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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 7 U 5318/01
Rechtsgebiete: DÜG, BGB, InsO, ZPO


Vorschriften:

DÜG § 1
BGB § 279
BGB § 325 a.F.
BGB § 325 Abs. 1
BGB § 406
BGB § 406 2. Halbsatz
BGB § 407
BGB § 670
BGB § 683
BGB § 705
BGB §§ 730 ff.
InsO § 95 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
1. Entschließen sich mehrere Automobilhersteller, zur Vermeidung von Betriebsausfällen mit Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe die Lieferantenverbindlichkeiten ihres - von der Insolvenz bedrohten - Zulieferers zu decken, um die Belieferung aufrechtzuerhalten, so ist damit implizit die Zusage verbunden, daß die zu zahlenden Beträge effektiv fließen und nicht gleichzeitig durch Aufrechnung an anderer Stelle dem hilfsbedürftigen Unternehmen Gegenstände des Aktivvermögens in entsprechender Höhe entzogen werden.

2. Ein zu diesem Zwecke von den Kunden des Zulieferers gegründeter "Feuerwehrfonds" oder "Verlustpool" stellt regelmäßig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts dar mit der Folge, daß den Gesellschaftern jedenfalls bis zur Auseinandersetzung der Gesellschaft aufgrund der gesamthänderischen Bindung keine für den einzelnen disponiblen Ansprüche zustehen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 7 U 5318/01

Verkündet am 15. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Fiebig und Dr. Barwitz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2002 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.09.2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 1.250.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch eine unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft der H AG zu erbringen.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren übersteigt Euro 20.000,00.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aufgrund von ihr angekaufter Forderungen aus Lieferungen und Leistungen geltend.

Die Klägerin, eine 100 %-ige Tochtergesellschaft des belgisch-niederländischen Allfinanz Konzerns F, ist eine Factoring Gesellschaft, die bis August 2000 noch als "F GmbH" firmierte.

Zwischen der Klägerin und der Firma L GmbH (im folgenden: Firma L) kam es - in der Berufungsinstanz nicht mehr strittig - am 01.08.2000 zum Abschluß eines Factoring-Vertrags Nr. 8222 (Anlage K 1), in welchem sich die Klägerin verpflichtete, ihr von der Firma L angebotene Forderungen aus Warenlieferungen bzw. Dienstleistungen bis zu einem Höchstbetrag im Wege der stillen Zession anzukaufen und der Firma L Vorauszahlungen auf dem Kaufpreis von 90 % des Brutto-Rechnungsbetrags abzüglich der Factoring-Gebühr zu bezahlen.

Die Firma L beliefert neben der Beklagten weitere namhafte Automobilhersteller (darunter A AG, D AG, V AG) mit Teilen unter anderem aus den Produktgruppen "Getriebemodule", "Cabriolet-Verschluß- und Schiebetürsysteme", "Tür- und Haubenscharniere" sowie "Fußhebe werke/Pedaleriesysteme".

In der Berufungsinstanz nicht mehr bestritten trat die Firma L im Zeitraum zwischen dem Abschluß des Factoring-Vertrags und dem 13.11.2000 unter anderem die mit der Klage geltend gemachten Forderungen in Höhe von insgesamt DM 2.340.220,45 an die Klägerin ab.

Am 13.11.2000 stellte die Firma L beim Amtsgericht B Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde mit Beschluß vom gleichen Tage Rechtsanwalt Dr. J bestellt (Anlage K 1), der den Betrieb zunächst fortführte, jedoch bereits in einem Rundschreiben an die Kunden und Banken der Firma L vom 15.11.2000 (Anlage B 2) mitteilte, daß die Gesellschaft über keine liquiden Mittel verfüge, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Hierzu bedürfe es der Gewährung eines "Masse-Kredits", aus dem vorab Lieferantenforderungen aus sogenannten Neulieferungen ab dem 13.11.2000 beglichen werden sollten.

