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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 18.06.2002
Aktenzeichen: 1 U 147/01
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, BRAGO, BRAO, VertragsG-DDR, EGZPO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 291
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 628 Abs. 2
BGB § 628 Abs. 1 S. 1
BGB § 628 Abs. 1 S. 2
EGBGB § 1 Abs. 1 S. 3
BRAGO § 7 Abs. 1
BRAGO § 9 Abs. 1
BRAGO § 8 Abs. 1 S. 1
BRAO § 49b Abs. 1 S. 1
VertragsG-DDR § 79
VertragsG-DDR § 79 Abs. 1 S. 1
EGZPO § 26 Nr. 7
EGZPO § 26 Nr. 8
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 n.F.
1. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, seinen Mandanten jeweils im zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme eines Mandates auf eine mögliche Interessenkollision hinzuweisen und vor allem über die rechtliche und praktische Tragweite dieses Umstandes zu belehren. Dieser Verpflichtung unterliegt ein Rechtsanwalt stets auch dann, wenn er keinen persönlichen Kontakt zur Prozesspartei unterhält, sondern die gesamte Kommunikation über einen Verkehrsanwalt erfolgt.

2. Die vom Rechtsanwalt hierbei geschuldeten Sorgfaltsanforderungen werden nach einem objektivierten Maßstab bemessen, so dass es nicht auf die Qualität und Leistungsfähigkeit der verwendeten Anwalts-Software ankommen kann. Wer Software benutzt, hat sicher zu stellen, dass diese den allgemein gültigen beruflichen Sorgfaltsanforderungen entspricht.

3. Unter den Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB entfällt nur derjenige Teil der Vergütung, der den Gegenwert für eine Tätigkeit des Dienstverpflichteten darstellt, an der der Dienstberechtigte aufgrund der vorzeitigen Kündigung kein Interesse mehr hat. Dies kann im Ausnahmefall allerdings auch die gesamte geschuldete Vergütung sein.Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte ist der Begriff des Wegfalls des Interesses nicht abstrakt, sondern in Relation zu den tatsächlichen erneuten Aufwendungen auszulegen, d.h. der Wegfall des Interesses umfasst beim Anwaltsvertrag regelmäßig diejenigen Gebühren, die der Mandant nach der vorzeitigen Kündigung erneut aufwenden muss, z.Bsp. in einem Anwaltsprozess die erneut anfallende Prozess- und Verhandlungsgebühr. Abzustellen ist danach auf den dem Mandanten durch die Mandatsniederlegung tatsächlich entstandenen Mehraufwand.

4. Ein vom Verkehrsanwalt mit der Beklagten vereinbarter Verzicht auf die Erhebung der Verkehrsanwaltsgebühr ist unwirksam, weil er gegen das gesetzliche Verbot der Unterbietung der gesetzlichen Gebühren verstößt, § 134 BGB i.V.m. § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO. Der Senat sieht die Verkehrsanwaltsgebühr als eine gerichtliche Gebühr an.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 147/01

verkündet am: 18.06.2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Geib und Wiedemann auf die mündliche Verhandlung vom

14. Mai 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger zu 2) und zu 3) wird das am 18. Oktober 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Halle, Az.: 4 O 1/01, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsanwälte S. , B. & H. 70.534,25 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 22. Februar 2001 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2) und zu 3) und der Beklagten in beiden Instanzen haben die Kläger zu 2) und zu 3) einerseits und die Beklagte andererseits zu jeweils 50 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) trägt dieser selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Kläger zu 2) und zu 3) für die Rechtsanwälte S. , B. & H. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Rechtsanwälte S. , B. & H. zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben. Die Kläger zu 2) und zu 3) können die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Kläger zu 2) und zu 3) sowie diejenige der Beklagten übersteigt jeweils 20.000,00 EUR.

Tatbestand:

Die Kläger zu 2) und zu 3) bildeten gemeinsam mit dem in erster Instanz durch Klagerücknahme aus dem Rechtsstreit ausgeschiedenen Kläger zu 1), Rechtsanwalt S. aus N. , eine Anwaltssozietät. Die gemeinsame Sozietät ist zum 31. Dezember 2001 beendet worden; die Auseinandersetzung der früheren gemeinsamen Sozietät (künftig: "Alt-Sozietät") ist noch nicht abgeschlossen. Die Kläger zu 2) und zu 3) nehmen die Beklagte auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren für Tätigkeit der "Alt-Sozietät" in Anspruch, hilfsweise auch aus abgetretenem Recht des vormaligen Klägers zu 1).

