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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 24.09.2003
Aktenzeichen: 7 U 2469/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Ein Kommanditist, der die Gesellschaft gekündigt hat, kann im Zeitraum zwischen Erklärung und Wirkzeitpunkt seiner Kündigung einen weiteren Kommanditanteil rechtswirksam hinzuerwerben, wenn er nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung berechtigt wäre, alsbald nach seinem Ausscheiden durch den Erwerb eines anderen Kommanditanteils wieder in die Gesellschaft einzutreten, ohne dass es der Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder, weiterer Voraussetzungen bedürfte (Fortführung von BGH, Urt. v. 22.05.1989, WM 1989, 1221).

Dies gilt jedenfalls dann, wenn Anhaltspunkte für rechtsmissbräuchliches Verhalten (wie etwa Spekulationsmotive oder das Ziel der Umgehung von Kündigungsfristen) nicht vorliegen.


OBERLANDESGERCHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Gz. 7 U 2469/03

Verkündet am 24.09.2003

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Fiebig und Dr. Barwitz aufgrund der mündlichen Verhandlung von 16. Juli 2003 folgendes

Endurteil:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 26.02.2003 aufgehoben.

1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin ab 01.01.2003 mit einem Kommanditanteil von wenigstens 2 % an der Beklagten zu 1) beteiligt ist.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin ab 01.01.2003 mit einem Kommanditanteil von wenigstens 2 % an der Beklagten zu 2) beteiligt ist.

III. Die Beklagten tragen die Kosten beider Rechtszüge.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Wert der Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren übersteigt jeweils € 20.000,00.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Feststellung, dass sie seit 01.01.2003 an den Beklagten zu 1) und 2) jeweils mit einem Kommanditanteil von 2 % beteiligt ist, hilfsweise, festzustellen, dass ihr Sohn A M an den Beklagten zu 1) und 2) wie vorbeschrieben beteiligt ist.

Wegen des festgestellten Sachverhalts wird auf das landgerichtliche Urteil vom 26.02.2003 Bezug genommen. Zu ergänzen ist hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse an der Beklagten zu 2) folgendes:

Die Klägerin ist seit 1996 (auch) Kommanditistin an der Beklagten zu 2) mit einem Kommanditanteil von zuletzt 10,11 %, ihr Sohn A M seit 1990 mit einem Kommanditanteil von 1 %. Am 29.12.1998 kündigte A M seinen 1%igen Gesellschaftsanteil zum 31.12.1999. Am 29.09.2000 trat die Klägerin einen Teilkommanditanteil an der Beklagten zu 2) von 1 % an ihren Sohn A M ab. Am 17.12.2001 trat die Klägerin, einen weiteren Teilkommanditanteil an der Beklagten zu 2) in Höhe von 1 % an A M ab. Mit Schreiben vom 18.12.2001 kündigte die Klägerin die Gesellschaft gemäß § 13 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten zu 2) zum 31.12.2002. Am 22.05.2002 trat A M seinen 2%igen Kommanditanteil an der Beklagten zu 2) an die Klägerin ab.

Weitere Feststellungen wurden im Berufungsverfahren nicht getroffen.

Das Landgericht hat die Klage als im Hauptantrag unbegründet, im übrigen als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile von A M auf die Klägerin vom 22.05.2002 unwirksam gewesen sei. Dies ergebe sich aus dem Wesen der Stellung eines Gesellschafters einer Personengesellschaft. Mit der persönlichen Verbundenheit der Gesellschafter sei unvereinbar, dass ein Gesellschafter einerseits durch Kündigung ausscheide, andererseits Teil dieser Gesellschaft bleibe. Die Gesellschafterstellung könne nur einheitlich und insgesamt gekündigt werden. Die gestellten Hilfsanträge seien unzulässig, da die Klägerin kein berechtigtes Interesse daran habe, die Gesellschafterstellung ihres Sohnes feststellen zu lassen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die die erstinstanzlichen Haupt- und Hilfsanträge weiterverfolgt.

II.

Die Berufung hat Erfolg. Auf der Grundlage des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts ist die Klägerin auch nach dem 31.12.2002 mit einem (ungekündigten) Kommanditanteil von jeweils 2 % an den Beklagten zu 1) und 2) beteiligt. Mithin erweist sich die Klage bereits im Hauptantrag als begründet.

