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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 29.04.2003
Aktenzeichen: 1 U 119/02
Rechtsgebiete: VOB/A, ZPO


Vorschriften:

VOB/A § 2 Nr. 2
VOB/A § 8 Nr. 1 V
VOB/A § 10 Nr. 4 Abs. 1 lit. d
VOB/A § 11 Nr. 1 Abs. 1 S. 1
VOB/A § 11 Nr. 2 Abs. 1
VOB/A § 11 Nr. 2 Abs. 2
VOB/A § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. h
VOB/A § 24 Nr. 1
VOB/A § 24 Nr. 1 Abs. 1
VOB/A § 24 Nr. 3
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 3
VOB/A § 25 a
ZPO § 531
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 n. F.
1. Zweck der nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zulässigen Bietergespräche ist die Unterrichtung des Auftraggebers u.a. über die vom jeweiligen Bieter geplante Art der Durchführung der Baumaßnahmen, z.Bsp. die Aufklärung der vom jeweiligen Bieter beabsichtigten Ausführungsfristen. Die Aufklärung hat dem gemäß passiv zu erfolgen, d.h. ohne dass der Auftraggeber dem Bieter neue, von den Verdingungsunterlagen abweichende Vorgaben (hier: Verkürzung von Einzelfristen) macht und deren "Bestätigung" abfragt.

2. Ein Schadenersatzanspruch eines Bieters gegen den Auftraggeber kann nicht erfolgreich darauf gestützt werden, dass die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit durch den Auftraggeber nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A (4. Wertungsstufe) objektiv fehlerhaft war. Das Risiko einer Fehleinschätzung des Auftraggebers ist dem Vergabeverfahren immanent; die gerichtliche Nachprüfung vergaberechtlicher Entscheidungen dient dem gegenüber nur dem Schutz des Vertrauens des Bieters dahin, dass die bestehende Aussicht auf Amortisation seiner mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen nicht durch zusätzliche Risiken beeinträchtigt wird, die in vergaberechtlichen Bestimmungen keine Grundlage finden.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 119/02

verkündet am: 29.04.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. November 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau, 8 O 100/02, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Streithelferinnen der Beklagten zu 1) und zu 2) hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte, durch die Streithelferin der Beklagten zu 1) und durch die Streithelferin der Beklagten zu 2) jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweilige Gläubigerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadenersatz wegen der schuldhaften Verletzung vorvertraglicher Pflichten im Rahmen der Durchführung einer Ausschreibung des Bauauftrages "Ersatzneubau der Kindertagesstätte E. " in B. .