Die Beklagte verteidigt sich gegen die Honorarforderung vor allem damit, dass sie zu einer Zahlung nicht (mehr) verpflichtet sei, nachdem sie wegen eines pflichtwidrigen schuldhaften Verhaltens der "Alt-Sozietät" den Anwaltsvertrag fristlos gekündigt und dadurch das Interesse an der in Rechnung gestellten Tätigkeit der Kläger gänzlich verloren habe. Dieses vertragswidrige schuldhafte Verhalten sieht die Beklagte im Unterlassen eines Hinweises auf eine mögliche Interessenkollision der Mitglieder der "Alt-Sozietät" als Prozessbevollmächtigte der Beklagten in zwei Berufungsverfahren sowie als Prozessbevollmächtigte eines Gegners der hiesigen Beklagten in einem weiteren, parallel laufenden Berufungsverfahren beim Oberlandesgericht Naumburg.

Dem liegt folgendes zugrunde:

Im Zuge der Privatisierung ehemals volkseigener Betriebe wurde das Braunkohlekombinat B. (VE BKK B. ) in die I. in B. umgewandelt. Diese Aktiengesellschaft wurde mit Beschluss vom 23. November 1993 aufgespalten in drei Gesellschaften, nämlich die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (M. -GmbH) in B. mit dem Geschäftszweck der Fortführung des Braunkohlebergbaus in ausgewählten Tagebauen in Mitteldeutschland, die B. mbH (B. -GmbH) in B. , als deren Unternehmensgegenstand als Leitung und Koordinierung des auslaufenden Braunkohlebergbaus in Mitteldeutschland einschließlich der Sanierung, Nutzung und Verwertung der Liegenschaften sowie der weiteren Privatisierung der Tochterunternehmen und Beteiligungsgesellschaften bestimmt wurde, und die R. GmbH mit Sitz in A. , eine Ausgliederung eines speziellen Geschäftsfeldes der I. Von der B. -GmbH wurden dabei - mit enumerativen Ausnahmen - alle Verbindlichkeiten der I. übernommen, die bis zum 31. Dezember 1993 entstehen. Dies ergibt sich u.a. aus dem Spaltungsplan zu UR-Nr. 2692/93 des Notars A. R. in K. vom 30. November 1993. Mit Verschmelzungsvertrag vom 29. November 1995 verschmolzen die B. -GmbH in B. und die mit gleichem Unternehmenszweck für den auslaufenden Braunkohlebergbau in der L. tätige L. mbH in Br. (L. -GmbH) zur Beklagten (V. -GmbH) mit Sitz in Bn.

Die Kläger zu 1) und zu 2) übernahmen im Jahre 1993 ein Mandat der Q. Betreiber GmbH i.L. als Klägerin (künftig: Mandat T. ) in einem Berufungsrechtsstreit gegen die I. als dortige Beklagte - Rs. 3 O 601/92 Landgericht Dessau, 2 U 153/93 Oberlandesgericht Naumburg (künftig: BeiA I).

Gegenstand des Rechtsstreits war ein vermeintlicher Anspruch der T. auf Aufwendungsersatz nach § 79 Abs. 1 S. 1 VertragsG-DDR wegen der im Juni 1990 erfolgten Stornierung eines noch unter den Bedingungen der DDR-Planwirtschaft geschlossenen Transformatorenliefervertrages; die Stornierung wurde auf einen Beschluss des Ministerrates der DDR über die Stilllegung u.a. des VEB Braunkohleveredelung E. gestützt, für den der Transformator bestimmt gewesen war.

Der Rechtsstreit ruhte in der Zeit vom 29. Juni 1994 bis zum 07. April 1999 im Hinblick darauf, dass beide Prozessparteien die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in drei ähnlich gelagerten Fällen abwarten wollten.

Mit Schriftsatz vom 03. Dezember 1998 zeigte die hiesige Beklagte an, dass sie Rechtsnachfolgerin der I. sei, begründete dies unter Vorlage entsprechender Handelsregisterauszüge und regte - erfolgreich - eine entsprechende Berichtigung des Passivrubrums an (vgl. BeiA I Bl. 162 bis 172).

Im August 1996 wurde die "Alt-Sozietät" durch Korrespondenzanwälte der Beklagten in deren Namen beauftragt, die Prozessvertretung der Beklagten im Rechtsstreit der Q. (Q. ) GmbH gegen die zwei aus der Spaltung der I. hervorgegangenen Unternehmungen, nämlich die B. -GmbH und R. GmbH, sowie gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben wahrzunehmen - Rs. 10 O 100/95 Landgericht Halle, 7 U 129/96 Oberlandesgericht Naumburg (künftig: Mandat Q. ; BeiA II).

Gegenstand des Rechtsstreits war ein vermeintlicher Aufwendungs- bzw. Schadenersatzanspruch der Q. nach § 79 VertragsG-DDR wegen der im April 1990 erfolgten Stornierung eines unter den Bedingungen der DDR-Planwirtschaft geschlossenen Koordinierungsvertrages; der Stornierung lag zugrunde, dass ein ursprünglich im Staatsplan der DDR vorgesehenes Investitionsvorhaben des VE BKK B. nicht mehr ausgeführt wurde. Die Klägerin machte zunächst eine Forderung i.H.v. 1.500.000 DM klageweise geltend.

