Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 17.05.2006
Aktenzeichen: 7 U 5560/05
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 425 Abs. 1
ZPO § 286
Haben Versender und Spediteur in ständiger Geschäftsbeziehung ein vereinfachtes Übernahmeverfahren dahin gehend vereinbart, dass die Ladeliste dem Spediteur per Datenfernübertragung (DFÜ) übermittelt wird, bleibt der Spediteur zu unverzüglicher Überprüfung und erforderlichenfalls Beanstandung der Versandliste auch dann verpflichtet, wenn im Einzelfall eine Datenfernübertragung nicht zustande kommt, er aber anhand eines der Sendung beigegebenen ausgedruckten Exemplars der Ladeliste deren Richtigkeit überprüfen kann.
Aktenzeichen: 7 U 5560/05

Verkündet am 17. Mai 2006

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Neumair und Dr. Barwitz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2006 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 03.11.2005 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.901,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % für die Zeit vom 17.03.2005 bis 13.04.2005 und in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 14.04.2005 zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über den Ersatz eines Transportschadens, den die Klägerin als Transportversicherer der Fa. D. Solartechnik in Höhe von 17.901,26 € reguliert hat. Die Beklagte übernahm in ständiger Geschäftsbeziehung für die Fa. D. Solartechnik Transportaufträge zu fixen Kosten. Dabei war vereinbart, dass die Ladeliste nach Beladung der bereit gestellten Wechselbrücke von der Fa. D. Solartechnik mittels des sogenannten IDS-Programms per Datenfernübertragung (DFÜ) an die Beklagte übermittelt wird. Zusätzlich wurde dem Fahrer ein Papierausdruck der Sendungsdaten mitgegeben.

Streitig ist, ob der Beklagten am 10.11.2004 eine Palette mit 28 S.-Modulen im Warenwert von 17.768,80 € zum Transport an den Streithelfer der Klägerin übergeben wurde. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da eine Übergabe des Guts in den Gewahrsam der Beklagten nicht erwiesen sei. Nach Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte am 10.11.2004 keine Sendungsdaten per DFÜ erhalten habe.

II.

Die Berufung erweist sich als begründet. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass ihr das verschwundene Packstück mit Solarmodulen nicht übergeben worden sei. Die Parteien haben nämlich in ständiger Geschäftsbeziehung ein vereinfachtes Übernahmeverfahren vereinbart, wonach die Ladeliste per DFÜ von der Absenderin an die Beklagte gesandt wird und der Kontrollvorgang nachgelagert bei der Beklagten durch Abgleich des Frachtgutes mit den Sendedaten geschieht. Bei dieser Handhabung kann der Absender nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) davon ausgehen, dass der Frachtführer nach Eintreffen der Wechselbrücke, auf die verladen wurde, die Richtigkeit der Versandliste unverzüglich überprüft und Beanstandungen dem Absender ebenfalls unverzüglich mitteilt. Unterbleibt, wie hier, eine unverzügliche Beanstandung, kann der Absender dies nach Sinn und Zweck des DFÜ-Verfahren als Bestätigung der Versandliste ansehen, die damit die Wirkung einer Empfangsbestätigung erhält (BGH TransportR 2005, 403).

Daran ändert nichts, dass im konkreten Fall bei der Beklagten keine Sendungsdaten per DFÜ eingegangen sind. Die Beklagte hätte dann nämlich anhand der das Gut begleitenden Ladeliste einen Abgleich vornehmen müssen, weil ihr klar sein musste, dass die Absenderin das Unterbleiben von Beanstandungen wie im normalen DFÜ-Verfahren als Bestätigung auffassen würde. Gerade dann, wenn die Beklagte keine solche Liste erhalten hat, wäre es geboten gewesen, anhand des Papierexemplars den Abgleich vorzunehmen. Da die Sendung ordnungsgemäß kommissioniert und verpackt bereit gestellt worden war, wie der Zeuge B. ausgesagt hat, spricht die Vermutung für eine vollständige Übernahme des Gutes, wenn Fehlmengen nicht unverzüglich reklamiert werden. Dass die Ladeliste vor der Beladung auf die Wechselbrücke erstellt wird, worauf die Berufung hinweist, versteht sich bei dem praktizierten Verfahren von selbst.

Die Beklagte haftet deshalb für den Warenverlust und zwar unbeschränkt, weil sie Ort und Zeit des Warenverlustes nicht eingrenzen konnte und ihr deshalb ein vorsatzgleiches Organisationsverschulden zur Last liegt.

Ende der Entscheidung

Zurück