1. Der vom Landgericht aufgestellte Grundsatz, dass die Mitgliedschaft einzelner Gesellschafter einer Personengesellschaft notwendig einheitlicher Natur ist, mit der Folge, dass es grundsätzlich keine Mehrfach-Mitgliedschaft in einer solchen Gesellschaft gibt (BGH, Urteil vom 22. Mai 1989, WM 1989, 1221, 1223; Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, Rn. 152 zu § 705 BGB; Müller in Beck'sches Handbuch der Personalgesellschaften, § 4 Rn 27; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2002, Seite 1312), trifft zu, gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Da nach Auffassung des Senats die gesellschaftsrechtliche Gestaltung bei beiden Beklagten eine hiervon abweichende Betrachtung rechtfertigt, konnten sich die aufgrund der wirksamen Abtretungen vom 22.05.2002 nunmehr höheren Kommanditanteile der Klägerin an den Beklagten zu 1) und 2) jeweils in einen gekündigten und einen ungekündigten Teil aufspalten, mit der Folge, dass die Klägerin auch nach dem 31.12.2002 mit den (ungekündigten) Anteilen von jeweils 2 % an den Beklagten zu 1) und 2) beteiligt ist.

a) Ein solches Teilausscheiden des Gesellschafters einer Personengesellschaft hält der Bundesgerichtshof im Urteil vom 22.05.1939 (a.a.O. Seite 1223) für naheliegend, wenn der infolge seiner Kündigung ausscheidende Gesellschafter ohnehin sofort danach durch Erwerb eines neuen Anteils ohne Mitwirkung der übrigen Gesellschafter wieder in die Gesellschaft eintreten könnte.

Auch in der Literatur wird die These, die Mitgliedschaft sei zwingend einem einheitlichen rechtlichen Schicksal unterworfen, zunehmend angezweifelt und eine differenzierte Betrachtungsweise, die auf die konkrete Ausgestaltung der Mitgliedschaft der Gesellschafter abstellt, gefordert (Steinbeck, DB 1995, 761, 765; Karsten Schmidt a.a.O. zum Fall der Vererbung eines bereits gekündigten Kommanditanteils an einen anderen Kommanditisten).

b) Die Voraussetzungen, für einen wirksamen Zuerwerb der Klägerin zwischen Erklärung und Wirkzeitpunkt ihrer Kündigung sind hier gegeben. Nach Sachlage hätte die Klägerin durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen ihres Sohnes (oder eines anderen Kommanditisten der Beklagten zu 1) und 2) nach dem 31.12.2002 wieder in die Gesellschaft eintreten können, ohne dass es einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder weiterer Voraussetzungen bedurft hätte (§ 10 Abs. 2 der Gesellschaftsverträge der Beklagten zu 1 und 2), Anlagen K 1 und K 2). Gleichzeitig lassen beide Gesellschaftsverträge ausdrücklich eine teilweise Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu. Mithin enthält § 10 Abs. 2 der Gesellschaftsverträge jeweils eine Regelung, nach der Verwandte ersten Grades oder Ehegatten von Kommanditisten jederzeit dadurch in die Gesellschaften eintreten können, dass ihnen vom Gesellschafter Gesellschaftsanteile (ganz oder teilweise) übertragen werden. Eine Sonderregelung für durch Kündigung ausgeschiedene Gesellschafter, wie sie in dem dem BGH-Urteil vom 22.05.1989 zugrunde liegenden Sachverhalt getroffen war (Wiedereintritt nur mit Zustimmungsbeschluss), findet sich in den Gesellschaftsverträgen der Beklagte zu 1) und 2) nicht.

Dass die Beklagten die gesellschaftsrechtliche Vertragslage - jedenfalls bis zum hier verfahrensgegenständlichen Rechtsstreit - im gleichen Sinne gesehen haben, ergibt sich aus der Behandlung der Anteilsübertragungen von der Klägerin auf ihren Sohn vom 25.09.2000 (Anlage K 4) und vom 29.09.2000 (Anlage K 8). Obgleich A M am 29.12.1998 seine bestehende Kommanditbeteiligung an beiden Gesellschaften mit Wirkung zum 31.12.1999 gekündigt hatte, wurde er auf die vorgenannten Anteilsübertragungen hin ohne weiteres wieder als Kommanditist der Beklagten zu 1) und 2) geführt und in § 4 (Gesellschafter und Beteiligung) der jeweils zum 18. März 2002 fortgeschriebenen Gesellschaftsverträge der Beklagten zu 1) und 2) (Anlagen K 1 und K 2) mit einem Kommanditanteil von jeweils 1 % aufgenommen.

