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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 27.03.2000
Aktenzeichen: 1 U 2081/97
Rechtsgebiete: BGB, WG LSA, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2
BGB § 839
WG LSA § 104 Abs. 1
WG LSA § 102 Abs. 2 Satz 1
WG LSA § 101
WG LSA § 102 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 101 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 9
ZPO § 711
Leitsatz:

Zu Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflichten für Gewässer 2. Ordnung zur Abwendung von Hochwasserschäden.

OLG Naumburg, Urt vom 27.03.2000, 1 U 2081/97; vorgehend LG Dessau, Urt vom 22.10.1997, 6 O 292/97


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 2081/97 OLG Naumburg 6 O 292/97 LG Dessau

verkündet am: 27.03.2000

gez. Höhle, JOS'in als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

...

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 01. März 2000 durch die Richter am Oberlandesgericht Geib und Kühlen und den Richter am Landgericht Wiedemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Oktober 1997 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau (Geschäftsnummer: 6 O 292/97) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last. Dies gilt nicht für die Kosten der Nebenintervention, welche der Streithelfer der Klägerin zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 61.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in jeweils gleicher Höhe geleistet haben.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine Rehabilitationsklinik auf dem Gelände M. Straße 1 in B. . Sie fordert von den Beklagten Schadensersatz, weil Keller- und Sockelgeschoss dieser Klinik in der Nacht vom 12. zum 13. April 1994 infolge eines Hochwassers des M. Mühlbaches überflutet wurden.

Das Klinikgebäude wird in westlicher Richtung durch die M. Straße, in nördlicher Richtung durch den Schwanenteich und im östlichen Bereich durch den M. Mühlbach eingegrenzt. Der M. Mühlbach dient der Gemeinde B. als Hauptvorfluter. Soweit er an das Grundstück der Klägerin grenzt, fließt er offen, wobei sich im Oberlauf des Baches bis zu einer Entfernung von ca. 1.500 m von der Klinik entfernt mehrere verrohrte Durchlässe befinden, an denen sich Vorrichtungen zur Verringerung der durchfließenden Wassermenge (von den Parteien teilweise "Hochwasserschutzwehre" genannt) befinden. Die unverschlossenen Durchlässe haben hier einen Querschnitt von jeweils 1.000 mm Durchmesser. Unterhalb der Klinik unterquert der M. Mühlbach die D. Straße, wobei der Einlass der hierzu dienenden Rohre einen Durchmesser von 800 mm aufweisen. Vor dem Einlass befand sich ein Kinderschutzgitter (teilweise als "Einlaufrechen" bezeichnet). Der ursprünglich geradelinig verlaufende Bach wurde zur gefälligeren Gestaltung während der Außenarbeiten an der Klinik renaturiert. Die Klägerin sowie ihre Generalunternehmerin beabsichtigten im Zuge dieser Arbeiten den Durchlass an der D. Straße auf 1.000 mm zu vergrößern. Dies wurde von der Stadt B. abgelehnt, weil im Bereich der Ortslage B. ansonsten die Gefahr bestanden hätte, dass bei einem Hochwasser die vorhandene tiefer gelegene Bebauung überschwemmt würde. Der Kurpark sowie das Gebäude der Kurklinik liegen mithin auf einem (früheren Wiesen-) Gelände, bei dem es sich im Falle eines Hochwassers des M. Mühlbaches um einen natürlichen Retentionsraum handelt. Die Parteien streiten darüber, ob es sich um ein "geplantes" Retentionsbecken handelte. Eine Eintragung des Geländes als Hochwasserschutzraum in öffentlichen Registern besteht und bestand nicht.

Der Bau der Klinik wurde seit dem Jahr 1991 geplant. Am 08.10.1991 erteilte die Kreisverwaltung W. als Wasserbehörde ihre Zustimmung zur Baugenehmigung (GA Bd. II, Bl. 120). Am 6. Juli 1992 erteilte die Kreisverwaltung W. eine Teilbaugenehmigung für die Bereiche Entwässerungsarbeiten und Grundleitungen (GA Bd. I, Bl. 171). Am 03.08.1992 erteilte der Landrat des Landkreises W. eine Teilbaugenehmigung für den Bauteil A der Kurklinik (Bd. I, Bl. 173). Schließlich wurde am 11. Januar 1993 durch den Landrat des Landkreises W. die Baugenehmigung im Übrigen erteilt (Bd. I, Bl. 186). Eine etwaige Hochwassergefahr für die geplante Kurklinik wurde in allen vorgenannten Genehmigungen nicht berücksichtigt, dementsprechende Auflagen mithin nicht erteilt.

Die durch den Streithelfer der Klägerin vorgenommene Planung der Kurklinik, die von der Baubehörde genehmigt und schließlich auch umgesetzt wurde, sah vor, dass das Erdgeschoss, das Kellergeschoss und die Terrasse der Kurklinik unter bzw. auf dem Höhenniveau des mittleren Wasserstandes im M. Bach lagen. Am 17. Juni 1993 wurde daher das Erdbaulabor G. von der Klägerin mit einem hydrogeologischen Gutachten beauftragt, welches sich insbesondere mit der Möglichkeit einer oberflächlichen Überschwemmung und dem Schutz der Kurklinik gegen infiltrierendes Grundwasser beschäftigen sollte. Das am 08. September 1993 erstellte Gutachten endete mit der Empfehlung, neben dem M. Bach einen Erdwall aus bindigem Boden zu errichten, um die tieferliegenden Bauabschnitte der Kurklinik B. gegen ein 100-jähriges Hochwasser wirksam zu schützen (GA Bd. III, Bl. 118 ff.). Der Ausführungsplan "Außenanlagen" zur Bachrenaturierung des M. Mühlbaches vom September 1993 sah dementsprechend einen entlang der Kurklinik verlaufenden Hochwasserschutzwall vor. Bei einer Höhe der Terrasse von 97,5 m über NN wurde in diesem Plan davon ausgegangen, dass ein 100-jähriges Hochwasser des M. Mühlbaches 98,33 m über NN erreicht. In einem Gutachten des Ingenieurbüros Dipl.-Ing. H. W. & Partner GmbH D. vom November 1993 zum Thema "Hydraulische Berechnungen und Abflussmessungen der Renaturierung des M. Baches" (Anlagenband, Anlage K2) wurde die Höhe des Hochwasserschutzdammes mit 99,0 m, ansteigend auf 99,58 m über normal Null empfohlen. Auf dieser Grundlage und mit diesem Inhalt beantragte die Klägerin eine Plangenehmigung für die Renaturierung des Bachlaufes. Mit Schreiben vom 11.10.1993 (Bd. 1 Bl. 131) wies die Klägerin das Regierungspräsidium auf die Notwendigkeit zur Eindämmung des Baches hin. Am 7. Dezember 1993 beantragte die Klägerin die Erlaubnis zum vorzeitigen Baubeginn für die Außenanlagen des M. Mühlbaches.

