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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 20.11.2002
Aktenzeichen: 7 U 5609/01
Rechtsgebiete: AGBG, HGB, GWB, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 9
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 2
AGBG § 9 Abs. 2 Ziff. 1 a. F.
HGB § 89 b
HGB § 92 c
HGB § 92 c Abs. 1
GWB § 34 a.F.
BGB § 242
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
1. Haben die Parteien die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart, so kann der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters oder eines Importeurs, der seine Tätigkeit bestimmungsgemäß nur außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums zu erbringen hat, auch dann wirksam abbedungen werden, wenn das nationale Recht des Tätigkeitslandes einen solchen Ausgleichsanspruch zwingend vorschreibt.

2. Ein Ausschluß des Ausgleichsanspruchs kann in den vorbezeichneten Fällen wirksam auch formularvertraglich vereinbart werden, da Vergleichsmaßstab im Rahmen des § 9 Abs. 2 Ziff. 1 AGBG a. F. allein das deutsche Recht ist. Die vom Gesetzgeber in § 92 c HGB getroffene Wertung ist bei der Ermittlung der "wesentlichen Grundgedanken" der Regelungen über den Ausgleichsanspruch zu berücksichtigen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 7 U 5609/01

Verkündet am 20.11.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Fiebig und Dr. Barwitz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2002 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 11. Oktober 2001 abgeändert und in Ziffern I und II wie folgt gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 70.055,05 nebst 5 % Zinsen hieraus seit 18.05.1999 zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 48 % und die Beklagte 52 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Wert der Beschwer beider Parteien im Berufungsverfahren übersteigt EUR 20.000,00.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Ausgleich in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB.

Die Klägerin befaßt sich mit dem Import und der Reparatur von Kraftfahrzeugen auf Jamaika, die Beklagte stellt u.a. Automobile her.

Am 22.12.1987 schlossen die Parteien einen Importeurvertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage K 1), der neben detaillierten Regelungen über die Rechte und Pflichten der Vertragsbeteiligten u.a. folgende Vereinbarungen enthält:

11.1 Laufzeit

Dieser Vertrag beginnt am 1. Januar 1988 und läuft bis zum 31. Dezember 1988 ...

12.9 Ersatzansprüche - sonstige Ansprüche

Weitere über die vorstehenden Regelungen hinausgehende gesetzliche Ansprüche aus Anlaß der Beendigung dieses Vertrages stehen dem Importeur nur unter der Voraussetzung zu, daß BMW Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Etwaige Ausgleichsansprüche - gleich aus welchem Rechtsgrund, sind in jedem Falle ausgeschlossen.

Darüber hinaus enthält der Vertrag eine Gerichtsstandsklausel mit dem Gerichtsstand München sowie eine Rechtswahlklausel, nach der auf alle Streitfälle über die Entstehung und Beendigung dieses Vertrages sowie über sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag das zwischen deutschen Kaufleuten in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht anzuwenden ist.

In den Folgejahren bis einschließlich 1994 bot die Beklagte jeweils mehrere Monate vor Ablauf der Befristung der Klägerin schriftlich die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, teils mit einer Laufzeit von 2 Jahren (Anlage K 2), teils mit einer Laufzeit von jeweils 1 Jahr (Anlagen K 3 und K 4) an. Ein entsprechendes Angebot der Beklagten zum Jahresende 1995 unterblieb, da die Beklagte eine Restrukturierung ihres Händlernetzes im Zuge der Akquisition des englischen Automobilherstellers R beabsichtigte.

Gleichwohl gab die Beklagte der Klägerin mit Faxschreiben vom 30.01.1996 (Anlage K 7) die Absatzziele für das Jahr 1996 bekannt und kündigte mit einem weiteren Schreiben vom 01.03.1996 eine gemeinsame Überprüfung der Zielvorgaben im Januar 1997 an.

Mit Schreiben vom 07.05.1996 (Anlage K 8) teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß der Vertrag zum 30.12.1995 beendet worden sei, keine Verlängerung stattgefunden habe und daß ab 01.10.1996 die Firma J Ltd., bisheriger Importeur der Firma R auf Jamaika, Alleinimporteur der Beklagten sein werde. Dieser Umstand wurde auch durch Berichte in der lokalen Presse von Juni 1996 (Anlage K 34) bis August 1996 (Anlagen K 9, K 30) bekannt gemacht.

