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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 15.03.2005
Aktenzeichen: Verg 2/05
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A, ZPO


Vorschriften:

GWB § 97 Abs. 4
GWB § 115 Abs. 2
GWB § 118 Abs. 1
GWB § 128 Abs. 3
VOB/A § 8 Nr. 5 Abs. 1
VOB/A § 8 Nr. 5 Abs. 2
VOB/A § 8 Nr. 4
VOB/A § 2 Nr. 1
VOB/A § 8a Nr. 2
ZPO § 524 Abs. 2
Fordert der Auftraggeber im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens in der Vergabebekanntmachung als Bedingung für die Teilnahme eine Eigenerklärung nach § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A und gibt der Bewerber eine solche nicht oder mit unzureichenden Inhalt ab, ist der Auftraggeber befugt, ihn von der Teilnahme am Wettbewerb auszuschließen. Zu Ermittlungen ist der Auftraggeber in einem solchen Fall nicht verpflichtet. Die geforderte Eigenerklärung kann nicht mehr nachgereicht werden, wenn der Auftraggeber die Eignungsprüfung abgeschlossen hat.
Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Die zulässige Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist begründet.

Wegen der Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Beschluss vom 27.1.2005, mit dem in dieser Sache der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern zu verlängern, abgelehnt wurde. Auch nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage hält der Senat an seiner bereits dargelegten Auffassung fest, dass die Vergabestelle die Antragstellerin zu Recht nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert hat. Ergänzend wird im Hinblick auf das weitere Vorbringen der Beteiligten ausgeführt:

1. a) Die auf die Kostenentscheidung der Vergabekammer beschränkte Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist statthaft (BayObLG vom 5.11.2002, Verg 22/02 = VergabeR 2003, 186/193; BayObLG vom 23.3.2004, Verg 3/04 = VergabeR 2004, 530/532). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der dem Antragsgegner zur Beschwerdeerwiderung gesetzten Frist eingelegt (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.d.F. des 1. JuMoG vom 2.7.2004). Zwar überprüft das Beschwerdegericht die Kostenentscheidung unabhängig von einem hierauf gerichteten Rechtsmittel schon von Amts wegen (vgl. OLG Schleswig vom 7.7.2004 MDR 2005, 139/140), doch verliert die Anschlussbeschwerde dadurch nicht ihr Rechtsschutzbedürfnis; sie ist lediglich unnötig (Reichold in Thomas/Putzo 26. Aufl. § 524 Rn. 2).

b) Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Es besteht kein Anlass, dem Antragsgegner - wie dies die Vergabekammer getan hat - 1/6 der Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen. Zwar hat sich der Eilantrag der Antragstellerin durch die Erklärung des Antragsgegners erledigt, den Submissionstermin auszusetzen und die Vergabeunterlagen bis zur Entscheidung der Vergabekammer nicht zu versenden. Das Eilverfahren nach § 115 Abs. 3 GWB bildet vorliegend kostenrechtlich einen Teil des Hauptsacheverfahrens, so dass eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen ist, wobei es auf das Ergebnis des Eilverfahrens nicht ankommt (vgl. dazu Noelle in Byok/Jaeger Kommentar zum Vergaberecht § 115 GWB Rn. 1052 und Jaeger aaO § 118 GWB Rn. 818; LG Frankfurt/Main vom 8.2.1985 RPfl. 1985, 208, zu § 769 ZPO; vgl. i.Ü. Hüßtege in Thomas/Putzo 26. Aufl. § 91 Rn. 6). Die Antragstellerin ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer unterlegen (§ 128 Abs. 3 Satz 1 GWB). Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer waren daher nicht zu quoteln, sondern insgesamt der unterlegenen Antragstellerin aufzuerlegen.

2. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist nicht begründet. Der Antragsgegner hat sie zu Recht für das weitere Verfahren nicht berücksichtigt, weil sie die geforderten Nachweise zu den in § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A normierten Ausschlussgründen nicht vorgelegt hat. Damit hat sie die entsprechende Eignungsprüfung nicht ermöglicht.

Ausgewählt und zur Angebotsabgabe aufgefordert werden können aber nur solche Bewerber, deren Eignung für die Vergabestelle feststellbar ist.

Gemäß § 97 Abs. 4 Hs. 1 GWB und § 2 Nr. 1 Satz 1 VOB/A werden Aufträge bzw. Bauleistungen an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben. § 8 Nr. 4 Satz 2 VOB/A bestimmt, dass Bewerber auszuwählen sind, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendige Sicherheit bietet; dies bedeutet, dass sie die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen und über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen müssen.

Zur Überprüfung der Eignung darf der Auftraggeber unter anderem nach § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A von den Bewerbern Bescheinigungen oder (Eigen-)Erklärungen zu dem in § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A enthaltenen Katalog verlangen, der in Buchst. a) bis f) Gesichtspunkte enthält, die der Eignung entgegenstehen. Gibt ein Bewerber eine solche, vom Auftraggeber geforderte Erklärung nicht oder mit ungenügendem Inhalt ab, sind entsprechende Feststellungen des Antragsgegners und eine Aufklärung der in § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A normierten Tatbestände, die die Eignung in Frage stellen, nicht möglich. Zu einer Prüfung der Eignung und einer Ausschöpfung des dabei dem Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraums kommt es in einem solchen Fall wegen der fehlenden oder unzureichenden Erklärung nicht.

a) In der Vergabebekanntmachung vom 28.8.2004 hatte der Antragsgegner eine "Erklärung, dass keine Ausschlussgründe nach § 8 Nr. 5 (1) VOB/A ... vorliegen" verlangt (Nr. III. 2.1.2/8. Spiegelstrich). Die Antragstellerin hat durch ihre Niederlassungen M. und D. aber nur erklärt, "dass wir vom Staat B. nicht von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen sind". Diese inhaltlich einschränkende Erklärung entspricht nicht der vom Antragsgegner geforderten, wie bereits im Beschluss vom 27.1.2005 ausgeführt.

b) Bei der Entscheidung, die Antragstellerin im weiteren Verfahren nicht zu berücksichtigen, hatte der Antragsgegner nach der Systematik und dem Wortlaut von Nr. III. 2 der Vergabebekanntmachung keinen Ermessensspielraum.

