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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.06.2005
Aktenzeichen: Verg 4/05
Rechtsgebiete: DKR, GWB, VOL/A, VgV


Vorschriften:

DKR Art. 1 b Satz 2
GWB § 97 Abs. 1
GWB § 97 Abs. 7
GWB § 98 Nr. 2
VOL/A § 26
VgV § 13 Satz 6
1. Eine Stiftung des öffentlichen Rechts, die neben im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben der Kranken- und Altenpflege auch gewerbliche Tätigkeiten zum Zwecke der Erhaltung des Stiftungsvermögens ausführt, ist öffentliche Auftraggeberin.

2. Schreibt die Stiftung einen den Schwellenwert übersteigenden Dienstleistungsauftrag nicht förmlich aus, sondern schließt nach Verhandlungen mit zwei Unternehmen unter Ausschluss des bisherigen Vertragspartners mit einem der beiden Unternehmen einen Vertrag, ist dieser Vertrag wegen Verstoßes gegen § 13 Satz 6 VgV unwirksam.

3. Das übergangene Unternehmen hat einen Anspruch darauf, dass der öffentliche Auftraggeber den unter Verstoß gegen das Vergaberecht ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens geschlossenen Vertrag nur in einem förmlichen Verfahren vergibt.

4. Zur Zulässigkeit einer Änderung einer Stiftungssatzung bei einer Stiftung des öffentlichen Rechts.


Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin ist eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts, die seit 1319 in der Stadt W. besteht. Damals spendete ein Adeliger ein Spital zur Aufnahme und Pflege "bresthafter Leute", die "von jetzt ab dort aufgenommen seien und dessen bedürftig wären, und derer, die künftig auf ewige Zeiten hinaus würden aufgenommen werden." Die Leitung über das erwähnte Haus und seine Zugehörungen und Nutzungen, Gefälle und Erträgnisse sollten der Stifter, sein Sohn und eine dritte von diesen zuzuziehende Person haben, und ihre Verwaltung in weltlicher Beziehung führen, getreulich und ohne Zaudern, und Rechenschaft den Bürgern der Stadt W. ablegen. Bei Ausscheiden einer der drei Personen aus der Leitung sollte eine dritte Person auf Rat der Bürger der Stadt W. hinzugenommen werden; dieselbe Regelung sollte für den Fall gelten, dass zwei oder alle drei Personen ausscheiden sollten. Nach der Satzung vom 20.3.2003 und der geänderten Satzung vom 15.4.2005 dient die Stiftung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken, indem sie selbstlos zu vereinbarten Kostensätzen Senioren in Alten- und Pflegeheimen, Wohnstiften oder in geriatrischen Rehabilitationskliniken aufnimmt, geriatrische Praxen sowie ambulante Pflegedienste betreibt, Alten- und Pflegeheimplätze in eigenen Einrichtungen schafft und unterhält und gegen Kostenerstattung für gemeinnützige Stiftungen Verwaltungsaufgaben erledigt (§ 2). Das Stiftungsvermögen besteht aus den betriebenen Einrichtungen sowie Immobilien, Weinbergen und dem Kapitalvermögen. Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten und getrennt vom Stadtvermögen der Stadt W. zu verwalten. Für die Stiftung ist ein eigener Haushaltsplan aufzustellen und gesondert Rechnung zu legen. Nach § 4 Nr. 1 nutzt die Stiftung ihr Vermögen durch Vermietung und Verpachtung sowie den Weinbergsbesitz durch Eigenbewirtschaftung. Die Erträgnisse des Vermögens sind ausschließlich und unmittelbar zur Erfüllung des Stiftungszweckes zu verwenden. Nach § 5 der Satzung vom 20.3.2003 sind Stiftungsorgane der Stiftungsrat, bestehend aus dem Oberbürgermeister der Stadt W. und den Stadtratsmitgliedern, der Stiftungsausschuss und der Stiftungsvorstand. Die Mitglieder des Stiftungsausschusses werden vom Stadtrat der Stadt W. bestellt. Der Stiftungsvorstand besteht aus dem Oberbürgermeister, dem vom Stiftungsrat bestellten Stiftungsreferenten und dem vom Stiftungsrat bestellten Leiter der Stiftungsverwaltung. Die Stiftung besitzt die Dienstherrnfähigkeit.

Während des Laufes des Beschwerdeverfahrens wurde am 15.4.2005 die Satzung bezüglich der Stiftungsorgane geändert. Nun sind nach § 5 der Satzung Stiftungsorgane der Stiftungsvorstand und der Stiftungsrat, der aus zwölf ehrenamtlichen Mitgliedern besteht und deren Vorsitz die Oberbürgermeisterin führt. Fünf Mitglieder werden vom Stiftungsrat auf Vorschlag aus dem Stadtrat bestellt, die sechs weiteren vom Stiftungsrat bestellten Mitglieder müssen Bürger der Stadt W. sein. Scheidet ein Mitglied des Stiftungsrates aus, nimmt der Stiftungsrat eine Ergänzungswahl vor. Die Amtsperiode endet drei Monate nach Konstituierung des Stadtrats. Der Stiftungsvorstand besteht aus der Oberbürgermeisterin als Vorsitzender und dem vom Stiftungsrat bestellten Leiter der Stiftungsverwaltung. Nach § 6 der Satzung führt der Stiftungsvorstand die laufenden Geschäfte und vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich. Der mindestens viermal jährlich von der Oberbürgermeisterin einzuberufende Stiftungsrat entscheidet insbesondere über die Verwendung der Stiftungsmittel, er beschließt über den Haushaltsvoranschlag und Änderungen der Satzung. Der Stiftungsausschuss ist entfallen. Nach der Aussage des Leiters der Stiftungsverwaltung in der mündlichen Verhandlung soll sich der Stiftungsrat am 17.6.2005 neu konstituieren. Er soll von neun Mitgliedern des ehemaligen Stiftungsausschusses bestellt/bestätigt werden, von denen der Stadtrat fünf vorgeschlagen hat.