Am 5. April 1994 erteilte das Regierungspräsidium Du. eine Plangenehmigung zur Renaturierung des M. Mühlbaches, in welcher der Klägerin u. a. die Auflagen gemacht wurden,

- während der Durchführung der Baumaßnahme den Schutz vor Hoch wasser zu gewährleisten (Ziff. 2.6),

- einen Hochwasserschutzdamm wie beantragt so zu errichten, so dass er die Kurklinik gegen ein Hochwasserereignis hinreichend schützt (2.13 und 2.14)

- und den schadlosen Wasserabfluss ständig zu gewährleisten (2.3). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Genehmigungsbescheides (Bd. I, Bl. 135) verwiesen.

Im April 1994 regnete es heftig. Bereits am 11.04.1994 kam es gegen 20:30 Uhr zu einer Überflutung der M. Straße im Bereich des Schwanenteichs. Bei einer Begehung durch den Bauleiter der Generalunternehmerin (Dipl.-Ing. S. ) wurde keine Gefahr für die zu diesem Zeitpunkt bereits fertig gestellte und seit dem 05. 04. 1994 in Gebrauch befindliche Kurklinik erkannt. Am 12.04.1994 kam es zu weiteren Regenfällen. Gegen 19:30 Uhr führten der bauleitende Architekt (W. ) sowie ein weiterer Bauleiter (Sch. ) eine erneute Kontrolle durch. Maßnahmen zum Schutze der Klinik erfolgten nicht. Am frühen Morgen des 13.04.1999 wurde die Klinik überflutet. Das Wasser drang durch einen Lüftungsschacht auf der Nordseite der Klinik und einen Montageschacht auf der Südseite der Klinik, die jeweils vom Erdboden bis unter das Niveau des Kellergeschosses hinab reichen, ein. Es kam zu einer Überflutung des Kellergeschosses auf einer Höhe von 80 cm und des Sockelgeschosses auf 25 cm.

Auf Veranlassung der Klägerin wurde zwischen 5:00 Uhr und 6:30 Uhr der Durchlass an der D. Straße mittels eines Baggers von Treibgut befreit. Weiterhin wurden die von der Klägerin so genannten "Hochwasserschutzwehre" geschlossen. Das Wasser floss innerhalb weniger Stunden ab. Aus den tiefer gelegenen Geschossen der Kurklinik konnte das eingedrungene Wasser nur mittels Pumpen entfernt werden. Es kam zu erheblichen Schäden am Gebäude und insbesondere auch an den im Keller eingelagerten, medizinischen Zwecken dienenden Geräte der Klägerin.

Zum Zeitpunkt des Schadensereignisses waren die Außenanlagen der Klinik bereits zu 90 % fertig gestellt. Auch der Hochwasserschutzdamm war, abgesehen von einer Lücke, die von Baufahrzeugen zum Durchfahren genutzt wurde, bereits aufgeschüttet.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass der Beklagte zu 1), der unstreitig hinsichtlich des M. Mühlbaches Träger der Unterhaltungslast ist, nach § 823 Abs. 1 BGB - auch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht - hafte. Ursache der Überschwemmung sei eine Verstopfung des Durchlasses an der D. Straße gewesen. Der Beklagte zu 1) habe dies durch entsprechende Kontrollen - insbesondere der Wasserstände - und weitere Sicherungsmaßnahmen, etwa die Schließung der "Hochwasserschutzwehre" und die Anbringung eines Fangnetzes, verhindern müssen.

Das beklagte Land sei ebenfalls schadensersatzpflichtig. Es habe ihm oblegen, den Hochwasserschutz auch bei einem Jahrhunderthochwasser zu gewährleisten. Demgegenüber habe es sich bei dem eingetretenen Hochwasser lediglich um ein 25- bis 50-jähriges Ereignis gehandelt. Das beklagte Land hafte auch, weil die Baugenehmigung für die Errichtung der Klinik in einem geplanten Retentionsbecken erteilt worden sei, ohne Auflagen vorzusehen, die eine Sicherung des Gebäudes vor einem Hochwasser gewährleisten. Die Baubehörde habe - unter Beteiligung der Wasserbehörde - diese Gefahr erkennen und ihr Rechnung tragen müssen. Schließlich habe das beklagte Land auch die gebotene Aufsicht über den Beklagten zu 1) nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen.

