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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 11.04.2002
Aktenzeichen: U (K) 2142/02
Rechtsgebiete: EnWG, ZPO


Vorschriften:

EnWG § 6 Abs. 1
ZPO § 935
ZPO § 940
1. Zur Sicherung des einem Stromlieferanten zustehenden Individualanspruchs nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG kann im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein auf Durchleitung von Strom zu der betreffenden Abnahmestelle gerichteter Verfügungsanspruch gegen den Netzbetreiber unabhängig davon gegeben sein, welchen genauen Inhalt der Anspruch aus § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren hat.

2. Der Netzbetreiber kann die Durchleitung von Strom seitens des Stromlieferanten nicht vom vorherigen Abschluss eines Netznutzungsvertrags mit dem Endkunden abhängig machen, wenn die im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG gebotene Interessenabwägung zugunsten des Stromlieferanten ausgeht.


Aktenzeichen: U (K) 2142/02

Verkündet am 11.04.2002

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Jackson und Dr. Kartzke aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.10.2001 - 3 O 8002/01 abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache bezüglich des Antrags der Antragstellerin auf Durchleitung (Netznutzung) zu der Abnahmestelle P. B., ..., Erlangen erledigt ist.

3. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, diese zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern der Antragsgegnerin, verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Kunden der Antragstellerin, die ihren Sitz im Netzbereich der Antragsgegnerin haben, schriftlich oder mündlich zu behaupten,

a) für die Entnahmestelle sei der Abschluss des Netznutzungsvertrages mit dem Kunden erforderlich

und/oder

b) die Netznutzung sei erst nach Vorliegen eines Netznutzungsvertrages mit dem Kunden möglich

und/oder

c) die Antragstellerin sei nicht in der Lage, die betreffende Abnahmestelle zu beliefern, sofern nicht ein Netznutzungsvertrag mit dem Kunden abgeschlossen worden sei.

4. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten, die durch die Einlegung der Berufung beim Oberlandesgericht Nürnberg entstanden sind; diese Kosten trägt die Antragstellerin.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass sich die Antragsgegnerin weigert, Strom ohne vorherigen Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen Endkunden und Antragsgegnerin durch deren Stromnetz in Erlangen zu leiten. Die Antragstellerin ist ein Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in Hamburg. Sie bietet bundesweit elektrische Energie für Privatverbraucher und Gewerbekunden an. Die Antragsgegnerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Sie unterhält im Stadtbereich von Erlangen ein Stromnetz und ist dort auch als Stromlieferantin tätig. Die Antragstellerin beliefert auch Kunden im Netzbereich der Antragsgegnerin mit Strom. Sie tat dies zunächst im Wege der Beistellung aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, sodann auf der Grundlage eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Stromhändler-Rahmenvertrages vom 25.04./08.05.2001 (Anlage AG 3). In diesem Vertrag heißt es u.a.:

"1.2 Grundlage der Abwicklung der Belieferung der Kunden des Lieferanten sind weiter der zwischen E. und dem jeweiligen Kunden abgeschlossene Netznutzungsvertrag sowie der der Entnahmestelle zu Grunde liegende Netzanschlussvertrag...

...

4.2 Die Einbeziehung von Kunden des Lieferanten in diesen Vertrag erfolgt nur, wenn

a) ein Netznutzungsvertrag zwischen E. und Kunden für die Entnahmestelle ... besteht."

Die Unterzeichung dieses Vertrags erfolgte seitens der Antragstellerin unter dem Vorbehalt der rechtlichen und/oder kartellrechtlichen Überprüfung. Die Antragsgegnerin akzeptierte diesen Vorbehalt mit Schreiben vom 08.05.2001 (Anlage Ast 6).

Mit Schreiben vom 24.08.2000 (richtig: 2001) (Anlage Ast 12) teilte die Antragsgegnerin der B. AG u.a. Folgendes mit:

"für Ihre Abnahmestelle in Erlangen, ... haben Sie ab 03.08.2001 die H, als Lieferanten gewählt. ...

Da sämtliche Versorgungseinrichtungen wie Anschluss und Messeinrichtung auch weiterhin in unserem Verantwortungsbereich bleiben ist für die Entnahmestelle der Abschluss von einem Netzanschluss- sowie einem Netznutzungsvertrag erforderlich. Den Netznutzungs-Vertrag haben wir entsprechend Ihrer Vollmacht an die H. gesandt. Den Netzanschluss-Vertrag legen wir in doppelter Ausfertigung als Anlage bei.

Wir machen darauf aufmerksam, dass der Netzanschluss-Vertrag vom Eigentümer der Immobilie zu unterschreiben ist. ...

Füllen Sie bitte die Verträge an den entsprechenden Stellen aus und senden Sie diese bis spätestens 20.09.2001 unterschrieben wieder zurück. Beachten Sie bitte, dass erst nach Vorliegen sämtlicher Verträge die Netznutzung möglich ist."

Mit Schreiben vom 27.08.2001 (Anlage Ast 7) richtete die Antragstellerin eine Netznutzungsanfrage wegen Versorgungsaufnahme bei dem Kunden D., dem seinerzeitigen Pächter des E.-Marktes, ... in Erlangen, an die Antragsgegnerin. Die Antragstellerin beantragte ab dem 01.10.2001 die Netznutzung für die genannte Abnahmestelle. In der Folgezeit weigerte sich die Antragsgegnerin, diese Netznutzung ohne vorherigen Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen ihr und dem Endkunden zu gestatten. Im Zusammenhang mit der begehrten Netznutzung kam es am 27.08.2001 zu einem Telefonat zwischen dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin P. und der Mitarbeiterin der Antragstellerin H. Im Rahmen dieses Telefonats erklärte der Mitarbeiter der Antragsgegnerin P., es sei unabdingbar, dass vor einer Versorgung im Wege der Netznutzung ein Netznutzungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und dem Endkunden unterschrieben werde, ansonsten sei eine Netznutzung durch die Antragstellerin nicht möglich. Ferner sagte er, dass er den fraglichen Kunden anschreiben und ihm mitteilen werde, dass die Antragstellerin nicht dazu in der Lage sei, ihn zu beliefern.