Zur Darlegung der Passivlegitimation der dortigen Beklagten hatte die dortige Klägerin bereits in ihrer Klageschrift vom 22. Dezember 1994 ausführlich auf den Spaltungsplan zu UR Nr. 2692/93 des Notars A. R. in K. vom 30. November 1993 Bezug genommen (vgl. BeiA II Bd. I Bl. 7). Diese Sachverhaltsdarstellung fand Eingang in den unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils. Im Juli 1996 wurde die Klage subjektiv auf die B. -GmbH beschränkt. Die "Alt-Sozietät" selbst regte mit ihrem Schriftsatz vom 09. Oktober 1996 (Berufungserwiderung, vgl. BeiA II Bd. II Bl. 190 ff.) an, das Passivrubrum auf die hiesige Beklagte zu ändern; beide Parteien des Rechtsstreits erklärten im Termin der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 28. November 1996 ihr Einverständnis damit, dass das Passivrubrum nunmehr auf die hiesige Beklagte lauten müsse.

Nachdem das am 19. Dezember 1996 in dieser Sache ergangene Berufungsurteil auf die Revision der dortigen Klägerin teilweise aufgehoben und im Umfange der Aufhebung an das Oberlandesgericht Naumburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden war (Urt. v. 14. Januar 1998, VIII ZR 23/97), wurde die "Alt-Sozietät" im März 1998 von Korrespondenzanwälten der hiesigen Beklagten erneut mit der Prozessvertretung im Berufungsverfahren mandatiert. Im Rahmen des (erneuten) Berufungsrechtsstreits mit gerichtlicher Beweisaufnahme erhöhte die Klägerin ihre Hauptforderung auf 25.508.044,66 DM und machte daneben Zinsen in bereits kapitalisierter Form i.H.v. 8.337.284,83 DM geltend; die Beklagte hatte widerklagend die Freistellung von vorgerichtlichen Aufwendungen zur Rechtsverfolgung i.H.v. 161.018,00 DM geltend gemacht. Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wird auf den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 15. November 1999 (BeiA II Bd. VI Bl. 4) Bezug genommen, der von den Parteien des Rechtsstreits nicht angefochten wurde.

Schließlich beauftragte die Beklagte die "Alt-Sozietät" über ihre Korrespondenzanwälte im September 1996 weiterhin mit ihrer Prozessvertretung im Berufungsrechtsstreit G. Mt. und U. K. gegen die Beklagte (künftig: Mandat Mt. u.a.; BeiA III: 5 O 574/96 Landgericht Halle, 12 U 152/98 Oberlandesgericht Naumburg), einer Gewerberaum-Mietstreitigkeit. Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wurde vom Oberlandesgericht Naumburg auf 77.540,48 DM festgesetzt (vgl. Beschluss v. 10. Februar 1999, BeiA III Bd. II Bl. 99 f.).

Die "Alt-Sozietät" zeigte gegenüber der Beklagten als ihrer Mandantin zu keiner Zeit an, dass ihre Mitglieder in dem Rechtsstreit T. ./. I. als Klägervertreter und mithin auf der Seiten eines Prozessgegners ihrer Mandantin mitwirkten. Nachdem die Beklagte diesen Umstand zum Jahresende 1998 erkannte, forderte sie die Mitglieder der "Alt-Sozietät" mit Schriftsätzen ihrer Korrespondenzanwälte jeweils vom 14. Dezember 1998 auf, "... im Hinblick auf die gegebene Interessenkollision das Mandat der V. niederzulegen und die Niederlegung beim Oberlandesgericht Naumburg anzuzeigen." (vgl. GA Bd. I Bl. 170 - für das Mandat im Rechtsstreit 7 U 129/96).

Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 1998 teilte die "Alt-Sozietät" dem Oberlandesgericht Naumburg zum Rechtsstreit 7 U 129/96 (Q. ./. V. ) die Mandatsbeendigung mit. Am 30. Dezember 1998 ging in diesem Rechtsstreit ein schriftliches Sachverständigengutachten beim Senat ein; der Senat forderte die Parteien des Rechtsstreits auf, hierzu bis zum 28. Februar 1999 Stellung zu nehmen. Die dortige Klägerin nahm mit Schriftsatz vom 22. Februar 1999 diese Gelegenheit wahr. Mit Schriftsatz vom 01. März 1999 (Montag) bat die Beklagte die "Alt-Sozietät" um Einreichung eines entsprechenden Fristverlängerungsgesuches (GA Bd. I Bl. 172); dem kam die "Alt-Sozietät" nach. Am 10. März 1999 zeigte sodann ein anderer Rechtsanwalt gegenüber dem Oberlandesgericht Naumburg an, dass das Mandat der "Alt-Sozietät" erloschen sei und er nunmehr die Vertretung der Beklagten wahrnehme. Zugleich nahm er zu dem schriftlichen Gutachten Stellung. Er vertrat die Beklagte sodann bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens.