Die Antragstellerin führte bis ins Jahr 2004 Wäscherei- und Reinigungsarbeiten in verschiedenen Seniorenwohnheimen und -wohnstiften der Antragsgegnerin aus. Im März/April 2004 erholte die Antragsgegnerin von zwei Konkurrenten Angebote und beauftragte am 7.6.2004 die Beigeladene, ab 1.1.2005 bislang von der Antragstellerin erbrachte Leistungen zu übernehmen. Parallel hierzu kündigte sie mit Schreiben vom 22.6.2004 wegen "interner Umstrukturierungsmaßnahmen" sämtliche Verträge mit der Antragstellerin zum 31.12.2004.

Nachdem die Antragstellerin Ende November 2004 in Erfahrung gebracht hatte, dass die Antragsgegnerin die Arbeiten an ein Konkurrenzunternehmen vergeben hatte, wandte sie sich mit Schreiben vom 30.11.2004 an die Antragsgegnerin und forderte vergeblich Aufklärung sowie Übersendung von Ausschreibungsunterlagen. Mit Schriftsatz vom 10.12.2004, eingegangen am 13.12.2004, stellte die Antragstellerin bei der Vergabekammer Nachprüfungsantrag. Sie rügt, es hätte ein förmliches Vergabeverfahren stattfinden müssen, da die Antragsgegnerin öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB sei und das Auftragsvolumen der streitgegenständlichen Aufträge den Schwellenwert von 200.000 Euro bei weitem übersteige. Mit Schreiben vom 20.12.2004 bot sie ausdrücklich die Fortführung der Arbeiten an.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, sie sei keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Sie sei finanziell und organisatorisch unabhängig von der öffentlichen Hand und stehe mit ihren Geschäftsbereichen Weingut, einem der größten in Deutschland, und Liegenschaftsverwaltung in einem allgemeinen und harten Wettbewerb. Dies gelte nach der gesetzlichen Abkehr vom Kostenerstattungsprinzip auch für die Senioreneinrichtungen, die sich den gleichen Marktbedingungen stellen müssten wie die gewerblichen Anbieter und Wohlfahrtsverbände. Der Stadtrat habe nur das traditionelle Recht der Organbestimmung. Der Stiftungsausschuss habe ausschließlich die Interessen der Stiftung zu vertreten. Dem Bundesgesetzgeber könne auch nicht unterstellt werden, dass er Stiftungen mit einer jahrhundertealten Anbindung an die Bürgerschaft den Regelungen des GWB habe unterstellen wollen. Der Vertrag mit der Antragstellerin sei gekündigt worden, weil allgemeine Unzufriedenheit mit ihren Leistungen geherrscht habe und eine Umstellung von "Handkennzeichnung" zu "Strichcodekennzeichnung mit Textil- Controlling" bei der Bewohnerwäsche erfolgen sollte. Von den beiden Firmen, die diese Methode beherrschten, habe man dann die preisgünstigere genommen, deren Angebot um 24.000 EUR - ohne Mehrwertsteuer - unter dem Preis der Antragstellerin liege.

Mit Beschluss vom 11.2.2005, der Antragstellerin zugestellt am gleichen Tag, wies die Vergabekammer den Antrag als unzulässig zurück. Zwar bejahte die Kammer die Auftraggebereigenschaft der Antragsgegnerin nach dem GWB. Ungeachtet eines möglichen Verstoßes gegen Vergabevorschriften habe die Antragsgegnerin die Beigeladene jedoch im Juni 2004 rechtswirksam mit Leistungen beauftragt, so dass für ein im Dezember 2004 eingeleitetes Nachprüfungsverfahren kein Raum sei.

Gegen den Beschluss der Vergabekammer hat die Antragstellerin am 25.2.2005 sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben, das durchgeführte Vergabeverfahren der Antragsgegnerin aufzuheben, den Wäscheversorgungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für unwirksam zu erklären und die Antragsgegnerin zu verpflichten, unverzüglich ein förmliches Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats durchzuführen. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens.

Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. Sie weist darauf hin, dass ihre wesentliche Einnahmequelle das Weingut sei, welches sie in reiner Gewinnerzielungsabsicht betreibe. Durch den Anbau und Verkauf des Weines werde sie erst in die Lage versetzt, den Stiftungszweck zu erfüllen. Sie erfülle ihre Aufgaben ohne hoheitliche Befugnisse im Wettbewerb zu gewerblichen Unternehmen und Wohlfahrtsverbänden.

Der Senat hat am 10.3.2005 die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde einstweilen verlängert und den Antrag der Antragstellerin auf vorläufige Fortsetzung des bisherigen Wäscheversorgungsvertrages abgelehnt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Entscheidung der Vergabekammer ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin war und ist trotz Änderung ihrer Satzung öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Die Antragstellerin ist dadurch in ihren Rechten verletzt worden, dass die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Wäschevollversorgungsvertrag ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens abgeschlossen hat. Der zwischen ihr und der Beigeladenen abgeschlossene Wäschevollversorgungsvertrag vom 7.6.2004 ist nichtig. Sie ist verpflichtet, den streitbefangenen Auftrag nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben.