Die Beklagte schrieb im Juli 2001 den o.g. Bauauftrag bundesweit in öffentlicher Ausschreibung auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2000 - (1. Abschnitt) zur Vergabe aus; der Auftrag war gewerkweise in Lose aufgeteilt. Die Klägerin gab für das Gewerk G 01 "Erd- und Rohbauarbeiten" ein Hauptangebot ab, das nach dem Ergebnis der Submission aller rechtzeitig eingegangenen Angebote unter weiterer Einbeziehung etwaiger Preisnachlässe und Skonti sowie unter Berücksichtigung etwaiger Preisreduzierungen durch zugelassene Nebenangebote und Änderungsvorschläge mit 321.606,45 EUR brutto das preisniedrigste Angebot zu diesem Los war. Preislich insgesamt zweitplatziert war das Angebot der H. GmbH (im Folgenden: Fa. H. ), dessen Angebotssumme 334.714,33 EUR brutto betrug. Mit den Bietern der beiden preislich günstigsten Angebote, also der Klägerin und der Fa. H. , führte die Beklagte am 13. August 2001 bzw. am 15. August 2001 jeweils Aufklärungsgespräche durch. Im Ergebnis ihrer eigenen, unter Mitwirkung ihrer beiden Streithelferinnen im vorliegenden Rechtsstreit durchgeführten Wertung erteilte die Beklagte der Fa. H. den Zuschlag für den o.g. Teilauftrag. Sie sah dieses Angebot trotz des Mehrpreises in Höhe von etwa 4 % im Vergleich zum Angebot der Klägerin als das wirtschaftlichste Angebot an, weil nach den Angaben der Fa. H. zur voraussichtlichen Bauzeit im Wesentlichen bereits Mitte November mit der Fertigstellung des Rohbaus mit Ausnahme der Durchbrüche und Schlitze zu rechnen sei (gegenüber Mitte Dezember bei der Klägerin) und mithin die - nachfolgenden - Tischlerarbeiten zur Errichtung des Dachstuhls und das Schließen des Hauses bereits vor dem Jahreswechsel und dem erwarteten Beginn der Schnee- und Frostperiode abgeschlossen werden könnten. Damit verringere sich die Gefahr von Mehrkosten im Rahmen der Gesamtfertigstellung durch sonst etwa nötige Winterbaumaßnahmen, durch die Behinderung von Folgegewerken u. a. Zudem berücksichtigte die Beklagte bei ihrer Entscheidung, dass sich aus ihrer Sicht aus dem von der Klägerin vorgelegten Bauablaufplan einschließlich der Erklärungen der Klägerin im Bietergespräch vom 13. August 2001 der Verdacht ergäbe, dass die Klägerin mit sehr geringem Personaleinsatz kalkuliert habe; hieraus resultierten Bedenken gegen eine Gewährleistung einer angemessenen Besetzung der Baustelle.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote der beiden günstigsten Bieter ausschließlich das Kriterium des "Preises" hätte entscheidungserheblich sein dürfen, weswegen der Zuschlag auf ihr Angebot hätte erteilt werden müssen. Sie hat behauptet, dass der in der Vergabebekanntmachung sowie in den Verdingungsunterlagen vorgegebene und damit nach Auffassung maßgebliche Ausführungszeitraum bis einschließlich Dezember 2001 nach den Angeboten beider Bieter, insbesondere auch nach ihrem Angebot, eingehalten werde. Die Zusage kürzerer Fertigstellungsfristen durch die Fa. H. sei im Rahmen einer Nachverhandlung erfolgt, die rechtlich unzulässig gewesen sei. Sie hat bestritten, dass die von der Fa. H. im Rahmen von Nebenangeboten vorgeschlagene Technologie (Einsatz von Fertig- und Halbfertigprodukten bei den Stahlbetonarbeiten) tatsächlich zu einer Zeitersparnis im Bauablauf geführt habe. Dies zeige sich insbesondere darin, dass die Fa. H. später tatsächlich die von ihr avisierte Bauzeit überschritten habe. Die Klägerin hat schließlich bestritten, dass sie die Baustelle nicht angemessen hätte besetzen können, und sich darauf berufen, dass sie wegen der Nichterteilung des Auftrages vier Mitarbeitern habe kündigen müssen.

Die Klägerin hat weiter behauptet, dass sie durch die Nichterteilung des Auftrages einen Vermögensschaden in Höhe von 61.516,59 EUR erlitten habe, der sich zusammen setze aus dem Ersatz des unnütz gewordenen Aufwandes für die Erstellung der Angebotsunterlagen in Höhe von 3.448,66 EUR netto (= 6.745,00 DM), dem Ersatz entgangenen Gewinns in Höhe von 8 % der Netto-Angebotssumme, also 21.622,54 EUR netto (= 42.290,00 DM), der auf die Summe der erstgenannten Positionen entfallenden Mehrwertsteuer von 16 %, also 4.011,39 EUR, sowie aus allgemeinen, nicht mehr realisierbaren Geschäftskosten in Höhe von 12 % der Angebotssumme, mithin weiteren 32.434,00 EUR.

