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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 26.10.2004
Aktenzeichen: 1 U 30/04
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A, ZPO, HGB, BGB


Vorschriften:

GWB § 124 Abs. 1
GWB § 124 Abs. 2
VOB/A § 2 Nr. 1
VOB/A § 9 Nr. 5
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 2
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 2
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 2
VOB/A § 24 Nr. 1
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b)
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 3
ZPO § 287
ZPO § 287 Abs. 1 S. 2
ZPO § 412
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
HGB § 12
HGB § 17
HGB §§ 48 ff a.F.
HGB §§ 164 ff
BGB § 278
1. Das Zivilgericht stellt die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schadenersatzanspruches wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen selbst fest, es ist an etwaige Entscheidungen der Vergabeprüfstelle bzw. des Vergabeüberwachungsausschusses bzw. der Aufsichtsbehörde des öffentlichen Auftraggebers nicht gebunden. Etwas Anderes gilt nach § 124 Abs. 1 GWB lediglich für bestandskräftige Entscheidungen der Vergabekammern bzw. rechtskräftige Entscheidungen der Vergabesenate der Oberlandesgerichte bzw. des nach § 124 Abs. 2 GWB angerufenen Bundesgerichtshofes.

2. Enthalten die Verdingungsunterlagen lediglich den Hinweis auf das Erfordernis der rechtsverbindlichen Unterzeichnung, so genügt dem auch die Unterschrift eines Vertreters bzw. Beauftragten, soweit dieser mit entsprechender Vertretungsmacht handelt. Ein urkundlicher Nachweis seiner Vertretungsmacht ist nur Aufforderung des Auftraggebers und innerhalb der vom Auftraggeber hierfür gesetzten Frist zu erbringen.

3. Nimmt ein Bieter Änderungen an der Leistungsbeschreibung (hier: Veränderung der Abmessungen von Schaltschränken, Mindermengen einer Eventualposition) vor und legt er seinem Angebot seine eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde, so ist sein Angebot nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A wegen jedem der drei Verstöße zwingend auszuschließen. Es kommt nicht darauf an, ob die vom Bieter vorgenommenen Änderungen zentrale oder wichtige oder eher unwesentliche Leistungspositionen betreffen oder ob die Abweichungen letztlich irgendeinen Einfluss auf die Funktionalität des Angebots haben können.

4. Zwar eröffnen § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A dem Auftraggeber einen großen Beurteilungsspielraum bei der Wertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote; dieser ist jedoch überschritten, wenn die Vergabeentscheidung auf objektiv widerlegten Vorurteilen des Beraters des Auftraggebers beruht.

5. Zur Ermittlung der Höhe des entgangenen Gewinns nach § 287 ZPO trotz unzureichender Darlegung der Angebots-Urkalkulation.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 30/04 OLG Naumburg

Verkündet am 26. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom

14. September 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 31. März 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Halle, 11 O 73/96, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Bietergemeinschaft in einem Vergabeverfahren, begehrt von der Beklagten, der Vergabestelle dieses Verfahrens, Schadenersatz in Form ihres positiven In-teresses an der Auftragserteilung wegen angeblicher vergaberechtswidriger Bezuschlagung eines Konkurrenzangebots.

Die Beklagte, eine Anstalt öffentlichen Rechts, schrieb im Jahre 1995 den Bauauftrag "Neubau Verwaltungsgebäude, Tiefgarage und Dienstwohnungen", getrennt nach Fachlosen, aus, darunter das Los 9 "Gebäudeleittechnik". Die Ausschreibung erfolgte EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 1992.

Die Verdingungsunterlagen enthalten Bewerbungsbedingungen sowie eine durchgehend paginierte Leistungsbeschreibung, bestehend u.a. aus einer allgemeinen Anlagenbeschreibung (S. 3 bis 9), Allgemeinen technischen Vertragsbedingungen (S. 10 bis 28) sowie ein Leistungsverzeichnis (S. 47 bis 184). Auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.

Innerhalb der Angebotsfrist gingen sechs Hauptangebote ein. Nach rechnerischer Prüfung der Hauptangebote lag das Angebot der Klägerin mit einer Bruttoangebotssumme von 3.070.671,09 DM an erster Stelle. Das zweitplatzierte Angebot stammte von der J. GmbH (künftig: J. ) und endete auf 3.092.541,85 DM. Ein Angebot konnte nicht gewertet werden, weil es erhebliche Änderungen gegenüber den Verdingungsunterlagen aufwies; zwei weitere Angebote waren preislich weit abgeschlagen.

Die Beklagte bezog die Angebote der Klägerin und der J. in die engere Auswahl ein. Sie entschied sich letztlich für das Angebot der J. und erteilte diesem Unternehmen den Zuschlag für den ausgeschriebenen Bauauftrag.

