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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 30.11.2001
Aktenzeichen: 1 U 108/01
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 16 Nr. 3
ZPO § 91
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
Es ist anwaltliche Pflicht des von seinem Mandanten mit der Abgabe einer fristgebundenen, empfangsbedürftigen Willenserklärung beauftragten Rechtsanwalts, dafür Sorge zu tragen, dass der Nachweis des (rechtzeitigen) Zugangs erbracht werden kann. Der Anwalt muss auch dabei den für seinen Mandanten sichersten Weg beschreiten.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 108/01 OLG Naumburg

verkündet am: 30.11.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 26.11.2001 durch den Richter am Oberlandesgericht Geib und die Richter am Landgericht Wiedemann und Gester

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 09. August 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (Geschäftsnummer: 8 O 1460/01) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Kläger. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Kläger übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und wurde insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache aufgrund neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz Erfolg.

Die - als solche unstreitige - streitgegenständliche Forderung der Kläger aus Anwaltshonorar ist durch Aufrechnung erloschen (§§ 389, 387 BGB).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts stand dem Beklagten gegenüber dem Kläger eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung zu. Die Kläger schuldeten dem Beklagten Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung des mit diesem geschlossenen Anwaltsvertrag zur Durchsetzung der in dem Verfahren 10 O 129/00 vor dem Landgericht Magdeburg für den Beklagten geltend gemachten Werklohnforderung.

Die Kläger haben die ihnen hieraus obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt, indem sie vorprozessual verabsäumten, Sorge dafür zu tragen, dass der Beklagte nachweisen kann, dass der Bundesrepublik Deutschland das Schreiben vom 30.11.1999 zugegangen ist.

Mit vorgenannten Schreiben haben die Kläger für den Beklagen dem Schlusszahlungseinwand der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 16 Nr. 3 VOB/B widersprochen. Der Vorbehalt gegen die Schlusszahlung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., B § 16 Rn 226), deren Zugang der Auftragnehmer zu beweisen hat (Ingenstau/Korbion a.a.O. Rn. 237).

Es ist anwaltliche Pflicht des von seinem Mandanten mit der Abgabe einer fristgebundenen, empfangsbedürftigen Willenserklärung beauftragten Rechtsanwalts, dafür Sorge zu tragen, dass der Nachweis des (rechtzeitigen) Zugangs erbracht werden kann. Der Anwalt muss auch dabei den für seinen Mandanten sichersten Weg beschreiten (Vollkommer, Anwalthaftungsrecht, § 6 Rn. 641; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 6. Aufl., Rn. I 513 ; OLG Köln NJW 1977, 587 <gerade für die hier abgeforderte Erklärung nach § 16 VOB/B>) und daher im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung davon ausgehen, dass trotz der geringen Verlustquote der Post im Streitfalle selbst die bewiesene Versendung eines Schreibens als einfacher Brief nicht einmal ausreicht, auch nur die Vermutung des Zugangs bei der Gegenseite nach sich zu ziehen (vgl. BGHZ 101, 49 <54f>). Soweit die Kläger demgegenüber die Rechtsprechung des LG Berlin anführen (BauR 1982, 192), wonach in der Versendung als einfacher Brief kein Anwaltsfehler zu sehen sei, verkennen sie, dass in dem dort zu beurteilenden Fall der Zugang als solcher unstreitig war.

Gegen diese Pflicht haben die Kläger unstreitig verstoßen. Auf die Frage, ob die Kläger das Schreiben vom 30.11.1999 gefertigt und an das Staatshochbauamt H. abgeschickt haben, kommt es dabei nicht an. Wie sich aus dem Inhalt der beigezogenen Akte (10 O 129/00 LG Magdeburg) ergibt, konnte der Beklagte den Nachweis des Zugangs des vorgenannten Schreibens nicht führen.

Die Pflichtverletzung der Kläger wurde auch kausal für einen die hier streitgegenständliche Klageforderung übersteigenden Schaden. Der Prozess wäre insbesondere nicht aus anderen Gründen verloren worden. Soweit die Kläger nunmehr vortragen, dass die Bundesrepublik Deutschland in dem Vorverfahren zu Recht den Werklohn des Beklagten um 10.784,48 DM gekürzt habe, da dieser geschuldete Isolierungsleistungen nicht erbracht habe, ist dies nicht zutreffend. Dem stehen die Ausführungen des Landgerichts Magdeburg im zweiten Absatz auf Seite 5 des Teilurteils vom 23.08.2000 (Beiakte Bl. 208) schon deshalb nicht entgegen, weil es sich offensichtlich um ein obiter dictum handelt, wie sich bereits daraus ergibt, dass das Landgericht zu eben dieser Frage noch ein Sachverständigengutachten in Auftrag gab.

In der Sache geht der Senat davon aus, dass die Isolierungsarbeiten, welche zu dem Abzug des Werklohnes geführt haben, von dem Beklagten nicht geschuldet wurden. Dies folgt aus dem Text des Leistungsverzeichnisses, in dessen technischen Vorbemerkungen aufgeführt ist, dass alle Rohrleitungen gemäß der gültigen Wärmeschutzverordnung eine Wärmeschutzisolierung erhalten, die gesondert auszuschreiben ist, sowie aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 03.11.2000 (Beiakte Bl. 221 ff.), aus welchem sich ergibt, wie ein Fachunternehmen den Ausschreibungstext auffassen musste.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 2 ZPO. Der Beklagte obsiegt erst aufgrund seines ergänzenden Vorbringens in zweiter Instanz, da sich der Inhalt der seinerzeitigen vertraglichen Verpflichtung erst aus dem Leistungsverzeichnis sowie dem seinerzeitigen Gerichtsgutachten erschließt. Beides wurde erstinstanzlich nicht vorgetragen. Auch eine Beiziehung des Verfahrens 10 O 129/00 des Landgerichts Magdeburg, aus welcher sich vorgenannte Unterlagen ergeben, war vom Landgericht nicht vorzunehmen, da der Beklagtenvertreter dies nur zum Beweis der Behauptung, dass der Kläger in diesem Verfahren mandatiert gewesen sei, angeboten hat (vgl. Klageerwiderung vom 20.06.2001, GA Bl. 31 ff.). Dies war jedoch nicht streitig.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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