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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 23.04.2007
Aktenzeichen: 1 U 47/06
Rechtsgebiete: GWB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 97 Abs. 2
GWB § 114 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 287
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
1. Im Schadenersatzprozess entfaltet die Feststellung des schuldhaften Vergaberechtsverstoßes durch den Vergabesenat für das Prozessgericht Bindungswirkung (§ 124 Abs. 1 GWB); neues Vorbringen des öffentlichen Auftraggebers zum Themenkomplex "Pflichtverletzung" ist präkludiert.

2. Anforderungen an die Darlegung eines hypothetischen Nebenangebotes, auf welches der Zuschlag bei vergaberechtskonformer Entscheidung zu erteilen gewesen sein soll.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 47/06 Oberlandesgericht Naumburg

verkündet am: 23. April 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. April 2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle, 4 O 12 / 06, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 EUR.

Der Kostenwert im Berufungsverfahren beträgt 250.014 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt vom beklagten Land Schadenersatz in Form entgangenen Gewinns wegen einer Verletzung ihrer Rechte als Bieterin in einer EU-weiten Ausschreibung von Bauleistungen.

Der Beklagte schrieb im Jahre 2000 u.a. die Vergabe von Dämmarbeiten an heizungs-, sanitär- und raumlufttechnischen Anlagen im Universitätsklinikum K. der ... - Universität in H. auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A - VOB/A 2000 - EU-weit im Offenen Verfahren aus. Nebenangebote waren nicht ausgeschlossen, sie standen aber u.a. unter dem Vorbehalt des "Nachweises der Gleichwertigkeit" (vgl. S. 6 der Leistungsbeschreibung, unter Ziffer 2.2.) und unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den "besonderen Wünschen" der Nutzer (vgl. S. 18 der Leistungsbeschreibung, unter Ziffer 2.14.). Näheres war hierzu nicht angegeben. Als Kriterien für die Auftragserteilung waren neben dem Preis zehn weitere Wirtschaftlichkeitskriterien bekannt gemacht. Das Leistungsverzeichnis wies Isolierarbeiten mit unterschiedlichen Dämmmaterialien aus, wobei z.T. sehr preisintensive Schlauchisolierungen mit Metalleinlagen, z.T. erheblich preisgünstigere Schlauchisolierungen ohne Metalleinlagen und z.T. preiswerte und erheblich einfacher zu verarbeitende Isoliermatten zum Einsatz kommen sollten.

An der Ausschreibung beteiligten sich zwölf Unternehmen mit ihren Angeboten, darunter die Klägerin und eine Fa. M. GmbH L. (künftig: Fa. M.). Das Hauptangebot der Klägerin war nach Submission und rechnerischer Prüfung mit 4.367.256,45 DM das preisgünstigste. Zwei Bieter, darunter die Fa. M., hatten auch Nebenangebote abgegeben. Die Fa. M. hatte in ihrem Nebenangebot sämtliche Schlauchisolierungen durch alukaschierte Mineralfasermatten ersetzt und damit ein erhebliches Einsparpotenzial hinsichtlich des Dämmmaterials, aber auch durch den Wegfall zusätzlicher Führungen und Formteile, nutzbar gemacht. Das Nebenangebot der Fa. M. war mit 4.298.412,54 DM preisgünstiger als das Hauptangebot der Klägerin.