Die Beklagte hat ihre Zuschlagentscheidung als rechtlich vertretbar und sachlich zutreffend verteidigt; sie hat die Rügen vermeintlicher Vergabeverfahrensfehler als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte hat hilfsweise bestritten, dass dann, wenn im Rahmen der Bietergespräche nicht über den Bauablaufplan der Klägerin vom 3. Juli 2001 gesprochen worden wäre, der Zuschlag auf das Angebot der Klägerin hätte erteilt werden müssen. Im Übrigen hat sie auch die Höhe des geltend gemachten Schadens bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n. F.

Das Landgericht Dessau hat die Klage nach Beweisaufnahme über den Inhalt der beiden Bietergespräche vom 13. und 15. August 2001 abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Beklagten ein Fehler bei der Durchführung der Ausschreibung und der Wertung nicht anzulasten sei. Insbesondere habe die Beklagte keine unzulässigen Nachverhandlungen geführt, wie im Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere unter Bezugnahme auf die glaubhaften Angaben der Zeugin M. zum Verlauf und zum Inhalt der Bietergespräche mit der Klägerin und der Fa. H. , festzustellen sei.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 27. November 2002 zugestellte Urteil mit einem am 19. Dezember 2002 beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung am 9. Januar 2003 auch begründet.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint insbesondere, dass die Beklagte im Rahmen der Wertung der Angebote der beiden günstigsten Bieter zu Unrecht die Fristen für die Bauausführung nachträglich verkürzt habe. Sie behauptet, dass es ihr bei rechtzeitiger Kenntnis der geänderten Vorstellungen der Beklagten zur Bauzeit möglich gewesen wäre, ebenfalls eine Bauausführung des Rohbaus im Wesentlichen bis zum 10. November 2001 anzubieten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 7. Januar 2003 und vom 22. April 2003 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 61.516,59 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 29.082,59 EUR seit dem 1. Oktober 2001 sowie aus weiteren 32.434,00 EUR seit dem 8. Mai 2002 zu zahlen;

sowie hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte und ihre beiden Streithelferinnen beantragen jeweils,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil.

Der Senat hat am 14. April 2003 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats von diesem Tage Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht Dessau hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Ersatz eines Vertrauensschadens bereits dem Grunde nach für unbegründet erachtet. Zwar hat die Beklagte - entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts - in unzulässiger Weise mit den beiden Bietern der günstigsten Angebote nachverhandelt; die Klägerin hat jedoch nicht schlüssig darzulegen vermocht, dass diese Pflichtverletzung einen Schaden der Klägerin verursacht hat. Insbesondere hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, dass sie den Zuschlag für den o.g. Auftrag bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten zwingend erhalten hätte.

1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein Schadenersatzanspruch eines Teilnehmers an einer öffentlichen Ausschreibung gegen den Auftraggeber daraus ergeben kann, dass der Auftraggeber im Verlaufe der Ausschreibung die Vorschriften des Vergaberechts einschließlich der Vorgaben der von ihm selbst als Grundlage der Ausschreibung aufgeführten Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A, nicht einhält. Die danach für die streitgegenständliche Ausschreibung maßgeblichen Rechtssätze hat die Beklagte bei ihrer Vergabe dadurch verletzt, dass sie im Rahmen der Bietergespräche am 13. und 15. August 2001 einen eigenen Bauzeitenplan vom 3. Juli 2001 ins Gespräch brachte, der nicht Inhalt der Vergabebekanntmachung bzw. der Verdingungsunterlagen war. Weitere Vergaberechtsverstöße der Beklagten sind jedoch nicht feststellbar.

1.1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verstieß die erstinstanzlich zutreffend festgestellte Art und Weise der Durchführung der Bietergespräche gegen das Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 3 VOB/A.