Die "Alt-Sozietät" rechnete mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2000 ihre Tätigkeit im Berufungsrechtsstreit 7 U 129/96 ab; die Rechnung endet auf einen Restbetrag i.H.v. 279.182,36 DM (vgl. GA Bd. I Bl. 12). Abgerechnet wurden zu einem Streitwert von 33.845.329,49 DM jeweils eine 13/10-Prozess-, Verhandlungs-, Beweis- und Korrespondenzanwaltsgebühr einschließlich Postpauschale und Mehrwertsteuer abzüglich der vor Zurückverweisung bereits geleisteten Zahlungen. Im Hinblick auf eine mit den Korrespondenzanwälten verabredete jeweils hälftige Gebührenteilung machte die Sozietät nur 50 % des Gesamtbetrages geltend. Die Beklagte leistete hierauf keine Zahlungen.

Der ab März 1999 für die Beklagte im Berufungsverfahren tätige Rechtsanwalt rechnete mit Kostennote vom 08. Mai 2000 (GA Bd. II Bl. 179) Gebühren i.H.v. 71.248,59 DM brutto ab; diese Kostennote wurde von der Beklagten vollständig beglichen.

Im Rechtsstreit 12 U 152/98 (Mt. u.a. ./. V. ) zeigte die "Alt-Sozietät" am 07. Januar 1999 die Mandatsniederlegung gegenüber dem Gericht an. Am 11. Januar 1999 bestellte sich ein anderer Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten der hiesigen Beklagten.

Für ihre Tätigkeit in diesem Berufungsverfahren legten die Mitglieder der "Alt-Sozietät" unter dem 15. Februar 1999 Schlussrechnung, die auf 2.697,58 DM endete (vgl. GA Bd. I Bl. 169). Der Abrechnung liegt ein Gebührenstreitwert von 77.450,48 DM unter Ansatz einer 13/10-Prozessgebühr zzgl. Postpauschale und 126,80 DM Kopierkosten und zzgl. Mehrwertsteuer zugrunde. Auch hierauf leistete die Beklagte keine Zahlungen. Ein auf Zahlung dieser Gebühren an die Sozietät H. & B. gerichteter Rechtsstreit des vormaligen Klägers zu 1) gegen die hiesige Beklagte vor dem Amtsgericht Naumburg endete rechtskräftig mit Klageabweisung, wobei in der Berufungsinstanz bereits die Prozessführungsbefugnis des dortigen Klägers verneint worden und die Klage daher als unzulässig abgewiesen worden ist (vgl. BeiA C 388/99 Amtsgericht Naumburg; 1 S 3/01 Landgericht Halle).

Der nach Mandatsniederlegung durch die "Alt-Sozietät" im Berufungsrechtsstreit Mt. u.a. ./. V. tätige Rechtsanwalt rechnete gegenüber der Beklagten (ohne Berücksichtigung einer Gebührenteilungsabrede mit den Korrespondenzanwälten) Gebühren i.H.v. 7.558,50 DM ab; diese Kostennote wurde von der Beklagten ausgeglichen.

Die Kläger haben in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass sie die vorzeitige Kündigung der beiden Berufungsmandate nicht durch eigenes vertragswidriges Verhalten veranlasst hätten. Letztlich seien sie wegen der Besonderheiten der hier vorliegenden Konstellation schon nicht verpflichtet gewesen, eine mögliche Interessenkollision überhaupt anzuzeigen, bzw. sei eine etwaige Informationspflicht hier im Hinblick darauf entfallen, dass die Beklagte vor Beauftragung selbst Gelegenheit gehabt hätte, durch ihre hausinterne Rechtsabteilung bzw. durch ihre "Hausanwälte" eine Interessenkollision bei der Auswahl ihrer Prozessbevollmächtigten zu verhindern. Die Kläger haben hilfsweise für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB vorlägen, die Meinung vertreten, dass ein Wegfall des Interesses der Beklagten nur in dem Umfange vorläge, in dem sie den nachfolgend beauftragten Prozessbevollmächtigten Zahlungen geleistet habe. Sie haben bestritten, dass im Berufungsverfahren Q. ./. V. der nachfolgende Prozessbevollmächtigte die gleichen Gebühren bekommen habe, wie von ihnen abgerechnet. Äußerst hilfsweise sei jedenfalls die Prozessgebühr im Mandat Q. parallel auch für die "Alt-Sozietät" dadurch angefallen, dass die Beklagte die "Alt-Sozietät" trotz Kenntnis der Interessenkollision mit der Einreichung des Fristverlängerungsantrages vom 01. März 1999 bei Gericht beauftragt habe.

Die Beklagte hat -unbestritten - behauptet, für den Fall einer rechtzeitigen Information über die Tätigkeit der "Alt-Sozietät" im Mandat der T. hätte sie von vornherein einen anderen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung in den vorgenannten Berufungsverfahren Mandat I und II der Beklagten beauftragt.