Die Klägerin hatte mit einem am Abend des 28. November 2000 bei der Vergabekammer eingegangenen Schreiben einen Antrag auf Nachprüfung des Vergabeverfahrens gestellt mit dem Ziel, eine Zuschlagserteilung auf ein etwaiges Nebenangebot der Fa. M., welches ihr zu diesem Zeitpunkt nicht im Einzelnen bekannt war, zu verhindern. Noch vor Zustellung des Nachprüfungsantrags hatte das hier beklagte Land am 29. November 2000 den Zuschlag auf das Nebenangebot der Fa. M. erteilt. Daraufhin hatte die Klägerin ihren Nachprüfungsantrag in einen Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB umgestellt. Das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren endete mit dem am 23. Juli 2001 verkündeten Beschluss des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Naumburg, 1 Verg 2/01, mit dem festgestellt wurde, dass die Klägerin durch die Vergabe des Auftrags an die Fa. M. in ihren Rechten verletzt worden sei. Die Entscheidung wird im Wesentlichen auf die tatsächlichen Feststellungen des Vergabesenats nach durchgeführter Beweisaufnahme gestützt. Danach hatte die Klägerin im Rahmen der Erarbeitung ihres Hauptangebotes, ebenso wie die Fa. M., ein erhebliches Kosteneinsparpotenzial im Austausch von Dämmmaterialien entdeckt und erkannt, dass sich aus den Verdingungsunterlagen kein Hinweis auf die Notwendigkeit des Einsatzes unterschiedlicher Materialien ergab. Sie hatte sich an die Vergabestelle und nach Weiterverweisung an das die Vergabestelle beratende Planungsbüro mit den Fragen gewandt, ob einerseits die Mengenangaben für die Schlauchisolierungen mit Metalleinlagen, die ihr zu hoch erschienen, und insbesondere auch die Art des Dämmmaterials zwingend erforderlich oder ggfs. abänderbar seien. Darauf war ihr die Auskunft erteilt worden, dass die Dämmung mit Schlauchisolierungen der ausgeschriebenen Art vom Auftraggeber ausdrücklich so gewünscht sei. Der Vergabesenat bewertete diese Auskunft als eine Konkretisierung des Leistungsverzeichnisses, wonach es sich beim Leistungstext der von der Klägerin angesprochenen Leistungspositionen um unabänderliche Wünsche des Auftraggebers handele, so dass ein Nebenangebot unter Verwendung anderer Dämmmaterialien keine Aussicht auf Berücksichtigung haben werde. Diese Konkretisierung erfolgte einerseits nicht gegenüber den anderen Bietern, so dass nur die Klägerin von der Abgabe eines entsprechenden Nebenangebotes abgehalten wurde. Andererseits bewertete der Beklagte das Nebenangebot der Fa. M. als gleichwertig und als seinen Vorstellungen und Wünschen bzw. denen der Nutzer entsprechendes Angebot. Hierin sah der Vergabesenat eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach § 97 Abs. 2 GWB.

Die Klägerin hat Ihre Schadenersatzforderungen darauf gestützt, dass sie wegen der ihr erteilten, objektiv fehlerhaften Auskunft die rechtzeitige Einreichung eines Nebenangebotes unterlassen habe, auf welches im Falle der Abgabe der Zuschlag erteilt worden wäre. Sie hat dargelegt, dass sie ein Nebenangebot hätte abgeben können, welches sich auf brutto 4.291.383,70 DM (angegeben stets mit dem Nettobetrag in Höhe von 3.699.468,76 DM) belaufen hätte.

Mit Schriftsatz vom 11. April 2005, der der Beklagten nicht zugestellt worden und dessen Inhalt nicht ausdrücklich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, hat die Klägerin darüber hinaus ihren Schadenersatzanspruch damit begründet, dass das Nebenangebot der Fa. M. nicht zuschlagfähig gewesen sei, weil die damit angebotenen Leistungen nicht gleichwertig zur abgefragten Hauptleistung gewesen seien. Bei der Dämmung von Abwasserleitungen käme der Schallisolierung die größte Bedeutung zu - die von der Fa. M. angebotenen Matten wiesen eine viel geringere Schallpegelminderung auf als Schlauchisolierungen. Bei Nichtwertbarkeit des Nebenangebotes der Fa. M. wäre der Zuschlag auf ihr Hauptangebot erteilt worden.

Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin bei inhaltlich zutreffender Auskunft ein Nebenangebot abgegeben hätte, welches preislich günstiger gewesen wäre, als dasjenige der Fa. M.. Das zuletzt im Rechtsstreit vorgetragene Nebenangebot hätte die Klägerin innerhalb der ihr nach Auskunftserteilung verbleibenden Angebotsfrist nicht erstellen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kammer hat im Schriftsatz vom 11. April 2005 eine Klageänderung gesehen, die sie als unzulässig bewertet hat. Die Klägerin habe versäumt, zum neuen Streitgegenstand mündlich zu verhandeln. Weder habe die Beklagte der Klageänderung zugestimmt noch hielte die Kammer die Klageänderung in diesem fortgeschrittenen Prozessstadium für sachdienlich. Die hilfsweise aufrecht erhaltene ursprüngliche Klage sei unbegründet, weil sich nicht feststellen lasse, dass das hypothetische Nebenangebot, dessen Abgabe die Klägerin aufgrund der falschen Auskunft unterlassen habe, identisch sei mit demjenigen Nebenangebot, welches die Klägerin als Anlage K 8 im Verlaufe des Rechtsstreits vorgelegt hat.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 3. Mai 2006 zugestellte Urteil mit einem am 18. Mai 2006 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihr bis zum 17. Juli 2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Sie macht geltend, dass mit dem Schriftsatz vom 11. April 2006 keine Klageänderung beabsichtigt gewesen sei, sondern dass zu einem Teilaspekt der Fahrlässigkeit der Pflichtverletzung vorgetragen werden sollte. Hiermit habe aufgezeigt werden sollen, auf welche Art und Weise im Vergabeverfahren auch nach der Rüge der nicht sachdienlichen Auskunft durch die Klägerin eine Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit durch die Vergabestelle möglich gewesen wäre, d.h. dass eine Verletzung der Rechte der Klägerin im Vergabeverfahren noch hätte vermieden werden können.

In der Sache verfolgt sie die ursprüngliche Klage fort und vertieft, dass ihr Nebenangebot in Anlage K 8 letztlich dieselben Leistungspositionen substituiere bzw. entfallen lasse, die im Nebenangebot der Fa. M. ersetzt oder gestrichen worden seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Beklagte zu verurteilen, an sie 250.014,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist ergänzend darauf, dass die Klägerin nach ihrer Ansicht im Verlaufe des Rechtsstreits verschiedene hypothetische Nebenangebote vorgelegt habe, was zeige, dass ihr die Abgabe eines aussichtsreichen Nebenangebots innerhalb weniger Tage im Jahre 2000 nicht möglich gewesen wäre.

Der Senat hat am 23. April 2007 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage (vgl. GA Bd. IV Bl. 140) Bezug genommen. Die Akten des Vergabenachprüfungsverfahrens VK - OFD LSA - 7/00 der Oberfinanzdirektion des Landes Sachsen-Anhalt und 1 Verg 2/01 des Oberlandesgerichts Naumburg wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns im Hinblick darauf hat, dass die Beklagte die Klägerin durch eine objektiv fehlerhafte Auskunft von der Abgabe eines Nebenangebotes abgehalten hat.

Im Schadenersatzprozess entfaltet die Feststellung des schuldhaften Vergaberechtsverstoßes durch den Vergabesenat für das Prozessgericht Bindungswirkung (§ 124 Abs. 1 GWB), so dass das z.T. neue Vorbringen der Beklagten zum Themenkomplex "Pflichtverletzung", vor allem zum Inhalt eines Telefonats zwischen der Mitarbeiterin der Klägerin M. H. und dem Mitarbeiter der Beklagten I. , unerheblich ist. Es bestehen auch keinerlei Zweifel daran, dass die Klägerin ohne die fehlerhafte Auskunft der Beraterin der Beklagten ein Nebenangebot abgegeben hätte, welches preislich unter ihrem Hauptangebot gelegen hätte. Der Senat geht weiter auch davon aus, dass die Klägerin bei vollständiger Ausschöpfung aller Einsparmöglichkeiten, identisch zum Nebenangebot der Fa. M., deren Preis mit ihrem fiktiven Nebenangebot hätte unterbieten können. Der Senat hat aber, ebenso wie das Landgericht, keine Überzeugung gewinnen können, dass das fiktive Nebenangebot, welches die Klägerin bis zum 19. September 2000 vorgelegt hätte, preislich tatsächlich unter dem Angebotspreis des Nebenangebots der Fa. M. gelegen hätte. Für diese tatsächliche Bewertung, die im Rahmen von § 287 ZPO zu treffen war, sind folgende Erwägungen maßgeblich:

Die Preisreduzierungen des letzten fiktiven Nebenangebots der Klägerin (Anlage K 8; GA Bd. II Bl. 193 ff.) ergeben sich aus verschiedenen Abweichungen zum sog. Amtsvorschlag, d.h. zum Leistungsverzeichnis der Beklagten. Allein die von der Klägerin zum Gegenstand der Nachfrage gemachten Mengenreduzierungen sowie die Ersetzung der Schlauchisolierungen mit Metalleinlagen durch Matten führen nicht zu einer ausreichenden Preisreduzierung i.S. eines Unterbietens des Nebenangebots der Fa. M.. Selbst bei Berücksichtigung der Preisminderungen durch das weitere Ersetzen der Schlauchisolierungen ohne Metalleinlagen durch Matten läge der Angebotspreis des Nebenangebots der Klägerin noch über demjenigen des Nebenangebots der Fa. M.. Eine Preisunterbietung konnte die Klägerin nur erreichen, wenn sie in ihrem hypothetischen Nebenangebot weiter die Einsparungsmöglichkeiten voll ausschöpft, die sich daraus ergeben, dass wegen der leichteren Verarbeitung der Isoliermatten eine Vielzahl spezieller Formteile und deren Einbau bautechnisch nicht mehr nötig gewesen sind.

Aus der Zeit des laufenden Vergabeverfahrens existieren keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin für ihr beabsichtigtes Nebenangebot alle diese Abweichungen anbieten wollte. Die verifizierbaren Informationen deuten vielmehr darauf hin, dass zwar erhebliche, aber in Relation zum Nebenangebot der Fa. M. keine ausreichenden Preisreduzierungen zum Unterbieten erwogen worden waren. Gegenstand der Nachfrage der Klägerin während der laufenden Angebotsfrist und der fehlerhaften Auskunft hierauf waren ausschließlich die Leistungspositionen 01.02.0010 bis 0540 sowie 02.02.0340 bis 0520 und mithin nur ein Teil derjenigen Leistungspositionen, auf die sich das hypothetische Nebenangebot Anlage K 8 bezieht. Das im Bietergespräch vom 22. November 2000 vorgelegte Schreiben der Klägerin vom 6. November 2000 (Anlage B 5, GA Bd. I Bl. 70 bis 74) enthält zwei Varianten, die maximal zu einer Preisminderung in Höhe von 609.261,40 DM führen, während der preisliche Vorsprung des Nebenangebots der Fa. M. gegenüber dem Hauptangebot der Klägerin 661.728,40 DM betrug. Das fiktive Nebenangebot Anlage K 8 enthält dem gegenüber weitere Abweichungen vom Amtsvorschlag, aus denen insgesamt eine Preisminderung gegenüber dem eigenen Hauptangebot in Höhe von 667.787,69 DM resultiert. Zwar folgt der Senat der Klägerin darin, dass der Inhalt dieses Schreibens nicht ausschließt, dass die Klägerin bei Abgabe eines Nebenangebots noch weitere Einsparmöglichkeiten angeboten hätte, dass das Schreiben also insbesondere keinen sicheren Rückschluss auf den Inhalt des aufgrund der fehlerhaften Auskunft unterlassenen Nebenangebotes zulässt. Es ist auch vorstellbar, dass das Schreiben lediglich die Größenordnung des Preisminderungspotenzials deutlich machen sollte. Insoweit könnte einbezogen werden, dass die Klägerin sich z. Zt. des Bietergesprächs aufgrund der Informationen aus dem Submissionstermin als Ausschreibungsgewinnerin wähnte (preisgünstigstes Hauptangebot). Gleichwohl ist es nicht geeignet, zugunsten der Klägerin zu belegen, dass ihr fiktives Nebenangebot der Anlage K 8 entsprochen hätte.