Zweck der nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zulässigen Bietergespräche ist die Unterrichtung des Auftraggebers u.a. über die vom jeweiligen Bieter geplante Art der Durchführung der Baumaßnahmen, d.h. die Aufklärung der vom jeweiligen Bieter beabsichtigten Ausführungsfristen. Die Aufklärung hat dem gemäß passiv zu erfolgen, d.h. ohne dass der Auftraggeber dem Bieter neue, von den Verdingungsunterlagen abweichende Vorgaben macht und deren "Bestätigung" abfragt. Hiervon ist die Beklagte abgewichen, indem sie ihre eigenen Vorstellungen über einen für sie optimalen Bauzeitenplan in die Bietergespräche jeweils einbrachte, ohne dass dieser Plan zuvor bereits Gegenstand der Verdingungsunterlagen war.

Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass sowohl nach dem Inhalt der Vergabebekanntmachung als auch nach dem Inhalt der Verdingungsunterlagen jeweils nur ein Zeitrahmen für die Bauausführung von August 2001 bis Dezember 2001 ohne nähere Festlegungen vorgegeben war, während der in den Bietergesprächen vom 13. und 15. August 2001 jeweils angesprochene Bauzeitenplan der Beklagten vom 3. Juli 2001 eine wesentliche Änderung insoweit enthielt, als nunmehr die Fertigstellung der wesentlichen Bauleistungen des Rohbaus bereits Mitte November 2001 gewünscht war, um frühzeitig Baufreiheit für ein nachfolgendes Gewerk, die Tischlerarbeiten, schaffen zu können.

Soweit sich das Landgericht auf Literaturstellen beruft, wonach Einzelfristen des Bauablaufs nicht in den Text der Verdingungsunterlagen aufgenommen werden, sondern Gegenstand "nachfolgender Gespräche" sein sollten, hat es verkannt, dass hiermit nicht Bietergespräche i.S.v. § 24 Nr. 1 VOB/A, sondern Baubesprechungen mit dem Auftragnehmer nach Zuschlagerteilung gemeint sind.

1.2. Weitere Verletzungen von Vergabegrundsätzen bzw. konkreten Vergabevorschriften, wie sie die Klägerin geltend macht, liegen jedoch nicht vor.

1.2.1. Soweit die Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibung wegen unterlassener Angaben zu Einzelfristen der Bauausführung rügt, ist ein - den Wettbewerb zu ihrem Nachteil beeinflussender - Ausschreibungsfehler nicht festzustellen.

Die in Vergabebekanntmachung und Verdingungsunterlagen angegebene Bauausführungszeit von August bis Dezember 2001 ist ausreichend bemessen i.S.v. § 11 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOB/A, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt. Die gleich lautende Angabe der Beklagten in der Vergabebekanntmachung sowie in den Verdingungsunterlagen, wonach die Bauausführung in der Zeit von August bis Dezember 2001 erfolgen soll, entspricht den Anforderungen der §§ 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. h) bzw. 10 Nr. 4 Abs. 1 lit. d) VOB/A; weitere Angaben sind nicht zwingend erforderlich.

Hinsichtlich der Vorgabe von Einzelfristen gilt, dass diese schon grundsätzlich nicht erfolgen darf, wenn nicht - ausnahmsweise - ein erhebliches Interesse für deren Bestimmung vorliegt, § 11 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass jede unnötige Vorgabe des Auftraggebers letztlich den Wettbewerb der an der Ausschreibung teilnehmenden Unternehmen beschränkt. Das Unterlassen der Vorgabe von Einzelfristen ist auch dann nicht fehlerhaft, wenn der Auftraggeber an deren Einhaltung Interesse hat. Der Auftraggeber muss nämlich im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung entscheiden, ob er der Einhaltung der ihm wichtigen Einzelfrist ein solch erhebliches Gewicht beimisst, dass er auf ein Angebot, das diese Anforderung nicht erfüllt, in keinem Falle den Zuschlag erteilen will, oder ob er die Einhaltung der ihm wichtigen Einzelfrist lediglich als eines von mehreren Wirtschaftlichkeitskriterien berücksichtigen möchte. Für die letztere Variante hat sich die Beklagte hier ausweislich ihrer Verdingungsunterlagen entschieden, und zwar auch hinsichtlich der Einzelfrist zur Fertigstellung der Decke über dem Obergeschoss.