Mit Schreiben vom 11.09.2001 (Anlage Ast 11) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin bezüglich des Kunden E., ... in Erlangen u.a. mit, dass sie diesen Kunden erst nach Abschluss der erforderlichen Verträge, darunter des Netznutzungsvertrags mit diesem Kunden, in die Netznutzung aufnehmen werden und dass die Beistellung nur bis 30.09.2001 vorgesehen sei; einer Verlängerung der Beistellung stimmte die Antragsgegnerin nicht zu.

Mit Anwaltsschreiben vom 12.09.2001 (Anlage Ast 13) mahnte die Antragstellerin die angeblich wettbewerbswidrigen Äußerungen der Antragsgegnerin gegenüber der B. AG sowie die Äußerungen in Bezug auf den Kunden D. ab. Die Antragsgegnerin lehnte die Abgabe der geforderten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab. Nach Verkündung des Urteils des Landgerichts teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 28.11.2001 (Anlage Ast 25) bezüglich der Abnahmestelle ... in Erlangen u.a. Folgendes mit:

"Mit Freude haben wir festgestellt, dass sich die H. nun doch bereit erklärt haben, einen Netznutzungsvertrag in Vollmacht Ihres Kunden für die im Betreff genannte Verbrauchsstelle abzuschließen.

Damit steht einer Einbeziehung dieses Kunden in den Stromhändlerrahmenvertrag jetzt nichts mehr im Wege."

In der Folgzeit wechselte der Pächter des E.-Marktes, ... in Erlangen. Neuer Pächter an Stelle der Firma D ist seit 07.12.2001 P. B.. Die Antragstellerin meldete P. B. mit Antrag vom 30.11.2001 zur Netznutzung mit denselben Daten wie D. an. Am 02./20.12.2001 schlossen die Antragsgegnerin und P. B., letzterer vertreten durch die Antragstellerin, einen von der Antragsgegnerin vorformulierten Netznutzungsvertrag hinsichtlich der genannten Abnahmestelle ab. Die Antragstellerin unterschrieb diesen Vertrag unter dem Vorbehalt der rechtlichen und kartellrechtlichen Nachprüfung.

Seit 08.12.2001 gestattet die Antragsgegnerin die Durchleitung zu der betreffenden Abnahmestelle.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, sie habe einen Verfügungsanspruch nach § 6 EnWG. Die Antragsgegnerin könne nicht verlangen, dass die Netznutzung davon abhängig gemacht werde, dass ein Netznutzungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und den Kunden/Abnahmestellen der Antragstellerin geschlossen werde. Die Netzbetreiber, die einem Kontrahierungszwang unterlägen, seien nach dem Gesetz verpflichtet, ihr Netz anderen Unternehmen - jedoch nicht Privatpersonen - für Durchleitungen zur Verfügung zu stellen. § 6 Abs. 1 EnWG gewähre einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Netzzugang. Der Stromlieferant habe also zumindest Anspruch auf Abschluss eines Netznutzungsvertrags. Das von der Antragsgegnerin gewünschte Doppelvertragsmodell entspreche nicht den kartellrechtlichen Vorstellungen und könne diskriminierend wirken, weil der Kunde der Antragstellerin es mit zwei verschiedenen Vertragspartnern zu tun habe.

Ein Verfügungsgrund sei gegeben. Die Durchsetzung des Anspruchs auf Netzzugang gemäß dem Antrag zu 1 sei eilbedürftig. Dass in einem gewissen Umfang durch die Entscheidung im Verfügungsverfahren die Hauptsache vorweggenommen werde, stehe im konkreten Fall der einstweiligen Verfügung nicht entgegen, zumal diese zunächst nur auf einen begrenzten Zeitraum gerichtet sei. Die mit einer Hauptsacheklage verbundene Verzögerung der Durchsetzung des Anspruchs sei der Antragstellerin insbesondere wegen der gravierenden Beeinträchtigung ihrer Marktchancen nicht zuzumuten. Bezüglich der wettbewerbswidrigen Äußerungen der Antragsgegnerin und des diesbezüglichen Anspruchs sei ein Verfügungsgrund ebenfalls gegeben.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. Im Wege der einstweiligen Verfügung, wegen der besonderen Dringlichkeit ohne vorangegangene mündliche Verhandlung, wird der Antragsgegnerin geboten, der Antragstellerin die Durchleitung (Netznutzung) der angemeldeten, von ihr eingespeisten Strommengen gemäß Anlage Ast 7 zu der folgenden Abnahmestelle ab dem 01.10.2001 zu gestatten, zunächst auf die Dauer von sechs Monaten:

D., ..., Erlangen.