Das Landgericht hat die Klage mit seinem am 18. Oktober 2001 verkündeten Urteil als unbegründet abgewiesen. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen und auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F..

Die Kläger zu 2) und zu 3) haben gegen das ihnen am 30. Oktober 2001 zugestellte Urteil mit einem am 29. November 2001 vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 31. Januar 2002 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Sie wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen und rügen insbesondere, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass Rechtsfolge des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB ein völliges Entfallen der Honoraransprüche der "Alt-Sozietät" sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 23. Januar 2002 (GA Bd. II Bl. 82 bis 89) Bezug genommen.

Die Kläger zu 2) und zu 3) beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

die Beklagte zu verurteilen, an die Rechtsanwälte B. & H. 144.122,92 EUR nebst 8,5 % Zinsen aus 142.743,67 EUR und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.379,25 EUR jeweils seit dem 09. März 1999 zu zahlen.

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an die Rechtsanwälte S. , B. & H. 144.122,92 EUR nebst 8,5 % Zinsen aus 142.743,67 EUR und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.379,25 EUR jeweils seit dem 09. März 1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung.

Im Rahmen seiner mündlichen Verhandlung hat der Senat Einzelheiten zu den hier zwischen den beteiligten Rechtsanwälten getroffenen Gebührenteilungsabreden aufgeklärt; auf Hinweis des Senats hat die Beklagte zudem vorsorglich die Kostenrechnung des nachfolgend im Rechtsstreit 7 U 129/96 beauftragten Prozessbevollmächtigten vorgelegt, die unstreitig vollständig ausgeglichen wurde. Insoweit wird auf Anlage A zum Sitzungsprotokoll vom 14. Mai 2002 (GA Bd. II Bl. 179) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger zu 2) und zu 3) ist zulässig.

Sie wurde form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Die Berufung ist insbesondere (auch) mit dem als Hilfsantrag gestellten Antrag zulässig. Die Kläger zu 2) und zu 3) sind nach den Grundsätzen der actio pro socio prozessführungsbefugt für die "Alt-Sozietät". Die Klagerücknahme des Klägers zu 1) in erster Instanz ist als Weigerung an der Mitwirkung zur Forderungsdurchsetzung zugunsten der "Alt-Sozietät" aufzufassen, so dass die Kläger zu 2) und zu 3) als weitere Mitgesellschafter dieser Sozietät die Forderung in deren Namen geltend machen können.

Die Berufung hat jedoch in der Sache nur im erkannten Umfange Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

Die mit dem Hauptantrag der Berufung verfolgte Klageforderung zugunsten der Sozietät der Kläger zu 2) und zu 3) ist bereits mangels Aktivlegitimation unbegründet (dazu unter 1.); der Hilfsantrag der Kläger zu 2) und zu 3) ist dem Grunde nach gerechtfertigt (dazu unter 2.), in der Höhe ist der Hilfsantrag jedoch nur etwa zur Hälfte gerechtfertigt (dazu unter 3.).

1. Der Hauptantrag der Kläger zu 2) und zu 3) in der Berufungsinstanz ist auf eine Zahlung an die neue bzw. unter personeller Reduzierung fortgesetzte Sozietät, bestehend aus den beiden vorgenannten Klägern, gerichtet. Dass diese "heutige" Sozietät Forderungsinhaberin geworden ist, ist jedoch bereits nicht schlüssig dargelegt.

Ursprüngliche Inhaberin der streitgegenständlichen Honorarforderungen ist die "Alt-Sozietät". Ein Forderungsübergang auf die "heutige" Sozietät B. & H. im Rahmen der Auseinandersetzung der "Alt-Sozietät" ist nicht ersichtlich, weil die "Alt-Sozietät" nach den eigenen Angaben aller drei Kläger bislang nicht vollständig auseinandergesetzt ist. Die erstinstanzlich von den Klägern vorgelegte Abtretungsvereinbarung zwischen dem Kläger zu 1) und den Klägern zu 2) und zu 3) kann eine Auseinandersetzung der "Alt-Sozietät" nicht ersetzen.

2. Ein Anspruch der "Alt-Sozietät" gegen die Beklagte auf restliches Rechtsanwaltshonorar besteht dem Grunde nach.

2.1. Die "Alt-Sozietät" ist als jeweilige Vertragspartnerin der beiden streitgegenständlichen Anwaltsverträge mit der Beklagten - Mandat Q. und Mandat Mt. u.a. - aktiv legitimiert, eine vertragliche Vergütung ihrer Tätigkeit geltend zu machen. Sie hat grundsätzlich Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe der gesetzlichen Gebührenvorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO).

2.2. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen.

Danach haben die Mitglieder der "Alt-Sozietät" schuldhaft ihre vertragliche Verpflichtung verletzt, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass sie in einem anderen, zeitlich vorher begründeten Mandat eine Prozessgegnerin der Beklagten vertreten und mithin die Gefahr einer Interessenkollision im Raume stand. Dieses vertragswidrige Verhalten rechtfertigte die vorzeitige Kündigung beider Mandate durch die Beklagte.

