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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 01.07.2002
Aktenzeichen: 7 W 1684/02
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 46
GmbHG § 49 Abs. 1
GmbHG § 51
Die Gesellschafterversammlung einer GmbH kann auch durch deren Gesellschafter allein einberufen werden, wenn alle Gesellschafter damit einverstanden sind.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 7 W 1684/02

In dem Rechtsstreit

wegen Prozesskostenhilfe

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 01. Juli 2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 05. April 2002 aufgehoben.

Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt.

Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwalt Dr. B. beigeordnet.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Landgerichts München I vom 05. April 2002 ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1 und § 569 Abs. 1 ZPO zulässig und hat in der Sache Erfolg. Die 19-jährige, noch in einem Ausbildungsverhältnis stehende Antragstellerin kann die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen; ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichend Aussicht auf Erfolg und stellt sich nicht als mutwillig dar (§ 114 ZPO). Die von der Antragstellerin angefochtenen und im Namen der Beklagten gefassten Beschlüsse vom 04.05. und 17.07.2001 erscheinen analog § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG nichtig.

1. Die angefochtenen Beschlüsse vom 04.05.2002 sind auf einer wohl nicht einberufenen Gesellschafterversammlung gefasst worden.

Die Antragstellerin hat unter Vorlage eines entsprechenden Protokolls und der Benennung von Zeugen dargetan, dass sie als Gesellschafterin der Beklagten zu der auf den 04.05.2001 um 10.00 Uhr in die Räume der Fa. R. an der M.str. in München einberufenen Gesellschafterversammlung der Beklagten pünktlich gekommen ist, von der Mitgesellschafterin G. zur Ausübung deren Stimmrechts auf dieser Versammlung bevollmächtigt worden war und die Gesellschafterversammlung sogleich bis 10.02 Uhr durchgeführt hat, nachdem der dritte Gesellschafter und damalige Geschäftsführer der Beklagten, S., zu diesem Zeitpunkt nicht erschienen ist. Wenn dann S., der in Folge einer fehlerhaften Code-Karte in der Tiefgarage des Anwesens M.str. zunächst festgehalten worden und um 10.08 Uhr gekommen sein will, nunmehr seinerseits eine Gesellschafterversammlung durchführt, so stellt sich diese auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin als eine eigene, ohne Ladung der anderen Gesellschafterinnen abgehaltene Gesellschafterversammlung dar. Die dabei gefassten Beschlüsse dürften mithin nichtig sein (vgl. BGHZ 87, 1 ff.). Daran ändert auch nicht, dass die Beschlüsse der um 10.00 Uhr begonnenen Gesellschafterversammlung möglicherweise selbst zumindest anfechtbar waren.

2. Die angefochtenen Beschlüsse vom 17.07.2002 sind auf einer wohl nicht ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung gefasst worden.

Unbeschadet der Frage, ob S. am 04.05.2001 wirksam oder zumindest schwebend wirksam als Geschäftsführer abberufen worden war, durfte er eine Gesellschafterversammlung der Beklagten für den 17.07.2001 nicht einberufen. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 19.06.2001 hatte sich einstimmig auf den 19.07.2001 vertagt. S. war daher insbesondere in der von ihm behaupteten Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten durch diese Entscheidung der Gesellschafterversammlung gebunden, zumal es an beiden Terminen nach dem Willen von Su. um dieselben Tagesordnungspunkte gehen sollte. Das folgt aus der Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstes, mit Generalzuständigkeit ausgestattetes Willensbildungsorgan und aus § 51 Abs. 3 GmbHG. Diese Vorschrift lässt es zu, dass die Versammlung ohne Mitwirkung eines anderen Organs von sich aus zusammentritt, wenn sie nur von der Gesamtheit der Gesellschafter getragen wird. Ist aber das möglich, muss auch die Terminfestsetzung durch Einvernehmen aller Gesellschafter möglich sein. § 51 Abs. 3 GmbHG zeigt ebenso wie § 48 Abs. 2 GmbHG - der bei Einverständnis aller Gesellschafter sogar die Beschlussfassung ohne Versammlung zulässt -, dass die Vorschriften über die Einberufung nicht dazu dienen, die Kompetenz der Gesellschafterversammlung zu beschränken, sondern nur dazu, eine ordnungsgemäße Ladung der Gesellschafter zu ermöglichen (Karollus in EWIR 1994, 567; auch Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., Rn. zu § 49; ähnlich Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., Rn. 11 zu § 49; enger Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., Rn. 2 ff. zu § 49). Zudem kommt die Einberufung der Gesellschafterversammlung auf den 17.07.2001 durch S. einer Absage der Gesellschafterversammlung vom 19.07.2001 durch ihn gleich. Absagen kann die Gesellschafterversammlung aber nur derjenige, der sie einberufen hat. Sonst könnten die Kompetenzen zur Einberufung ausgehebelt werden (OLG Hamm DB 1992, 265; der erkennende Senat in DB 1994, 320, 321).

3. Im Hinblick darauf, dass Nichtigkeits- und Anfechtungsklage mit der richterlichen Klärung der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen mit Wirkung für und gegen jedermann dasselbe materielle Ziel verfolgen (BGHZ 134, 364 ff.), bestehen keine Bedenken, in der als Anfechtungsklage erhobenen, ersichtlich aber insbesondere auf Nichtigkeitsgründe gestützten Klage gleichzeitig eine Nichtigkeitsklage analog § 249 AktG zu sehen, auf die die Vorschrift des § 246 Abs. 1 AktG über die Anfechtungsfrist keine Anwendung findet.

4. Schließlich bestehen keine Bedenken dagegen, wie es das Erstgericht schon jetzt stillschweigend getan hat, nach § 57 ZPO den Gesellschafter S. als Prozesspfleger für die Beklagte zu bestellen. Damit würden die divergierenden Meinungen der Gesellschafter vollständig im Rechtsstreit vertreten sein.

Ende der Entscheidung

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