Durch das Hochwasserereignis seien der Klägerin Schäden an technischen Geräten in Höhe von 237.930,99 DM, Gebäudeschäden in Höhe von 706.075,95 DM und sonstige Schäden in Höhe von 523.105,74 DM entstanden. Weiterhin macht sie entgangenen Gewinn in Höhe von 560.968,53 DM deshalb geltend, weil der Klinikbetrieb infolge des Hochwassers nicht - wie vorgesehen - habe durchgeführt werden können. Schließlich habe sie auch Eigenleistungen in Höhe von 84.700,00 DM erbracht. Hinsichtlich der geltend gemachten Schadenspositionen im Einzelnen wird auf die Klageschrift verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 2.112.781,21 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat vorgetragen, er hafte allenfalls nach Amtshaftungsgrundsätzen, da ihm lediglich hoheitliche Pflichten oblägen. Selbst wenn man von einer mangelhaften Kontrolle des Durchlasses D. Straße ausginge, sei diese jedenfalls nicht für den eingetretenen Schaden kausal. Dem Beklagten zu 1) sei keine häufigeren Kontrollen zumutbar gewesen, als sie von der Klägerin - nach ihren eigenen Angaben - ohnehin vorgenommen worden seien. Auch eine mangelhafte Unterhaltung des Bachoberlaufs habe nicht vorgelegen. Der Klägerin stünden im Übrigen anderweitige Regressmöglichkeiten zur Verfügung, so dass die Haftung der Beklagten zu 1) bereits nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB entfalle. So hätten der planende Architekt, der jetzige Streithelfer der Klägerin, sowie der Generalunternehmer erkennen müssen, dass Hochwassersicherheit des Bauwerkes nur nach Errichtung des Schutzdammes gegeben sei. Auch wenn die Renaturierungsarbeiten am M. Bach noch nicht abgeschlossen waren, sei jedenfalls zu fordern gewesen, dass über provisorische Maßnahmen ein entsprechendes Schutzniveau erreicht werde. Bei dem eingetretenen Hochwasser handele es sich um ein Jahrhunderthochwasser nach wochenlangen Niederschlägen. Für daraus resultierende Schäden hafte der Beklagte zu 1) ohnehin nicht. Die - bestrittene - Verstopfung des Durchlasses D. Straße sei allenfalls eine Folge davon, dass die Klägerin Baumaterial bzw. Schalbrettern im Überschwemmungsbereicht gelagert habe.

Das beklagte Land hat vorgetragen, dass die Erteilung der Baugenehmigung besonders zügig erfolgen sollte, um die Investition der Klägerin am Standort B. zu sichern. Erst nachdem die Beklagte anlässlich eines Hochwassers am 11. Oktober 1993 selbst die Hochwassergefahr erkannt habe, seien die Planungen hinsichtlich des Hochwasserschutzdammes vorgenommen worden. Die Genehmigung der Außenanlagen sei rechtzeitig erfolgt. Das beklagte Land trägt vor, dass es bei einer ordnungsgemäßen Bauausführung nicht zu dem Schaden hätte kommen dürfen, da bis zur Höhe von 1,5 m des Sockelgeschosses das Bauwerk als weiße Wanne geplant und gebaut hätte sein müssen. Eine dementsprechende - von der Klägerin so behauptete - Planung und Ausführung werde bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Eine etwaige Haftung des Beklagten zu 1) richtet sich nach § 823 Abs. 1BGB. Die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht sei allerdings durch die Auflagen 2.3 sowie 2.6 in dem Plangenehmigungsverfahren auf die Klägerin selbst übertragen worden. Dem Beklagten zu 1) könne eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vorgeworfen werden, da eine intensivere Kontrolle als von der Klägerin behauptet, auch von ihm nicht zu fordern gewesen sei. Ein Verschulden wegen unterlassener Krautung sei nicht festzustellen, da diese Maßnahme, bedingt durch den jahreszeitlichen Wuchs der Uferbepflanzungen, nicht häufiger als tatsächlich erfolgt durchgeführt werden musste.

Auch eine Haftung der Beklagten zu 2) bestehe nicht. Soweit die Klägerin ihr vorwerfe, sie habe die Beklagte zu 1) nicht hinreichend überwacht, ergebe sich das schon daraus, dass der Beklagten zu 1) ihrerseits keine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Ein weiter gehender Hochwasserschutz sei von der Beklagten zu 2) auch nicht erforderlich gewesen, da im Rahmen des beauflagten Hochwasserschutzdammes das Gebäude gesichert gewesen sei. Ein weiterer Ausbau des Oberlaufes sei nicht durchführbar. Der Anspruch sei auch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da bereits der bauleitende Architekt das Problem hätte erkennen müssen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf das Staatshaftungsgesetz der ehemaligen DDR berufen, das dies Ansprüche nur bei einem unmittelbaren hoheitlichen Eingriff vorsähe.

Gegen das am 22.10.1997 verkündete und der Klägerin am 17.11.1997 zugestellte Urteil richtet sich deren am 17.12.1997 und innerhalb der bis zum 19. Februar 1998 verlängerten Frist begründete Berufung. Die Klägerin trägt vor, das Hochwasser wäre bei einem freien Durchlass an der D. Straße nicht entstanden. Insoweit sei gegenüber der Beklagten zu 1) zur Not eine Kontrolle rund um die Uhr in Form einer Wache erforderlich gewesen, zumal mindestens eine Woche vorher bereits die kritische Situation bekannt gewesen sei. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bestehe nicht, da der Generalunternehmer - was unstreitig ist - mittlerweile in Gesamtvollstreckung ist und für den planenden Architekt die Gefahr eines Hochwassers nicht erkennbar gewesen sei. Die Beklagte zu 1) habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht auch nicht wirksam übertragen können. Durch ein Schließen der Wehre hätte das Wasser in den am Oberlauf des Mühlbaches vorhandenen Retentionsräumen gehalten werden können. Die Beklagte zu 2) habe die Hochwassergefahr verkannt, zumal in den Teilbaugenehmigungen und der endgültigen Baugenehmigung keine entsprechende Auflage vorhanden gewesen sei. Die Klägerin habe sich auf die besondere Kompetenz der Wasserbehörden, für die das beklagte Land einzustehen habe, verlassen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 22.10.1997 verkündeten Urteils des Landgerichts Dessau, Geschäftszeichen: 6 O 292/97, die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.112.781,21 DM nebst 4 v. H. Zinsen für das Jahr hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin hat dem planenden Architekten den Streit verkündet, welcher dem Verfahren auf Seiten der Klägerin beigetreten ist, ohne allerdings eigene Anträge zu stellen. Er trägt vor, dass das Gelände als Retentionsraum geplant gewesen sei. Hierdurch sei es zu einem künstlichen Teich gekommen, was der höheren Wasserbehörde hätte bekannt sein müssen oder positiv bekannt war. Die planerische Sicherheit des Gebäudes sei dagegen nur auf vorbeifließendes Bachhochwasser ausgerichtet gewesen. Für ihn habe eine Erkennbarkeit des Retentionsraumes nicht bestanden, zumal ihm vorgegeben gewesen sei, an eine vorhandene Jugendstilvilla, die augenscheinlich in der Vergangenheit nicht überschwemmt worden sei, anzubauen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und vertiefen ihren entsprechenden Vortrag. Das beklagte Land ist der Auffassung, die Klägerin hätte bis zur wirksamen Abwehr der Hochwassergefahr einen Baustopp verhängen oder aber den Hochwasserschutzdamm rechtzeitig vollständig errichten müssen. Auch bei Verlegung des Durchlasses an der D. Straße wäre es zu einer Überschwemmung gekommen.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschlüssen vom 24. August 1998 (GA Bd. II, Bl. 78) und vom 25. August 1999 (GA Bd. III, Bl. 85) Beweis erhoben durch Einholung und mündliche Erläuterung eines Sachverständigengutachtens sowie Einnahme richterlichen Augenscheins. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. D. vom 15. Januar 1999, auf das Protokoll des Ortstermins vom 04.11.1999 (GA Bd. III, Bl. 143) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2000 (GA Bd. IV, Bl. 46 ff.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und wurde insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Der Klägerin stehen weder Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) noch gegen das beklagte Land zu.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) keinen Schadensersatzanspruch, weil dieser die ihm obliegende Unterhalts- und Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des M. Mühlbaches verletzt hat.