1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist statthaft.

a) Auch wenn mit ihm nicht die Art und Weise der Einleitung oder Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens gerügt wird, sondern beanstandet wird, dass ein geregeltes Vergabeverfahren bisher nicht stattgefunden hat, ist nach inzwischen herrschender Rechtsprechung der Primärrechtsschutz auch gegen konkrete Beschaffungsvorhaben eröffnet, die ein öffentlicher Auftraggeber ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens verwirklichen will (BayObLG vom 28.5.2003 - Verg 7/03 m.w.N. = VergabeR 2003, 563). Dies folgt aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 98/665/EWG, der die Nachprüfung von Entscheidungen der Vergabestellen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge auf Rechtsverstöße hin verlangt. Eine der Nachprüfung zugängliche Entscheidung liegt bereits dann vor, wenn ein öffentlicher Auftraggeber beschließt, kein förmliches Vergabeverfahren einzuleiten, weil nach seiner Ansicht der zu erteilende Auftrag nicht unter die Regeln des Vergaberegimes fällt (EuGH vom 11.1.2005 - C-26/03 = VergabeR 2005, 44). Voraussetzung ist allerdings, dass das Vergabeverfahren begonnen hat, der öffentliche Auftraggeber also über das Stadium bloßer Vorstudien des Marktes oder rein vorbereitender Handlungen hinausgelangt ist (EuGH aaO; BGH vom 1.2.2005 - X ZB 27/04 = IBR 2005, 230; BayObLG aaO). Dieses Vorbereitungsstadium hat die Antragsgegnerin hier unzweifelhaft überschritten, weil sie mit zwei Unternehmen über den streitgegenständlichen Auftrag verhandelt und mit einem dieser beiden Unternehmen einen Vertrag abgeschlossen hat.

b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Nach § 107 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen zur Stellung eines Nachprüfungsantrages befugt, welches ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder droht. An die Darlegungslast dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG vom 29.7.2004 - 2 BvR 2248/03 = IBR 2004, 590; BGH vom 18.5.2004 - X ZB 7/04 = NZBau 2004, 457). Es genügt, dass der behauptete Vergabeverstoß geeignet ist, die Aussichten auf den Zuschlag zu beeinträchtigen (BVerfG aaO). Die Antragstellerin ist ihrer Darlegungslast nachgekommen. Ihr Interesse am Auftrag hat sie dadurch bekundet, dass sie im Rügeschreiben vom 30.11.2004 die Übersendung der Ausschreibungsunterlagen angefordert und im Nachprüfungsverfahren durch Schreiben vom 20.12.2004 der Antragsgegnerin die weitere Durchführung des Vertrages ausdrücklich angeboten hat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens die Antragstellerin den Zuschlag erhalten hätte, da in Anbetracht der geplanten Neuvergabe weder eine Reduzierung ihrer bisherigen Preise noch eine Ausweitung ihres Angebotes auf die Bewohnerwäsche fern gelegen hätte.

c) Die Antragstellerin ist auch ihrer Rügepflicht nach § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen. Es kann offen bleiben, ob eine derartige Verpflichtung bei De-facto-Vergaben überhaupt besteht (vgl. hierzu BayObLG vom 27.2.2003 - Verg 25/02 = VergabeR 2003, 669), denn die Antragstellerin hat ihr jedenfalls genügt. § 107 Abs. 3 GWB verlangt von den Bietern, dass sie dann, wenn sie einen Vergaberechtsverstoß erkannt haben, diesen unverzüglich rügen. Vor Ende November 2004 hatte die Antragstellerin aber keine Kenntnis davon, dass ein förmliches Vergabeverfahren nicht durchgeführt werden sollte. Sie wusste lediglich, dass der mit ihr bisher durchgeführte Vertrag auf Grund des Schreibens vom 22.6.2004 zum Jahresende gekündigt war. Nachdem sie dann Ende November 2004 von der Vergabe des Auftrags an die Beigeladene erfahren hatte, konnte sie den Schluss ziehen, dass ein förmliches Vergabeverfahren nicht stattgefunden hatte. Dies hat sie dann in ihrem Schreiben vom 30.11.2004 auch unverzüglich gerügt.

d) Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin am 7.6.2004 mit der Beigeladenen einen Vertrag über die streitgegenständlichen Wäschereileistungen geschlossen hat. Zwar scheidet ein Nachprüfungsantrag grundsätzlich dann aus, wenn ein Zuschlag bereits erteilt, ein Vertrag also abgeschlossen ist. Denn ein einmal erteilter Zuschlag kann nach § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht mehr aufgehoben werden. Der Zuschlag markiert daher grundsätzlich das Ende des Primärrechtsschutzes, und zwar unabhängig davon, ob zuvor ein Vergaberechtsverstoß vorgekommen ist oder nicht. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben aber am 7.6.2004 keinen wirksamen Vertrag geschlossen, weil die Antragsgegnerin, die jedenfalls zu diesem Zeitpunkt öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB war und einen den Schwellenwert übersteigenden Dienstleistungsauftrag nach § 99 Abs. 4 GWB schließen wollte, die Antragstellerin nicht gemäß § 13 Satz 1 und Satz 2 VgV vor Vertragsschluss davon unterrichtet hat, dass und warum beabsichtigt sei, das Geschäft mit der Beigeladenen zu tätigen. Der unter Verletzung der Vorabinformationspflicht zustande gekommene Vertrag ist nach § 13 Satz 6 VgV nichtig.

(1) Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB.