Da die Beklagte ebenso wie die weiteren Automobilhersteller ein starkes Interesse daran hatte, daß die Produktion bei der Firma L aufrecht erhalten wird, um im eigenen Unternehmen Betriebsstillstände und dadurch bedingte Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe zu vermeiden, kam es zwischen der Firma L, dem vorläufigen Konkursverwalter und mehreren Kunden der Firma L darunter die Beklagte, zum Abschluß der als Anlage B 10 vorgelegten Vereinbarung, der mündliche Besprechungen der Parteien vorangegangen waren. In dieser Vereinbarung wurden unter anderem zwei Hilfsmaßnahmen der "Kunden" zur Sicherung der Fortführung der Produktion bei L vereinbart:

- In § 3 der Vereinbarung verpflichteten sich die "Kunden", den bei L im Geschäftsjahr 2001 erwarteten Jahresfehlbetrag in Höhe von etwa DM 35 Mio. nach einem als Anlage 2 der Vereinbarung beigefügten Verteilungsschlüssel zu tragen, wobei die Kunden nach § 3 Abs. 5 als Gesellschafter eines Verlustpools zu behandeln waren. Gemäß § 3 Abs. 4 waren nicht verbrauchte Zahlungen der Kunden an diese zurückzuerstatten.

- In § 9 der Vereinbarung ist eine "Bestätigung der Hilfsmaßnahmen im Antragsverfahren" enthalten, die in Bezug auf den hier streitgegenständlichen sogenannten Feuerwehrfonds wie folgt lautet:

(2) Um den im November 2000 unmittelbar drohenden Zusammenbruch des Unternehmens L - auch wegen der von den L-Zulieferern in vielen Fällen verfügten Lieferstops - zu vermeiden, haben sich die Kunden am 22.11.2000 dazu verpflichtet, "vorkonkursliche" Ansprüche der L-Zulieferer im Rahmen einer Treuhandkonstruktion durch Etablierung eines "Feuerwehrfonds" (prognostizierter Gesamtbetrag: DM 11.588.507) zu finanzieren. Die auf die Kunden jeweils entfallenden Anteile an der Beitragslast ergeben sich aus der den Kunden bereits vorliegenden Liste "Feuerwehrfonds 211/100" (je individuelle Zuordnung) in Verbindung mit dem Umsatzschlüssel (V 34 %; D 30 %; B 13 %; C 7 %; K 6 %; P 6 %) (in Bezug auf den umlagebedürftigen Betrag von DM 3.300.114). Soweit Gelder aus diesem "Feuerwehrfonds" nicht benötigt werden, werden diese an die Kunden zurückerstattet. Den Kunden ist bekannt, daß die an diesen Fonds geleisteten Beiträge - soweit nicht Satz 3 eingreift - verloren sind und nicht anderweitig verrechnet werden können."

Die Beklagte bezahlte mit Überweisung vom 24.11.2000 (Anlage B 4) DM 978.258,82 in den sogenannten Feuerwehrfonds ein und erhielt hierauf gemäß der Abrechnung des Insolvenzverwalters vom 16.07.2001 (Anlage B 11) im Jahre 2001 DM 173.513 rückerstattet.

Bereits am 09. und 10.November 2000 hatte die Beklagte Rechnungen von Lieferanten der Firma L in Höhe von DM 1.356,91 (Anlage B 6) und DM 2.146,94 (Anlage B 8) beglichen. Am 01.02.2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma L eröffnet. Am 10.08.2001 bezahlte die Beklagte in den Verlustpool eine "Verlustausgleichszahlung L" in Höhe von DM 520.000,00 auf das vom Insolvenzverwalter eingerichtete "Verlustsonderkonto".

Die Klägerin hat vorgetragen, der Factoring-Vertrag zwischen der Firma L und ihr vom August 2000 sei wirksam abgeschlossen und auch praktiziert worden. Forderungen der Firma L gegen die Beklagte seien bis zum 12.11.2000 in der klageweise geltend gemachten Höhe entstanden, wirksam an die Klägerin abgetreten und von der Beklagten nicht bezahlt worden.