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Kunden der Antragstellerin, die ihren Sitz im Netzbereich der Antragsgegnerin haben, schriftlich oder mündlich zu behaupten,

a) für die Entnahmestelle sei der Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem Kunden erforderlich

und/oder

b) die Netznutzung sei erst nach Vorliegen eines Netznutzungsvertrages mit dem Kunden möglich

und/oder

c) die Antragstellerin sei nicht in der Lage, die betreffende Abnahmestelle zu beliefern, sofern ein Netznutzungsvertrag mit dem Kunden nicht abgeschlossen worden sei.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, aus dem Antrag der Antragstellerin gehe nicht hervor, ob sie eine Durchleitung nach der Verbändevereinbarung I oder eine Netznutzung nach der Verbändevereinbarung II begehre, da sie Durchleitung und Netznutzung gleichsetze. Ein Anspruch auf Netzzugang nach § 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG bestehe nur dann, wenn keine Gründe vorlägen, die dem Netzbetreiber die Durchleitung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unmöglich machten. In rechtlicher Hinsicht müsse ein Verweigerungsgrund dann bestehen, wenn dem Netzbetreiber im Zusammenhang mit einer Durchleitung rechtliche Nachteile entstünden, insbesondere wenn er gegenüber seinen im Rahmen der Durchleitung bestehenden Vertragspartnern keine Rechtssicherheit erlange bzw. erlangen könne. Bestünde ein Durchleitungsanspruch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG auch dann, wenn der Netzbetreiber sein Rechtsverhältnis zum Netzkunden nicht vertraglich fixiert habe, so würde der Netzbetreiber im Verhältnis zum Netzkunden nicht nur weitgehend rechtlos gestellt, sondern ihm würden auch so wesentliche Regelungsbereiche genommen wie etwa Haftungsbegrenzung, Grundstücksbenutzung, Zutrittsrechte, Ablehnung der Versorgung etc. Der Netzbetreiber habe ein fundamentales Interesse daran, zentrale Rechtsfragen im Rahmen eines Vertrags auch bei den Kunden zu regeln, die von einem Durchleitungsinteressenten versorgt würden. Vielfach seien, etwa bei Mietshäusern, Anschlussinhaber und Versorgungsempfänger nicht personenidentisch. Die legitimen Interesse des Netzbetreibers an der vertraglichen Regelung zahlreicher Rechtsfragen mit dem Netzkunden überwögen auch im Rahmen einer Abwägung der Marktzutrittsinteressen des Drittlieferanten. Das so genannte Doppelvertragsmodell gebe der Antragstellerin selbstverständlich die Möglichkeit, "alles aus einer Hand", also ein "all-inclusive-Angebot" zu unterbreiten.

Es liege auch kein Verfügungsgrund vor. Mit dem Antrag Nr. 1, an dessen Bestimmtheit Zweifel bestünden, begehre die Antragstellerin eine Leistungsverfügung, die die Hauptsache vorwegnehme. Es sei nicht ersichtlich, wieso ein Unternehmen von der Größe der Antragstellerin darauf angewiesen sein sollte, im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens eine Leistungsverfügung dahingehend zu erhalten, dass für eine einzige Abnahmestelle eine Durchleitung zugesprochen werde. Hinzu komme, dass die Antragstellerin nicht etwa die Durchleitung Zug um Zug gegen Zahlung eines entsprechenden Durchleitungsentgelts begehre. Auch für den Antrag Nr. 2 fehle ein Verfügungsgrund.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 31.10.2001 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei zum Teil unzulässig, zum Teil unbegründet. Soweit die Antragstellerin begehre, die Antragsgegnerin dazu zu verurteilen, ihr die Nutzung ihres Stromnetzes zu gestatten, sei der Antrag unzulässig. Insoweit stehe der Antragstellerin kein Verfügungsgrund zur Seite. Das Gebot an die Antragsgegnerin, der Antragstellerin die Nutzung ihres Netzes zu gestatten, wäre eine Leistungsverfügung. Die Antragstellerin habe keine Umstände vorgetragen, aus denen geschlossen werden könne, dass ihr aus der Weigerung der Antragsgegnerin, das Netz zu benutzen, weitere Nachteile entstünden als der, dass diese die betreffende Abnahmestelle nicht beliefern könne und insoweit diesen Kunden verlieren würde.