1.1. Allerdings handelt es sich bei dem M. Mühlbach um ein Gewässer 2. Ordnung, für den - unstreitig - der Beklagte zu 1) gemäß §§ 101, 104 Abs. 1 WG LSA unterhaltungspflichtig ist. Zum Umfang der Unterhaltungspflicht gehört dabei auch die Reinigung, Räumung, Freihaltung, der Schutz und die Unterhaltung des Gewässerbetts einschließlich seiner Ufer sowie Maßnahmen zur Verbesserung und Erhaltung des Selbstreinigungsvermögens. Ferner gehören dazu die Unterhaltung und der Betrieb der Anlagen, die der Abführung des Wassers dienen (§ 102 Abs. 2 Satz 1, 2 WG LSA). Wird diese Pflicht schuldhaft verletzt, kann dies zu einem Schadensersatzanspruch der durch ein daraus resultierendes Hochwasser geschädigten Anlieger aus unerlaubter Handlung führen. Ob sich die Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB ergibt (BGH MDR 1983, 733; BGHZ 55, 153 unter Hinweis auf Giesecke/Wie-demann/Czychowski, WHG, § 28 Rn. 2 b) oder ob es sich entsprechend dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Pflicht zur Unterhaltung der Gewässer (vgl. § 101 WG LSA) um einen Amtshaftungsanspruch i. S. des § 839 BGB, Art. 34 GG handelt (so wohl BayObLGZ 1993, 370), kann für den vorliegenden Fall dahinstehen, da dem Beklagten zu 1) eine schuldhafte Pflichtverletzung, die für den eingetretenen Hochwasserschaden kausal ist, nicht vorgeworfen werden kann.

1.2. Der Beklagte zu 1) hat die ihm obliegenden Pflichten nicht verletzt.

1.2.1. Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) liegt nicht darin, dass infolge mangelnder Kontrolle des Oberlaufs des M. Baches Fremdgut angeschwemmt wurde, welches zur Verlegung des Durchlasses D. Straße führte. Alleine aus dem Umstand, dass - nach Darlegung der Klägerin - eine Verlegung tatsächlich eingetreten war, ist der Rückschluss darauf, dass dies auf eine fehlende oder unzureichende Unterhaltung des Bachlaufes zurückzuführen ist, nicht möglich. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass gerade bei Hochwassersituationen in erheblichem Umfange Fremdkörper die von außerhalb des Bachlaufes mitgerissen werden, mit angeschwemmt werden. Dies ergibt sich aus aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. D. , der nicht nur ausführte, dass bereits bei der Berechnung von Durchlässen eine Verlegung des Rechens regelmäßig mit 50 % in Rechnung gestellt werde (Gutachten S. 6), sondern auch darauf hinwies, dass größere Gegenstände angeschwemmt werden und zur Verstopfung beitragen können (S. 7). Die Klägerin hat vorliegend nichts dazu ausgeführt, welcher Art das ausgebaggerte Fremdgut war, welches nach ihrer Auffassung die Verlegung des Durchlasses verursachte. Nur wenn es sich dabei um Fremdgut gehandelt hätte, bei dem man davon hätte ausgehen können, dass es sich um Materialien handelt, welche üblicherweise im Rahmen einer Grabenschau entdeckt und beseitigt werden, wäre eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) möglicherweise gegeben. Hierfür fehlt es jedoch an Darlegungen und Anhaltspunkten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den unstreitigen Umstand, dass unmittelbar vor dem Durchlass D. Straße die Renaturierungsarbeiten des M. Baches noch in vollem Gange (wenn auch unmittelbar vor dem Abschluss) waren. Der Beklagte zu 1) hat sich ausdrücklich darauf berufen, dass im Rahmen dieser Renaturierungsarbeiten und der weiteren Arbeiten an der letztlich überschwemmten Klinik Baumaterialien im Überschwemmungsbereich gelagert waren, welche die eigentliche Ursache der Verlegung des Durchlasses darstellten. Auch wenn dieser Rückschluss nicht zwingend ist (S. 7 des Gutachtens D. ) ist es jedoch im Hinblick auf den von der Klägerin selbst dargelegten Zustand des Kurparkes der überschwemmten Klinik nicht nur beachtlich, sondern auch nahe liegend. Dies folgt schon aus dem von der Klägerin selbst mit der Klageschrift vorgelegten Gutachten zur Sicherung der Beweise der Ingenieurgesellschaft Z. vom 9. Juni 1994 (Anlage K 8). Dieses dokumentiert den Zustand der Klinik zum Zeitpunkt 27., 28. und 29. April 1994, also in unmittelbaren zeitlichem Zusammenhang zu dem Schadensereignis vom 12./13. April 1994. Die Lichtbilder S. 6 und 7 dieses Gutachtens (Foto 290117 von der südlichen Fassade der Rehabilitationsklinik und Foto 290119 von dem nordöstlichen Bereich der Rehabilitationsklinik und dem M. Bach) sprechen für die Behauptung des Beklagten zu 1). Angesichts des Zustandes der Baustelle kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Anschwemmung von Materialien aus dem Oberlauf des Baches ursächlich für die Verschmutzung war. Die Ausführungen der Klägerin zum Erfordernis einer häufigeren Krautung sind demgegenüber unergiebig.