Aus dem Vorausgeführten folgt im Übrigen, dass es auch dann, wenn die Beklagte ihren Bauablaufplan vom 3. Juli 2001 zum Gegenstand ihrer Verdingungsunterlagen gemacht und die Einzelfrist zur Fertigstellung der Decke über dem Obergeschoss bis zum 10. November 2001 zur Vertragsfrist erhoben hätte, eine solche Vorgehensweise von § 11 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A gedeckt gewesen wäre.

1.2.2. Die Beklagte hat hinsichtlich der Durchführung der Bietergespräche am 13. und 15. August 2001 das Gleichbehandlungsgebot der §§ 2 Nr. 2, 8 Nr. 1 VOB/A nicht, jedenfalls nicht in einer für die Klägerin nachteiligen Weise verletzt.

Die Beklagte hat mit den Bietern der beiden bestplatzierten Angebote, nämlich mit der Klägerin und der Fa. H. , jeweils Bietergespräche durchgeführt. Sie hat beide Bieter mit der Ladung zu diesem Gespräch jeweils aufgefordert, den bislang fehlenden Bauzeitenplan vorzulegen; hierzu hat sie beiden Bietern - unzulässiger Weise - ihre eigenen Vorstellungen kund getan und den Bietern eine jeweils angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Schließlich hat sie die von beiden Bietern eingereichten Bauzeitenpläne in die Wertung einbezogen, wobei es unter dem Aspekt der Gleichbehandlung unerheblich ist, ob die Fa. H. einen selbst geschriebenen Bauzeitenplan vorgelegt oder - wie hier - lediglich einen von der Beklagten vorgegebenen Bauzeitenplan inhaltlich vollständig bestätigt hat.

Selbst wenn die Beklagte einen dritten Bieter vergaberechtswidrig nicht zum Bietergespräch geladen hätte, ist nicht ersichtlich, inwieweit dies der Klägerin Schaden zugefügt haben soll.

1.2.3. Das Transparenzgebot ist nicht verletzt, insbesondere auch nicht hinsichtlich der Wertungskriterien. Für alle Bieter im vorgenannten Vergabeverfahren, auch für die Klägerin, war erkennbar, dass für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Angebotes neben dem Preis weitere Kriterien, u.a. auch die Bauausführungsfristen, maßgeblich sein werden.

Die Klägerin verkennt, dass die Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A, in ihrem ersten Abschnitt, der für die bundesweiten Ausschreibungen gilt, - anders als § 25 a VOB/A im zweiten Abschnitt der VOB/A für die EU-weiten Vergabeverfahren - keine förmliche Angabe der Wirtschaftlichkeitskriterien im Einzelnen in der Vergabebekanntmachung bzw. in den Verdingungsunterlagen verlangt. Es genügt, wenn das Anforderungsprofil des Auftraggebers in den an die Bieter übermittelten Verdingungsunterlagen hinreichenden Ausdruck gefunden hat. Dies trifft hier auf die Verdingungsunterlagen der Beklagten zu, und zwar auch hinsichtlich der Relevanz der Bauausführungszeiten.