2.2.1. Die Kläger waren verpflichtet, die Beklagte jeweils im zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme der beiden Mandate auf eine mögliche Interessenkollision hinzuweisen und vor allem über die rechtliche und praktische Tragweite dieses Umstandes zu belehren. Dieser Verpflichtung unterliegt ein Rechtsanwalt stets auch dann, wenn er keinen persönlichen Kontakt zur Prozesspartei unterhält, sondern die gesamte Kommunikation über einen Verkehrsanwalt erfolgt (vgl. nur BGH NJW 1985, 41 - von den Parteien des Rechtsstreits mehrfach zitiert unter der Veröffentlichung in JurBüro 1984, 1659).

Die vorgenannte Verpflichtung ist hier auch nicht ausnahmsweise deshalb entfallen, weil etwa die Beklagte die Chance gehabt hätte, die mögliche Interessenkollision vor jeweiliger Mandatserteilung selbst zu erkennen. Denn eine Ausnahmesituation liegt insoweit gar nicht vor. Den Fallgestaltungen der zunächst unerkannten Möglichkeit der Interessenkollision ist bei der Wahrnahme von Prozessvertretungsmandaten regelmäßig eigen, dass beide Vertragspartner diesen Umstand erkennen könnten; die Verpflichtung zur Prüfung und ggfs. Vermeidung solcher Interessenkollisionen ist jedoch gleichwohl allein dem Rechtsanwalt auferlegt. Dies ist interessengerecht vor dem Hintergrund insbesondere der Gewerbsmäßigkeit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch den Rechtsanwalt, aber auch wegen der Gefahr der Strafrechts- und / oder Standeswidrigkeit der Wahrnahme von Mandaten trotz möglicher Interessenkollision.

2.2.2. Eine Interessenkollision war hier objektiv gegeben. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Kläger zu 2) und zu 3) - nicht darauf an, ob eine konkrete Gefahr der Interessenverletzung gegeben war oder nicht, es genügt die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision. Diese hat das Landgericht in seinem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt, ohne dass sich die Kläger zu 2) und zu 3) gegen diese tatsächliche Feststellung gewandt hätten, weshalb der Senat insoweit auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen kann.

Lediglich ergänzend bleibt darauf zu verweisen, dass zumindest hinsichtlich des Mandats Q. auch eine konkrete Gefahr der Interessenverletzung dadurch gegeben war, dass die Rechtsstreitigkeiten T. ./. V. und Q. ./. V. parallel rechtshängig waren und im Kern gleiche bzw. gleichartige Sach- und Rechtsfragen aufwarfen.

2.2.3. Die Interessenkollision war für die Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Übernahme der Mandate Q. und Mt. u.a. auch erkennbar.

Alle erforderlichen Informationen hierzu ergaben sich aus der Gerichtsakte des Rechtsstreits Q. ./. V. sowie insbesondere auch aus dem unstreitigen Teil des Tatbestandes des in diesem Rechtsstreits ergangenen erstinstanzlichen Urteils. Im Rahmen einer ersten Akteneinsicht war daher ohne Weiteres zu erkennen, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) des vorgenannten Rechtsstreits abgespaltene Gesellschaften der vormaligen I. (der Beklagten des Rechtsstreits T. ) waren und hier gerade als Rechtsnachfolger des VE BKK B. wegen vertraglicher Ansprüche im Zusammenhang mit dem Auslaufen bestimmter Betätigungsfelder dieses DDR-Unternehmens in Anspruch genommen wurden, ebenso wie die I. im Rechtsstreit T. .

2.2.4. Die Kläger hätten unter Beobachtung der geschuldeten verkehrsüblichen Sorgfalt diese Interessenkollision auch erkennen müssen. Denn es gehört wegen der oben ausgeführten Pflichtenlage zu den verkehrsüblichen Sorgfaltsanforderungen, dass eine Sozietät im engen zeitlichen Zusammenhang mit der beabsichtigten bzw. bereits erfolgten Übernahme eines neuen Mandates prüft, ob die Gefahr einer Interessenkollision vorliegt. Hierzu ist, wie bereits das Amtsgericht Naumburg im Rechtsstreit S. ./. V. in seinem Hinweisbeschluss vom 16. Februar 2000 (BeiA C 388/99, Bd. I, Bl. 153 f.) zutreffend ausgeführt hat, zwar nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt sich durch Einsicht in das Handelsregister Informationen über die Identität seines Mandanten und der Prozessgegner seiner Mandanten verschafft; wohl aber muss regelmäßig - so auch hier - von einem Rechtsanwalt die Prüfung des Sachvortrages beider Parteien im Prozess auch unter diesem Blickwinkel verlangt werden.