Hinsichtlich des Verbotsantrags Ziffer 2 der Antragsschrift bestünden keine Bedenken gegen die Zulässigkeit; die Dringlichkeit werde nach § 25 UWG vermutet. Der teilweise zulässige Antrag sei jedoch unbegründet. Die von der Antragsgegnerin im Schreiben an den Kunden der Antragstellerin vom 24.08.2000 formulierte Auffassung, auch der Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen der Antragsgegnerin und dem Kunden sei Voraussetzung für die Netznutzung durch die Antragstellerin, habe von der Antragsgegnerin so vertreten werden dürfen und sei nicht irreführend im Sinne des § 3 Satz 2 UWG. Gleiches gelte für die Aussage, die Antragsgegnerin sei nicht in der Lage, den Kunden zu beliefern, sofern nicht ein Netznutzungsvertrag abgeschlossen werde. Die Sachbefugnis der Antragstellerin ergebe sich unmittelbar aus § 3 UWG. Zwischen den Parteien bestehe ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis. Die Antragsgegnerin habe zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die angegriffenen Behauptungen unterlasse, da die Werbeaussagen nicht gegen den Verbotskatalog des § 2 UWG verstießen und auch nicht irreführend seien. Nach dem Vortrag der Parteien sei es der Antragsgegnerin unzumutbar, der Antragstellerin die Nutzung ihres Netzes zu gestatten, ohne dass sie einen Netznutzungsvertrag mit dem Endkunden schließe. Sie könne sich daher sowohl nach § 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG als auch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB weigern, der Antragstellerin die Netznutzung zu gestatten, ohne dass ein Netznutzungsvertrag mit dem Endkunden geschlossen werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die beim Oberlandesgericht Nürnberg eingelegte Berufung der Antragstellerin. Sie macht geltend, sie habe Anspruch auf die mit dem Klageantrag Nr. 1 begehrte Netznutzung auf der Basis eines zwischen ihr und der Antragsgegnerin abgeschlossenen Netznutzungsvertrags. Nach § 6 Abs. 1 EnWG habe der Stromhändler einen unmittelbaren Anspruch auf Durchleitung des Stroms durch das Netz. Mit dem Wortlaut und der Zielsetzung der einschlägigen Bestimmungen des EnWG sei es nicht in Einklang zu bringen, dass die Antragsgegnerin den Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen ihr und dem Kunden der Antragstellerin verlange, ehe sie der Antragstellerin Netznutzung gestatte. Eine vom Gesetzgeber nicht gewünschte Diskriminierung liege auch dann vor, wenn der Netzbetreiber gegenüber dem Stromhändler andere technische oder juristische Erfordernisses aufstelle, als dies im eigenen Bereich der Fall sei. Die Antragsgegnerin fordere nicht den Abschluss eines Netznutzungsvertrags vom Kunden, wenn dieser von ihr den Strom beziehe. Auch das von der Antragsgegnerin gewünschte Doppelvertragsmodell entspreche nicht den kartellrechtlichen Anforderungen. Der Antragsgegnerin sei es auch zumutbar, der Antragstellerin die Netznutzung ohne vorherigen Abschluss eines Netznutzungsvertrags mit dem Endkunden zu gestatten. Alle von der Antragsgegnerin für regelungsbedürftig erachteten Fragen könnten entweder im Netzanschlussvertrag oder aber in dem zwischen den Parteien zu schließenden Netznutzungsvertrag behandelt werden. Auch die Verbändevereinbarung vom 13.12.2001 verlange nicht den Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen Netzbetreiber und Einzelkunden. Im Rahmen der nach § 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG erforderlichen Abwägung stünden sich das Interesse der Antragstellerin, diskriminierungsfreien Zugang zum Netz der Antragsgegnerin zu erhalten, und das Interesse der Antragsgegnerin an einer Verwaltungsvereinfachung gegenüber; hierbei müsse das Interesse der Antragsgegnerin zurücktreten.

Die Durchsetzung des Anspruchs auf Netzzugang sei eilbedürftig. Ein Verfügungsgrund sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Leistungsverfügungen im Kartellrecht gegeben. Der Netzzugang sei unverzichtbare Voraussetzung für die Eröffnung des Wettbewerbs.

Der Verbotsantrag zu Nr. 2 richte sich gegen die unzutreffenden und irreführenden Werbeaussagen der Antragsgegnerin. Diese könne der Antragstellerin die Netznutzung nicht mit der Begründung verweigern, es sei noch kein Netznutzungsvertrag zwischen ihr und dem Kunden der Antragstellerin geschlossen worden.

Die Antragstellerin hat nach Berücksichtigung des Pächterwechsels in der Berufungsinstanz zunächst beantragt:

1. Unter Abänderung des Urteiles des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.10.2002 der Antragsgegnerin zu gebieten, der Antragstellerin die Durchleitung (Netznutzung) der angemeldeten, von ihr eingespeisten Strommenge zu der folgenden Abnahmestelle ab sofort zu gestatten, zunächst auf die Dauer von sechs Monaten:

P. B., ..., Erlangen

hilfsweise,

der Antragsgegnerin zu gebieten, der Antragstellerin die Durchleitung elektrischer Energie vom Einspeiseknoten der Antragsgegnerin von dem vorgelagerten Verteilnetz bis zu der oben in Ziffer 1. ersichtlichen Abnahmestelle auf der Basis von der Antragstellerin aufgegebener Arbeitswerte (kWh) und entsprechend berechneter Fahrpläne zu gestatten, in dem die Antragsgegnerin die aus Anlage Ast 7 ermittelbare Leistung und Arbeit von ihrem eigenen Bedarf abgrenzt und in dem sie diese Menge auf Rechnung der Antragstellerin aus dem Bilanzkreis H. im Bilanzkreis E. abruft.

Weiter hilfsweise:

Die Anordnungen gemäß Hauptantrag Ziffer 1. und/oder Hilfsantrag Ziffer 1. unter folgenden Zusätzen auszusprechen:

a) Zug um Zug gegen Zahlung eines angemessenen Entgeltes, wobei die Zahlungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgen,

weiter hilfsweise hierzu,

b) Zug um Zug gegen Zahlung eines angemessenen Entgeltes in Höhe von höchstens der in dem Preisblatt Nutzungsentgelte von der Antragsgegnerin veröffentlichten Entgelte zu gewähren, wobei die Zahlungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgen können,

weiter hilfsweise hierzu,

c) Zug um Zug gegen Zahlung eines angemessen Entgeltes in Höhe der in dem Preisblatt Nutzungsentgelte von der Antragsgegnerin veröffentlichten Entgelte.

2. der Antragsgegnerin ferner bei Vermeidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Kunden der Antragstellerin, die ihren Sitz im Netzbereich der Antragsgegnerin haben, schriftlich oder mündlich zu behaupten,

a) für die Entnahme sei der Abschluss des Netznutzungsvertrages mit dem Kunden mit dem Kunden erforderlich

und/oder

b) die Netznutzung sei erst nach Vorliegen eines Netznutzungsvertrages mit dem Kunden möglich

und/oder

c) die Antragstellerin sei nicht in der Lage, die betreffende Abnahmestelle zu beliefern, sofern ein Netznutzungsvertrag mit dem Kunden nicht abgeschlossen worden sei.