Die Beklagte hatte in den Verdingungsunterlagen hinsichtlich der Zuschlagkriterien auf § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A verwiesen, der ausdrücklich auf eine Gesamtschau verschiedener Kriterien einschließlich der Ausführungsfrist abstellt. Sie hatte zudem in Ziff. 4.17 ihrer Besonderen Vertragsbedingungen (vgl. EVM (B) BVB S. 14, Anlage B 1, GA Bd. I Bl. 42 ff., 43) die Vorlage des "vom Bieter vorgesehenen Terminplans (mit Zwischenterminen) zur Fertigstellung der Leistungen" ausdrücklich verlangt. Schließlich war aus Ziff. 2 dieser Besonderen Vertragsbedingungen weiter zu ersehen, dass dem Bauablaufplan eigenständige Bedeutung zukam, weil er Vertragsinhalt werden sollte. Für ein Bauunternehmen war auch offensichtlich, dass der Zweck der Nachfrage nach den konkreten Ausführungsfristen in der Abstimmung mit den nachfolgenden Gewerken liegt und dass es im Rahmen der Ausschreibung aus Wettbewerbsgründen zweckmäßig sein konnte, zumindest alternativ auch kürzere Bauausführungszeiten anzubieten.

Dass die Beklagte hiervon auch im Verlaufe der Vergabe nicht abgerückt ist, zeigte allein der besondere Hinweis in den Ladungen an die Bieter der beiden günstigsten Angebote zum Bietergespräch, wonach an die Vorlage des Bauablaufplanes erinnert wurde.

1.2.4. Aus gleichen Gründen ist die Einbeziehung des Kriteriums "Ausführungsfrist" in die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung der in der vierten Wertungsstufe berücksichtigten Angebote der Fa. H. und der Klägerin nicht zu beanstanden; sie entspricht vielmehr dem Inhalt des § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 VOB/A.

1.2.5. Die Wertung der Beklagten im vorliegenden Vergabeverfahren beruht schließlich auch nicht auf offensichtlich unzutreffenden Feststellungen.

a) Soweit die Klägerin - unter Beweisantritt - geltend macht, dass der Bauzeitenplan der Fa. H. vom 15. August 2001 objektiv unrealistisch sei, kommt es hierauf nicht an. Entscheidend ist allein, ob dieser Bauzeitenplan der Beklagten zum Zeitpunkt ihrer Zuschlagentscheidung als unrealistisch erscheinen musste, so dass die Bauzeitverkürzung lt. Angebot der Fa. H. deswegen nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Denn nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 VOB/A ist der öffentliche Auftraggeber nur verpflichtet, den Zuschlag auf das Angebot zu erteilen, welches ihm ex ante als das wirtschaftlichste erscheint . Das Risiko einer Fehleinschätzung des Auftraggebers ist dem Vergabeverfahren immanent; die gerichtliche Nachprüfung vergaberechtlicher Entscheidungen dient dem gegenüber nur dem Schutz des Vertrauens des Bieters dahin, dass die bestehende Aussicht auf Amortisation seiner mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen nicht durch zusätzliche Risiken beeinträchtigt wird, die in vergaberechtlichen Bestimmungen keine Grundlage finden.

b) Der Sachvortrag der Klägerin kann auch nicht hilfsweise dahin gedeutet werden, dass sie behaupten will, dass der Bauablaufplan der Fa. H. auch der Beklagten zum Zeitpunkt ihrer Zuschlagentscheidung als unrealistisch erscheinen musste. Einer solchen Umdeutung steht entgegen, dass die Klägerin den mit dem Bauablaufplan der Fa. H. nahezu identischen Bauablaufplan der Beklagten vom 3. Juli 2001 gerade nicht als unrealistisch angreift, sondern mit ihrem Angebot vom 15. August 2001 (GA Bd. I Bl. 16) vielmehr als - auch von ihr - realisierbar aufgreift, wenngleich unter Ausweisung eines Mehrpreises von 33.930,00 DM (= 17.348,13 EUR).