Auf Antrag der Klägerin stellte die Vergabeprüfstelle des Regierungspräsidiums Halle mit Bescheid vom 20.12.1995 fest, dass das Vergabeverfahren rechtswidrig durchgeführt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht Halle hat mit seinem am 31.03.2004 verkündeten Urteil der auf 509.351,83 EUR bezifferten Klage teilweise und unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 319.974,47 EUR stattgegeben und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Verletzung von Vergabevorschriften durch die Beklagte durch den Bescheid der Vergabeprüfstelle des Regierungspräsidiums Halle vom 20.12.1995 bestandskräftig festgestellt worden sei; hieran sei das Zivilgericht bei seiner Entscheidung gebunden. Bei ordnungsgemäßem Ablauf des Vergabeverfahrens hätte der Zuschlag auf das Angebot der Klägerin erteilt werden müssen. Dieses Angebot enthalte insbesondere auch keine unzulässigen Änderungen der Verdingungsunterlagen, was im Einzelnen ausgeführt wird. Die Kammer hat den der Klägerin entgangenen Gewinn auf der Grundlage der Ausführungen eines kaufmännischen Sachverständigen geschätzt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 23.04.2004 zugestellte Urteil mit einem am 27.04.2004 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihr bis zum 23.07.2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte dagegen, dass das erstinstanzliche Gericht im Hinblick auf das Bestehen eines Schadenersatzanspruches dem Grunde nach keine eigene kritische Prüfung der angeblichen Vergabeverstöße der Beklagten vorgenommen habe; sie verteidigt den Nichtausschluss der J. in der ersten Wertungsstufe.

Hinsichtlich der Verurteilung zur Höhe rügt die Beklagte eine fehlerhafte Beweisaufnahme, insbesondere durch Beweisanordnungen ohne substantiierten Vortrag der Klägerin zu ihrer Angebotskalkulation und durch die Verwertung nachträglich erstellter Unterlagen. Sie wendet sich auch inhaltlich gegen Einzelheiten der Schadensschätzung.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen.

Die Streithelferin der Beklagten hat im Berufungsverfahren keine eigenen Anträge gestellt.

Der Senat hat am 14. September 2004 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats von diesem Tage (vgl. GA Bd. IV Bl. 134) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des ihr entgangenen Gewinns wegen der pflichtwidrigen Vergabe des Auftrags "Gebäudeleittechnik" an die J. hat; es hat die Höhe dieses Anspruchs zutreffend festgestellt. Die hiergegen mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen der Beklagten sind zwar teilweise begründet, das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig.

1. Der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des X. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt Urteil v. 03.06.2004, X ZR 30/03 - "Klärschlamm", WuW 2004, 988, 989 m.w.N.), der der erkennende Senat in seiner eigenen ständigen Rechtsprechung folgt (vgl. zuletzt Urteil v. 22.03.2004, 1 U 99/03 - "Doppelposition", und Urteil v. 29.04.2003, 1 U 119/02 - "Einzelfrist"), kommt bei einer fehlerhaft durchgeführten Ausschreibung eines öffentlichen Auftrages für den übergangenen erstrangigen Bieter ein Schadenersatzanspruch wegen Verschuldens des Auftragsgebers bei den Vertragsverhandlungen (c.i.c.) in Betracht. Aufgrund der öffentlichen Ausschreibung besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen dem Auftraggeber und jedem Bieter, welches den Auftraggeber verpflichtet, das Vergabeverfahren nach den maßgeblichen Ausschreibungsregeln und -bedingungen abzuwickeln. Der Bieter darf berechtigt auf die Einhaltung der vorgenannten Bestimmungen vertrauen und ist in diesem Vertrauen schutzwürdig. Wird dieses Vertrauen schuldhaft pflichtwidrig verletzt, so hat der Bieter regelmäßig einen Anspruch auf Ersatz seines Vertrauensschadens (s.g. negatives Interesse), d.h. auf die Erstattung der nutzlosen Aufwendungen für die Angebotserstellung, ausnahmsweise jedoch auf Ersatz des entgangenen Gewinns (s.g. positives Interesse), falls der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt wurde - was hier der Fall war - und falls der Zuschlag bei ordnungsgemäßem Verfahrensablauf dem übergangenen Bieter hätte erteilt werden müssen (vgl. BGH a.a.O., 990 m.w.N.).

Das Zivilgericht stellt die Voraussetzungen für das Vorliegen eines solchen schuldrechtlichen Schadenersatzanspruches selbst fest, es ist - entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts - an etwaige Entscheidungen der Vergabeprüfstelle bzw. eines Vergabeüberwachungsausschusses bzw. der Aufsichtsbehörde des öffentlichen Auftraggebers nicht gebunden. Etwas Anderes gilt nach § 124 Abs. 1 GWB lediglich für bestandskräftige Entscheidungen der Vergabekammern bzw. rechtskräftige Entscheidungen der Vergabesenate der Oberlandesgerichte bzw. des nach § 124 Abs. 2 GWB angerufenen Bundesgerichtshofes.

1.2. Die Beklagte hat bei der Prüfung und Wertung der Angebote für den Auftrag "Gebäudeleittechnik" die Bestimmungen der VOB/A in der damals geltenden Ausgabe 1992 (künftig: VOB/A), auf deren Grundlage der Auftrag ausgeschrieben war, pflichtwidrig verletzt. Das Angebot der J. hätte bereits in der ersten Wertungsstufe, nach der formellen Prüfung der Angebote, zwingend ausgeschlossen werden müssen. Zudem hätte es - was im Rahmen der Kausalitätsbetrachtungen weiter auszuführen sein wird - in der vierten Wertungsstufe, im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung, nicht als das annehmbarste Angebot bewertet werden dürfen.