Die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen bestünden nicht. Die von der Beklagten zum einen in den sogenannten Feuerwehrfonds, zum anderen in den Verlustpool geleisteten Zahlungen seien freiwillig als verlorener Zuschuß ohne die Möglichkeit anderweitiger Verrechnung gewährt worden, wie dies auch in der Vereinbarung vom 31.01.2001 (Anlage B 10) festgehalten sei. Darüber hinaus seien etwaige Gegenforderungen der Beklagten erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und könnten daher allenfalls Forderungen gegen die Insolvenzmasse darstellen. Auch habe die Beklagte bei Entstehung der von ihr behaupteten Schadensersatzansprüche Kenntnis von der Abtretung der Forderungen an die Klägerin gehabt, da die Klägerin diese Abtretung am 09.11.2001 gegenüber der Beklagten offengelegt habe (Anlage K 4 mit Rückschein Anlage K 22) und darüber hinaus auch der vorläufige Insolvenzverwalter die Beklagte mit Schreiben vom 06.12.2000 von der Abtretung in Kenntnis gesetzt habe. Weiterhin fehle es an einem hinreichenden kausalen Zusammenhang zwischen etwaiger Nichterfüllung von Lieferverpflichtungen seitens der Firma L V und den im eigenen Interesse geleisteten Aufwendungen der Beklagten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 2.340.220,45 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus DM 1.812.608,19 seit dem 25.12.2000 und aus DM 527.612,26 seit dem 25.01.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Sie hat erstinstanzlich den Abschluß eines wirksamen Factoring-Vertrags ebenso bestritten wie Bestand, Fälligkeit und Abtretung der von der Klägerin geltend gemachten Forderungen.

Hilfsweise hat die Beklagte Ansprüche auf Aufwendungsersatz zur Aufrechnung gestellt und hierfür die an die Vorlieferanten der Firma L bezahlten DM 1.356,91 und DM 2.146,96, die Einzahlungen in den sogenannten Feuerwehrfonds in Höhe von DM 804.745,52 (DM 978.258,52 abzüglich rückerstatteter DM 173.513) sowie die Einzahlung vom 10.08.2001 in den Verlustpool in Höhe von DM 520.000,00 herangezogen. Die Beklagte hat insoweit die Auffassung vertreten, daß die Regelungen in der Vereinbarung vom 31.01.2001 (Anlage B 10) diesen Ansprüchen nicht entgegenstehe.

Darüber hinaus habe die Beklagte auch Anspruch auf Schadensersatz. Die Firma L sei durch sogenannte Serienbestellungen der Beklagten verpflichtet gewesen. Da die Firma L infolge ihrer Zahlungsrückstände von ihren Vorlieferanten nicht mehr beliefert worden sei, sei es ihr subjektiv unmöglich geworden, ihre eigenen Lieferverpflichtungen gegenüber der Beklagten zu erfüllen. Da die Firma L nach dem Rechtsgedanken des § 279 BGB dieses Unvermögen auch zu vertreten habe, sei sie der Beklagten gegenüber auch zum Schadensersatz gemäß § 325 Abs. 1 BGB verpflichtet. Im Falle eines durch das Fehlen zuzuliefernder Teile bedingten Produktionsstillstands bei der Beklagten habe allein durch die Personalkosten ein Mindestschaden von DM 290.000 pro Stunde gedroht. Der drohende Schaden sei daher weit höher als die zur Aufrechnung gestellten Beträge gewesen. Durch die geleisteten Zahlungen habe die Beklagte diesen drohenden Schaden vermindert, so daß sie die geleisteten Beträge gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin zur Aufrechnung stellen könne. Dieser Schadensersatzanspruch sei auch vor Offenlegung der Abtretung gegenüber der Beklagten am 21.12.2000 (Anlage K 8) entstanden. In diesem Zusammenhang sei das Rundschreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 06.12.2000 (Anlage K 6) ohne Bedeutung, da maßgeblich sei, wann die Klägerin die Abtretung offen gelegt habe.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von DM 2.336.716,60 verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, daß der Bestand von Forderungen in Höhe von DM 2.340.220,45 ebenso wie deren Abtretung an die Klägerin aufgrund des - jedenfalls praktizierten - Factoring-Vertrags nachgewiesen seien.