1.2.2. Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1. liegt auch nicht darin, dass die gebotene Kontrolle des Durchlasses D. Straße unterlassen wurde. Fraglich ist bereits, ob der Beklagte zu 1) überhaupt noch zu einer Kontrolle dieses Durchlasses verpflichtet war. Zwar unterliegt es keinem Zweifel, dass die Kontrolle der Durchlässe zu den Unterhaltungs- und auch zu den Verkehrssicherungspflichten gehört, die der Beklagte zu 1) gem. § 102 Abs. 2 WG LSA grundsätzlich wahrzunehmen hat. Vorliegend kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade hinsichtlich des Durchlasses D. Straße zum Zeitpunkt des Schadensereignisses der Klägerin bereits rechtswirksam die Pflicht auferlegt wurde, für eine Freihaltung der Durchlässe zu sorgen. Dies ergibt sich aus Ziff. 2.3. der Plangenehmigung vom 5. April 1994, wonach der Klägerin die Auflage erteilt wurde, den schadlosen Wasserabfluss ständig zu gewährleisten; ein schadloser Wasserabfluss erfordert aber gerade Kontrolle und ggf. Reinigung des Durchlasses.

Letzlich kann dies jedoch dahinstehen. Die im Rahmen der Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht erforderliche Überprüfung des Durchlaufsvermögens der Durchlässe richtet sich - wie jede Verkehrssicherungspflicht - nach Maßgabe dessen, was im Rahmen des Zumutbaren von der Beklagten zu 1) erwartet werden darf. Die Vorstellung der Klägerin, der Beklagte zu 1) habe - gegebenenfalls in Form einer ständigen Nachtwache - für eine Überprüfung der Durchlässe Sorge zu tragen, sind dabei überzogen. Ausgehend von dem - nicht bestrittenen - Umstand, dass im Jahr 1994 in Sachsen-Anhalt 21.435 km Gewässer der 2. Ordnung durch 30 Unterhaltungsverbände, mithin also durchschnittlich 714,5 Gewässer 2. Ordnung pro Unterhaltungsverband zu unterhalten waren, ergibt sich ohne Weiteres, dass auch bei einer akuten Hochwassersituation nicht hinsichtlich jeden Durchlasses, an dem sich ein Rückstau bilden könnte, eine ständige Kontrolle zu gewährleisten ist.

Ungeachtet der Frage, in welchem zeitlichem Abstand eine derartige Kontrolle zu fordern ist, hat bereits das Urteil des Landgerichts in der Sache zutreffend ausgeführt, dass die durchzuführende Kontrolle jedenfalls nicht häufiger stattfinden müsse, als die tatsächlich von der Klägerin nach ihren eigenen Angaben durchgeführten Kontrolle, welche noch am Abend vor dem Schadensereignis stattfanden und keine Verstopfung des Durchlasses zeigten. Selbst wenn man daher von einer Pflicht zur täglichen Kontrolle der Durchlässe ausginge - auch dies wäre nach dem Dafürhalten des Senats überzogen - hätte die Verletzung dieser Pflicht nicht kausal zu dem Schadensereignis führen können, da auch durch eine Kontrolle einen Tag vor dem Schadensereignis die Verlegung des Durchlasses nicht verhindert worden wäre.

1.2.3. Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) ist auch nicht darin zu sehen, dass die gebotene Anbringung eines Fangnetzes zur Verhinderung einer Verlegung des Durchlasses unterlassen wurde. Insoweit kann einerseits auf die vorstehenden Darlegungen verwiesen werden, wonach die Überschwemmung der Kurklinik auch ohne eine Verlegung des Rohrdurchlasses eingetreten wäre. Im Übrigen hat der Sachverständige Prof. Dr. D. nachvollziehbar festgestellt, dass die Anbringung eines Fangnetzes keinen wesentlichen Einfluss auf die Verlegung des Durchlasses gehabt hätte, da hierdurch das entsprechende Problem lediglich vorverlagert worden wäre. Dem tritt der von der Klägerin beauftragte Privatsachverständige St. ausdrücklich bei, der ausführt, dass die Anbringung eines Fangnetzes nicht geboten gewesen sei, weil ein Fangnetz noch verlegungsgefährdeter gewesen wäre, als das vorhanden gewesene Gitter (GA Bd. III, Bl. 33, Stellungnahme vom 12.03.1999).

1.2.4. Ein Verschuldensvorwurf ist dem Beklagten zu 1. schließlich auch nicht deshalb zu machen, weil die sogenannten "Hochwasserschutzwehre" nicht betriebsbereit gewesen sein sollen und diese nicht (rechtzeitig) geschlossen wurden. Der Sachverständige Prof. Dr. D. kommt - auch im Ergebnis der Ortsbesichtigung - zu dem Ergebnis, dass diese "Hochwasserschutzwehre" nicht die ihnen ursprünglich von der Klägerin unterstellte Funktion, einen nennenswerten Hochwasserschutz zu gewährleisten hatten, sondern vielmehr dem Aufstau des Baches bei Niedrigwasser dienten. Dem entspricht auch der Eindruck des Senats, den der Berichterstatter als beauftragter Richter aufgrund des Ortstermins vermitteln konnte. Auch in der von der Beklagten eingereichten Stellungnahme des Dipl.-Ing. St. wird dies ausdrücklich bestätigt (Ziff. II.5, vgl. GA Bd. III, Bl. 33).