(aa) § 98 GWB regelt, welche Beschaffungsstelle als öffentliche Auftraggeberin anzusehen ist. Von den in § 98 GWB aufgeführten Alternativen kommt für die Antragsgegnerin nur die Alternative des § 98 Nr. 2 GWB in Betracht. Danach ist öffentlicher Auftraggeber eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter Nummer 1 oder 3 fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben. Die Vorschrift entspricht Art. 1 Buchst. b der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie (Richtlinie 92/50/EWG vom 18. Juni 1992, geändert durch Richtlinie 97/52/EG vom 13. Oktober 1997), die sinngemäß, wenn auch in teilweise anderer Formulierung dieselben Voraussetzungen enthält.

(bb) Die Antragsgegnerin ist nach § 1 der Satzung vom 20. 3. 2003 und vom 15.4.2005 eine örtliche rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts und damit unzweifelhaft eine juristische Person des öffentlichen Rechts.

(cc) Die Antragsgegnerin ist auch zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Der Begriff des Allgemeininteresses ist zwar weder durch die EG-Vergaberichtlinien noch durch den deutschen Gesetzgeber definiert oder umschrieben. Er wird aber von der überwiegenden Meinung dahin verstanden, dass im Allgemeininteresse liegende Aufgaben solche sind, welche hoheitliche Befugnisse, die Wahrnehmung der Belange des Staates und damit letztlich Aufgaben betreffen, welche der Staat selbst erfüllen oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte (vgl. Dreher DB 1998, 2579/2582; Boesen Vergaberecht § 98 Rn. 42 ff.; Werner in Byok/Jaeger Vergaberecht § 98 Rn. 247 ff; Eschenbruch in Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz Vergaberecht § 98 Rn. 34 ff.). Hierzu gehören auch Tätigkeiten auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge (KG vom 11.11.2004 - 2 Verg 16/04 = IBR 2005, 106; Eschenbruch aaO). Die Aufnahme, Pflege und Heilung kranker, alter und bedürftiger Menschen nach § 2 der Satzung zählen hierzu; diese Aufgaben liegen im Allgemeininteresse. Die Verpflichtung zur Heilung und Pflege alter und kranker Mitbürger folgt sowohl aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, welches die soziale Sicherung der Staatsbürger gewährleistet (vgl. BayObLG vom 21.10.2004 - Verg 17/04 = WuWE Verg 1041) als auch aus Art. 1 Abs. 3 Satz 2 Bayerisches Stiftungsgesetz (BayStG).

(dd) Diese Aufgabe ist auch nichtgewerblicher Art. Auch der Begriff der Nichtgewerblichkeit ist weder in den EG-Richtlinien noch in den deutschen Gesetzen definiert. Von der überwiegenden Meinung wird er dahingehend verstanden, dass die Tätigkeit nicht primär der Gewinnerzielung dient, sie nicht nachfragebezogen ausgeübt wird und nicht dem Wettbewerb ausgesetzt ist (vgl. zu diesen Kriterien Dreher DB 1998, 2579/2583; Werner in Byok/Jaeger § 98 Rn. 256 ff.; ähnlich Boesen § 98 Rn. 55, der entscheidend auf die Frage abstellt, ob die juristische Person bei ihrer Tätigkeit den Kräften des Marktes ausgesetzt ist). Die Antragsgegnerin wird im Bereich der Alten- und Krankenpflege auch heute noch in nichtgewerblicher Art tätig. Trotz der Abkehr vom Kostenerstattungsprinzip und der Forderung von Kostensätzen für die Aufnahme und Pflege von Patienten ist die Tätigkeit nicht primär auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Dies ergibt sich aus § 3 der Stiftungssatzung; nach dieser Bestimmung ist das Stiftungsvermögen lediglich zu erhalten, nicht aber zu vermehren. Nach § 1 der Satzung ist die Antragsgegnerin eine Wohltätigkeitsstiftung, die nach § 2 selbstlos ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken dient. Dem Stiftungszweck würde die Annahme einer primären Gewinnerzielungsabsicht auf dem Gebiet der Alten- und Krankenpflege diametral widersprechen. Das Entgelt für die Heim-, Wohnstift- und Klinikplätze mag zwar einen gewissen Ausgleich für die entstehenden Kosten darstellen, im Gegensatz zu anderen Anbietern ist die Antragsgegnerin aber nicht auf einen Gewinn aus dieser Tätigkeit angewiesen, da ihre Existenz von den Einkünften aus diesem Tätigkeitsbereich völlig unabhängig ist. Etwa entstehende Verluste werden aus dem Stiftungsvermögen ausgeglichen, § 4 Nr. 3 der Satzung.

Deshalb ist sie auch weder von der Nachfrage abhängig noch dem Wettbewerb ausgesetzt. Sollte die Nachfrage nach den Heim- und Klinikplätzen sinken, würde die Stiftung nicht in ihrer Existenz bedroht, da sie sich mit dem vorhandenen Stiftungsvermögen dann um entsprechend weniger Patienten kümmern würde. Aus demselben Grund ist die Stiftung auch vom Wettbewerb völlig unabhängig. Ganz gleich, wie viele private Anbieter oder andere Wohlfahrtsverbände neben ihr Kranken- und Pflegeleistungen anbieten, bleibt sie nach dem Stiftungszweck weiter für die verbleibenden Kranken und Alten zuständig. Ganz generell kann nur in geringem Maße auf Angebote privater Anbieter auf demselben Tätigkeitsfeld abgestellt werden, weil sonst - nach der fortschreitenden Privatisierung öffentlicher Aufgaben - der Anwendungsbereich für das Vergaberecht zu sehr eingeschränkt würde (vgl. Byok/Jaeger § 98 Rn. 256; EuGH vom 10.11.1998 - Rs. C-360/96 = IBR 1998, 505; EuGH vom 10.5.2001 - Rs. C-223/99 und 266/99 = VergabeR 2001, 281). Auch das Vorliegen eines entwickelten Wettbewerbs allein lässt noch nicht den Schluss zu, dass keine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art vorliegt (EuGH vom 27.2.2003 - Rs. C-373/00 = VergabeR 2003, 296). Soweit die Antragsgegnerin nach § 2 Nr. 6 der Satzung gegen Kostenerstattung für andere gemeinnützige Stiftungen Verwaltungsaufgaben erledigt, handelt es sich lediglich um eine untergeordnete Nebentätigkeit, welche keine Auswirkung auf die Auftraggebereigenschaft der Antragsgegnerin haben kann. Doch besagt der Ausdruck "Kostenerstattung", dass auch diese Tätigkeit nicht mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird.