Im Termin vom 11.04.2002 hat die Antragstellerin den Antrag Nr. 1 in der Hauptsache im Hinblick auf die Ausführungen des Senats für erledigt erklärt.

Die Antragsgegnerin hat der Erledigungserklärung nicht zugestimmt. Sie beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie ist der Ansicht, der Antrag Nr. 1 sei mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Das Verlangen der Antragsgegnerin nach vertraglichen Regelungen ihres Verhältnisses zum drittbelieferten Kunden stelle kein diskriminierendes Vorgehen dar, sondern verfolge das existenzielle Ziel nach legitimer Rechtssicherheit. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EnWG gewähre nur einen Anspruch auf Durchleitung; dieser Anspruch bestehe nicht absolut, sondern sei nur diskriminierungsfrei zu gewähren. In rechtlicher Hinsicht müsse ein Verweigerungsgrund nach § 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG dann bestehen, wenn dem Netzbetreiber im Zusammenhang mit einer Durchleitung rechtliche Nachteile entstünden, insbesondere wenn er gegenüber seinen im Rahmen der Durchleitung bestehenden Vertragspartnern keine Rechtssicherheit erlange bzw. erlangen könne. Der Netzbetreiber habe ein fundamentales und berechtigtes Interesse daran, zentrale Rechtsfragen im Rahmen eines Vertrags auch bei drittbelieferten Kunden mit diesen zu regeln. Dies betreffe folgende Gesichtspunkte: Art der Versorgung, Umfang der Versorgung, Haftungsbegrenzung, Grundstücksbenutzung, Netzanschluss, Kundenanlage, Zutrittsrechte, Zahlungsregelungen, Laufzeit des Vertrages, Kündigungen. Ein Bedürfnis des Netzbetreibers auf vertragliche Regelung seiner Rechtsbeziehung zum Kunden bestehe insbesondere darin, dass die Zähl- und Messeinrichtungen im Eigentum des Netzbetreibers stünden; es sei auch Interesse des Drittlieferanten, dass der Netzbetreiber Ablesungen an den Mess- und Zähleinrichtungen vornehmen könne, was ein entsprechendes Zutrittsrecht bedinge. Weiter habe der Netzbetreiber ein legitimes Interesse daran z.B. den Fall zu regeln, wie zu verfahren sie, wenn der Kunde Strom entnehme, ohne von dem Dritten auf der Grundlage des Stromliefervertrags beliefert zu werden. Zu nennen sei weiter das ganz erhebliche Interesse des Netzbetreibers daran, seine Haftung gegenüber dem Kunden bei Leistungsstörungen und/oder Leistungsunterbrechungen zu regeln. Auch im Rahmen der Abwägung nach §§ 19, 20 GWB sei weiter zu berücksichtigen, dass der Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen dem Netzbetreiber und dem Kunden nicht nur in dessen individuellem Interesse sei, sondern dass auch die Allgemeinheit ein erhebliches Interesse an einer möglichst sicheren und preiswerten Versorgung habe. Durch das von der Antragsgegnerin verwendete Doppelvertragsmodell entstünden für die Antragstellerin keinerlei Wettbewerbsnachteile, ebenso wenig für einen Kunden bei einem Wechsel zur Antragstellerin. Auch die Verbändevereinbarung II plus gehe von dem Bedürfnis des Netzbetreibers aus, Fragen der Haftung, des Zutritts, der Versorgung bei Ausfall der Drittversorgung etc. weiterhin direkt mit dem drittbelieferten Kunden zu regeln. Die Antragsgegnerin sei nunmehr bereit, entsprechend der VV II plus die Netznutzung direkt mit dem Drittlieferanten zu vereinbaren; die Antragsgegnerin werde ihr Vertragskonzept dahin umstellen, dass sie bei drittbelieferten Kunden nur noch einen Anschlussnutzungsvertrag verlange mit solchen Regelungen, die der Gesetzgeber bei eigenbelieferten Kunden durch die AVBEltV vorgebe. Mit dem Antrag Nr. 1 begehre die Antragstellerin eindeutig eine Leistungsverfügung, deren Voraussetzungen nicht vorlägen. Außerdem sei unverständlich, was die Antragstellerin mit dem geänderten Antrag begehre, der sich auf eine Durchleitung zu der Abnahmestelle P. B., ... beziehe, zu der die Durchleitung gestattet werdet. Hinzu komme, dass die Antragstellerin nicht etwa die Durchleitung Zug um Zug gegen Bezahlung eines entsprechenden Durchleitungsentgelts begehre.

Auch für den Anspruch der Antragstellerin zu Nr. 2 fehle es an einem Verfügungsanspruch und an einem Verfügungsgrund.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat sich mit Beschluss vom 20.02.2002 für unzuständig erklärt und das Verfahren auf Antrag der Antragstellerin an das Oberlandesgericht München - Kartellsenat - verwiesen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins vom 11.04.2002 Bezug genommen. Ferner wird auf das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.10.2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Antragstellerin ist unbeschadet der Einlegung beim Oberlandesgericht Nürnberg zulässig. Die Berufung in einer Kartell-Berufungssache kann fristwahrend auch bei dem nach § 119 GVG allgemein zuständigen Oberlandesgericht eingelegt werden; dieses hat die Sache auf Antrag an das Kartell-Oberlandesgericht (Kartellsenat) zu verweisen (vgl. Schmidt: in Immenga/Mestmäcker, 3. Aufl. § 93 GWB Rdn. 7), wie das hier geschehen ist.