Ein Angebot der Beklagten, als Untervertreter für den Alleinimporteur J Ltd. ab 01.10.1996 tätig zu werden, lehnte die Klägerin im August 1996 ab.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stünden Schadensersatzansprüche aufgrund verfrühter Beendigung des Vertrags durch die Beklagte sowie auf Zahlung eines Ausgleichsanspruchs entsprechend § 89 b HGB zu. Vor Beendigung des Importeurverhältnisses habe die Beklagte Vertrauenstatbestände auf den Fortbestand der Vertragsbeziehung gesetzt. Demgegenüber habe die Kündigung der Beklagten frühestens zum 31.12.1997 wirken können. Der Klägerin stehe daher ein Schadensersatzanspruch auch unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zu.

Die Klägerin hat dazu vorgetragen, nach Bekanntwerden des Übergangs der Importeurstellung auf die Firma J habe sie einer Reihe von Kunden bei bereits bestellten Fahrzeugen Preisnachlässe gewähren müssen, da die Kunden eine Verschlechterung hinsichtlich Service und Ersatzteilbelieferung befürchtet hätten. Bei 6 Kunden habe sich dies auf insgesamt DM 107.189,20 addiert.

Darüber hinaus habe die Klägerin einen Einnahmeausfall in Höhe von DM 29.826,56 dadurch erlitten, daß die Beklagte mit Faxschreiben vom 09.07.1996 (Anlage K 32) 3 Bestellungen storniert habe.

Weiterhin hat die Klägerin entgangenen Gewinn für den Zeitraum vom 01.10.1996 bis 31.12.1997, Ersatz von Kosten für Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen am Betriebsgebäude, vergebliche Werbeaufwendungen und andere Positionen verlangt. Insgesamt hat die Klägerin einen Schadensersatzanspruch von DM 584.124,00 errechnet.

Schließlich hat die Klägerin die Ansicht vertreten, ihr stehe ungeachtet des Ausschlusses von Ausgleichsansprüchen in Ziffer 12.9 des Vertrags ein Anspruch in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB zu, den sie in Anwendung der sog. Münchener Formel auf DM 125.649,98 errechnet hat.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 709.773,98 zzgl. 10 % Zinsen p.a. hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Importeurvertrag sei zum 31.12.1995 beendet worden. Weder habe die Beklagte Vertrauenstatbestände geschaffen, noch sei es zu einer stillschweigenden Verlängerung des Vertragsverhältnisses gekommen. Einen solche Verlängerung habe bereits aufgrund der Schriftformklausel im Vertrag und aufgrund des § 34 GWB a.F. nicht wirksam werden können. Personen, aus deren konkludentem Verhalten die Klägerin eine stillschweigende Verlängerung ableite, hätten keine Vertretungsmacht gehabt. Die Richtigkeit der von der Klägerin vorgelegten Jahresabschlüsse hat die Beklagte ebenso wie weitere Schadenspositionen bestritten. Darüber hinaus hat die Beklagte die Auffassung vertreten, daß die Klägerin dadurch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe, daß sie das Angebot der Beklagten, unter dem neuen Importeur als Händler weiter tätig zu werden, abgelehnt habe.

Daß ein Anspruch auf Ausgleich entsprechend § 89 b HGB nicht bestehe, hat die Beklagte aus § 92 c HGB abgeleitet und darüber hinaus die Auffassung vertreten, daß der Ausschluß von Ausgleichsansprüchen auch nicht gegen § 9 AGBG verstoße.

Das Landgericht hat nach Einvernahme der Zeugen M, J, J und E mit Endurteil vom 11.10.2001 auf die Klageforderung DM 262.139,98 zugesprochen und zur Begründung ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von DM 137.075,00 aufgrund vorzeitiger Vertragsbeendigung durch die Beklagte zu. Die 1-jährige Laufzeitklausel sei gemessen an § 9 AGBG unwirksam. Angemessen sei eine Kündigungsfrist von 1 Jahr zum Jahresende, so daß hier das Vertragsverhältnis bis zum 31.12.1997 fortbestanden habe. Die Beklagte habe einen "gewissen Vertrauenstatbestand" geschaffen, den sie durch den Abbruch der Vertragsbeziehung verletzt habe. Schadensersatz nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung könne die Klägerin jedoch nicht auf der Grundlage des entgangenen Gewinns verlangen, da die Richtigkeit der von ihr vorgelegten Jahresabschlüsse von der Beklagten bestritten, von der Klägerin jedoch kein Beweis für deren Richtigkeit angeboten worden sei. Daher könne die Klägerin nur Schadensersatz hinsichtlich der drei stornierten Aufträge und der von Kunden erzwungenen Preisnachlässe verlangen, so daß daraus ein Schadensersatzanspruch von DM 137.075,00 resultiere.