In Höhe von DM 1.356,91 und DM 2.146,94 sei die Klageforderung jedoch infolge der Hilfsaufrechnung der Beklagten erloschen. Diese beiden Zahlungen an Lieferanten der Firma L seien erfolgt, noch bevor die Beklagte am 10.11.2000 von der Abtretung an die Klägerin erfahren habe. Mithin stehe der Beklagten insoweit ein Aufwendungsersatzanpruch gemäß § 683, 670 BGB zu.

In Höhe von DM 804.745,82 bestehe kein Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen L. Die Tatsache der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners begründe keine Schadensersatzpflicht, sondern führe in die Insolvenz. Im übrigen seien gemäß § 9 Abs. 2 der Vereinbarung vom 31.01.2001 die Beiträge zum sogenannten Feuerwehrfonds verloren gewesen und hätten nicht anderweitig verrechnet werden können.

Hinsichtlich der Einzahlung in den sogenannten Verlustpool, die aufgrund der Anlage B 12 nachgewiesen sei, bestehe ebenfalls kein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch der Beklagten. Eine Rückzahlungspflicht bestehe auch insoweit nicht.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Endurteils vom 21.09.2001 Bezug genommen, gegen das die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt hat.

Mit ihrem Rechtsmittel greift die Beklagte das landgerichtliche Urteil lediglich insoweit an, als der Beklagten aufrechenbare Gegenansprüche in Höhe von DM 804.745,82 (Feuerwehrfonds) und DM 520.000 (Verlustpool) aberkannt wurden.

Zu Unrecht habe das Landgericht einen abrechenbaren Anspruch der Beklagten aus dem sogenannten Feuerwehrfonds verneint.

Die Beklagte habe als Anlage B 13 sämtliche Serienbestellungen vom 01.11.2000 bis 31.12.2000 vorgelegt, die fristgemäß von der Firma L angenommen worden seien. Damit habe eine Lieferverpflichtung der Gemeinschuldnerin bestanden, ohne Massekredit und anschließende Gründung des Feuerwehrfonds sei ein Zusammenbruch der Produktion bei der Firma L wegen Fehlens von Vormaterialien unausweichlich gewesen. Bereits Tage vor (und Tage nach) Stellung des Insolvenzantrags sei es zu Betriebsstillständen bei der Firma L gekommen. Das subjektive Unvermögen zur Leistung infolge Fehlens finanzieller Mittel habe der Schuldner stets zu vertreten. Die Zahlungen der Beklagten seien in Erfüllung ihrer Obliegenheit zur Schadensminderung erfolgt.

Zu Unrecht stütze sich das Landgericht auf § 9 Abs. 2 der Vereinbarung vom Januar 2001 (Anlage B 10). Das dort enthaltene Verrechnungsverbot betreffe nur neue Forderungen, d.h. ab 13.11.2000 entstehende Kaufpreisforderungen der Gemeinschuldnerin, nicht jedoch Altforderungen, wie sie an die Klägerin abgetreten seien.

Die mit Schreiben der Beklagten vom 31.01.2001 (Anlage K 10) erklärte Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger sei auch gemäß § 406 BGB wirksam gewesen, da die Klägerin die Voraussetzungen einer Kenntnis der Beklagten von der Abtretung nicht bewiesen habe. Das Schreiben vom 09.11.2000 (Anlage K 4) habe die Beklagte nicht erhalten, es werde bestritten, daß sich der von der Klägerin vorgelegte Rückschein vom 10.11.2000 (Anlage K 22) auf dieses Schreiben beziehe. Darüber hinaus sei dieses Schreiben ebenso wie die Mitteilung des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 06.12.2000 (Anlage K 6) nicht geeignet, positive Kenntnis der Beklagten hinsichtlich der Abtretung zu begründen.

