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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 17.03.2004
Aktenzeichen: 7 U 4035/03
Rechtsgebiete: AGBG, HGB, BGB


Vorschriften:

AGBG § 11 Nr. 7 a.F.
HGB § 435
HGB § 449
BGB § 254
1. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Paketbeförderungsdiensts, nach der sich der Versender damit einverstanden erklärt, dass der Transportweg gänzlich unkontrolliert bleibt, scheitert als Versuch, sich grob fahrlässiges, leichtfertiges Verhalten auszubedingen, an § 11 Nr. 7 AGBG a.F. (jetzt: § 309 Nr. 7b BGB n.F.).

2. Die unterbliebene Wertdeklaration durch den Versender wirkt sich als Mitverschulden anspruchsmindernd nur aus, wenn der Paketbeförderungsdienst konkret darlegt, dass und in welcher Beziehung er das Transportgut im Falle einer Versendung als Wertpaket anders - und damit sicherer - behandelt hätte.


Tatbestand:

Die Fa. G. GmbH in G. beauftragte die Beklagte, einen Paketbeföorderungsdienst, am 19.06.2001 mit dem Transport eines Pakets zur Fa. H. in München. Nach dem Vortrag der Klägerin war Gegenstand der Sendung eine Herrenarmbanduhr im Wert von 6.514 €, die nach einer Reparatur an die Fa. H zurückgesandt werden sollte. Die Sendung war von der Fa. G. nicht als Wertpaket deklariert worden. Die Sendung geriet in Verlust.

In Nr. 2 der "Beförderungsbedingungen" der Beklagten heißt es:

"Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des U.-Systems nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket."

Auf die Schadensrechnung vom 28.08.2001 über insgesamt 6.517,02 € bezahlte die Beklagte 511,29 € und lehnte eine weitergehende Entschädigung ab. Den Restschaden verlangt die Klägerin als Transportversicherer von der Beklagten. Das Landgericht hat die Klageforderung zur Hälfte zugesprochen. Zwar sei die Beklagte wegen qualifizierten Verschuldens im Sinne des § 435 HGB unbeschränkt ersatzpflichtig, jedoch falle der Versicherungsnehmerin der Klägerin ein hälftiges Mitverschulden zur Last, da die Fa. G. GmbH nicht die Versendung als Wertpaket gewählt habe.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Klägerin restlichen Schadensersatz, die Berufung der Beklagten hat die Abweisung der Klage zum Ziel.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten erweist sich als unbegründet, diejenige der Klägerin als begründet.

1. Die Rechtsgrundsätze des BGH zum grobfahrlässigen Organisationsverschulden des Spediteurs (vgl. BGH Z 129, 345 ff.) finden grundsätzlich auch auf Paketdienstunternehmer, wie die Beklagte, Anwendung (BGH Z 149, 337 ff.). Ein Absenken der Sorgfaltsanforderung lässt sich auch bei Massenumschlag und Massenbeförderung nicht aus der Haftungsbeschränkung bei postalischer Briefbeförderung rechtfertigen: Der Absender eines Briefes erleidet in der Regel bei Verlust keinen materiellen Schaden, er tritt mit dem Beförderer in der Regel auch nur anonym in Beziehung.

2. Die Anforderungen an die gebotene sorgfältige Behandlung des ihm anvertrauten Gutes hat die Beklagte nicht beachtet. Nach eigenem Vortrag führt sie weder bei der Übergabe der Sendung, noch bei der Übernahme in ihr Auslieferungslager eine Ein- und Ausgangskontrolle durch. Sie hat das Gut nicht derart unter Kontrolle, dass sie dessen Verlust zeitlich und örtlich eingrenzen kann. Dies rechtfertigt den Vorwurf grob fahrlässigen, leichtfertigen Verhaltens und den Schluss auf das Bewußtsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird (§ 435 HGB). Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird insoweit verwiesen.

3. Dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen ausbedungen hat, den Transportweg unkontrolliert zu lassen, entlastet sie nicht. Aus der entsprechenden Klausel ergibt sich nur, dass Sammeltransporte durchgeführt werden, nicht aber, dass die Beklagte auch naheliegende Vorsorgemaßnahmen gegen den Verlust der Sendung unterlassen möchte. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit einer Wertdeklaration führt zu keiner anderen Beurteilung, weil nicht angegeben wird, dass die Sendung dann in besonderer Weise, nämlich sorgfältiger behandelt wird. In der Bedeutung, der die Beklagte ihrer Klausel beimessen möchte, ist sie für den Empfänger unklar und überraschend. Sie benachteiligt den Absender auch unangemessen, weil sie ihm aufgibt, seine Sendung bei nur geringfügiger Haftung gleichsam auf eigenes Risiko zu versenden. § 449 HBG ist nicht einschlägig, weil weder briefähnliche Sendungen aufgegeben wurden noch eine im einzelnen ausgehandelte Regelung vorliegt. Der Versuch, sich grob fahrlässiges, leichtfertiges Verhalten auszubedingen, scheitert deshalb an § 11 Nr. 7 AGBG a.F. (= § 309 Nr. 7 b BGB n.F.).

Dass durch den Ausschluss einer solchen Regelungsmöglichkeit in die Berufsfreiheit des Massenbeförderers unter Verstoss gegen Art. 12 Grundgesetz eingegriffen würde, ist abwegig und bedarf keiner näheren Erörterung.

4. Die Beklagte bestreitet ohne Erfolg den Inhalt des übernommenen Frachtstückes. Bei gewerblichen Versendern gilt der Beweis des ersten Anscheins, dass das Paket den deklarierten Inhalt hat. Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die diesen Anschein hätten erschüttern können (vgl. BGH TransportR 2003, Seite 156).

5. Ein Mitverschulden der Klägerin hat sich auf den entstandenen Schaden nicht ausgewirkt. Wer den Wert der versandten Ware nicht angibt, kann sich allerdings an der Schadensentstehung im Sinne von § 254 BGB mitschuldig machen. Dies ist dann der Fall, wenn durch die Unterlassung der Wertangabe dem Frachtführer die Möglichkeit genommen wird, die Sendung mit größerer Sorgfalt zu behandeln, um dadurch den Schadenseintritt zu vermeiden oder wenigstens einzugrenzen (vgl. BGH NJW-RR 2003, 1473 ff.). So liegt es hier aber nicht. Auch auf entsprechenden Hinweis des Senats konnte die Beklagte nicht hinreichend konkret darlegen, dass und in welcher Beziehung sie eine wertdeklarierte Sendung anders behandelt hätte. Die Beklagte hat hierzu nur allgemein vorgetragen, was entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht genügt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Schaden folglich auch bei Wertdeklaration in gleicher Weise - und unaufklärbar - eingetreten wäre. Insoweit folgt der Senat der landgerichtlichen Einschätzung nicht.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelasen, weil Abweichungen von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte auf jeweils unterschiedlichen Parteivortrag beruhen und die grundsätzlichen Fragen bereits höchstrichterlich geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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