(ee) Die Antragsgegnerin ist auch zu dem besonderen Zweck gegründet worden, diese im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben zu erfüllen. Gründungszweck im Jahr 1319 war die Aufnahme und Pflege bedürftiger und kranker Menschen. Ebenso aber, wie eine nicht zu einem solchen Zweck gegründete juristische Person durch die Übernahme von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben im Laufe der Zeit zu einem öffentlichen Auftraggeber werden kann (vgl. hierzu Byok/Jaeger § 98 Rn. 243), ist es auch möglich, dass eine vor Jahrhunderten gegründete Stiftung im Laufe der Zeit durch die Aufgabe von im Allgemeininteresse liegender Aufgaben keine öffentliche Auftraggeberin mehr ist. Doch hat sich, wie dargelegt, im Laufe der Jahrhunderte der Gründungszweck nicht geändert. Nach wie vor gilt als Zweck nach § 2 der Satzung die gemeinnützige Aufnahme, Pflege und Heilung von alten und gebrechlichen Menschen.

(ff) Der Auftraggebereigenschaft steht weiter nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin neben den Tätigkeiten, die ihr nach dem Stiftungszweck obliegen, weitere Tätigkeiten ausübt, welche eindeutig gewerblicher Art sind. Es handelt sich hierbei um die Liegenschaftsverwaltung und den Betrieb eines Weingutes. Beide Tätigkeiten liegen weder im Allgemeininteresse noch sind sie nichtgewerblicher Art. Sowohl die Vermietung und Verpachtung von Liegenschaften als auch die Erzeugung und der Verkauf von Wein sind auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Diese Tätigkeiten der Antragsgegnerin sind nachfragebezogen und dem Wettbewerb ausgesetzt. Nach der Stiftungssatzung ist die Antragsgegnerin insoweit sogar zur Gewinnerzielung verpflichtet, weil die Erträgnisse aus diesen Geschäftsfeldern zum Erhalt des Stiftungsvermögens und zur Erfüllung des Stiftungszweckes zu verwenden sind, § 4 Nr. 3 der Satzung. Etwas Ähnliches hatte bereits der Stifter vorgesehen, der in der Stiftungsurkunde bestimmt hatte, dass die Verwaltung über die Güter und Erträgnisse in weltlicher Beziehung geführt werden sollte. Die geschilderten Tätigkeiten sind somit Hilfstätigkeiten zum Erhalt der Stiftung und können schon aus diesem Grund den Rechtscharakter der Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin nicht ändern. Zudem könnte sich sonst ein öffentlicher Auftraggeber ohne weiteres dadurch dem Vergaberegime entziehen, dass er zusätzlich zu seinen eigentlichen öffentlichen Aufgaben noch solche rein gewerblicher Natur übernimmt. Aus diesem Grund entspricht es auch gefestigter Rechtsprechung, dass es für die Beurteilung, ob eine Einrichtung öffentlicher Auftraggeber ist, nicht darauf ankommt, ob sie neben der im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe auch andere gewerbliche Tätigkeiten ausübt. Selbst wenn die Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nur einen relativ geringen Teil der Tätigkeit ausmacht, ist die Einrichtung noch solange als öffentlicher Auftraggeber anzusehen, wie sie weiterhin die Aufgaben wahrnimmt, welche sie als besondere Pflicht zu erfüllen hat (EuGH vom 15.1.1998 - Rs. C-44/96 = NJW 1998, 3261; KG vom 11.11.2004 - 2 Verg 16/04 = IBR 2005, 106). Dies wird aus dem Wortlaut der Richtlinie 92/50, welche in diesem Punkt dem Wortlaut des § 98 Nr. 2 GWB entspricht, geschlossen, da hier nicht davon die Rede ist, dass einzig und allein solche im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben zu erfüllen sind.

(gg) Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Beigeladenen bestimmten bei der Antragsgegnerin auch Stellen, die unter § 98 Nr. 1 GWB fallen, mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe. Nach § 6 Nr.3 der damals gültigen Satzung führt der Stiftungsvorstand die laufenden Geschäfte und vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich. Er besteht nach § 5 Nr. 3 aus dem Oberbürgermeister, einem Organ der Stadt W., dem Stiftungsreferenten und dem Leiter der Stiftungsverwaltung. Stiftungsreferent und Leiter der Stiftungsverwaltung werden vom Stiftungsrat bestellt. Dieser besteht aus dem Oberbürgermeister und den Stadtratsmitgliedern der Stadt W. (§ 5 Nr.1a). Der Stadtrat ist gleichfalls Organ der Stadt W., einer Gebietskörperschaft nach § 98 Nr. 1 GWB. Organe der Stadt W. bestimmen damit mehr als die Hälfte der Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs der Stiftung. Durch die Personenidentität wird deutlich, dass die Stiftung unter einem solchen Einfluss einer staatlichen Stelle steht, dass diese auch die Entscheidungen der Stiftung in Bezug auf öffentliche Aufträge beeinflussen kann (vgl. BayObLG vom 21.10.2004 - Verg 17/04 = WuWE Verg 1041; EuGH vom 1.2.2001 - Rs. C-237/99 = IBR 2001, 324). Zusätzlich werden die Mitglieder des Stiftungsausschusses (§ 5.1b), welcher als Hauptorgan der Stiftung über die Verwendung der Stiftungsmittel entscheidet, vom Stadtrat bestellt (§ 5.2). Auf die weiteren Fragen, wie die Aufsicht und die Finanzierung zu qualifizieren sind, kommt es nicht mehr an, weil die Erfüllung einer der Alternativen des § 98 Nr. 2 Satz 1 GWB genügt. Gleichfalls unerheblich ist, dass die Stadtratsmitglieder bei ihrer Tätigkeit für die Antragsgegnerin die Interessen der Stiftung wahrzunehmen haben. § 98 Nr. 2 GWB stellt rein formal nur darauf ab, dass mehr als die Hälfte der Mitglieder eines geschäftsführenden Organs von Gebietskörperschaften im Sinn des § 98 Nr. 1 GWB bestimmt werden.