Die Kläger zu 2) und zu 3) können sich nicht damit exkulpieren, dass die von ihnen verwendete Anwalts-Software "RA-Micro", eine - wie gerichtsbekannt ist - gerade in den neuen Bundesländern weit verbreitete Software, die Interessenkollision nicht erkannt hat. Die vom Rechtsanwalt geschuldeten Sorgfaltsanforderungen werden nach einem objektivierten Maßstab bemessen, so dass es schon im Grundsatz nicht auf die Qualität und Leistungsfähigkeit der verwendeten Anwalts-Software ankommen kann. Wer Software benutzt, hat sicher zu stellen, dass diese den allgemein gültigen beruflichen Sorgfaltsanforderungen entspricht. Im Übrigen ist auf Folgendes hinzuweisen: Unabhängig davon, dass die Kläger zu 2) und zu 3) schon nicht vereinzelt haben, ob sie seinerzeit - im Jahre 1996 bzw. im Jahre 1998 - beispielsweise eine aktuelle Version der Software benutzt haben, hängt die Treffsicherheit der Anwaltssoftware in dieser Frage auch immer davon ab, welche Eingaben zu den Parteien erfolgen, und insbesondere davon, ob einmal getätigte Eingaben bei neuen Erkenntnissen auch aktualisiert werden.

2.2.5. Es kann dahin stehen, ob die schuldhafte Vertragsverletzung i.S.v. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB eine gewisse Qualität haben muss (am weitesten: Brandenburgisches OLG NJW-RR 2001, 137: diejenige eines wichtigen Grundes zur Kündigung nach § 626 BGB). Denn jedenfalls rechtfertigte die hier vorliegende Unterlassung der Aufklärung über die Möglichkeit der Interessenkollision und der Belehrung über die Tragweite dieses Umstandes auch eine Kündigung aus wichtigem Grunde.

2.2.6. Das Landgericht hat den Schriftsatz des Verkehrsanwaltes der Beklagten vom 14. Dezember 1998 zutreffend als eine fristlose Kündigung der Mandate Q. und Mt. u.a. ausgelegt; dieser tatsächlichen Feststellung sind die Parteien des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz auch nicht entgegen getreten, so dass der Senat insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug nehmen kann.

2.3. Den Klägern zu 2) und zu 3) ist darin zu folgen, dass § 628 Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzlich nur den Wegfall eines Teils der Vergütung zur Rechtsfolge hat.

2.3.1. Die vorgenannte Regelung ist eine Ausnahmeregelung zu § 628 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach der Dienstverpflichtete auch im Falle der vorzeitigen Kündigung des Vertrages grundsätzlich Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen behält. Unter den Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB entfällt nur derjenige Teil der Vergütung, der den Gegenwert für eine Tätigkeit des Dienstverpflichteten darstellt, an der der Dienstberechtigte aufgrund der vorzeitigen Kündigung kein Interesse mehr hat. Dies kann im Ausnahmefall allerdings auch die gesamte geschuldete Vergütung sein.

2.3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte ist der Begriff des Wegfalls des Interesses nicht abstrakt, sondern in Relation zu den tatsächlichen erneuten Aufwendungen auszulegen, d.h. der Wegfall des Interesses umfasst beim Anwaltsvertrag regelmäßig diejenigen Gebühren, die der Mandant nach der vorzeitigen Kündigung erneut aufwenden muss, z.Bsp. in einem Anwaltsprozess - wie hier - die erneut anfallende Prozess- und Verhandlungsgebühr (vgl. BGH NJW 1982, 437). Abzustellen ist danach auf den dem Mandanten durch die Mandatsniederlegung tatsächlich entstandenen Mehraufwand (vgl. BGH a.a.O., BGH NJW 1997, 188; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20. Januar 1988 - 1 U 166/87 - zitiert nach Juris-Oberlandesgerichte; OLG Düsseldorf OLGR 1994, 227). Dieser Rechtsprechung schließt sich auch der erkennende Senat an, denn diese Gesetzesauslegung ist insbesondere aus systematischen und teleologischen Erwägungen geboten.

2.3.3. Wie sich aus dem nachfolgenden Abschnitt 3. dieser Entscheidungsgründe ergibt, unterschreiten die nachfolgenden erneuten Aufwendungen der Beklagten im Rechtsstreit Q. ./. V. die bereits angefallenen Gebührenansprüche der "Alt-Sozietät" bezüglich dieses Mandats.

Hinsichtlich des Mandats Mt. u.a. hat die Beklagte dargelegt, dass für den wegen der Mandatsniederlegung nachfolgend mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsanwalt die gleichen Gebühren, wie von der "Alt-Sozietät" abgerechnet, nochmals entstanden sind. Dem sind die Kläger zu 2) und zu 3) nicht entgegen getreten, so dass die mit dem Hilfsantrag in der Berufung u.a. auch verfolgte Klageforderung i.H.v. 2.697,58 DM unbegründet ist.