1.2.1. Allerdings war ein Ausschluss des Angebots der J. in der ersten Wertungsstufe nicht etwa wegen einer fehlenden rechtsverbindlichen Unterzeichnung des Angebots geboten.

Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A unterliegen Angebote, die u.a. den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A nicht entsprechen, dem zwingenden Ausschluss. Die Vorschrift des § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOB/A forderte damals die rechtsverbindliche Unterschrift unter dem Angebot. Nach der sehr strengen Entscheidungspraxis des Vergabeüberwachungsausschusses des Landes Sachsen-Anhalt, die auch die Vergabeprüfstelle des Regierungspräsidiums Halle ihrem Bescheid vom 20. Dezember 1995 zugrunde gelegt hat, war von einer rechtsverbindlichen Unterschrift nur auszugehen, wenn innerhalb der Angebotsfrist auch der urkundliche Nachweis der Vertretungsmacht des Unterzeichnenden, z.Bsp. durch beglaubigte Abschriften des Handelsregisterauszuges bzw. durch Vorlage von Originalvollmachten, erbracht worden war (vgl. Beschlüsse v. 24.08.1995, 1 VÜ 13/95, v. 30.11.1995, 1 VÜ 1/94 v. 27.02.1996, 1 VÜ 1/96, sowie in 1 VÜ 8/96 und in 1 VÜ 11/96 und Beschluss v. 29.01.1998, 1 VÜ 11/97; kritisch hierzu insbesondere Prahl BauR 1998, 951 f.). Der erkennende Senat hat diese Entscheidungspraxis bestätigt, soweit entsprechende Anforderungen an den Nachweis der Vertretungsmacht und die Folgen einer Nichterfüllung dieser Anforderungen zuvor in den Verdingungsunterlagen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden waren (vgl. Urteil v. 18.06.1999, 1 U 42/99 <UA S. 9>). Diese Voraussetzung liegt bei der streitgegenständlichen Ausschreibung jedoch nicht vor.

Enthalten die Verdingungsunterlagen, wie hier, in den Bewerbungsbedingungen lediglich den Hinweis auf das Erfordernis der rechtsverbindlichen Unterzeichnung, so genügt dem auch die Unterschrift eines Vertreters bzw. Beauftragten, soweit dieser mit entsprechender Vertretungsmacht handelt (so auch Rusam in: Heiermann/ Riedl/ Rusam, Handkomm. z. VOB Teile A und B, 8. Aufl. 1997, § 21 VOB/A Rn. 7; Ingenstau/Korbion, Komm. z. VOB Teile A und B, 13. Aufl. 1996, § 21 Rn. 13). Hinsichtlich der Rechtsverbindlichkeit der Unterschrift war nämlich Näheres in der VOB/A nicht bestimmt, so dass die gesetzlichen Vorschriften zur Vertretung, vor allem die §§ 12, 17, 48 ff HGB a.F. und die §§ 164 ff BGB, galten, die grundsätzlich die Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde nicht zwingend vorschrieben. Mithin konnte der Nachweis des Bestehens der Vertretungsmacht zum Zeitpunkt des Ablaufes der Angebotsfrist sowie zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung auch nachträglich erbracht werden. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der "in Vertretung" unterzeichnende Herr Z. und der "im Auftrag" unterzeichnende D. zur Abgabe eines rechtsverbindlichen Angebots für die J. bevollmächtigt waren.

Dem steht nicht entgegen, dass damals ganz überwiegend die Beifügung einer Vollmachtsurkunde zu den Angebotsunterlagen aus Sicht des Bieters für zweckmäßig zur Vermeidung von Missverständnissen und Rechtsstreitigkeiten gehalten wurde (vgl. nur Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 21 VOB/A Rn. 13; OLG Naumburg, Urteil v. 31.08.1998, 11 U 72/98).

1.2.2. Die Beklagte hätte das Angebot der J. nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A wegen unzulässiger Änderungen der Verdingungsunterlagen ausschließen müssen; insoweit stand ihr kein Beurteilungsspielraum zu.

Dabei kann offen bleiben, ob das vom Bieter J. selbst verfasste Leistungsverzeichnis ohne Anerkenntnis der Alleinverbindlichkeit des Amtsvorschlages bereits für sich genommen eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen darstellt. Die Bewerbungsbedingungen, Ziffer 7.2. Abs. 1, hatten selbstgefertigte Kurzfassungen des Leistungsverzeichnisses nur bei gleichzeitigem Anerkenntnis der Alleinverbindlichkeit des amtlichen Leistungsverzeichnisses zugelassen.

Eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen liegt jedenfalls sowohl in technischer Hinsicht vor als auch hinsichtlich der vorgesehenen Vertragsbedingungen.

a) Die Bieterin J. hat in ihrem Angebot die technische Leistungsbeschreibung verschiedener Einbauten abgeändert, indem sie vorgegebene Abmessungen in den Positionen 1.07.0010 bis 1.07.0100 von jeweils 400 mm Tiefe auf 500 mm Tiefe erhöht hat (vgl. S. 138, 140, 142, 144, 146, 148, 151, 153, 156 und 158 des amtlichen Leistungsverzeichnisses mit S. 101, 103, 106, 108, 110, 113, 116, 119, 122 und 125 des selbstverfassten Leistungsverzeichnisses der J. ). Sie hat die Pos. 1.7.170 des amtlichen Leistungsverzeichnisses von einer Hauptposition mit 11 Stück (vgl. S. 162) in eine Eventualposition mit einem Stück (vgl. S. 129 des selbstverfassten Leistungsverzeichnisses) umgewandelt mit der Anmerkung, dass Schaltschränke für die Unterstationen entbehrlich seien, weil die Module an anderer Stelle mit eingebaut werden könnten. Beide vorgenannte Änderungen führen zwingend zum Ausschluss des Hauptangebotes. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vom Bieter vorgenommenen Änderungen zentrale oder wichtige oder eher unwesentliche Leistungspositionen betreffen oder ob die Abweichungen letztlich irgendeinen Einfluss auf die Funktionalität des Angebots haben können, weil die Vorschrift die Vergleichbarkeit der Angebote sichern soll und damit einen zentralen Aspekt des in § 2 Nr. 1 VOB/A niedergelegten Wettbewerbsprinzips betrifft (vgl. Prieß in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Komm. z. VOB/A, 2001, § 21 Rn. 39, 41; Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, Handkomm. z. VOB ..., 10. Aufl. 2003, § 21 Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil v. 08.09.1998, X ZR 85/97 - "Gerüststellung", WuW 1998, 1245; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.11.2000, Verg 21/00, IBR 2001, 75; OLG Naumburg, Beschlüsse v. 12.06.2001, 1 Verg 1/01, und v. 17.06.2003, 1 Verg 9/03 - "Betonpflaster"). Eine Wertung als Nebenangebot kommt angesichts eines dann fehlenden kompletten Hauptangebotes nicht in Betracht (vgl. Ziffern 4. und 7.3. der Bewerbungsbedingungen).

b) Die Bieterin J. hat weiter dadurch gegen das absolute Änderungsverbot von Verdingungsunterlagen (vgl. zur Legaldefinition des Begriffes Verdingungsunterlagen § 10 Nr. 1 lit. b) VOB/A 1992) verstoßen, indem sie ihrem Angebot eigene Zahlungsbedingungen und ihre eigenen "Allgemeinen Lieferbedingungen für Erzeugnisse der Elektroindustrie" sowie ihre "Zusätzlichen Liefer- und Montagebedingungen" zugrunde gelegt hat (vgl. Angebotsschreiben, S. 2 und 3). Hiermit hat sie sogar massiv in die vorgegebenen Vertragsbedingungen und mithin in die Vergleichbarkeit mit anderen Angeboten eingegriffen (vgl. nur Prieß, a.a.O., § 21 VOB/A Rn. 40), weil Umfang und Ausmaß der Abweichungen nicht ohne Weiteres festzustellen sind. Die nach Ablauf der Angebotsfrist abgegebene Erklärung der Bieterin J. , dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bieterin aus dem Angebot herausgenommen werden, ist vergaberechtlich unerheblich, weil eine Rücknahme der Änderung der Verdingungsunterlagen eine inhaltliche Angebotsänderung darstellt und damit gegen das Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 1 VOB/A verstößt (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 12.06.2001, 1 Verg 1/01; OLG Düsseldorf a.a.O., BayObLG, Beschluss v. 16.09.2002, Verg 19/02 - "Fassadenarbeiten", VergabeR 2002, 644).

1.3. Die Beklagte hat hinsichtlich der vorgenannten Pflichtverletzungen fahrlässig gehandelt.

Bei ordnungsgemäßer Durchführung der Prüfung und Wertung der Angebote durften ihr die unzulässigen Änderungen der Verdingungsunterlagen durch die Bieterin J. nicht verborgen bleiben. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Angebotsprüfung weitgehend auf ein externes Beratungsunternehmen übertragen hat. Ungeachtet des Umstandes, dass die Mitwirkung eines externen Beraters die Grenze der bloßen Unterstützung nicht überschreiten darf und die Beklagte ohnehin verpflichtet ist, die Eigenverantwortlichkeit für die Vergabeentscheidung zu wahren (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 26.02.2004, 1 Verg 17/03 - "Versicherungsberater I", IBR 2004, 218), hat sie jedenfalls im Außenverhältnis zu den Bietern des Vergabeverfahrens für ein Verschulden ihrer Beraterin nach § 278 BGB einzustehen.

1.4. Die vorgenannten schuldhaften Pflichtverletzungen der Beklagten haben dazu geführt, dass der von ihr vergebene Auftrag nicht an die Klägerin gegangen ist, weshalb die Klägerin ausnahmsweise ihr s.g. positives Interesse am Auftrag, den entgangenen Gewinn, erfolgreich als Schaden geltend machen kann.