Soweit die Beklagten in ihrem - nachgelassenen - Schriftsätze vom 04.08.2003 anführen, dass entscheidend gegen die Zulässigkeit der Abtretung nach Kündigung spreche, dass die Klägerin mit ihren Kündigungen vom 18.12.2001 ihren Abkehrwillen von der Gesellschaft klar zum Ausdruck gebracht habe, so dass sich ihr Rückerwerb am 22.05.2002 als widersprüchliches Verhalten darstelle, überzeugt dies nicht, da die Beklagten nach den Kündigungen des A M eine solche Konsequenz nicht gezogen haben.

c) Durch die Zulassung eines Anteilserwerbs der Klägerin nach erklärter Kündigung ergeben sich auch für die Beklagten keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Soweit die Beklagten als problematisch ansehen, dass auch im Zeitraum vom 22.05.2002 bis zum 31.12.2002 das Stimmrecht der Klägerin nur einheitlich ausgeübt werden könne, erscheint dies nicht stichhaltig. Zwar führt die Auffassung des Senats dazu, dass sich der (erhöhte) Kommanditanteil der Klägerin für den letztgenannten Zeitraum in einen gekündigten und einen ungekündigten Teil aufspalte dieser Umstand lässt jedoch die Verpflichtung der Klägerin, ihr Stimmrecht nur einheitlich auszuüben, unberührt. Auch der Umstand, dass sich die Klägerin über einen Zeitraum von 5 Jahren hinweg (partiell) selbst abzufinden hat, wurde bei den Beklagten nach bisheriger Praxis nicht als durchgreifend angesehen: beim Wiedereintritt des Sohnes der Klägerin als Kommanditist wurden derartige Fragen jedenfalls nicht als hinderlich angesehen.

2. Anhaltspunkte dafür, dass die Anteilsübertragungen zwischen der Klägerin und ihrem Sohn A M rechtsmissbräuchlich wären, sind nicht erkennbar. Dass die rechtsgeschäftlichen Übertragungen der Umgehung von Kündigungsfristen dienen sollten oder von Spekulationsmotiven getragen wären, machen die Beklagten nicht geltend. Auch drohen den Beklagten durch die Anteilsübertragungen keine höheren Abfindungsansprüche, als sie ohnehin infolge der Kündigung der Klägerin entstanden waren. Erst recht ist der Bestand der Gesellschaften nicht in Frage gestellt.

Soweit die Beklagten bestreiten, dass familiäre und berufliche Veränderungen beim Sohn der Klägerin der Grund für die Anteilsübertragungen gewesen seien, und vortragen, der Klägerin sei es nur darum gegangen, über den 31.12.2002 hinaus volle Informations- und Gesellschafterrechte zu haben, stellt dies den Anteilserwerb der Klägerin nicht in Frage. Vielmehr sind Informations- und Mitwirkungsrechte der Gesellschafter lediglich die Konsequenz des Anteilsbesitzes, der nach § 10 Abs. 2 der Gesellschaftsverträge der Beklagten zu 1 und 2) unter dem dort genannten Personenkreis frei und ohne Angabe von Gründen übertragbar gestellt ist.

3. Da mithin sowohl die Anteilsübertragungen von der Klägerin auf ihren Sohn, als auch die Rückabtretung vom 22.05.2002 wirksam sind, ist bei der Klägerin mit Ablauf des 31.12.002 ein (ungekündigter) Anteil in Höhe von 2 % verblieben. Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung dazu vorgetragen habe, dass die Kommanditbeteiligung der Klägerin an beiden Gesellschaften infolge der Anwachsung zum 31.12.2002 tatsächlich höher sei, ist dies kein Hindernis. Jedenfalls steht der Klägerin eine Gesellschafterstellung im titulierten Umfang zu. Ob diese durch Anwachsung höher ist, kann dahinstehen, da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, dass über dem Antrag auf Feststellung einer 2%igen-Kommanditbeteiligung entschieden werden solle.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache weist grundsätzliche Bedeutung nicht auf. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts erscheint weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung hält sich namentlich innerhalb der Grundsätze, die der Bundesgerichtshof im Urteil vom 22.05.1989 aufgestellt hat.

Ende der Entscheidung

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