierzu hat der Kläger vorgetragen, Widerspruch sei namens von M bezüglich der vom Kläger im Eigenbesitz gehaltenen Aktie erklärt worden. Daß der Notar im notariellen Protokoll auf die Stimmkarte Bezug genommen habe, sei darauf zurückzuführen, daß Herr M bei seiner Wortmeldung diese Stimmkarte vorgelegt und der Notar diese Stimmkartennummer notiert habe. Bei Widerspruchseinlegung zu Protokoll habe Rechtsanwalt M keine Stimmkarte vorgelegt. Er sei dem beurkundenden Notar persönlich bekannt gewesen.

Die Hauptversammlungsbeschlüsse zu TOP 2 und TOP 3 seien wegen Verfahrensfehlern, desweiteren wegen Verstoßes gegen § 131 Abs. 2 AktG nichtig.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.05.1998, durch welche dem Vorstand (Punkt 2 der Tagesordnung) und dem Aufsichtsrat (Punkt 3 der Tagesordnung) Entlastung erteilt wurde, werden für nichtig erklärt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Anfechtungsbefugnis des Klägers bestritten. Ausweislich der Niederschrift über die Hauptversammlung habe Rechtsanwalt M namens von J Widerspruch zur Stimmkarte M eingelegt, d.h. zu der Stimmkarte, die ausweislich des Teilnehmer-Verzeichnisses für die Aktien in Fremdbesitz des Klägers ausgegeben worden sei. Ein Anfechtungsrecht stehe Am Kläger hieraus aber nicht zu. Der Wille, den Widerspruch namens des Klägers bezüglich der vom Kläger im Eigenbesitz gehaltenen Aktie zu erklären, sei im Hinblick darauf, daß Rechtsanwalt M bei der vorangegangenen Wortmeldung die Stimmkarte vorgelegt habe für den Notar nicht erkennbar gewesen.

Das Landgericht hat die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig, jedenfalls wegen fehlender Anfechtungsbefugnis als unbegründet abgewiesen.

Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des landgerichtlichen Urteils (Bl. 126/131 d.A.) verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Er hält insbesondere daran fest, Rechtsanwalt M habe den Widerspruch namens des Klägers für die vom Kläger im Eigenbesitz gehaltene Aktie eingelegt, was für den beurkundenden Notar auch durchaus erkennbar gewesen sei.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 12.11.1998, Az.: 5 HKO 10758/98, wird aufgehoben.

2. Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG, München, vom 19.05.1998, durch welche dem Vorstand (Punkt 2 der Tagesordnung) und dem Aufsichtsrat (Punkt 3 der Tagesordnung) Entlastung erteilt wurde, werden für nichtig erklärt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Auch die Beklagte wiederholt ihr Vorbringen aus erster Instanz. Eine Anfechtungsbefugnis verneint sie insbesondere unter Hinweis auf den Inhalt der notariellen Urkunde, der nicht widerlegt sei.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 27.10.1999 (Bl. 202/204) durch uneidliche Vernehmung der Zeugen T M und A Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Vernehmungsniederschriften vom 31.05.2000 (Bl. 210/216 d.A.) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der näheren Einzelheiten des Parteivortrags auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung des Erstgerichts und den gesamten Akteninhalt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Kläger ist zur Anfechtung der in der Hauptversammlung vom 19.05.1998 gefaßten Entlastungsbeschlüsse nach TOP 2 und TOP 3 nicht befugt (§ 245 Ziffer 1 AktG).

Den Nachweis, gegen die streitgegenständlichen Beschlüsse wirksam Widerspruch zur Niederschrift erklärt zu haben, hat der Kläger nicht geführt.

Ausweislich der Niederschrift zur Hauptversammlung vom 19.05.1998 - eine öffentliche Urkunde, die die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit hat (BGH ZIP 93, 1867) - hat Herr M "namens von Herrn ... - (Stimmkarte)" Widerspruch zu Protokoll erklärt. Damit ist urkundlich dokumentiert, daß Herr M Widerspruch mit der Stimmkarte zur Niederschrift erklärt hat, wobei unstreitig ist, daß diese Stimmkarte für die Eintrittskarte (3. Nachtrag zum Teilnehmerverzeichnis, Seite 28, Anlage B 1) mit 60 Stimmen ausgegeben worden war und zwar für den Kläger M mit dem Hinweis "Fremdbesitz".