Die Aufrechnungslage habe schließlich bereits vor der Insolvenzeröffnung am 01.02.2001 bestanden.

Zu Unrecht habe das Landgericht auch einen aufrechenbaren Gegenanspruch der Beklagten aufgrund der Einzahlungen in den Verlustpool verneint. Der diesbezügliche Schadensersatzanspruch der Beklagten sei kraft Gesetzes entstanden und habe daher nicht auf eine wohlwollende Prüfung, ob nicht-liquiditätswirksame Abschreibungen an die Kunden zurückerstattet werden können (§ 3 Abs. 1 der Vereinbarung Anlage B 10) reduziert werden können. Im übrigen gelte auch hier, daß sich die Regelung des § 3 Abs. 1 der Vereinbarung vom 31.01.2001 nicht mit sogenannten Altforderungen der Firma L befaßt habe, da der Insolvenzverwalter keinerlei Interesse gehabt habe, eine Aufrechnung mit Altforderungen zu verhindern. Hinsichtlich des Verlustpools liege kein offenes Abrechnungsverhältnis vor, da die Beklagte ausweislich des Schreibens des Insolvenzverwalters vom 21.02.2002 (Anlage B 19) DM 104.750,00 nachzuzahlen habe.

Daß die Zahlung der Beklagten erst im August 2001 erfolgt sei, hindere die Aufrechnung nicht, da der Anspruch bereits lange vor Kenntnis der Beklagten von der Abtretung zum 01.02.2001 fällig geworden sei.

Die Beklagte beantragt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.09.2001, Az.: 3 HKO 7867/01 insoweit abgeändert und die Klage abgewiesen, als die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin mehr als DM 1.011.971,08 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus DM 484.358,82 seit 25.12.2000 und aus DM 527.612,26 seit 25.01.2001 zu bezahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, daß keine Unmöglichkeit bestanden habe, da die Klägerin zur Lieferung noch bis Ende 2000 im Stande gewesen sei. Die Stellung des Insolvenzantrags bedeute nicht automatisch eine endgültige Erfüllungsverweigerung. Im übrigen hätten Feuerwehrfonds und Verlustpool bis weit ins Jahr 2001 gereicht, also einen Zeitraum, für den es keine korrespondierende Lieferverpflichtung der Gemeinschuldnerin mehr gegeben habe.

Hinsichtlich des Verlustpools fehle es an der Fälligkeit der Forderung der Beklagten, da dieser noch gar nicht abgerechnet sei. Im übrigen sei das Aufrechnungsverbot gemäß § 9 Abs. 2 letzter Halbsatz der Vereinbarung vom 31.01.2001 nicht auf sogenannte "Neuforderungen" beschränkt. Bezeichnend sei, daß von den Teilnehmern an den Hilfsmaßnahmen für L. lediglich die Automobilhersteller D und die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend machen.

Zu berücksichtigen sei auch, daß die Beklagte die Einzahlung in den Verlustpool erst am 10.08.2001 bewirkt habe, so daß eine Aufrechnung nicht nur an § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO, sondern auch an § 406, 407 BGB scheitere.

Auch hinsichtlich etwaiger Ansprüche der Beklagten aufgrund des Feuerwehrfonds scheitere eine Aufrechnung an der Kenntnis der Beklagten von der Abtretung. Der als Anlage K 22 vorgelegte Rückschein vom 10.11.2000 beziehe sich auf das Schreiben an die Beklagte vom 09.11.2000. Angesichts der Seriosität der Klägerin habe die Beklagte an der Abtretung nicht zweifeln dürfen, zumal diese durch den vorläufigen Insolvenzverwalter bestätigt worden sei.

Im übrigen wird auf den Tatbestand des Ersturteils, die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 15. Mai 2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht in Bezug auf die Einzahlungen der Beklagten in den zugunsten der insolventen Firma L errichteten Feuerwehrfonds und Verlustpool aufrechenbare Gegenforderungen verneint.