Daneben stehe der Klägerin ein Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB in Höhe von DM 125.649,98 zu. § 92 c HGB sei nicht in der Lage, die Regelung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGB außer Kraft zu setzen. Die Wandlung in dispositives Recht lasse die Schutzbedürftigkeit des Importeurs als schwächeren Vertragspartner nicht entfallen. Einbindung in die Absatzorganisation der Beklagten und die Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms seien bei der Klägerin als Importeur wie bei einem Vertragshändler gegeben.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag auf Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Auffassung, daß die Argumentation des Landgerichts zur Unzulässigkeit der Befristung des Vertrags aufgrund des § 9 AGBG nicht stichhaltig sei. Auch verstoße eine vertraglich vereinbarte Befristung nicht stets gegen § 242 BGB, die Schaffung eines besonderen Vertrauenstatbestands durch die Beklagte habe die Klägerin nicht bewiesen. Auf jeden Fall habe das Landgericht ein haftungsausschließendes Mitverschulden der Klägerin nicht berücksichtigt, die eine Weiterbelieferung mit Fahrzeugen der Beklagten als Händler des neuen Importeurs habe sicherstellen können.

Hinsichtlich der vom Landgericht zugesprochenen Schadenspositionen habe das Landgericht nicht erkannt, daß das Vorbringen der Klägerin nicht substantiiert bzw. nicht bewiesen sei.

Darüber hinaus habe das Landgericht zu Unrecht das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs bejaht. § 92 c HGB gestatte den Ausschluß, des Ausgleichsanspruchs auch in einem Formularvertrag. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Recht des Vertragsgebiets keinen Ausgleichsanspruch kenne. Dazu habe die Beklagte bereits in der Klageerwiderung und auch später vorgetragen, daß das Recht von Jamaika einen Ausgleichsanspruch nicht kenne.

Schließlich habe das Landgericht auch die Einwände der Beklagten bei Anwendung der sog. Münchener Formel nicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt

Zurückweisung der Berufung

und verteidigt das landgerichtliche Urteil mit ihrem erstinstanzlichen Vorbringen.

Hinsichtlich des Bestehens eines Ausgleichsanspruchs vertieft die Klägerin ihre Rechtsausführungen dahingehend, daß die Anwendung des § 92 c HGB nicht zu einer Diskriminierung von Händlern/Importeuren in Drittstaaten führen dürfe. Notfalls müsse zur Frage der Wirksamkeit des § 92 c HGB eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs eingeholt werden.

Im übrigen wird auf den Tatbestand des Ersturteils, die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 09.10.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat insoweit Erfolg, als ein Ausgleichsanspruch der Klägerin nicht besteht. Als unbegründet erweist sich die Berufung der Beklagten hingegen soweit sie ihre Schadensersatzverpflichtung bekämpft. Dahingehend war das landgerichtliche Urteil abzuändern.

1. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung bejaht. Durch schlüssiges Verhalten der Parteien kam es zur Fortsetzung des Importeurvertrags zumindest um ein weiteres Jahr (das Jahr 1996), so daß sich der Abbruch der Vertragsbeziehungen durch die Beklagte im Mai 1996 als Vertragsverletzung darstellt.

a) Unstreitig wurde die Lieferbeziehung zwischen der Beklagten und der Klägerin im Jahr 1996 zunächst fortgesetzt. Soweit sich die Beklagte insofern gegen einen Vertragsschluß durch konkludentes Verhalten mit der Begründung wendet, die hiermit befaßten Mitarbeiter der Beklagten seien nicht vertretungsbefugt gewesen, ist dies nicht stichhaltig und erstaunt vor allem vor dem Hintergrund des Schreibens, das von der Klägerin als Anlage K 7 vorgelegt wurde. Dieses Schreiben vom 30.01.1996 befaßt sich mit den Absatzzielvorgaben für das Jahr 1996 und ist von den Mitarbeitern W und C jeweils mit dem Zusatz "i.V." unterzeichnet. Entsprechend der bisherigen Vertragspraxis der Parteien ist darin der Abschluß eines weiteren Importeurvertrags jedenfalls für den Zeitraum des Jahres 1996 zu sehen.

Da im Berufungsverfahren nur noch Schadenspositionen der Klägerin aus dem Jahr 1996 in Frage stehen, kann dahingestellt bleiben, ob und ggf. in welchem Umfang sich das Vertragsverhältnis der Parteien auch noch in das Jahr 1997 hinein verlängert hat.

Einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses um ein weiteres Jahr steht entgegen der Auffassung der Beklagten das Schriftformerfordernis des § 34 GWB a.F. nicht entgegen. Insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, daß nach dem Schutzzweck der Norm dieses Schriftformerfordernis nicht für solche Verträge gilt, die lediglich im Ausland wirksam werden. Dem Senat ist nicht ersichtlich, inwieweit der Importeurvertrag zwischen der Beklagten und der Klägerin den Wettbewerb im Inland in fühlbarer Weise beeinträchtigen könnte angesichts des Umstands, daß die Klägerin im Jahre 1996 38 Automobile der Marke B importiert hat.

Auch die in Ziffer 13.3 des Vertrags vom 22.12.1987 enthaltene Schriftformklausel steht einer konkludenten Verlängerung des Vertragsverhältnisses nicht entgegen. Die Schriftformklausel galt zunächst für die Vertragslaufzeit vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1988. Sie wurde - wie sich aus den Verlängerungsangeboten der Beklagten (Anlagen K 2 bis K 4) ergibt - jeweils durch Bezugnahme in schriftlichen Vereinbarungen Gegenstand auch der weiteren Vertragslaufzeiten. Jedoch konnten die Parteien die Abrede der Schriftform jederzeit aufheben, wobei die Aufhebung der Formabrede ebenso wie deren Begründung keinerlei Formzwang unterlag und ein besonderer Aufhebungswille der Parteien nicht bestehen mußte (siehe BGH, Urteil vom 22.04.1982, WM 1982, 902; Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Auflage, Rdnr. 14 zu § 125 BGB).

Die vom übereinstimmenden Willen der Parteien getragene Fortsetzung des Importeurverhältnisses im Jahre 1996 stellt sich mithin als Abbedingung der bis dahin bestehenden Schriftfomrabrede durch schlüssiges Verhalten der Parteien dar.

b) Die Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte stellt daher eine Verletzung der Leistungstreuepflicht dar, die nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung einen Schadensersatzanspruch der Klägerin begründet (Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Auflage, Rdnr. 114 zu § 276 BGB).

c) Den Umfang des zu ersetzenden Schadens hat das Landgericht zutreffend bestimmt. Insbesondere ist die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Urteil kann Bezug genommen werden. Ergänzend bleibt zum Berufungsvorbringen folgendes anzumerken:

Das Bemühen der Beklagten im Berufungsverfahren, weiterhin darzutun, daß der Klägerin aus der unstreitigen Stornierung von Bestellungen im Juli 1996 kein Schaden entstanden sei, befremdet einerseits und ist andererseits spekulativ. Selbst für den Fall, daß die vom Telefax der Beklagten vom 09.07.1996 (Anlage K 32) erfaßten Bestellungen nicht die im klägerischen Schriftsatz vom 29.09.1999 (Bl. 128 d.A.) aufgeführten Bestellungen betroffen haben sollten, vermag dies einen Schaden der Klägerin nicht ernstlich in Frage zu stellen. Für den Fall der Richtigkeit dieser Mutmaßung der Beklagen wären vielmehr lediglich andere Bestellungen von der Verletzung der Leistungstreuepflicht seitens der Beklagten betroffen gewesen. Das weitere Vorbringen, daß die Klägerin möglicherweise oder wahrscheinlich an die betroffenen Kunden Lagerfahrzeuge ausgeliefert habe und mithin kein Schaden entstanden sei, ist spekulativer Art, zeigt doch gerade der Umstand, daß der Beklagten drei Bestellungen weitergeleitet wurden, daß diesen Kunden der Klägerin gerade daran gelegen war, ein nach ihren Bedürfnissen zugeschnittenes Fahrzeug zu erhalten und nicht etwa aus dem - von der Beklagten unterstellten - Lagerbestand der Klägerin ein vorrätiges Fahrzeug zu erwerben. Soweit die Beklagte weiter einwendet, die Klägerin habe beispielsweise zur Berücksichtigung von Preisnachlässen nicht substantiiert vorgetragen, ist anzumerken, daß Preisnachlässe unter dem Druck der von der Beklagten einseitig beendeten Vertragsbeziehung ohnehin nicht zu Lasten der Klägerin gingen.

Es besteht daher in Anwendung des § 287 ZPO kein Anlaß, den von der Klägerin geltend gemachten Einnahmeausfall in Höhe von DM 29.826,56 zu kürzen.