(hh) Ein weiteres Indiz für die Eigenschaft der Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin ist die Aufnahme in den Anhang I der BKR, welcher über Art. 1b Satz 3 Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie auch für Dienstleistungsverträge heranzuziehen ist. Unter Ziffer 1.2 dieses Anhangs (Anstalten und Stiftungen) sind der staatlichen Kontrolle unterliegende und im Allgemeininteresse tätig werdende Einrichtungen nichtgewerblicher Art insbesondere auch im Bereich der Wohlfahrts- und Hilfsstiftung als öffentliche Auftraggeber aufgezählt. Zwar hat die Aufnahme in diese Liste keine konstitutive Bedeutung, doch stellt sie ein Indiz für die Eigenschaft "öffentlicher Auftraggeber" dar (BayObLG vom 24.5.2004 - Verg 6/04 = NZBau 2004, 623; Marx in Beck'scher VOB-Kommentar § 98 GWB Rn.8; Boesen § 98 Rn. 31; Eschenbruch in Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz § 98 Rn. 69; Müller-Wrede in Ingenstau/Korbion VOB 15. Aufl. § 98 GWB Rn. 10; Dreher DB 1998, 2579/ 2583; VK Bund vom 5.9.2001 - VK 1-23/019.). Weiteres Indiz ist die Dienstherrnfähigkeit der Antragsgegnerin nach § 5. Nr.3 ihrer Satzung (vgl. BayObLG vom 21.10.2004 - Verg 17/04 = WuWE Verg 1041).

(2) Der streitgegenständliche Auftrag ist ein Auftrag nach § 99 Abs. 4 GWB, welcher auch den Schwellenwert nach § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 3 VgV in Höhe von 200.000 EUR übersteigt. Die jährliche Auftragssumme liegt bei 198.000 EUR netto. Da eine Vertragslaufzeit von vier Jahren mit unbefristeter Verlängerungsklausel vorgesehen ist, richtet sich die Berechnung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 VgV. Es ergibt sich danach ein Gesamtauftragswert von 198.000 EUR: 12 = 16.500 EUR * 48 = 792.000 EUR.

(3) Der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen abgeschlossene Vertrag ist nach § 13 Satz 6 VgV nichtig, weil die Antragsgegnerin ihrer Pflicht zur Vorabinformation nicht nachgekommen ist.

Die Regelung des § 13 VgV ist hier analog anwendbar. Zwar setzt § 13 VgV an sich ein förmliches Vergabeverfahren voraus (BGH vom 9.2.2004 - X ZB 44/03 = BGHZ 158, 43), weil nur dann Bieter vorhanden sind, deren abgegebene und gewertete Angebote nicht berücksichtigt werden können. Doch kann die Vorschrift auf vergleichbare Sachverhalte entsprechend angewendet werden. Dies verlangt der Grundgedanke des effektiven Rechtschutzes. Ohne Information könnte ein übergangener Bieter nicht mehr den ihm zustehenden Primärrechtschutz einfordern, sondern wäre auf Schadensersatzforderungen beschränkt. Dies gilt gerade auch für den Fall, dass ein Vergabeverfahren überhaupt nicht durchgeführt wird. Hier ist die Vorschrift zumindest auf diejenigen Fälle entsprechend anzuwenden, in denen die Beschaffung einer Dienstleistung bereits zur Beteiligung mehrerer Unternehmen geführt hat (BGH vom 1.2.2005 - X ZB 27/04 = IBR 2005, 230). Denn dann gibt es neben dem in Aussicht genommenen Unternehmen bestimmte andere außenstehende Dritte, die als Bieter aufgetreten sind und deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen sowie Gründe für die Nichtberücksichtigung. So liegt der Fall hier: die Antragsgegnerin hatte mit zwei Unternehmen verhandelt und sich für das preisgünstigere Angebot entschieden.