Ergänzend ist anzumerken, dass der Sachvortrag der Klägerin insoweit auch widersprüchlich ist, weil sich die von der Klägerin am Bauablaufplan der Fa. H. als "unlogisch" angegriffenen zeitlichen Überschneidungen der Ausführung von Arbeiten am Mauerwerk der einzelnen Geschosse und von Stahlbetonarbeiten an den Decken der jeweiligen Geschosse in gleicher Weise in ihrem eigenen Bauablaufplan finden (vgl. GA Bd. I Bl. 19).

c) Es kann auch dahin stehen, ob die von der Klägerin behaupteten Verzögerungen im tatsächlichen Bauablauf der Errichtung des Rohbaus eingetreten sind und welche Ursache sie ggfs. hatten. Die Beklagte konnte bei ihrer Zuschlagentscheidung den künftigen Bauablauf jedenfalls nicht berücksichtigen, weil sie ihn nicht kannte. Soweit die Klägerin hierin ein Indiz für eine fehlende Realitätsnähe der Bauablaufplanung der Fa. H. sieht, fehlt es, wie vorausgeführt, bereits an einer schlüssigen Darlegung der Haupttatsache.

d) Die Beklagte hat ihre Zuschlagentscheidung weiter in zulässiger Weise auf den Umstand gestützt, dass sich aus dem Bauablaufplan der Klägerin sowie deren Angaben im Bietergespräch zu ihren beschränkten Möglichkeiten der Beschleunigung der Bauausführung konkrete Zweifel daran ergeben, dass die Klägerin eine einwandfreie und jedenfalls fristgerecht bis Dezember 2001 beendete Bauausführung gewährleisten kann. Es war hier nicht willkürlich, aus den langen Zeiträumen jeweils für die Einrichtung der Baustelle und die Durchführung der Maurerarbeiten im Erdgeschoss und im Obergeschoss auf eine Ausführungsplanung mit geringem Personaleinsatz zu schließen.

Dies gilt hier selbst dann, wenn man davon ausginge, dass die Beklagte der Klägerin vor Verwertung dieser Zweifel im Rahmen des Bietergespräches Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gewähren müssen. Zwar hat die Beklagte dies nicht getan, im Rahmen ihrer Anhörung hätte die Klägerin diese Zweifel der Beklagten jedoch auch nicht auszuräumen vermocht. Die Klägerin hat sich insoweit noch im vorliegenden Rechtsstreit allein darauf berufen, dass sie wegen der Nichterteilung des Auftrags vier Mitarbeiter entlassen hätte, die im Falle der Beauftragung der Klägerin allein für diese Baustelle zur Verfügung gestanden hätten. Diesem Vorbringen hätte die Beklagte angesichts der jeweils vor Durchführung des Bietergespräches am 13. August 2001 bereits wirksam gewordenen Beendigung der vier Arbeitsverhältnisse nicht folgen müssen.

2. Die Klägerin hat einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Verstoß der Beklagten gegen das Nachverhandlungsverbot und dem geltend gemachten Schaden nicht vorgetragen, obwohl sie hierzu spätestens seit dem Hinweis der Beklagten in deren Klageerwiderung vom 22. März 2002 auf die fehlende schlüssige Darlegung der haftungsbegründenden Kausalität Veranlassung gehabt hätte. Letztlich hat sie - ungeachtet der Frage, ob ein solcher Vortrag nach § 531 ZPO überhaupt hätte zugelassen werden können - auch in ihrer Berufungsbegründung und auch nachfolgend nicht dargelegt, dass ihr bei ordnungsgemäßer Durchführung der Aufklärungsgespräche am 13. und 15. August 2001 durch die Beklagte der Zuschlag zwingend zu erteilen gewesen wäre.

2.1. Nach dem Sach- und Streitstand des Rechtsstreits ist davon auszugehen, dass die unzulässige Vorgabe des selbst entworfenen Bauzeitenplanes vom 3. Juli 2001 durch die Beklagte keinen Einfluss auf den von der Beklagten festgestellten und ihrer Bewertung in der vierten Wertungsstufe zugrunde gelegten Inhalt der Angebote der Klägerin und der Fa. H. im Hinblick auf die Bauausführungszeit einschließlich Zwischenfristen gehabt hat.