1.4.1. Die Beklagte hat das Angebot der Klägerin zu Recht in die engere Wahl gezogen. Hinsichtlich dieses Angebots lag insbesondere kein zwingender Ausschlussgrund vor.

a) Das Angebot der Klägerin ist rechtsverbindlich unterzeichnet. Es wurde u.a. von dem damals zur Alleinvertretung berechtigten Geschäftsführer der B. GmbH Haustechnik, St. B. , unterschrieben, dessen Unterschrift identifizierbar ist. Das vorgenannte Unternehmen wiederum war nach der beigefügten Erklärung der Klägerin, die von beiden Mitgliedern der Bietergemeinschaft ordnungsgemäß unterschrieben war, zur Abgabe verbindlicher Willenserklärungen im Namen der Bietergemeinschaft bevollmächtigt worden.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält das Angebot der Klägerin keine - nach § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A unzulässigen - Änderungen der Verdingungsunterlagen. In den von der Beklagten angeführten Fällen sind die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses in den genannten Positionen ungenau, weil die Leistungsbeschreibung z.T. nach technischen Mindestkriterien, überwiegend jedoch funktional erfolgt. Sowohl die technischen Mindestkriterien als auch die geforderte Funktionalität werden durch die von der Klägerin in diesen Positionen angebotenen Leistungen erreicht. Der Konformität des Angebots zum vorgegebenen Leistungsverzeichnis steht auch nicht entgegen, dass z.T. ein Leitfabrikat bezeichnet ist, weil die verbale technische und funktionale Leistungsbeschreibung der beispielhaften Aufführung eines Leitfabrikats vorgeht. Im Einzelnen:

(1) Betriebssystem des Zentralrechners

Die Forderung in Pos. 1.1.10. (S. 48 ff des Leistungsverzeichnisses) kann nur dahin interpretiert werden, dass irgendein multitaskfähiges Betriebssystem gefordert wird, welches mit einer "Windows"-Benutzeroberfläche arbeitet, ohne dass etwa der Hersteller Microsoft (r) vorgegeben wäre. In der Beschreibung dieser Position auf S. 48 des Leistungsverzeichnisses werden lediglich funktionale Vorgaben gemacht, nämlich Multitaskfähigkeit und eine Benutzeroberfläche in "Windows"-Ausführung. Die Konkretisierung der Konfiguration auf S. 50 des Leistungsverzeichnisses, dort unter Ziffer 11, beginnt mit der Aufführung zweier alternativer Betriebssysteme von Microsoft (r) ohne Angabe der jeweiligen Versionen, so dass hierin keine Vorgabe eines Leitfabrikates gesehen werden kann, allerdings auch keine Einengung entweder auf die genannten Betriebssystem-Typen oder auf Microsoft (r) - Produkte, denn es folgt die Aufforderung, sich über das angebotene Betriebssystem hinsichtlich Typ und Version sowie über den Hersteller des angebotenen Systems zu erklären, was nach objektivem Empfängerhorizont nur so verstanden werden kann, dass auch andere Betriebssysteme und Produkte anderer Hersteller angeboten werden können. Dies entspricht im Übrigen auch dem vom potenziellen Bieter zu erwartenden Inhalt der Leistungsbeschreibung, weil die Beklagte nach § 9 Nr. 5 VOB/A zur produktneutralen Ausschreibung verpflichtet ist.

Diesen funktionalen Anforderungen genügt das von der Klägerin angebotene Betriebssystem "Windows NT", wie der Senat aus eigener Kenntnis weiß und wie es sich auch aus dem gerichtlichen Gutachten des Dr. Ing. G. H. (vgl. Gutachten vom 09.08.1999, S. 3 = GA Bd. I Bl. 130; ergänzendes Gutachten vom 02.02.2003, S. 2 = GA Bd. II, Hülle nach Bl. 172) ergibt. Die Einholung eines weiteren Gutachtens war nach § 412 ZPO nicht geboten, insbesondere nicht zur Frage der Auslegung der Leistungsbeschreibung.

(2) Multitasking

Die Forderung nach einem Multitasking-System in Position 1.1.10. konnte von einem Bieter, wie vorausgeführt, nur dahin verstanden werden, dass irgendein multitaskfähiges Betriebssystem gefordert wird; das von der Klägerin angebotene "Windows NT" wird dieser funktionalen Anforderung nicht nur gerecht, sondern ist das in dieser Hinsicht deutlich leistungsfähigere und betriebssichere System als das von der J. angebotene Betriebssystem "Windows 3.11". Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen (vgl. Gutachten vom 09.08.1999, S. 3 = GA Bd. I Bl. 130; ergänzendes Gutachten vom 02.02.2003, S. 2 f. = GA Bd. II, Hülle nach Bl. 172) Bezug genommen werden, denen der Privatsachverständige der Beklagten, Dipl.-Ing. C. P. , letztlich nichts entgegen zu setzen hat. Der Verweis auf ein unterschiedliches Verständnis des Begriffes "Multitasking" im allgemeinen EDV- und im GLT-Anwendungsbereich (vgl. S. 3 = GA Bd. II Bl. 14) liegt offensichtlich neben der Sache und findet vor allem keinen Anknüpfungspunkt in den Verdingungsunterlagen.