1.3. Selbst wenn man indes davon ausgehen würde, dass eine von dem Beklagten zu 1) zu vertretende Pflichtverletzung zur Verlegung des Durchlasses geführt hat, fehlt es an der erforderlichen Kausalität zu dem Schadensereignis.

Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. D. wäre eine Überschwemmung der Kurklinik auch ohne jede Verlegung des Durchlasses D. Straße eingetreten. Ausgehend von den Niederschlagsmessungen an der Messstation B. hat der Sachverständige Prof. D. unter Einbeziehung des von der Klägerin vorprozessual eingeholten Gutachtens Prof. F. , dessen Richtigkeit von keiner der Parteien in Zweifel gezogen wird, ein Niederschlagsvolumen von insgesamt 277 qm angenommen. Im Hinblick auf die Durchlasswirkung des Durchlasses D. Straße und den zur Verfügung stehenden Retentionsraum, der nur zwischen 2.140 qm und 7.800 qm bestand, wäre demnach auch ohne Verlegung des Rechens eine Überlastung des Retentionsraumes im Bereich des Kurparks schnell eingetreten und die Kurklinik mithin überschwemmt worden. Diesen Feststellungen, die der Sachverständige in der mündlichen Erläuterung vor dem Senat noch einmal bekräftigt und nachvollziehbar dargestellt hat, sind die Parteien auch nicht erheblich entgegengetreten. Allerdings hat die Klägerin sich auf die ingenieurtechnische Stellungnahme zu dem Hochwasserschaden vom 13.04.1994 des Dipl.-Ing. St. vom 11.03.1999 (GA Bd. III, Bl. 26 ff.) berufen. Hierin ist ausgeführt, dass eine Überschwemmung bei Nichtverlegung des Rechens tatsächlich nur eingetreten wäre, wenn ein Hochwasser mit einem Scheitelabfluss von mehr als 1,2 qm pro Sekunde (HQ 10 bis 25) gegeben gewesen wäre. Entgegen der insoweit nicht nachvollziehbaren Begründung in der ingenieurtechnischen Stellungnahme ist hiervon jedoch auszugehen. Sowohl nach dem vorprozessualen Gutachten Prof. F. wie nach dem amtlichen Gutachten des DWD ist keinesfalls auf eine Wiederkehrzeit von ein bis zwei Jahren zu schließen, wie dies der Privatgutachter St. annimmt. Der Sachverständige Prof. F. hat in seinem Gutachten vom 19.04.1996 vielmehr ausgeführt, dass der Hochwasserabfluss am 12.04.1994 einem 25- bis 50-jährigen oder sogar 100-jährigen Hochwasserereignis entsprochen haben kann (S. 6 Anlage K 3). Dem entspricht auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des Deutschen Wetterdienstes, wonach der starke Niederschlag in der Zeit vom 11. bis 13.04.1994 in B. im April für die Dauerstufe von 12 Stunden ein Ereignis darstellt, mit dessen Eintreten dort nur in einer von 50 hydrologischen Minderhalbjahren gerechnet zu werden braucht (S. 7 des Gutachtens, GA Bd. III, Bl. 84). Demnach sind auch die für das Gericht maßgeblichen Feststellungen des Gerichtsgutachters Prof. Dr. D. , wonach im Hinblick auf den Scheitelabfluss sogar mit einer mehr als 50-jährigen Wahrscheinlichkeit des Hochwassers zu rechnen ist, nachvollziehbar. Da demnach die Überschwemmung der Kurklinik auch ohne die Verlegung des Rechens vor der D. Straße eingetreten wäre, kann eine fehlende Kontrolle bzw. Sauberhaltung für das Hochwasserereignis nicht kausal gewesen sein.

Der Senat verkennt nicht, dass - auch nach den Feststellungen des Sachverständigen - der Hochwasseranstieg schneller erfolgte und länger andauerte, wenn von einer Minderung der Abflussleistung ausgegangen werden muss. Dies kann für den Schadensfalls auch zu einer Erhöhung des Schadenspotentials führen, worauf sich die Klägerin auch ausdrücklich beruft. Allerdings fehlt es an hinreichenden Anknüpfungstatsachen, um dies letztlich nachweisen zu können. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Sachverständige - auf diese Frage angesprochen - ausgeführt, dass der eingetretene Hochwasserstand, wenn man einerseits als Extrembeispiel einen vollkommen verlegten und einen vollkommen freien Durchlass zugrunde legt, eine Stunde früher erreicht worden wäre. Er hat jedoch hinzugesetzt, dass dies eine ausschließlich theoretische Betrachtungsweise ist. Da aus sachverständiger Sicht selbst bei ständiger Kontrolle eine Verlegung, die zu einer Minderung der Abflussleistung um 20 % führt, praktisch nicht zu verhindern ist, wird deutlich, dass diese theoretische Betrachtungsweise für die tatsächlichen Gegebenheiten keine oder allenfalls eine geringe Aussagekraft hat. Dementsprechend hat der Senat in Anwesenheit des Sachverständigen auch darauf hingewiesen, dass zu einer detaillierteren Aussage erforderlich gewesen wäre, die tatsächliche Durchlaufleistung des Durchlasses in verlegtem Zustand zu messen und darzulegen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.

Auch die fehlende Schließung der "Hochwasserwehre" ist für den Schadensfall unerheblich, da das Wasser mangels eines zur Verfügung stehenden Retentionsraumes im Oberlauf des Baches über diese schlechterdings weggelaufen wäre, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen gerade auch anlässlich des Ortstermines nachvollziehbar ergab.

2. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen das beklagte Land zu.

2.1. Ein Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB, Art. 34 GG) steht der Klägerin nicht zu. Eine für das Schadensereignis ursächliche Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) erfolgte weder dadurch, da sie ihre Pflicht zum Hochwasserschutz, die als Amtspflicht besteht, nicht hinreichend beachtet hatte, noch dadurch, dass die Teilbaugenehmigungen und die Baugenehmigung für die Klinik der Klägerin erteilt wurden, ohne dass die Belange des Hochwasserschutzes beachtet wurden.

