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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 25.02.2008
Aktenzeichen: 1 AR 2/08 (Zust.)
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, HGB


Vorschriften:

ZPO § 36
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 37
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
GVG § 95 Abs. 1 Nr. 1
HGB § 1
Die Verweisung eines Rechtstreits eines Unternehmens gegen eine Gebietskörperschaft in ihrer Eigenschaft als Trägerin eines Eigenbetriebes für eine Erdstofflagerstätte von einer Zivilkammer an die Kammer für Handelssachen ist nicht willkürlich, wenn das verweisende Gericht geprüft hat, ob der Betrieb zumindest auch der Gewinnerzielung dienen soll, und hierfür Anhaltspunkte existieren. Ob das Erdstofflager tatsächlich Gewinne erzielt, ist unerheblich.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 AR 2/08 (Zust.) OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel als Vorsitzenden sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm am 25. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Als funktional zuständiger Spruchkörper wird die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Halle bestimmt.

Gründe:

Die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Halle war als funktional zuständiges Gericht gemäß §§ 37, 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog zu bestimmen.

1. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO findet auch auf Zuständigkeitskonflikte zwischen einer Zivilkammer und einer Kammer für Handelssachen desselben Landgerichts entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ 71, 264, 271; Brandenburg. OLG, NJW-RR 2001, 63 und 2001, 430 m. w. N; OLG Karlsruhe, MDR 1998, 558). Ein solcher Konflikt liegt hier vor.

2. Der Beschluss vom 23.01.2008, mit dem der Einzelrichter der 9. Zivilkammer des Landgerichts Halle die Sache auf Antrag beider Parteien an die Kammer für Handelssachen verwiesen hat, ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend.

a) Im Rahmen der Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 ZPO sind nicht nur die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch verfahrensrechtliche Bindungswirkungen, insbesondere § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO, zu beachten. Die Bindungswirkung des ersten wirksamen Verweisungsbeschlusses wirkt daher grundsätzlich im Bestimmungsverfahren fort (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 1091; 1994, 126; BayObLG, NJW-RR 2001, 646, 647).

b) An dieser Bindungswirkung fehlt es nur, wenn der Verweisungsbeschluss ausnahmsweise unwirksam ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Verweisungsbeschluss nur dann nicht hingenommen werden, wenn er auf Willkür beruht (vgl. BGHZ 71, 729). Hierfür genügt es nicht, dass der Beschluss inhaltlich falsch ist (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 126; BayObLG, a.a.O.). Die Annahme der Willkür setzt vielmehr voraus, dass dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt (vgl. BGH, NJW 1993, 1273) oder die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und unhaltbar ist (vgl. BGH, MDR 2002, 1450 f.; BVerfGE 29, 45, 49; BGH, MDR 1996, 1032).

c) Als willkürlich oder unhaltbar in diesem Sinne erweist sich der Beschluss vom 23.01.2008 nach dem Vorbringen der Parteien nicht.

aa) Zu Recht weist die Vorsitzende der 2. Kammer für Handelssachen darauf hin, dass es gemäß § 95 Abs.1 Nr. 1 GVG, § 1 HGB für die Bestimmung der Kaufmannseigenschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 95, 155) auf die Absicht der Gewinnerzielung in einem berufsmäßigen Geschäftsbetrieb ankommt. Deshalb wird allgemein bejaht, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechtes durch den Betrieb eines Handelsgewerbes Kaufleute werden, sofern der Betrieb auf Gewinnerzielung gerichtet ist (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 1557-1559). Mit einer solchen Erwerbsabsicht kann auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft handeln, und zwar unabhängig davon, ob sie daneben zugleich in Erfüllung einer gemeinnützigen öffentlichrechtlichen Aufgabe tätig wird. Voraussetzung ist nur das Betreiben eines wirtschaftlichen Unternehmens, also einer Tätigkeit, die nicht allein und herkömmlich mit der Zielrichtung einer öffentlichen Aufgabe betrieben wird. Wirtschaftliche Unternehmen von Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind danach solche Einrichtungen und Anlagen, die auch von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Erzielung dauernder Einnahmen betrieben werden können und gelegentlich auch betrieben werden. (s. BGH, a.a.O.)

Diese Voraussetzung, die bei typischen kommunalen Subventionsbetrieben (wie etwa Stadtbibliotheken, Museen, o.ä.) sehr zweifelhaft sein kann, liegt im Falle eines Erdstofflagers ohne Weiteres vor. Erdstofflagerstätten werden vielfach auch von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Erzielung dauernder Einnahmen erfolgreich betrieben.

bb) Unter diesen Umständen reicht der zutreffende Hinweis der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen, dass die Klägerin zur Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten nicht ausdrücklich vorgetragen habe, nicht aus, um eine willkürliche Abgabeentscheidung zu bejahen. Willkür käme z.B. in Betracht, wenn - wie in dem oben zitierten Fall des OLG Stuttgart - die Beklagte in ihrer Satzung eine Gewinnerzielung ausdrücklich ausgeschlossen hätte. Dass dies hier der Fall sei, lässt sich dem bisherigen Sachvortrag aber nicht entnehmen.

Vielmehr haben beide Parteien die Kaufmannseigenschaft des Beklagten ausdrücklich behauptet. Außerdem sprechen die Verwendung von Begriffen wie "Preisen" anstelle von "Gebühren", die Ermittlung der Folgepreise nach der "aktuellen Marktlage" und schließlich die Vereinbarung strafbewehrter Mindestabnahmemengen eher für eine Gewinnerzielungsabsicht als gegen eine solche. Ob das Erdstofflager tatsächlich Gewinne erzielt hat, ist ohnedies für einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 1 HGB unerheblich.

Bei dieser Sachlage ist die Entscheidung des Einzelrichters der Zivilkammer zumindest nachvollziehbar. Möglicherweise ist sie sogar in der Sache richtig. Darauf kommt es aber letztlich vor dem Hintergrund der o.g. Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 1994, 12) nicht entscheidend an.

Ende der Entscheidung

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