(3) digitale Ein- / Ausgangsmodule

In Position 1.3.50. (S. 84 des Leistungsverzeichnisses) werden nur geringe technische Anforderungen an die Ein- und Ausgangsmodule gestellt, nämlich eine Ausführung als Impulsschaltmodule mit definierter Funktionalität; vom Bieter werden Angaben über Fabrikat und Typ gefordert. Die Leistungsbeschreibung gibt damit aus objektiver Sicht eines potenziellen Bieters zu technischen Einzelheiten kaum Auskunft, so dass die technische Lösung der Klägerin, statt elektromechanischer Impulsschaltmodule eine rein elektronische Schaltung anzubieten, die die gleiche Funktion simuliert (vgl. gerichtliches Gutachten vom 09.08.1999, S. 5 bis 7 = GA Bd. I Bl. 132 bis 134), ebenfalls als ausschreibungskonform zu bewerten ist. Die weiteren, vor allem mit dem Privatgutachten des Dipl.-Ing. P. aufgeworfenen Fragen sind nicht Gegenstand der Angebotsprüfung in erster Wertungsstufe, sondern ggfs. der Wirtschaftlichkeitsprüfung.

c) Die Beklagte hat das Angebot der Klägerin in der zweiten Wertungsstufe, bei der Prüfung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bieter, als geeignet befunden. Ein Ermessensfehlgebrauch ist insoweit nicht zu erkennen. Insbesondere ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass für die Eignung der Klägerin als Bietergemeinschaft ausreichend ist, wenn jedenfalls ein Mitglied der Bietergemeinschaft die erforderliche Fachkunde besitzt, hier die R. mbH.

d) Gründe für einen Ausschluss des Angebots der Klägerin in der dritten Wertungsstufe, also im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit und Auskömmlichkeit der Preise, insbesondere des Angebotsendpreises, liegen nicht vor.

1.4.2. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und -bewertung (s.g. vierte Wertungsstufe) hätte der Beklagten das Angebot der Klägerin als das annehmbarste i.S.v. § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A erscheinen müssen.

a) Bei ordnungsgemäßer Wertung der Angebote hätte das Angebot der J. bereits in der ersten Wertungsstufe ausgeschlossen werden müssen, wie vorausgeführt, so dass das Angebot der Klägerin nahezu konkurrenzlos das preisgünstigste und unter Berücksichtigung aller technischen, wirtschaftlichen und funktionsbedingten Gesichtspunkte das beste Angebot gewesen wäre. Dies stimmt mit der Bewertung der Beklagten überein, wonach die Entscheidung allein zwischen dem Angebot der J. und dem Angebot der Klägerin zu treffen war, während alle weiteren Angebote schon nicht in die engere Wahl gekommen waren (vgl. Prüfbericht der Ingenieurgesellschaft G. mbH vom 19.06.1995 (GA Bd. IV Bl. 66 ff).

b) Selbst wenn jedoch ein Vergleich zwischen den beiden vorgenannten Angeboten in der vierten Wertungsstufe noch zulässig gewesen wäre, hätte die Entscheidung unter Berücksichtigung der objektiven auftragsbezogenen Kriterien zugunsten des Angebots der Klägerin ausfallen müssen.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass sich die gerichtliche Kontrolle von Vergabeentscheidungen in der letzten Wertungsstufe darauf begrenzt, ob der Auftraggeber die eigenen Vorgaben - also die bekannt gemachten Zuschlagskriterien und die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen - und damit die Grenzen seines Beurteilungsspielraumes bzw. Ermessens eingehalten hat und ob die Wertungen den Eintritt willkürlicher Ergebnisse ermöglichen (vgl. BGH, Urteil v. 17.02.1999, X ZR 101/97 - "Krankenhauswäsche", ZVgR 1999, 105). Gerade die Vorschriften des § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A eröffnen dem Auftraggeber einen großen Beurteilungsspielraum, weil der Zuschlag nicht auf das objektiv wirtschaftlichste Angebot, sondern auf dasjenige Angebot zu erteilen ist, welches dem Auftraggeber als das annehmbarste erscheinen durfte (vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss v. 02.04.2001, 1 Verg 4/01 - "Funktionalausschreibung"). Gleichwohl konnte hier die ordnungsgemäße Angebotsprüfung und -wertung nur zur Auswahl des Angebots der Klägerin führen.

Das Angebot der Klägerin war nicht nur geringfügig preisgünstiger als dasjenige der J. . Die technische Lösung der Klägerin war unter den Aspekten der Betriebssicherheit und Verfügbarkeit, die nach Ziffer 1.4.2. der Allgemeinen Anforderungen an die Leitzentrale (S. 11 der Leistungsbeschreibung) maßgeblich waren, auch höherwertiger. Die Schlechterbewertung des Angebots der Klägerin gegenüber dem Angebot der J. durch die Beraterin der Beklagten beruht auf willkürlichen, unsachlichen Vorurteilen, für die insbesondere nach der Besichtigung eines Referenzobjektes der Klägerin in W. kein Raum mehr bestand.