2.1.1 Allerdings spricht viel dafür, dass zumindest die Erteilung der Baugenehmigungdurch das beklagte Land amtspflichtwidrig war. Entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen ist davon auszugehen, dass die Klinik objektiv in einem Retentionraum des M. Mühlbaches genehmigt und errichtet wurde, so dass - ohne geeignete Maßnahmen zum Hochwasserschutz - eine erhebliche Gefahr für die eingebrachten - nicht unerheblichen - Sachwerte bestand. Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass die Hochwassergefahr zumindest insoweit erkennbar war, dass die - im Zweifel gutachterliche - Abklärung der Frage des Hochwasserschutzes hätte veranlasst werden müssen. Hierfür ist auch nicht der Erkenntnishorizont eines spezialisierten Sachverständigen wie des Gerichtsgutachters erforderlich. Ein Gebäude, bei dem Erdgeschoss, Kellergeschoss und Terrasse unter bzw. auf dem Höhenniveau des mittleren Wasserstandes eines in unmittelbarer Nähe vorbeifließenden Baches liegen, legt die Frage, ob bei Hochwasser ein hinreichender Schutz gegeben ist, nahe. Eine solche Pflichtverletzung - so man sie denn annähme - ist für den eingetretenen Schadensfall jedoch nicht kausal. Zum Zeitpunkt des Schadensereignisses war vom Standpunkt des beklagten Landes aus alles getan, um eine Überschwemmung der Klinik zuverlässig zu verhindern. Gemäß Ziff. 2.13 der am 5. April 1994 erteilten Plangenehmigung war der Klägerin auferlegt, einen Hochwasserschutzwall von 99 m über NN bis auf 99,58 m über NN stetig ansteigend zu errichten (GA Bd. I, Bl. 136). Dieser Hochwasserschutzdamm war so zu errichten, dass er die Kurklinik gegen ein Hochwasserereignis hinreichend schützt (Ziff. 2.14). Wie der Sachverständige Prof. D. in seinem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt hat, hätte die Errichtung des Hochwasserschutzdammes einen sicheren Schutz der Klinik gegen das eingetretene Hochwasser bewirkt. Dies ergibt sich daraus, dass die Oberkante des Durchlasses D. Straße niedriger lag als die vorgesehene Dammhöhe, so dass bei Errichtung des Dammes das Wasser in einem Film über die niedrig gelegenere D. Straße abgeflossen wäre (vgl. die Anhörung des Sachverständigen GA Bd. IV, Bl. 52). Zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bestand daher eine Genehmigungslage, durch die die Klinik vollständig geschützt gewesen wäre.

2.1.2. Eine für den Schaden ursächliche Pflichtverletzung des beklagten Landes liegt auch nicht darin, dass diese Auflagen zu spät erteilt wurden. Hierfür ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin kein Anhaltspunkt. Die Klägerin hat - auch bei der Erörterung dieses Gesichtspunktes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - nichts dazu dargetan, dass es ihr nicht möglich gewesen, in der seit Erteilung der Plangenehmigung verbliebenen Zeit den Hochwasserdamm zu errichten. Der Senat verkennt zwar nicht, dass dieser Zeitraum ausgesprochen kurz war, da von dem Zeitpunkt der Plangenehmigung bis zum Überschwemmungsereignis lediglich eine Woche verging. In Anbetracht des vor Ort befindlichen schweren Baugerätes - dass dieses vorhanden war, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass mittels solchen Baugerätes der Durchlass D. Straße freigelegt wurde - ist jedoch davon auszugehen, dass es gleichwohl möglich gewesen wäre, den Damm in einer hinreichend sicheren Form zu errichten. Dabei ist unstreitig davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Schadensereignisses die Renaturierung des M. Mühlbaches bereits zu 90 % abgeschlossen war und insbesondere auch die Dammaufschüttung im Wesentlichen erfolgt war. Lediglich an einer Stelle, in Höhe des Durchlasses V.1 sei eine Senke gewesen, durch die Baufahrzeuge gefahren seien. Diesen Vortrag haben sich die Beklagten unter Zugrundelegung einer - angeblichen - Äußerung anläßlich des Ortstermins in der mündlichen Verhandlung zu eigen gemacht. Nachdem sich die Klägerin hierzu nicht erklärt hat - dafür, dass dies auch in der Sache richtig ist, spricht nicht zuletzt der eigene Vortrag, wonach die Renaturierung bereits zu 90 % abgeschlossen wurde - ist dies als unstreitig zugrunde zu legen. Vor diesem Hintergrund ist jedoch nicht ersichtlich, warum es der Klägerin nicht möglich gewesen sein soll, den Hochwasserdamm auch an dieser Stelle aufzuschütten, zumal ihr ausdrücklich auferlegt war, auch während der Durchführung der Baumaßnahme der Schutz vor Hochwasser zu gewährleisten (Auflage 2.6 der Planfeststellung, vgl. GA Bd. I, Bl. 136).

Ungeachtet dessen hat der Sachverständige Prof. D. , der auf seine eigene Erfahrung im Hinblick auf die Planung von Hochwasser gefährdeten Projekten im Rahmen der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, ausgeführt, dass ein Hochwasserschutz für ein mehr als 25-jähriges Ereignis, dessen Vorliegen hier aus oben genannten Gründen anzunehmen ist, regelmäßig nicht während der Bauausführung getroffen wird. Aus diesen Gründen ist nicht davon auszugehen, dass im Falle einer früheren Erteilung entsprechende weiter gehende Maßnahmen zum Hochwasserschutz vorgenommen worden wären.

2.2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch nach dem Staatshaftungsgesetz der DDR, welches als Landesrecht (Gesetz zur Regelung von Entschädigungsansprüchen) fortgilt, zu. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils, die in der Berufung auch nicht angegriffen wurden, verwiesen werden. Auch ein Anspruch aus einem enteignungsgleichen Eingriff steht der Klägerin aus gleichem Grunde nicht zu.

3. Selbst wenn man - entgegen der Auffassung des Senats - davon ausgehen würde, dass gegenüber den Beklagten ein Anspruch besteht, wäre das der Klägerin vorzuwerfende Mitverschulden (§ 254 BGB., § 2 Abs. 1 EntschGLSA) so gravierend, dass demgegenüber ein etwaiges Verschulden der Beklagten vollständig zurücktreten würde.