Die Klägerin hat diese Vorgabe der Beklagten ohnehin nicht als Inhalt ihres Angebots bestätigt, sondern ihren eigenen, von der unzulässigen Vorgabe unbeeinflussten Bauablaufplan vorgelegt, wonach mit der Fertigstellung der Decke des Obergeschosses erst am 14. Dezember 2001 zu rechnen war. Insoweit kann dahin stehen, ob mit dem Angebot auch die Fertigstellung aller Schlitze und Durchbrüche innerhalb dieser Frist zugesagt werden sollte oder nicht.

Hinsichtlich des Angebots der Fa. H. hat die Beklagte behauptet, dass danach die Fertigstellung der Decke des Obergeschosses bis zum 16. November 2001 vorgesehen war, und zwar unabhängig von der suggestiven Nachfrage der Beklagten im Bietergespräch am 15. August 2001. Sie hat ihre Behauptung nachvollziehbar damit untersetzt, dass die Fa. H. , anders als die Klägerin, sechs Änderungsvorschläge bzw. Nebenangebote abgegeben hatte, die wegen des Einsatzes von Fertig- und Halbfertigprodukten im Stahlbetonbau eine Verkürzung der Bauzeit bewirkten. Die Nachfrage der Beklagten habe daher nur zu einer Offenlegung der ohnehin vorgesehenen kürzeren Bauausführungszeit geführt; ein gleiches Resultat hätte auch die - rechtlich zulässige - Nachfrage im Rahmen der Angebotsaufklärung gehabt. Dieser Sachvortrag, dem die Klägerin nicht entgegen getreten ist, ist zudem bestätigt worden durch die Angaben der erstinstanzlich zum Inhalt der Aufklärungsgespräche vernommenen Zeugin M. . Es kann dahin stehen, ob der Beklagten der (Gegen-)Beweis bereits gelungen ist. Die Klägerin hat jedenfalls lediglich Zweifel an der Seriosität der behaupteten Bauzeitberechnung geäußert. Sie trägt aber die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der behauptete und vom Senat auch festgestellte Vergaberechtsverstoß tatsächlich nachteilig auf die Bewertung ausgewirkt hat.

2.2. Die Entscheidung der Beklagten, dem um ca. 4 % teureren Angebot der Fa. H. den Vorzug vor dem Angebot der Klägerin zu geben, weil danach eine erheblich kürzere Bauausführungszeit einschließlich der von der Beklagten damit verknüpften Vorteile zu erwarten war und weil hinsichtlich der Gewährleistung der avisierten Bauausführungsfristen durch die Klägerin Zweifel aufgekommen waren, hält sich, wie ausgeführt, im Rahmen des der Beklagten nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A eingeräumten Beurteilungsspielraums.

3. Ergänzend ist anzumerken, dass sich die von der Klägerin nebeneinander geltend gemachten Schadenpositionen wechselseitig ausschließen. Begehrt die Klägerin den Ersatz entgangenen Gewinns, so sind die von ihr getätigten Aufwendungen zur Erstellung eines zuschlagfähigen Angebots solche Kosten, die ihr auch bei fiktiver Zuschlagerteilung entstanden waren und zu deren Deckung der erwartete Gewinn hätte eingesetzt werden müssen. Begehrt die Klägerin vorrangig den Ersatz der Aufwendungen für die Erstellung der Angebotsunterlagen, so macht sie letztlich einen Mindestschaden geltend, der seinem Charakter nach ebenfalls entgangener Gewinn ist. Soweit die Klägerin darüber hinaus noch "allgemeine Geschäftsunkosten" begehrt, ist diese Klageteilforderung schon für sich genommen nicht nachvollziehbar.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 97 Abs. 1 und 101 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO n. F. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 01.01.2002 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen diese Entscheidung nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n. F. war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Klägerin hat Gründe für eine Zulassung der Revision auch selbst nicht vorgebracht.

Ende der Entscheidung

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