(1) Bereits nach dem Inhalt des Prüfberichts der Beraterin vom 19.06.1995 beruht die Empfehlung der Vergabe des Auftrags an die J. allein auf unzulässigen subjektiven Kriterien, vor allem auf dem Umstand, dass die Beraterin mit der J. bereits zusammengearbeitet hat, während dies mit der Klägerin bisher nicht der Fall war (vgl. GA Bd. IV Bl. 66, 68). Zwar können positive eigene Erfahrungen u.U. in die Eignungsprüfung einfließen. Endet die Eignungsprüfung jedoch, wie hier nach pflichtwidrigem Unterlassen des Ausschlusses des Hauptangebotes der J. in der ersten Wertungsstufe, mit der Bewertung, dass beide Bieter - J. und die Klägerin - jeweils geeignet erscheinen, so ist in der Folge nur noch eine auftragsbezogene Angebotsprüfung vorzunehmen. Bei der weiteren Wertung sind bieterbezogene Kriterien nicht mehr von Bedeutung; insbesondere darf ein vermeintliches "Mehr an Eignung" nicht zur Bevorzugung eines Angebotes führen (vgl. BGH, Urteil v. 16.10.2001, X ZR 100/99, ZfBR 2002, 184).

(2) Die Beklagte hat in ihrer Vergabedokumentation die Betriebssicherheit des Betriebssystems "Windows NT" nie in Zweifel gezogen. Objektiv ist das vorgenannte System wesentlich stabiler und betriebssicherer als "Windows 3.11", was auch die Beklagte einräumt.

(3) Soweit hinsichtlich des Betriebssystems "Windows NT" ursprünglich die Besorgnis etwaiger Ankopplungsprobleme bestanden haben mag, wie sie im Privatgutachten vom 10.04.2000, dort S. 5 f. (GA Bd. II Bl. 16 f.), angeführt werden, waren sie, wie die Beklagte inzwischen ebenfalls einräumt, von Anfang objektiv unbegründet. Das Betriebssystem war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre auf dem Markt, seine Kritiker in der Fachpresse waren bereits verstummt. Gleiches gilt für die Multitaskfähigkeit des Systems. Grundlage für ein betriebssicheres Multitasking ist gerade, dass Hilfsprogramme nicht in das Betriebssystem eingreifen können, wie es mit "Windows NT" (und "UNIX") erstmals gewährleistet wurde (vgl. ergänzendes Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen vom 02.02.2993, S. 2 f. = GA Bd. II, Hülle hinter Bl. 172). Entscheidend ist jedoch dass die insoweit im Nachtrag vom 04.07.1995, dort unter Ziffer 2. aufrechterhaltenen Bedenken von Ankopplungsschwierigkeiten von Netz-Software auf Basis von 16 Bit-Betriebs-systemen mit einem Netzwerk-Betriebssystem auf Basis von 32 Bit offensichtlich nebulös formuliert und in der Sache unzutreffend sind. Die im Schreiben der Streithelferin der Beklagten vom 02.12.1996 (vgl. GA Bd. I Bl. 185 ff) angeführten weiteren Aspekte, insbesondere angeblich höhere Kosten für künftige Erweiterungen der Software, haben nach der vorhandenen Vergabedokumentation für die Vergabeentscheidung keine Rolle gespielt und werden vom Senat als nachträgliche Rechtfertigungsversuche der damaligen Vergabeempfehlung angesehen. Sie haben sich im Übrigen in der weiteren Preisentwicklung im Bereich der EDV-Hardware auch nicht bestätigt.

(3) Hinsichtlich der Bewertung der Impulsschaltmodule sind die pauschalen Bedenken gegen die Betriebssicherheit ebenfalls von vornherein objektiv unbegründet. Spätestens nach der eingehenden Besichtigung und Testvorführung einer Referenzanlage in W. erscheint das Festhalten der Beklagten hieran jedoch auch aus deren subjektiver Sicht sachfremd und willkürlich. Die von der Klägerin vorgeführte Referenzanlage war nach eigener Einschätzung der Beklagten trotz der geringeren Ausdehnung "vergleichbar". Im Ergebnis der Besichtigung wurde die Funktionstüchtigkeit der "softwaremäßigen Nachbildung von Impulsschaltungen" festgestellt (vgl. Aktenvermerk 48 vom 29.06.1995, GA Bd. I Bl. 42), d.h. dass die von der Klägerin angebotene technische Lösung die von den untergeordneten Schaltelementen benötigten Impulse zu liefern vermochte.

Die "worst case"-Szenarien der Beraterin der Beklagten waren überwiegend unrealistisch, weil im Angebot der Klägerin entsprechend der Leistungsbeschreibung (vgl. z. Bsp. Allgemeine Anforderungen, Ziffer 1.4.11. <S. 13 der Leistungsbeschreibung>: Notstromversorgung bei Netzausfällen für die Dauer von mindestens einer Stunde; Ziffer 1.4.13. <S. 14>: dezentrale Steuerung durch Unterstationen u.s.w.) Vorkehrungen gegen solche Störungen getroffen waren. Zudem ist zu berücksichtigen, dass andauernde Netzausfälle nicht nur zum Ausfall der Gebäudeleittechnik, sondern vor allem zum Ausfall der zu steuernden Medien, z. Bsp. Beleuchtung, führen, so dass eine weitere Steuerung während des Netzausfalls obsolet wird. Der Nachtrag zur Vergabeempfehlung vom 04.07.1995 (vgl. GA Bd. I Bl. 57) erweckt unter Hinweis auf eine etwaige höhere Belastung des Datenbuses mit Übertragung von Schaltimpulsen den sachlich ungerechtfertigten Anschein, es könne häufig zu Überlastungssituationen kommen. Unabhängig davon, dass unklar bleibt, welche negativen Auswirkungen hieraus besorgt werden, ignoriert diese Darstellung die vorgenannten Sicherheitsvorkehrungen sowie den Umstand, dass die angebotene Technik aufeinander abgestimmt war. Der Senat nimmt ergänzend auf die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen hierzu Bezug (vgl. Gutachten vom 02.02.2003, S. 3 f. = GA Bd. II Hülle nach Bl. 172).