Eine unrichtige Beurkundung des Vorgangs dahingehend, daß Widerspruch von Herrn M namens des in der Hauptversammlung präsenten Klägers zu der Stimmkarte M somit für die vom Kläger im Eigenbesitz gehaltene Aktie erklärt worden ist, hat die durchgeführte Beweisaufnahme nicht ergeben.

Nach der Aussage des Zeugen M ist der Senat davon überzeugt, daß der Zeuge vom Kläger beauftragt war, Widerspruch in seinem Namen zu erklären und der Zeuge - ohne Vorlage einer Stimmkarte - gegenüber dem beurkundenden Notar die Erklärung abgegeben hat, er lege im Namen von M Widerspruch zu Protokoll ein. Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Zeugen steht aber weiterhin fest, daß er es bei der Erklärung des Widerspruchs unterlassen hat, gegenüber dem Notar klarzustellen, ob Widerspruch für den Eigenbesitz des M oder Fremdbesitz eingelegt werden soll. Angesichts der Tatsache aber, daß der Zeuge M als Vertreter des Klägers für dessen Fremdbesitz bei seiner Wortmeldung dem Notar die Stimmkarte vorgelegt hatte, diese Stimmkartennummer von dem Notar auch vermerkt worden ist, war der Wille nunmehr für den Eigenbesitz des Klägers Widerspruch einlegen zu wollen, für den Notar mangels zusätzlicher Erläuterungen nicht erkennbar. Die Argumentation des Klägers, der Umstand, daß es der Notar bei der Widersprucheinlegung unterlassen habe, nachzufragen, zu welcher Stimmkarte der Widerspruch eingelegt werde, rechtfertige den Schluß, der Notar sei erkennbar von einem Widerspruch von dem Eigenbesitz deswegen ausgegangen, weil die Stimmkarte den Kläger als Legitimationsaktionär ausgewiesen habe, den im Regelfall ein Recht zum Widerspruch nicht zustehe, überzeugt nicht. Abgesehen davon, daß - wenn auch in Ausnahmefällen - die Legitimationsübertragung auch eine Ermächtigung über die Stimmrechtsausübung hinaus abdecken kann, sind mögliche Überlegungen des Notars im Zusammenhangs mit der Eiklärung des Zeugen M hinsichtlich des Widerspruchs spekulativ.

Darüber hinaus hat der Zeuge Dr., beurkundender Notar in der Hauptversammlung vom 19.05.1998, ausgesagt, die Angabe der Stimmkartennummer im Protokoll habe seinen Grund darin, daß Aktionärsvertreter, die mehrere Stimmkarten-Eigenbesitz und/oder Fremdbesitz innehaben, oft nicht aus allen Stimmkarten, sondern nur aus einzelnen oder mehreren Widerspruch als Voraussetzung für eine spätere Anfechtungsklage erklären wollen. Die Befugnis eines Versammlungsteilnehmers überprüfe er bei Nichtvorlage einer Stimmkarte ausnahmslos durch Einsicht in das Teilnehmer-Verzeichnis. Bezogen auf den Vorgang der Widerspruchseinlegung am 19.05.1998 hat der Zeuge, der nach seinen Angaben im Jahr bei circa 10 Hauptversammlungen als beurkundender Notar tätig ist, zwar keine konkreten Wahrnehmungen geschildert, sondern lediglich seine übliche Vorgehensweise bei der Protokollierung von Widersprüchen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse dargelegt. Gleichwohl ergibt die Aussage, wonach bei einem Widerspruch ohne Stimmkarte die Befugnis des Versammlungsteilnehmers hierzu und zwar ausnahmslos durch Einsicht ins Teilnehmerverzeichnis überprüft wird zur Überzeugung des Senats, daß die Dokumentation der Stimmkartennummer sowohl auf der Notierung bei der Wortmeldung als auch auf der Einsicht in das Teilnehmerverzeichnis beruht. Damit gibt das Protokoll die vom Notar für zutreffend gehaltenen Feststellungen wieder. Eine Anfechtungsbefugnis des Klägers besteht demzufolge gemäß § 245 Ziffer 1 AktG nicht.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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