Für den Senat ist weiter die Motivation der Klägerin während der Angebotserstellung maßgeblich. Zum Zeitpunkt der Nachfrage wusste die Klägerin nicht, dass auch andere Bieter über die Abgabe von Nebenangeboten nachdenken, die ein derart hohes Preisminderungspotenzial haben, wie das von der Klägerin erwogene Nebenangebot. Sie kannte insbesondere den späteren Angebotspreis des Nebenangebots der Fa. M. nicht. Anders, als jetzt im laufenden Rechtsstreit, war ihr also die "Zielmarke", d.h. der zu unterbietende Preis nicht bekannt. Es erscheint dem Senat auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der erstinstanzlichen Beweisaufnahme am 24. September 2003 (vgl. GA Bd. II Bl. 40 bis 47) und am 14. Januar 2004 (vgl. GA Bd. II Bl. 100 bis 102) zweifelhaft, ob mit dem Nebenangebot tatsächlich alle Abweichungen zum Amtsvorschlag, wie in Anlage K 8 aufgeführt, angeboten worden wären. Insbesondere das Herausrechnen der Material- und Arbeitspreise für spezielle Formteile ergab sich nicht "quasi automatisch" aus der Substitution der Dämmmaterialien und hätte zumindest einen höheren Aufwand zum Nachweis der Gleichwertigkeit und zur vorsorglichen Widerlegung der Bewertung als sog. Unterangebot verursacht. Dem erhöhten Angebotserstellungsaufwand hätte ein vergleichsweise geringer Preisminderungseffekt und auch ein höheres Risiko der Ablehnung des Nebenangebots durch den Auftraggeber gegenüber gestanden.

Die Klägerin hat das zum Unterbieten des Angebotspreises des Nebenangebots der Fa. M. erforderliche Einsparungspotential erstmals mit der Klageschrift vom 4. November 2002 (dort Anlagen K 3 und K 4, GA Bd. I Bl. 19 bis 20 und 30 bis 31) und mithin nahezu zwei Jahre nach der Ausschreibung näher bezeichnet. Dies spricht, ohne entscheidend zu sein, ebenfalls dagegen, dass sie ein inhaltsgleiches Nebenangebot bereits im September 2000 abgegeben hätte. Es ist umgekehrt nämlich auch nicht auszuschließen, dass die Anlage K 3, deren Fortschreibung die Anlage K 8 darstellt, auf zusätzlichen Kenntnissen der Klägerin beruhen könnte, die diese erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens erlangte. Die Klägerin wurde während der Durchführung der Bauarbeiten unstreitig von der Fa. M. als Subunternehmerin eingesetzt, wodurch sie - im Zuge der Ausführung der Arbeiten - u.U. nähere Kenntnisse von deren Preisminderungsideen erlangte.

Danach kann offen bleiben, ob die Klägerin, wie sie behauptet und unter Beweis gestellt hat, überhaupt in der Lage gewesen wäre, in der Zeit von Freitagnachmittag am 15. September 2000, an dem das Telefonat mit der fehlerhaften Auskunft stattgefunden haben soll, bis Dienstagmittag um 13:00 Uhr, dem Ende der Angebotsfrist, ein Nebenangebot, vergleichbar der Anlage K 8, anzufertigen. Aus den vorstehenden Gründen verbleiben beim Senat ernsthafte Zweifel am behaupteten Inhalt und Angebotspreis des fiktiven Nebenangebotes der Klägerin. Es fehlt mithin der Nachweis, dass die Klägerin mit ihrem fiktiven Nebenangebot wirklich die Ausschreibungsgewinnerin gewesen wäre.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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