Obwohl der Klägerin die angespannte Hochwasserlage bekannt war und obwohl ihr positiv bekannt war, dass bei einem Hochwasser das von ihr errichtete Klinikgebäude nicht ausreichend geschützt war, hat sie weder den erforderlichen Hochwasserschutzdamm fertig errichtet, noch zuzumutende und unabdingbar erforderliche provisorische Schutzmaßnahmen getroffen, um zu verhindern, dass das Hochwasser in die Klinik eindringt.

3.1. Der Klägerin war bekannt, dass die Wetterlage am 12./13. April 1994 zu einem erheblichen Hochwasser führen konnte. Wie sie selbst vorträgt, wurde bereits am 11. April der Schwanenteich überflutet. Dem entspricht es, dass sie eine regelmäßige Kontrolle des Durchlasses an der D. Straße jedenfalls bis zum Abend des 12. April 1994 durchgeführt haben will. Allerdings hat sie die unabdingbar gebotene weitere Kontrolle in der Nacht vom 12. zum 13. April 1994 unterlassen. Angesichts der unstreitig vorausgesagten weiteren Niederschläge wäre die Klägerin gehalten gewesen, gerade in der Nacht für eine ständige Kontrolle zu sorgen, da ein sich in nächtlicher Zeit aufbauendes Hochwasser die Gefahr beinhaltet, dass es zu spät, nämlich erst wenn bereits erhebliche Schäden eingetreten sind, entdeckt wird. Diese Gefahr hat sich im vorliegenden Fall gerade realisiert.

3.2. Die Klägerin wusste positiv, dass sie bei einem sich aufbauenden Hochwasser davon ausgehen musste, dass der Klinikbereich überschwemmt wird. Hierbei kommt es nicht einmal darauf an, ob man dies bereits aus den hydrologischen Abflusswerten, welche der Generalunternehmerin der Klägerin am 05.02.1993 mitgeteilt wurden (GA Bd. II, Bl. 104), zu ersehen war. Schon in dem Gutachten des Erdbaulaboratoriums G. vom 17. Juni 1993 (GA Bd. III, Bl. 118 ff.) ist als Grundlage aufgeführt, dass "Erdgeschoss, das Kellergeschoss und die Terasse der Kurklinik unter bzw. auf den Höhenniveau des mittleren Wasserstandes im M. Bach liegen" (hervorheben durch den Senat) (GA Bd. III, Bl. 120). Dementsprechend endete das Gutachten mit folgender Empfehlung (GA Bd. III, Bl. 128):

"Um die tiefer liegenden Bauabschnitte der Kurklinik B. gegen ein 100-jähriges Hochwasser wirksam zu schützen, sollte neben dem M. Bach ein Erdwall aus bindigem Boden errichtet werden."

Dies wird auch aus dem Plan hinsichtlich der Außenanlagen zur Renaturierung des M. Baches deutlich, wo ein 100-jähriges Hochwasser mit einem Spiegel von 98,33 angenommen wurde (Hülle Bd. I, Bl. 141). Demgegenüber ergibt sich schon aus dem Plan, welcher dem Architekten bei der Planung vorlag, eine niedrigere Höhenkote für Terrasse und Erdgeschoss. Dass dies für das Kellergeschoss erst Recht gilt, liegt auf der Hand.

Die Klägerin hat diese Gefahr auch ausdrücklich selbst wahrgenommen und erkannt, wie sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 11.10.1993 an den Regierungspräsidenten ergibt. In diesem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass es erforderlich sei, "den in unmittelbarer Nähe verlaufenden Vorfluter zur Sicherung vor dem sogenannten "100-jährigen Hochwasser" einzudämmen" (GA Bd. I, Bl. 132). Schließlich wird dies durch das Gutachten des Ingenieurbüros W. & Partner GmbH D. vom 18.11.1993 noch einmal hervorgehoben, da darin ausgeführt wird, dass der Hochwasserschutz der Kurklinik nach dem Bau des Hochwasserschutzwalles gewährleistet ist (hervorheben durch den Senat) (vgl. S. 14 des Gutachtens Anlage K 1).

3.3. Trotz der sich aufbauenden Hochwasserlage und positiver Kenntnis, dass die Klinik vor einem Hochwasser nicht hinreichend geschützt ist, hat die Klägerin nicht die Fertigstellung des Hochwasserschutzdammes - welcher ausgehend von den vorgenannten Erläuterungen einen 100 %igen Schutz gewährleistet hätte - forciert. Es wurden auch keinerlei provisorische Maßnahmen getroffen, um eine entsprechende Wirkung zu gewährleisten. Dies hätte durch eine provisorische Schließung der noch vorhandenen Baulücke in dem Hochwasserschutzdamm ohne Weiteres bewirkt werden können.

3.4. In Anbetracht der sich aufbauenden Hochwassergefahr wäre die Klägerin zudem gehalten gewesen, gerade die besonders dem Hochwasser exponierten Teile der Kurklinik zu schützen. Wie anlässlich des Ortstermines festgestellt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt wurde, ist das Hochwasser durch zwei Schächte eingedrungen, die - vom Senat in Augenschein genommen - noch bis unter das Niveau des Kellergeschosses führen. Da es in der Natur des Hochwassers liegt, jeweils zu dem niedrigst erreichbaren Punkt zu fließen, war ohne Weiteres absehbar, dass bei einem etwaig auftretenden Hochwasser gerade diese Schächte volllaufen würden. Es hätte daher nichts näher gelegen, als Vorsorge zu treffen, um zu verhindern, dass das Hochwasser in diese Schächte einläuft. Auch hier hätte durch Sandsäcke oder die Errichtung einer provisorischen Mauer mit relativ geringem Aufwand der Schaden abgewendet werden können.

Auf vorgenannte Gesichtspunkte hat der Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufmerksam gemacht, ohne dass darauf weiterer Vortrag erfolgt wäre.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 9, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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