B.

Die Berufung der Antragstellerin ist begründet.

Die einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin bezüglich des auf Gestattung der Durchleitung (Netznutzung) gerichteten Antrags Nr. 1 ist als Antrag auszulegen, die Erledigung der Hauptsache bezüglich dieses Antrags festzustellen. Dabei handelt es sich um eine zulässige Änderung (§ 264 Nr. 2 ZPO) in einen Feststellungsantrag, der zulässig und begründet ist. Der weitere auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag Nr. 2 bezüglich der beanstandeten Äußerungen im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Netznutzungsvertrags ist zulässig und begründet.

I. Einseitige Erledigungserklärung

Bezüglich des auf Gestattung der Durchleitung (Netznutzung) zu der Abnahmestelle ... in Erlangen gerichteten Antrags Nr. 1 war die Erledigung der Hauptsache festzustellen, da der diesbezügliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ursprünglich zulässig und begründet war und der Verfügungsgrund erst im Laufe des Rechtsstreits durch die von der Antragsgegnerin gewährte Durchleitung zu der betreffenden Abnahmestelle entfallen ist. Die von der Antragstellerin im Berufungsrechtszug vorgenommene Antragsanpassung im Hinblick auf den nach Erlass des Urteils des Landgerichts erfolgten Pächterwechsel ist keine Antragsänderung im Sinne von § 263 ZPO, weil die Abnahmestelle unverändert geblieben ist.

1. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war ursprünglich zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin zunächst in erster Instanz die begehrte Durchleitungsleistung nur relativ allgemein beschrieben und Durchleitung ohne Gegenleistung begehrt hat, während sie im Berufungsrechtszug verschiedene "Hilfsanträge" gestellt hat, mit denen zum einen die begehrte Durchleitungsleistung konkretisiert wurde und zum anderen die von der Antragstellerin zu erbringende Gegenleistung berücksichtigt wurde. Die verschiedenen Anträge stellen nur Vorschläge für das Gericht dar, wie der Sicherungszweck erreicht werden kann (§ 938 ZPO).

2. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war ursprünglich auch begründet. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund waren ursprünglich gegeben.

a. Der Antragstellerin stand gegen die Antragsgegnerin ursprünglich ein auf Durchleitung zu der betreffenden Abnahmestelle gerichteter Verfügungsanspruch im Hinblick auf den in § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG normierten Individualanspruch zu. Nach dieser Vorschrift hat der Betreiber eines Elektrizitätsversorgungsnetzes anderen Unternehmen das Versorgungsnetz für Durchleitungen zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die nicht ungünstiger sind, als sie von ihnen in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmens oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen tatsächlich oder kalkulatorisch in Rechnung gestellt werden. Der Netzbetreiber hat danach sein Netz zu den üblichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen und darf den Durchleitungspetenten nicht willkürlich auf andere Bedingungen verweisen (vgl. OLG Dresden GRURR-RR 2002, 85, 88). Es kann hier dahinstehen, ob § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG nur einen Anspruch auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen gewährt oder einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Netzzugang normiert (vgl. Theobald/Zenke, Grundlagen der Strom- und Gasdurchleitung, 2001, S. 27 ff und Horstmann, Netzzugang in der Energiewirtschaft, 2001, S. 37 ff je m.N. zum Streitstand; für unmittelbaren Rechtsanspruch auf Netzzugang OLG Dresden GRURR-RR 2001, 190, 192). Zur Sicherung des der Antragstellerin zustehenden Individualanspruchs nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG war im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ursprünglich ein auf Durchleitung zu der Abnahmestelle W...-Straße 1 in Erlangen gerichteter Verfügungsanspruch unabhängig davon gegeben, welchen genauen Inhalt der Anspruch aus § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren hat (vgl. Senat, Urteil vom 15.11.2001 - U (K) 3825/01; OLG Düsseldorf BB 2002, 592 (LS); a. M. Köhler BB 2002, 584, 587).

Die insoweit darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtige Antragsgegnerin hat keine Gründe glaubhaft gemacht, die sie zur Verweigerung der Durchleitung ohne vorherigen Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen ihr und dem Endkunden berechtigen würden. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG kann der Netzbetreiber die Durchleitung ausnahmsweise verweigern, wenn er nachweist, dass ihm die Durchleitung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist (vgl. zu den relevanten Gründen Danner/Danner, Energiewirtschaftsrecht, § 6 EnWG Rdn. 36 ff). Solche Gründe hat die Antragsgegnerin bezüglich der Notwendigkeit des Abschlusses eines Netznutzungsvertrags zwischen ihr und dem Endkunden nicht glaubhaft gemacht (im Ergebnis ebenso OLG Dresden GRURR-RR 2002, 85, 86 f; SchlHOLG SchlHA 2002, 9, 10). Die im Rahmen von § 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG gebotene Interessenabwägung geht zu Gunsten der Antragstellerin aus.