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin nicht zu den Verhandlungspartnern zählte (a.A. ThürOLG vom 28.1.2004 - 6 Verg 11/03 = IBR 2004, 265; VK Schleswig-Holstein vom 2.2.2005 - VK-SH 1/05 = IBR 2005, 281). Die Antragsgegnerin hat der Auswahl konkludent den bisherigen Vertrag zugrunde gelegt, den sie als zu kostspielig bezeichnet hat. Damit gehörte die Antragstellerin mittelbar zum Kreis der potentiellen Bieter (vgl. OLG Düsseldorf vom 23.2.2005 - Verg 87/04 = IBR 2005, 231 für eine freihändige Vergabe nach vorangegangner öffentlicher Ausschreibung und OLG Düsseldorf vom 25.1.2005 - Verg 93/04 = IBR 2005, 232). Der Antragsgegnerin war auch bekannt, dass die Antragstellerin an der Fortführung des Vertrages interessiert war. Durch die Formulierung im Kündigungsschreiben, die Kündigung erfolge wegen "interner Umstrukturierungsmaßnahmen", hat sie die Antragstellerin zunächst jedoch von Aktivitäten In Richtung eines neuen Vertragsschlusses abgehalten. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, die Antragstellerin sei im Sommer 2004 zu einem anberaumten Gespräch nicht erschienen und habe damit ihr Desinteresse an einer Fortführung des Vertrages dokumentiert, ist dies nicht durchschlagend, weil nach den Angaben des Leiters der Stiftungsverwaltung in der mündlichen Verhandlung das Gespräch erst nach Kündigung des Vertrages und nach dem Vertragsschluss mit der Beigeladenen stattfinden sollte und Thema lediglich die schlechte Leistungserbringung der Antragstellerin und die Abwicklung des Vertrages bis zum Ende des Jahres sein sollte, nicht aber ein Neuabschluss des gekündigten Vertrages. Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie sich nicht als öffentliche Auftraggeberin angesehen hat. Die richtige rechtliche Einordnung gehört zum allgemeinen Risiko, welches jeder zu tragen hat, der am Rechtsleben teilnimmt (BGH aaO; OLG Düsseldorf vom 30.4.2003 - Verg 67/02 = VergabeR 2003, 435).

2. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist auch begründet.

a) Die Antragstellerin ist dadurch in ihren Rechten verletzt worden, dass die Antragsgegnerin ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens einen Wäschevollversorgungsvertrag mit der Beigeladenen abgeschlossen hat. Dieser Vertrag ist wegen der unterbliebenen Vorabinformation nach § 13 Satz 6 VgV nichtig.

b) Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, den streitgegenständlichen Wäschevollversorgungsvertrag nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens abzuschließen.

Auch nach der Satzungsänderung vom 15.4.2005 ist die Antragsgegnerin öffentliche Auftraggeberin. Trotz der Genehmigung durch die Regierung von Unterfranken ist die Satzungsänderung unwirksam, so dass es bei der bisherigen Satzung verbleibt. Die Änderung einer Stiftungssatzung ist unzulässig, wenn sie der Rechtsform der Stiftung oder dem Stifterwillen widerspricht oder wenn sie nicht durch eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse notwendig geworden ist.

(aa) Die Antragsgegnerin ist laut § 1 ihrer Satzung eine örtliche Stiftung des öffentlichen Rechts. Nach Art. 1 Abs. 2 BayStG ist sie damit eine Stiftung, die ausschließlich öffentliche Zwecke verfolgt und mit dem Staat, einer Gemeinde oder einer sonstigen öffentlichrechtlichen Person in einem organischen Zusammenhang steht, der die Stiftung selbst zu einer öffentlichen Einrichtung macht. Ein derartiger organischer Zusammenhang liegt dann vor, wenn die genannten juristischen Personen entweder die Stiftung selbst verwalten oder in den Stiftungsorganen aufgrund eines Funktionsrechts ausschlaggebend bestimmen (Voll/Störle Bayerisches Stiftungsgesetz Art. 1 Rn. 5). Diesen Voraussetzungen entsprach die alte Satzung in vollem Umfang. Die geänderte Satzung schließt demgegenüber den ausschlaggebenden Einfluss der Stadt W. aus. So soll der Stiftungsrat jetzt nur noch zur Hälfte aus Mitgliedern des Stadtrates einschließlich der Oberbürgermeisterin bestehen; die andere Hälfte rekrutiert sich aus sozial und wirtschaftlich kompetenten Bürgern der Stadt W., die vom Stiftungsrat bestellt werden. Scheidet ein Mitglied des Stiftungsrates aus, nimmt der Stiftungsrat - und nicht ein Organ der Stadt W. - eine Ergänzungswahl vor, § 5 Nr. 2 der Satzung. Der Stiftungsrat - und nicht ein Organ der Stadt W. - bestellt zudem den Leiter der Stiftungsverwaltung, der neben der Oberbürgermeisterin den Stiftungsvorstand bildet, § 5 Nr. 3. Der organische Zusammenhang zwischen der Stiftung und der Stadt W. ist damit aufgehoben.

(bb) Die Satzungsänderung dürfte zudem nicht dem Stifterwillen entsprechen, welcher als oberstes Prinzip des Stiftungsrechts zu berücksichtigen ist (BGHZ 99, 344/348; Voll/Störle Art. 8 Rn. 1; Hof in Seifart Handbuch des Stiftungsrechts § 11 Rn. 224). Der Stifterwille ist auch bei einer Satzungsänderung zu respektieren und zu verwirklichen; die Änderung muss mit dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Stifters im Einklang stehen. Der Stifter hatte in der Stiftungsurkunde ausdrücklich bestimmt, dass der Bürgerschaft von W. ein Benennungsrecht für die zuständigen Verwaltungspersonen der Stiftung zustehen soll und dieser gegenüber Rechenschaft über die Güter der Stiftung abzulegen ist. Nach dem Willen des Stifters soll seine Stiftung den Bürgern der Stadt W. nicht nur zugutekommen, sondern auch unter deren Einfluss stehen. Eine Umwandlung in eine Stiftung des privaten Rechts würde unter diesen Umständen dem Stifterwillen wohl nicht entsprechen. Eine solche Umwandlung wäre im Übrigen nur dann zulässig, wenn der Stiftungszweck anders nicht mehr erreicht werden könnte, denn der Bestand einer Stiftung im status quo ist eigenständiges Rechtsgut (Hof in Seifart Handbuch des Stiftungsrechts § 11 Rn. 226).