Der Senat macht sich insgesamt die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen zu Eigen, wonach die technische Lösung der Klägerin gegenüber derjenigen der J. die weit überlegenere leittechnische Alternative ist.

2. Das Landgericht hat die Höhe des der Klägerin entgangenen Gewinns nach § 287 ZPO ermittelt; das Ergebnis ist letztlich nicht zu beanstanden.

2.1. Allerdings ist der Beklagten und ihrer Streithelferin darin zu folgen, dass das erstinstanzliche Sachvorbringen der Klägerin zu ihrer Angebotskalkulation zunächst nicht geeignet war, die Höhe des entgangenen Gewinns aufzuklären. So fehlten, wie beide hierzu hinzugezogene gerichtliche Sachverständige, Dipl.-Ing. M. Sp. und insbesondere Dipl.-Kaufmann A. B. , zutreffend ausgeführt haben, Angaben zu den Verkaufspreisen von Eigenprodukten, den Einkaufspreisen für IBM-Hardware, diverse Kostenaufstellungen und Margen. Indessen hat die Klägerin ihren mangelnden eigenen Sachvortrag jedenfalls dadurch ergänzt, dass sie sich die Ausführungen des vorgenannten Sachverständigen zumindest hilfsweise zu Eigen gemacht hat. Der gerichtliche Sachverständige hat die Lücken in der Angebotskalkulation weitgehend geschlossen und im Übrigen Positionen ohne ausreichend rekonstruierbare Angebotskalkulation als gewinnlos eingestuft.

Das Landgericht und - ihm folgend - der Senat sind jedoch nicht gehindert, die durch die Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten, etwa weil der Beweisbeschluss trotz unzureichenden Sachvortrages der Klägerin und inhaltlich in unbestimmter Weise erging, wie die Beklagte geltend macht. Nach § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO kann eine Beweisaufnahme zur Ermittlung der Schadenshöhe u.U. auch von Amts wegen angeordnet werden. Der Beibringungsgrundsatz ist dadurch gewahrt, dass die Klägerin die Ausführungen des Sachverständigen nachträglich zu ihrem Parteivorbringen erhoben hat. Die Beweisverwertung kollidiert hier auch nicht mit dem Verfassungsrang besitzenden Gebot des rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens.

2.2. Die inhaltlichen Einwendungen der Beklagten gegen das Ergebnis der Beweisaufnahme verkennen, dass die Schadensermittlung nach § 287 ZPO auch im Wege der Schätzung vorgenommen werden darf und dass der Klägerin eine nachträgliche Untersetzung ihrer ursprünglichen Angebotskalkulation möglich sein muss. Der Umstand der Erstellung von Unterlagen in Kenntnis der streitigen Angelegenheit kann allerdings im Rahmen der Beweiswürdigung Bedeutung erlangen.

Der Ansatz des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Kfm. B. , eine auf die einzelnen Leistungspositionen bezogene Einzelschätzung der Teilgewinne vorzunehmen, ist angesichts der differierenden Gewinnmargen sachgerecht und führt zu einem leichter nachvollziehbaren Gesamtergebnis.

Zum Teil war dem Sachverständigen eine auf den konkreten Auftrag bezogene Schätzung des Gewinnanteils möglich. Dies betrifft auch die Position 1.5., weil der Gewinn bei Einschaltung eines Subunternehmers, wie er hier berücksichtigt wurde, regelmäßig geringer ist als bei Eigenausführung durch ein zur Ausführung fähiges Unternehmen. Der gerichtliche Sachverständige und - ihm folgend - die Kammer haben zwar einzelne kalkulatorische Daten retrograd ermittelt, d.h. im Rückschluss aus der Angebotssumme und den branchenüblichen Gewinnmargen. Diese Methode ist aber zulässig; die ihr eigenen Fehlerquellen haben ausreichend Berücksichtigung gefunden, beispielsweise durch einen sehr konservativen Ansatz der jeweiligen Gewinnmargen.

Andere Daten sind unternehmensbezogen geschätzt worden, d.h. nach dem durchschnittlichen Personal- und Materialaufwand des Unternehmens für bestimmte Leistungen. Der Beklagten ist darin zu folgen, dass diese Methode fehlerträchtiger sein mag; der Senat erachtet die vom gerichtlichen Sachverständigen so ermittelten Daten jedoch noch für ausreichend fundiert.

Schließlich zeigt auch eine Gesamtbetrachtung, dass die vom Sachverständigen ermittelte Gewinnmarge der Klägerin im vorliegenden Fall zu dem statistisch ermittelten Branchentrend im Auftragszeitraum in Übereinstimmung steht.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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