Eine gesetzliche Grundlage für den Abschluss eines Netznutzungsvertrags mit dem Endkunden als Voraussetzung für die Durchleitung ist nicht ersichtlich. § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG ist ebenso wie § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auf eine Netzöffnung gegenüber stromliefernden Unternehmen, nicht gegenüber Endkunden ausgerichtet (vgl. OLG Dresden GRURR-KR 2002, 85, 86 f). Die von der Antragsgegnerin bezüglich des Endkunden unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit für regelungsbedürftig erachteten Fragen lassen sich sämtlich anderweitig ohne Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen ihr und dem Endkunden in einer die Interessen der Antragsgegnerin wahrenden Weise regeln, in erster Linie in dem abzuschließenden Vertrag zwischen den Parteien bezüglich der Durchleitung und Netznutzung. Dies gilt insbesondere hinsichtlich einer Haftung des Netzbetreibers gegenüber dem Endkunden und deren Begrenzung (vgl. OLG Dresden GRURR-RR 2002, 85, 87; Markert, BB 2001, 107, 109). Insoweit hat die Antragstellerin angeboten, sich zu verpflichten, die Antragsgegnerin im Rahmen der Haftungsbegrenzung von Ansprüchen des Kunden gegen den Netzbetreiber aufgrund von Versorgungsstörungen freizustellen (Schriftsatz vom 08.04.2002, S. 12). Auch Fragen des Zugangs zu Zähleinrichtungen beim Endkunden können etwa in der Weise geregelt werden, dass der Drittlieferant dem Netzbetreiber entsprechende Rechte verschafft, z.B. durch Übertragung von Rechten aus dem zwischen Drittlieferant und Endkunden geschlossenen Vertrag (vgl. Bericht der Arbeitsgruppe Netznutzung Strom der Kartellbehörden des Bundes und der Länder vom 19.04.2001, S. 55 (Anlage Ast 17)). Soweit die Antragsgegnerin die Fallkonstellation der Stromentnahme durch den Endkunden ohne Belieferung durch den Drittlieferanten anspricht, kann auch diese Konstellation mit vertraglichen Vereinbarungen zwischen Netzbetreiber und Drittlieferant sowie mit der Regelung des § 10 EnWG bewältigt werden. Die für den Netzbetrieb erforderlichen Angaben über den Endkunden kann auch der Drittlieferant zur Verfügung stellen (vgl. Markert aaO 109).

Demgegenüber ist die Forderung der Antragsgegnerin nach obligatorischem Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem Endkunden geeignet, potenziell wechselwillige Stromkunden vom Vertragsschluss mit der Antragstellerin abzuhalten, womit ein wettbewerbsdämpfender Effekt verbunden ist (vgl. OLG Dresden GRURR-RR 2002, 85, 87; Bericht der Arbeitsgruppe Netznutzung Strom der Kartellbehörden des Bundes und der Länder, S. 53 (Anlage Ast 17)). Dies läuft dem gesetzlichen Ziel, den Wettbewerb auf dem Strommarkt zu fördern, zuwider (vgl. SchlHOLG SchlHA 2002, 9, 10). Die genannte Forderung hindert die Antragstellerin, Endkunden ein vollständiges ("all inclusive") Angebot aus nur einer Hand unter Einschluss der Netznutzungsleistung zu machen, selbst wenn das so genannte Doppelvertragsmodell zugrunde gelegt wird, nach dem ein Netznutzungsvertrag sowohl mit dem Endkunden als auch mit dem Drittlieferanten geschlossen wird. Der Antragstellerin wäre die Belieferung von Endkunden, die bezüglich Stromlieferung und Netznutzung nur mit einem Vertragspartner kontrahieren wollen, verwehrt, während die Antragsgegnerin den Endkunden beides aus einer Hand, sei es auch in getrennten Verträgen, anbieten kann.

Auch die aktuelle Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Netznutzungsentgelten für elektrische Energie und über Prinzipien der Netznutzung vom 13.12.2001 (W II plus) (Anlage Ast 26) sieht keinen obligatorischen Netznutzungsvertrag zwischen Netzbetreiber und Endkunden vor, sondern nur einen Netzanschlussvertrag mit dem Endkunden. Nach Nr. 1.1 dieser Vereinbarung sind Netznutzungen und die damit verbundenen Entgelte für alle Netznutzer diskriminierungsfrei zu gestalten. Bei Vorlage eines All-inclusive-Vertrages zur Stromversorgung eines Einzelkunden hat der Stromlieferant Anspruch auf den zeitnahen Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem Netzbetreiber. In diesem Fall entfällt der Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen Netzbetreiber und Einzelkunden. Der Netzbetreiber kann in begründeten Fällen für die Netznutzung vom Schuldner des Netznutzungsentgelts eine Sicherheit verlangen. Wenn der Einzelkunde es wünscht, wird - zeitnah - der Netznutzungsvertrag zwischen ihm und dem Netzbetreiber abgeschlossen; in diesem Fall schließt der Einzelkunden mit dem Stromlieferanten einen reinen Stromlieferungsvertrag ab. Es kann hier dahinstehen, ob von dieser Verbändevereinbarung unmittelbare Rechtswirkungen im Verhältnis zwischen Durchleitungspetent und Netzbetreiber ausgehen (zur Vorgängervereinbarung VVII verneinend OLG Dresden GRURR-RR 2001, 190, 195). Jedenfalls zeigt diese Verbändevereinbarung, dass der Abschluss eines Netznutzungsvertrags mit dem Endkunden von den einschlägigen Verbänden für nicht obligatorisch erachtet wird.

Dafür, dass der Antragsgegnerin eine Durchleitung ohne Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen ihr und dem Endkunden nicht unzumutbar ist, spricht auch, dass sich die Antragsgegnerin in der Vergangenheit mit einer Durchleitung auf der Grundlage des so genannten Doppelvertragsmodells einverstanden erklärt hat. Danach ruhte der zwischen dem Netzbetreiber, der Antragsgegnerin, und dem Endkunden geschlossene Netznutzungsvertrag insoweit, als das Netz vom Lieferanten genutzt wurde (vgl. Ergänzungsvereinbarung für die Netznutzung bei Gesamtleistungsvertrag vom 24.04./08.05.2001 (Anlage AG 3)). Insoweit konnte der Netznutzungsvertrag mit dem Endkunden während laufender Netznutzung seitens der Antragstellerin keine Wirkung entfalten.