1. Feuerwehrfonds:

a. Der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit Blick auf die in den sogenannten Feuerwehrfonds eingezahlten Beiträge steht bereits § 9 Abs. 2 der Vereinbarung vom 31.01.2001 (Anlage B 10) entgegen, aus der sich nicht nur ein Aufrechnungsverbot zu Lasten der Einzahlenden ergibt, sondern darüber hinaus in unzweideutiger Weise klargestellt wird, daß die in den Fonds einbezahlten Beiträge der Kunden von L "verloren sind".

Dabei kann offen bleiben, ob dieses Aufrechnungsverbot, das bereits dem Wortlaut nach umfassend gilt und nicht nur Neuforderungen der Gemeinschuldnerin schützen soll, konstitutiv wirkt oder lediglich deklaratorischen Charakter hat. Für die letztgenannte Alternative streitet nach Auffassung des Senats bereits die Natur des hier vorliegenden Schuldverhältnisses. Nach herrschender Auffassung (BGH, Urteil vom 29.11.1990, BGHZ 113, 91, 93; Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Rn. 15 zu § 387 BGB; Münchner Kommentar, BGB, 3. Aufl., Rn. 40 zu § 387 BGB), die der Senat teilt, ist eine Aufrechnung über die gesetzlich oder vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ausgeschlossen, wenn das nach dem besonderen Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses als stillschweigend vereinbart angesehen werden muß oder wenn die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen läßt.

So liegt es hier. Entschließen sich mehrere Automobilhersteller, zur Vermeidung von Betriebsausfällen mit Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe die Lieferantenverbindlichkeiten ihres Zulieferers zu decken, um die Belieferung aufrechtzuerhalten, so ist damit implizit die Zusage verbunden, daß die zu zahlenden Beträge effektiv fließen und nicht gleichzeitig durch Aufrechnung an anderer Stelle dem hilfsbedürftigen Unternehmen Gegenstände des Aktivvermögens in entsprechender Höhe genommen werden.

Daß dies interessengerechter Auslegung entspricht, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß - soweit ersichtlich - lediglich zwei der Teilnehmer am sogenannten Feuerwehrfonds versuchen, ihre Einzahlungen durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen zurückzugewinnen.

b. In diesem Zusammenhang bedurfte es keiner Vernehmung der von der Beklagten angebotenen Zeugen Dr. G und B. In das Wissen dieser Zeugen werden nämlich keine Tatsachen gestellt, sondern vielmehr der Umstand daß das Aufrechnungsverbot in § 9 Abs. 2 letzter Satz der Vereinbarung Anlage B 10 auf Wunsch des Insolvenzverwalters aufgenommen worden sei, der verhindern habe wollen, daß mit Schadensersatzansprüchen wegen Zahlungen in den Feuerwehrfonds gegen von ihm geltend zu machende Kaufpreisansprüche der Gemeinschuldnerin aufgerechnet werde. Die sodann ebenfalls unter Zeugenbeweis gestellte Schlußfolgerung der Beklagten, die Klausel betreffe deshalb nur "Neuforderungen", das heißt ab 13.11.2000 entstandene Kaufpreisansprüche der Gemeinschuldnerin und nicht "Altforderungen", die an die Klägerin abgetreten worden seien, betrifft den Bereich der Vertragsauslegung und Beweiswürdigung, der einem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist.

Im übrigen erscheint es dem Senat nach Sachlage nachvollziehbar, daß es dem Insolvenzverwalter in erster Linie um die Realisierung der ab Stellung des Insolvenzantrags entstehenden Lieferansprüche der Gemeinschuldnerin ging. Gleichzeitig darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Firma L und damit auch der (vorläufige) Insolvenzverwalter aus dem abgeschlossenen Factoring-Vertrag Treuepflichten hatte. Im Lichte dieser Treuepflichten verwundert es nicht, daß das Aufrechnungsverbot seinem Wortlaut nach auch Altforderungen betrifft, die die Klägerin der Firma L bereits vergütet hatte.