Die von Kunden erzwungenen Preisnachlässe hat die Klägerin insbesondere aufgrund der Bekundungen des Zeugen S bewiesen. Der Umstand, daß bei der Klägerin ein Lagerbestand vorhanden gewesen sein mag, stellt die Glaubwürdigkeit der Angaben des Zeugen nicht in Frage. Auch die weiteren Ausführungen der Beklagten hierzu sind nicht substanzhaltig.

Mithin stehen der Klägerin als Schadensersatz insgesamt DM 137.015,76, das sind EUR 70.055,05, zu. Ein diesbezügliches Rechenversehen des Landgerichts war zu berichtigen.

2. Allerdings steht der Klägerin entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB nicht zu. Ein solcher Anspruch wurde in Ziffer 12.9 des Importeurvertrags wirksam abbedungen ohne Rücksicht darauf, ob das nationale Recht des Staates Jamaika einen solchen Ausgleichsanspruch kennt oder gar zwingend vorschreibt.

a) Die Parteien haben in Ziffer 13.5 des Importeurvertrags wirksam vereinbart, daß hinsichtlich sämtlicher Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht anzuwenden ist.

b) Für diesen Fall erlaubt § 92 c Abs. 1 HGB eine Abweichung auch von zugunsten des Handelsvertreters zwingenden Vorschriften wie etwa § 89 b HGB generell für den Fall, daß der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer nach dem Vertrag nicht innerhalb des Gebietes der Europäischen Gemeinschaft oder der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat.

Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, daß es einer teleologischen Reduktion des § 92 c Abs. 1 HGB bedürfe, da Zweck der Vorschrift es sei, dem Unternehmen einen Gestaltungsspielraum zur Anpassung des Handelsvertretervertrages an die besonderen Verhältnisse des ausländischen Tätigkeitsortes zu ermöglichen. Dies habe zur Folge, daß ein Anpassungsbedarf über § 92 c HGB nicht bestehe, wenn das anwendbare ausländische Recht einen (mit § 89 b HGB) vergleichbaren Schutz des Handelsvertreters vorsehe (Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1,3. Auflage, Rdnr. 2424).

Dieser Auffassung kann sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des 23. Senats vom 11.01.2002, Az.: 23 U 4416/01, OLG Report 2002, 237, nicht anschließen. Vielmehr läßt § 92 c Abs. 1 HGB den Ausschluß des Ausgleichsanspruchs gerade auch dann zu, wenn der Handelsvertreter (oder hier: Importeur) nach dem ohne die Wahl des deutschen Rechts anwendbaren Drittlandrecht einen solchen Ausgleichsanspruch zwingend hätte (so auch Hopt, Handelsvertreterrecht, 2. Auflage 1999, Rdnr. 6 zu § 92 c HGB; Münchner Kommentar zum HGB, Rdnr. 16 zu § 92 c; Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Rdnr. 13 zu § 92 c). Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, daß dem von den Parteien gerade abbedungenen Recht des Drittlands ein Primat zukäme, das weder im Wortlaut noch in der Entstehungsgeschichte des § 92 c Abs. 1 HGB eine Stütze findet.

Für eine Vorlage der Frage, ob § 92 c Abs. 1 HGB gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Artikel 6 EGV verstößt, sieht der Senat keine Veranlassung. Anhaltspunkte für eine Diskriminierung im Sinne dieser Vorschrift bestehen bereits deshalb nicht, da die Klägerin zwischen den Parteien unstreitig niemals Tätigkeiten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder des Europäischen Wirtschaftsraums ausgeübt hat und solche Aktivitäten auch nach dem abgeschlossenen Importeurvertrag nicht zu entfalten hatte.

c) Eine Unwirksamkeit des Ausschlusses eines Ausgleichsanspruchs ergibt sich auch nicht aus § 9 AGBG.

Bei Prüfung der Frage, ob eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, zu vereinbaren ist, darf nicht isoliert auf § 89 b HGB abgestellt werden, sondern es muß ebenso § 92 c HGB in die Betrachtung einbezogen werden. Da die letztgenannte Bestimmung ausdrücklich im Rahmen ihres Geltungsbereichs Vereinbarungen zuläßt, die auch § 89 b HGB abbedingen, kann in solchen Fällen nicht von einer Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung die Rede sein.

Auch hier muß außer Betracht bleiben, ob das Recht des Tätigkeitslandes einen Ausgleichsanspruch (zwingend) vorschreibt. Meßlatte des § 9 AGBG ist nämlich allein das anzuwendende deutsche Recht, nicht aber das (abbedungene) Recht des Tätigkeitslandes.

Auch insoweit sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit dem zitierten Urteil des 23. Senats vom 11.01.2002 (OLG Report 2002, 237, 238).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Entscheidung hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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