Der Verfügungsanspruch wird nicht durch die zwischen den Parteien geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen bezüglich eines Netznutzungsvertrags mit dem Endkunden ausgeschlossen. Der Stromhändler-Rahmenvertrag vom 25.04./08.05.2001 (Anlage AG 3), der den obligatorischen Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen der Antragsgegnerin und dem Endkunden vorsieht, wurde von der Antragstellerin nur unter dem Vorbehalt der rechtlichen und kartellrechtlichen Überprüfung unterzeichnet. Hinsichtlich des von der Antragstellerin als Vertreterin von P. B. unterzeichneten Netznutzungs-Vertrags vom 02./20.12.2001 gilt Entsprechendes.

b. Ursprünglich war auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund (§ 940 ZPO) gegeben. Der Gläubiger muss bei einer Leistungsverfügung, die die Hauptsache in bestimmtem Umfang vorwegnimmt, auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs so dringend angewiesen sein, dass ihm andernfalls wirtschaftliche Nachteile drohen und ihm deshalb eine mit der Hauptsacheklage einhergehende Verzögerung der Durchsetzung des Anspruchs oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zuzumuten ist, wobei an das Vorliegen dieser Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen sind. (vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdn. 1616 ff; OLG Dresden GRUR-KR 2002, 85, 87; Köhler, BB 2002, 584, 585). Einer Notlage oder Existenzgefährdung bedarf es allerdings nicht in jedem Fall. Ausreichend ist auch, wenn die Leistungsverfügung zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Vermögensnachteils oder zur Abwendung eines endgültigen Rechtsverlustes erforderlich ist (vgl. Senat, Urteil vom 15.11.2001 - U (K) 3825/01; OLG Dresden aaO). Ein derartiger Fall liegt hier vor. Mit der Verweigerung der Durchleitung wurden die Marktchancen der Antragstellerin in dem Netzgebiet der Antragsgegnerin erheblich beeinträchtigt. Gerade bei der Aufnahme einer Kundenbeziehung ist die ordnungsgemäße Erfüllung der neu eingegangenen Vertragsbeziehung von maßgeblicher Bedeutung. Kann die Antragstellerin ihre Verträge mit den neu gewonnenen Kunden nicht erfüllen, so hat dies auch auf potentielle zukünftige Kunden Einfluss (vgl. OLG Dresden aaO). Hinzu kommt, dass Netzzugang nicht nachträglich gewährt werden kann, weshalb der Antragstellerin ein endgültiger Rechtsverlust drohte. Zudem waren gewichtige Nachteile für die Antragsgegnerin mit der Verpflichtung, vorläufig die Durchleitung von Strom durch ihr Netz hinzunehmen, nicht verbunden.

3. Der Verfügungsgrund ist im Laufe des Rechtsstreits allerdings dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin nunmehr Durchleitung zu der betreffenden Abnahmestelle gestattet. Der für die Antragstellerin verbleibende Nachteil, dass nämlich diese Durchleitung zu von ihr beanstandeten Modalitäten (Netznutzungsvertrag mit dem Endkunden) stattfindet, ist nicht so gravierend, dass er eine Leistungsverfügung unter Berücksichtigung der strengen Voraussetzungen, die für eine solche Verfügung gelten, rechtfertigen würde. Dem Interesse der Antragstellerin an einer einstweiligen Regelung ist durch den Netznutzungsvertrag vom 02./20.12.2001 hinreichend Rechnung getragen. Dass die Antragsgegnerin die Durchleitung zu der betreffenden Abnahmestelle aus anderen Gründen unabhängig vom Netznutzungsvertrag mit dem Endkunden verweigern könnte, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Der vorliegende Fall liegt außerdem anders als der dem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 13.09.2001 - U 1693/01 Kart = GRURR 2002, 85, 88 zugrunde liegende. In dem genannten Urteil wurde der Verfügungsbeklagten der Einwand verwehrt, dass die Versorgung der Kunden seinerzeit auf der Grundlage einer Beistellungslösung erfolgte. Bei der so genannten Beistellung erfolgt anders als im vorliegenden Fall gerade keine Durchleitung (vgl. OLG Dresden aaO).

II. Antrag Nr. 2

1. Auch bezüglich des Antrags Nr. 2 ist ein Verfügungsanspruch gegeben. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 3 UWG zu. Die Sachbefugnis der Antragstellerin ist gegeben. Die Antragstellerin ist unmittelbar betroffene Mitbewerberin, die zu der Antragsgegnerin in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Die Antragsgegnerin handelte bei Abfassung des Schreibens vom 24.08.2000 (richtig: 2001) an die B... AG, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs; für die beanstandeten Äußerungen des Mitarbeiters der Antragsgegnerin P vom 27.08.2001, für die die Antragsgegnerin nach § 13 Abs. 4 UWG haftet, gilt Entsprechendes. Die beanstandeten Äußerungen, die sämtlich den Abschluss eines Netznutzungsvertrags zwischen der Antragsgegnerin und dem Endkunden als zwingende Voraussetzung für die Durchleitung seitens der Antragstellerin postulieren, sind irreführend. Sie entsprechen, wie vorstehend ausgeführt, nicht der Rechtslage.

2. Der Verfügungsgrund wird nach § 25 UWG vermutet. Die Vermutung ist nicht widerlegt.

III. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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