Darüber hinaus stünde der Aufrechnung der Beklagten mit einem durch den Feuerwehrfonds entstandenen Schadensersatzanspruch die gesamthänderische Bindung durch diesen Feuerwehrfonds (vgl. § 718 BGB) entgegen.

Wie sich bereits aus der Namensgebung, vor allem aber aus den weiteren Regelungen in § 9 Abs. 2 der Vereinbarung vom 31.01.2001 ergibt, stellt der Feuerwehrfonds eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 705 BGB dar, deren Vermögen treuhänderisch vom Insolvenzverwalter gehalten wurde. Der Feuerwehrfonds gleicht mithin dem Zusammenschluß mehrerer Beteiligter zur Wahrung ihrer Interessen im Rahmen einer Unternehmenssanierung, der als sogenannte Sanierungsgesellschaft nach allgemeiner Ansicht (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., Rn. 48 zu § 705 BGB; Münchner Kommentar zum BGB, 2. Aufl., Rn. 37 vor § 705 BGB) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts darstellt.

Bis zur Auseinandersetzung der Gesellschaft gemäß §§ 730 ff. BGB, die in diesem Falle vereinbarungsgemäß durch den Insolvenzverwalter vorzubereiten war, stand der Beklagten kein disponibler Schadensersatzanspruch zu, der einer Aufrechnung zugänglich gewesen wäre.

Allenfalls nach Abrechnung durch den Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 16.07.2001 (Anlage B 11) konnte der Beklagten ein bezifferbarer und für sie disponibler Anspruch entstehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte jedoch bereits zuverlässige Kenntnis von der Abtretung der Kaufpreisansprüche an die Klägerin, so daß eine Aufrechnung an § 406, 2. Halbsatz BGB scheitert.

2. Verlustpool:

Abrechenbare Schadensersatzansprüche der Beklagten im Zusammenhang mit dem Verlustpool bestehen aus mehreren Gründen nicht.

a. Einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 279, 325 BGB a.F. hat die Beklagte nicht dargetan. Insbesondere ist nicht näher dargelegt, inwieweit der erst im August 2001 erbrachte Beitrag zum Verlustpool darauf zurückzuführen ist, daß die Firma L V zur Erfüllung von bereits bei Begründung der Verpflichtung der Beklagten bestehenden Lieferverträgen nicht mehr in der Lage war.

Nach dem Gesamtbild der Vereinbarung vom 31.01.2001 verhielt es sich so, daß der Feuerwehrfonds dazu bestimmt war, die Lieferfähigkeit der Firma L vorläufig sicherzustellen, während das Ziel des Verlustpools dahin ging, ohne Rücksicht darauf, ob bereits entsprechende Lieferverpflichtungen bestehen oder nicht, den Geschäftsbetrieb von L und damit die Belieferung der Kunden auch für das Gesamtjahr 2001 zu sichern. Mithin war es nach Auslaufen der bereits begründeten Lieferverpflichtungen allein Sache der Kunden, ob sie - auf ihre Kosten - die Fortführung des Betriebs bei L durch Teilnahme am Verlustpool unterstützen wollten oder die Folgen einer ansonsten drohenden Nicht-Belieferung in Kauf nehmen wollten.

Nichts anderes bringt § 3 Abs. 2 Satz 4 der Vereinbarung vom 31.01.2001 zum Ausdruck, wenn dort formuliert ist, daß die Kunden mit den vorstehenden Zahlungen "zugleich im eigenen Interesse Aufwendungen" leisten, die dazu führen sollen, "die bei ihnen bereits eingetretenen oder im Falle einer Einstellung der Geschäftstätigkeit durch L bei ihnen zu befürchtenden Schäden (...) zu begrenzen oder zu minimieren".

Entsprechendes ergibt sich aus den "einleitenden Bemerkungen" der Vereinbarung, wo es wörtlich heißt:

"Die Automobilindustrie, namentlich die im Rubrum bezeichneten Kunden, wünschen eine Aufrechterhaltung und Fortführung des Geschäftsbetriebs auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, mit der Ende Januar/Anfang Februar 2001 gerechnet wird.