(cc) Es kommt hinzu, dass eine Stiftungssatzung nicht wie eine Vereinssatzung willkürlich geändert oder den jeweiligen Wünschen der Stiftungsorgane oder Außenstehender angepasst werden darf (Voll/Störle Art. 8 Rn. 4). Satzungsänderungen sind nur zulässig, wenn hierfür ein rechtfertigender Grund besteht (BGH aaO). Sie setzen voraus, dass sich die Existenzbedingungen der Stiftung so wesentlich geändert haben, dass deren vom Stifter gesetzte "Lebensordnung" den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr genügt (Voll/Störle aaO; ähnlich Hof § 7 Rn. 155). Davon kann keine Rede sein. Die letzte Änderung der Satzung datiert vom März 2003. Seit diesem Zeitpunkt haben sich gravierende Änderungen für die Situation der Stiftung nicht ergeben. Auch im März 2003 war die Antragsgegnerin öffentliche Auftraggeberin und verpflichtet, ihre Aufträge öffentlich auszuschreiben, § 98 Nr. 2 GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.8.1998, in Kraft getreten am 1.1.1999. Dass die Antragsgegnerin dem Vergaberecht unterliegt, ist Folge der Rechtsform der Stiftung.

Eine Änderung der Verhältnisse ist auch nicht durch die Entscheidung der Vergabekammer eingetreten, wie die Antragsgegnerin meint. Die Vergabekammer hat in den Gründen ausgeführt, der Stiftungsrat sei in seiner Zusammensetzung identisch mit dem Stadtrat. Nach Darstellung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung sei daher zur Vermeidung von unwirksamen In-Sich-Geschäften nach § 181 BGB eine weitere Satzungsänderung notwendig geworden. Dies trifft aber nicht zu, weil die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich durch den Stiftungsvorstand vertreten wird, der nach wie vor aus der Oberbürgermeisterin und dem Leiter der Stiftungsverwaltung besteht.

(dd) Darüber hinaus bleibt nach der geänderten Satzung offen, wie die Erstbestellung des Stiftungsrates nach Inkrafttreten der neuen Satzung vorgenommen werden soll, nachdem der Stiftungsrat selbst seine Mitglieder nach § 5 Nr. 2 der Satzung bestellt. Eine Übergangsregelung zu diesem Punkt fehlt. Der ehemalige Stiftungsausschuss, der nach der Darstellung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung die für den 17.6.2005 geplante Neukonstituierung des Stiftungsrates durchführen soll, ist dazu weder nach der Satzung vom 20.3.2003 noch nach der geänderten Satzung berufen.

(ee) Die Satzungsänderung leidet damit an gravierenden Mängeln. Sie ist aus mehreren Gründen unwirksam. Die Unwirksamkeit ist durch die Genehmigung der Aufsichtsbehörde nicht geheilt worden (Palandt/Heinrichs BGB 63.Aufl. § 85 Rn. 3; Hof § 7 Rn. 169); die Genehmigung hat keine konstitutive Wirkung.

c) Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass der streitgegenständliche und bisher unter Verstoß gegen das Vergaberecht abgeschlossene Wäschevollversorgungsvertrag europaweit ausgeschrieben und nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens vergeben wird. Dies ergibt sich aus § 97 Abs. 1 GWB. Durch die Eröffnung eines geregelten Verfahrens sollen die durch sie konkretisierten Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung gewährleistet werden. Da die insoweit geltenden Bestimmungen gemäß § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht begründen, bedingt das, auch hinsichtlich der Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens, einen durchsetzbaren Anspruch zugunsten interessierter Unternehmer anzuerkennen, wenn in dieser Weise nach § 97 Abs. 1 GWB eine von dem öffentlichen Auftraggeber gewünschte Beschaffung vorzunehmen ist. Erst ein solcher Anspruch eröffnet den umfassenden Rechtsschutz, der nach den europarechtlichen Vorgaben notwendig ist (BGH vom 1.2.2005 - X ZB 27/04 = IBR 2005, 230). Gegenstand einer Ausschreibung ist deshalb notwendigerweise ein Vertrag mit demselben Vertragsinhalt, der dem bisher unter Verstoß gegen das Vergaberecht zustande gekommenen Vertrag zugrunde lag. In der mündlichen Verhandlung sind auch seitens der Antragsgegnerin keine Gründe nach § 26 VOL/A vorgetragen worden, die eine Änderung oder Aufhebung der Ausschreibung rechtfertigen könnten. Diese Vorschrift ist entsprechend heranzuziehen, wenn es um die Frage geht, ob eine Verpflichtung zur Ausschreibung des bislang ohne förmliches Vergabeverfahrens geschlossenen Vertrags geht. Denn die Nichtausschreibung steht der Aufhebung einer Ausschreibung gleich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Verfahrenskosten umfassen auch die Kosten für das Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB (BayObLG vom 8.12.2004 - Verg 19/04). Soweit die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag, den Vertrag zwischen ihr und der Antragsgegnerin vorläufig fortzusetzen, nicht durchgedrungen ist, hat sie die Kosten zu tragen. Der Quotelung ist eine hypothetische weitere Vertragslaufdauer von einem Jahr zugrunde gelegt worden.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt nach § 50 Abs. 2 GKG 5% der Bruttoauftragssumme, also 5% von (792.000 EUR + 16% Mehrwertsteuer = 918.720 EUR, das sind 45.936 EUR.

Ende der Entscheidung

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