3. Die Kläger zu 2) und zu 3) haben im Hinblick auf das Mandat Q. Anspruch auf Zahlung von weiteren 70.534,25 EUR. Dem liegen folgende Erwägungen und folgende Berechnung zugrunde:

3.1. Die Gebührenberechnung der Kläger zu 2) und zu 3) in diesem Mandat hat zunächst unter Ansatz eines Gegenstandswertes von lediglich bis zu 26.000.000,00 DM zu erfolgen.

Nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 S. 1 und 9 Abs. 1 BRAGO erfolgt die Berechnung der Anwaltsgebühren in einem Gerichtsverfahren nach dem Gegenstandswert mit dem gleichen Betrag, wie er als Streitwert für die Gebührenberechnung im Gerichtsverfahren vom Gericht festgesetzt worden ist. Das Oberlandesgericht Naumburg hat den Gebührenstreitwert hier - unter Berücksichtigung der Hauptforderung der Klage und der Widerklageforderung - auf 25.628.593,16 DM festgesetzt; hiergegen ist keine der Prozessparteien vorgegangen.

3.2. Als angefallene Gebühr ist neben der Prozess-, der Verhandlungs- und der Beweisgebühr auch die Verkehrsanwaltsgebühr zu berücksichtigen. Der vom Verkehrsanwalt mit der Beklagten vereinbarter Verzicht auf die Erhebung der Verkehrsanwaltsgebühr ist unwirksam, weil er gegen das gesetzliche Verbot der Unterbietung der gesetzlichen Gebühren verstößt, § 134 BGB i.V.m. § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO.

Der Senat sieht die Verkehrsanwaltsgebühr als eine gerichtliche Gebühr an (vgl. zum Streitstand nur: Feuerich/Braun, Komm. z. BRAO, 5. Aufl. 2000, § 49b Rn. 13, 33 m.w.N.), auf deren Erhebung nicht wirksam verzichtet werden kann. Dies führt zur Nichtigkeit dieses Teils der Gebührenvereinbarung. Die Mandantin, hier die Beklagte, ist gegen die für sie negativen finanziellen Folgen dieser Rechtswirkungen ausreichend dadurch geschützt, dass sie gegen ihren Verkehrsanwalt regelmäßig einen Anspruch auf Schadenersatz unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsanbahnung (so genannte culpa in contrahendo) bzw. der positiven Vertragsverletzung hat.

3.3. Zutreffend haben die Kläger zu 2) und zu 3) bei ihrer Rechnungslegung nicht nur die bereits erhaltenen Gebührenabschläge berücksichtigt, sondern wegen der Besonderheit der hier gegebenen Situation auch die interne Gebührenteilungsabrede mit dem Verkehrsanwalt (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 1994, 239).

3.4. Schließlich ist im Lichte des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB derjenige Betrag in Abzug zu bringen, den die Beklagte erneut hat aufwenden müssen für die Vergütung des nachfolgenden Prozessbevollmächtigten in diesem Berufungsverfahren. Dieser Betrag ist zwischen den Parteien des Rechtsstreits inzwischen unstreitig gestellt.

3.5. Die Kläger zu 2) und zu 3) können eine zusätzliche Vergütung auch nicht deshalb beanspruchen, weil sie nach vorzeitiger Mandatskündigung am 01. März 1999 im Auftrage der Beklagten die Verlängerung einer Stellungnahmefrist beantragt haben.

Diese Tätigkeit ist durch die - grundsätzlich zuerkannte - Prozessgebühr gedeckt; sie ist insbesondere nicht als neues Mandat, sondern als nachsorgende Tätigkeit aus dem vorzeitig beendeten Mandat anzusehen. Im Übrigen entfiele ein Vergütungsanspruch anderenfalls ohnehin im Hinblick auf § 628 Abs. 2 BGB.

3.6. Die Gebührenrechnung der "Alt-Sozietät" lautet danach, wie folgt:

Gegenstandswert: bis zu 26.000.000,00 DM (jeweils unter Berücksichtigung des 10%igen Gebührenabschlages) Prozessgeb. §§ 11 S. 4, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 13/10 95.033,25 DM Verhandlungsgeb. §§ 11 S. 4, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 13/10 95.033,25 DM Beweisgeb. §§ 11 S. 4, 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO 13/10 95.033,25 DM Verkehrsanwalts- geb. §§ 11 S. 4, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 13/10 95.033,25 DM Postpauschale § 26 BRAGO 40,00 DM Mehrwertsteuer § 25 Abs. 2 BRAGO 16 % 60.827,68 DM Zwischensumme 441.000,68 DM 441.000,68 DM abzgl. 50 % (Gebührenteilung) - 220.500,34 DM abzgl. Abschlag (brutto) - 11.298,75 DM abzgl. erneute Aufwendungen - 71.248,59 DM Restvergütung 137.953,00 DM = 70.534,25 EUR

3.7. Der Rechnungsbetrag ist mit 4 % ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB.

Ein weiter gehender Zinsanspruch ist nicht schlüssig dargelegt, insbesondere kein früherer Schuldnerverzug.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F.. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 01. Januar 2002 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen diese Entscheidung nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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