In Nr. III. 2 werden unter der Überschrift "Bedingungen für die Teilnahme" unter Nr. III. 2.1 "Angaben zur Situation des Bauunternehmers ... sowie Angaben und Formalitäten, die zur Beurteilung der Frage erforderlich sind, ob dieser die wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen erfüllt", und hierzu korrespondierend unter Nr. III. 2.1.1) bis Nr. III. 2.1.3) die entsprechenden, vom Bewerber zu erbringenden Nachweise gefordert. Am Ende von Nr. III. 2.1 findet sich der den Auftraggeber selbst bindende Satz, dass Bewerber vom Wettbewerb ausgeschlossen werden, wenn Gründe nach § 8 Nr. 5 (1) VOB/A vorliegen. Korrespondierend hierzu wird am Ende von Nr. III. 2.1.2)/8. Spiegelstrich unter der Überschrift "wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit - geforderte Nachweise" eine "Erklärung, dass keine Ausschlussgründe nach § 8 Nr. 5 (1) VOB/A ... vorliegen" verlangt. Hieraus ergibt sich, dass die zu § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A geforderte Eigenerklärung als zwingende Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb verlangt war.

Nachdem die Antragstellerin eine Erklärung mit dem geforderten Inhalt nicht vorgelegt hat, war sie im weiteren Verfahren nicht zu berücksichtigen. Weitere Ermittlungen des Antragsgegners hinsichtlich der Ausschlussgründe nach § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A waren nicht geboten. In § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A ist eine Mitwirkungspflicht der Bewerber normiert. Deren Nichtbeachtung kann nicht dazu führen, dass dem Auftraggeber eigene Recherchen obliegen, die gerade durch die Mitwirkungspflicht der Bewerber vermieden werden sollen.

c) Der Vergabevermerk ist nicht zu beanstanden. Der Auftraggeber hat den Grund aber Nichtberücksichtigung dort zutreffend dokumentiert.

d) Die geforderte Eigenerklärung musste spätestens in dem Zeitraum vorgelegt werden, in welchem der Antragsgegner die von den Bewerbern eingereichten Unterlagen prüfte (§ 8a Nr. 2 Satz 4 VOB/A). In der Vergabebekanntmachung ist als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge der 30.9.2004 (Nr. IV. 3.3) und für die Versendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe an ausgewählte Bewerber der 29.10.2004 (Nr. IV. 3.4) genannt. Die nun inhaltlich der geforderten Eigenerklärung entsprechende Erklärung der Antragstellerin vom 11.2.2005 konnte nicht mehr berücksichtigt werden, weil die Eignungsprüfung zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen war.

e) Die Entscheidung der Vergabekammer beruht nicht auf einer Gehörsverletzung zu Lasten der Antragstellerin. Erwägt der Auftraggeber den Ausschluss eines Unternehmers vom Wettbewerb nach einem in § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A genannten Grund, so muss er diesem zuvor rechtliches Gehör gewähren. Dies ist aber nicht geboten, wenn ein Bewerber die ausdrücklich geforderten Nachweise nicht mit seinem Teilnahmeantrag vorlegt.

Im Übrigen ist der Antragstellerin durch die Mitteilung nach § 13 VgV vom 29.10.2004 und das Schreiben vom 9.11.2004 rechtliches Gehör gewährt worden, wobei sie über die Gründe für die Nichtberücksichtigung im weiteren Verfahren in Kenntnis gesetzt wurde.

f) Die Antragstellerin kann auch nicht erfolgreich rügen, dass Bewerber ungleich behandelt worden seien. Die Tatsache, dass andere Bewerber möglicherweise ebenfalls nicht berücksichtigt hätten werden dürfen, verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB. Denn der Umstand, dass andere Bewerber gegebenenfalls zu Unrecht berücksichtigt wurden, bedeutet nicht, dass auch die Antragstellerin zu Unrecht zu berücksichtigen gewesen wäre (BayObLG vom 17.2.2004 - Verg 27/04).

3. Als unterlegene Beteiligte hat die Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens entsprechend § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen (vgl. BGH VergabeR 2004, 201/208). Die Verfahrenskosten umfassen auch die Kosten für das Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB (BayObLG vom 8.12.2004 - Verg 19/04).

Der Geschäftswert für das gesamte Beschwerdeverfahren war auf 2.000.000 EUR festzusetzen. Der Senat schätzt die Bruttoangebotssumme auf 40.000.000 EUR. Gemäß § 50 Abs. 2 GKG ergibt sich daraus ein Geschäftswert von 2.000.000 EUR (5 % von 40.000.000 EUR).

Der Geschäftswert wird durch die auf die Kostenentscheidung der Vergabekammer beschränkte Anschlussbeschwerde nicht erhöht (BayObLG WuM 2003, 533; OLG Schleswig MDR 2005, 139), da die Kostenentscheidung ohnehin von Amts wegen zu überprüfen war (vgl. BGH ZIP 1991, 42).

Ende der Entscheidung

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