...

Die Kunden sind vor diesem Hintergrund bereit, im eröffneten Insolvenzverfahren zur Abdeckung der für das Geschäftsjahr 2001 zu erwartenden Verluste finanzielle Beiträge nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu leisten."

Dies zeigt, daß sich die Kunden, darunter die Beklagte, darüber im klaren waren, daß ihre freiwilligen Einzahlungen in den Verlustpool zwar verloren waren, jedoch gleichzeitig erhebliche finanzielle Vorteile infolge der Weiterbelieferung durch L gesichert wurden.

b. Darüber hinaus wären etwaige Gegenansprüche der Beklagten aufgrund der Verpflichtung zur Einzahlung in den Verlustpool zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vom 31.01.2001 (Anlage K 10) gesamthänderisch gebunden und nicht fällig gewesen. Wie sich aus § 3 Abs. 5 der Vereinbarung vom 31.01.2001 ergibt, stellten die Kunden hinsichtlich ihrer Verpflichtung zur Verlusttragung im Jahre 2001 Gesellschafter eines Verlustpools, mithin - wie bereits oben dargestellt - einer Gesellschaft bürglichen Rechts dar.

Aufgrund der gesamthänderischen Bindung (§ 718 BGB) konnte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt über eventuelle Schadensersatzansprüche aufgrund ihrer Einzahlungen in den Verlustpool nicht alleine verfügen. Wie die Beklagte selbst vorträgt, kam es erst am 21 Januar 2002 zu einem Abrechnungsvorschlag des Insolvenzverwalters hinsichtlich des Verlustausgleichsfonds (Anlage B 19), nach dem die Beklagte eine Nachzahlung von DM 104.750 zu leisten hatte.

Da ein fälliger Schadensersatzanspruch der Beklagten auch hier nur nach Auseinandersetzung (Abrechnung) des Verlustpools entstehen konnte, die Beklagte zu diesem Zeitpunkt aber bereits sichere Kenntnis von der Abtretung der Lieferforderungen von L an die Klägerin hatte, würde eine Aufrechnung auch hier an § 406 BGB scheitern.

c. Zwar enthalten die Regelungen in §§ 3 bis 5 der Vereinbarung vom 31.01.2001 kein ausdrückliches Aufrechnungsverbot, wie dies in § 9 Abs. 2 der Fall ist, jedoch ergibt sich ein Aufrechnungsverbot auch hier aus der Natur des Rechtsverhältnisses.

Die Regelung in § 3 Abs. 3 der Vereinbarung, wonach sich die Kunden verpflichten, den im Geschäftsjahr 2001 entstehenden Verlust von L auszugleichen bedeutet, daß die hiernach geschuldeten Beiträge effektiv bezahlt werden und bei der Firma L verbleiben. Lediglich für den Fall zu hoher Vorauszahlungen regelt § 5 Abs. 2, daß Zuvielzahlungen an den Kunden zurückerstattet werden.

An diesem, sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergebenden Aufrechnungsverbot ändert auch nichts, daß die vor Stellung des Insolvenzantrags entstandenen Forderungen der Firma L an die Klägerin abgetreten worden sind. Dies ergibt sich aus dem Regelungszweck des § 406 BGB, der dem Schuldner die Aufrechnungsbefugnis erhält, sofern die Aufrechnungslage in dem Zeitpunkt bereits bestand, zu dem er von der Abtretung Kenntnis erlangte (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Rn. 5 zu § 506 BGB). War mithin die Beklagte gegenüber der Firma L infolge des bestehenden Aufrechnungsverbots nicht zur Aufrechnung befugt, so erlangt sie diese Befugnis auch nicht dadurch, daß die Firma L Forderungen an die Klägerin verkauft und abgetreten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision ist kein Raum, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind. Weder weist die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung auf, noch erscheint eine Entscheidung des Revisionsgerichts unter den Gesichtspunkten einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Ende der Entscheidung

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